Kapitel 54
• V A L E N T I N •
Das nasse Handtuch in die Ecke werfend, nehme ich mir frische Boxershorts aus dem Kleiderschrank und lege mich auf mein Bett. Seufzend schließe ich meine Augen und versuche, mich zu entspannen. Mein Kopf lässt dies allerdings nicht zu.
Das Gespräch zwischen mir und Mr. Puth hallt in meinem Gedächtnis wieder: "Er erzählte mir, dass du ein guter Mensch wärst, dir deine Mitmenschen schon wichtig wären. Du hast an seinem Programm mitgearbeitet, das er mit Louis entwickelt hatte." "Ich habe nichts dergleichen getan. Lediglich sind ein paar meiner Ideen eingeflossen." "Du wehrst dich doch ganz offensichtlich gegen irgendetwas. Warum vertraust du dich niemandem an?"
Es klopft an meiner Tür. Da unsere Eltern nicht zuhause sind, kann es sich nur um eine Person handeln. "Ava, was willst du?" Es dauert einen Moment, dann betritt sie mein Zimmer. In ihrer Hand hält sie zwei Pizzakartons. "Ich dachte mir, wir könnten es uns ein wenig bequem machen?"
So wie sie dasteht, kann ich sie einfach nicht abweisen. Also winke ich sie zu mir her und richte mich gleichzeitig auf. Ihr Blick wandert über meinen Oberkörper. "Lenny, das sieht wirklich schlimm aus." "Wow, ich glaube bisher niemanden das sagen gehört zu haben", murmle ich und nehme ihr meine Pizza ab. "Ich meine es ernst. Sollten wir nicht deswegen ins Krankenhaus fahren?" Kopfschüttelnd beiße ich von der Salamipizza ab. "Das sieht schlimmer aus, als es ist. Nach ein paar Tagen sind die blauen Flecken verschwunden."
"Rede nie wieder abfällig gegenüber deine Schwester in meiner Gegenwart. Sie ist die einzige, die sich noch um dich sorgt, der du wichtig bist", höre ich Anton sagen.
Er verfolgt mich nicht nur in meinen Träumen. Manchmal wünsche ich mir, Anton endlich vergessen zu können.
Aber er ist mir zu wichtig, dass er aus meinem Leben gehen könnte...
"Sag mal, ähm, warum hast du dir heute so große Sorgen gemacht?" "Das fragst du noch? Valentin, du bist seit Monaten nicht mehr wiederzuerkennen!" In ihren Augen spiegelt sich Besorgnis wider. Ich kann es nicht leiden, sie so zu sehen. "Ava, es ist-" "Wir sollten nun endlich mal darüber reden. Darüber, warum du dich von Levi getrennt hast." "Es gibt nichts zu red-" "Hör doch auf! Ich habe dich noch nie so glücklich gesehen, wie als du mit ihm zusammen warst!"
Als ich den Mund öffne, hebt sie aufgebracht die Hand. "Nein! Es war nie offiziell zwischen euch beiden gewesen, trotzdem habe ich gemerkt, dass es nun doch gefunkt hatte. Du wirktest so unbeschwert, Lenny." "Hör auf, das hier bringt überhaupt nichts. Meine Beziehung mit Anton ist so schnell vorbei, wie sie begonnen hat. Und das ist auch besser so."
Meine Schwester verdreht genervt die Augen. Ich sehe ihr zu, wie sie aufsteht. In der Hoffnung, sie würde mich nun alleine lassen, bemerke ich entsetzt, wie sie die Tür abschließt. "Was tust du?" "Wir bleiben solange hier, bis du mir sagst, was du mit all dem Scheiß erreichen willst", erwidert sie, "Ist dir eigentlich klar, dass all das total bescheuert ist? Warum machst du das?" "Das geht dich doch überhaupt nichts an!"
Empört richte ich mich auf und gehe auf sie zu. Sie schaut mir ungeniert in die Augen, als ich vor ihr stehe. "Öffne die Tür und verpiss dich." "Ganz bestimmt nicht", entgegnet sie gleichermaßen genervt und steckt den Schlüssel in ihren Ausschnitt. "Alter, was wird das denn?", frage ich angewidert. "Dort würdest du niemals reingreifen, um den Schlüssel zu bekommen."
Das ist gleichzeitig raffiniert wie hinterhältig. Diese Idee hätte von mir sein können...
"Willst du, dass ich wütend werde?", zische ich zwischen zusammengepressten Lippen. Sie scheint es aber nicht zu interessieren, denn sie drängt sich mir vorbei zum Bett. Ich kann nicht anderes tun, als ihr zuzusehen, wie sie ihre Pizza weiter isst. "Ava!"
"Valentin, dir waren früher solche Dinge wie andere Menschen nicht wichtig. Aber jetzt ist alles anders. Du hast eine Person an dich herangelassen und Gefühle zugelassen." "Du hast Recht. Früher war mir vieles egal. Ob jemand an mich denkt oder mich vermisst. Es interessierte mich nicht", ich atme tief aus, "Bis ich ihn traf...Da erkannte ich, dass mir vieles wichtig sein sollte", spreche ich die Wahrheit aus.
Seufzend lasse ich mich neben meiner Schwester nieder und spiele mit meinem Pizzakarton. "Und jetzt? Levi ist dir doch immer noch wichtig." "Er bedeutet mir so viel..." "Warum hast du dann-" "Ich brauche ihn an meiner Seite. Die gemeinsame Zeit mit ihm war unglaublich gewesen. Ich habe, ähm, nie jemanden so sehr geliebt."
Ava legt ihre Hand auf meine und streicht mit kleinen Bewegungen über meinen Handrücken. "Siehst du, du bist ein ganz anderer Mensch geworden!" "Selbst wenn...Anton ist ohne mich besser dran. Glaube mir, ich bringe nur Unglück über ihn", meine ich und weiche ihrem verwirrenden Blick aus. "Was meinst du damit? Warum denkst du das? Ich kann dir mit Sicherheit sagen, dass du ihn wahnsinnig glücklich gemacht hast. Deshalb verstehe ich auch nicht, weshalb ihr-" "Ich musste ihm das Herz brechen, um ihn zu schützen."
Es dauert einen Moment, bis sie meine Worte realisiert. "Wovor? Bitte sprich mit mir, Bruderherz." "Kannst du dich an das Charité Event erinnern? Als Vater sich den Collisters vorgestellt hat, hatte ich schon ein schlechtes Gefühl", ich seufze, "Später hat er Anton bedroht, wenn ich nicht mit ihm Schluss mache, würde er ihm und seiner Familie etwas antun. Denkst du wirklich, ich hätte ihn einfach so gehen gelassen? Verdammt, ich liebe diesen Jungen!"
"Du hättest mit Levi darüber reden können", schlägt sie vor, drückt dabei meine Hand. Ich spüre, wie sich die Anspannung, die ich seit Monaten auf mir trage, löst. Es ist das erste Mal, dass ich über dieses Dilemma spreche. Es tut so gut, sich jemandem anvertrauen zu können.
"Das ist nicht so einfach, Ava." "Aber warum denn nicht? Die Collisters sind Anwälte, sie kennen sich also mit dem Umgang solcher Leute aus. Und weißt du, es hätte ihm sicherlich viel bedeutet, wenn du dich Levi anvertraut hättest. Sowas ist wichtig in einer Beziehung."
Das hat er mir auch immer wieder gesagt...
"Scheiße", ich lasse den Kopf hängen und schließe verzweifelt die Augen, "Ich habe es so versaut!" "Du wolltest ihn nur beschützen. Ich kann es nicht wirklich nicht glauben, dass Dad so weit gehen würde", sie lehnt sich an mich, ihr Kopf liegt an meiner Schulter. "Dieser Mann ist ein Mistkerl", grunze ich, lege währenddessen meinen Arm um sie. "Du darfst dich nicht unterkriegen lassen, Valentin. Jetzt hast du mich an deiner Seite, ich helfe dir, alles wieder ins Reine zu bekommen."
Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. Deshalb küsse ich sie auf die Stirn, um ihr somit "Dankeschön" zu sagen. Wir sitzen eine Weile nur so da, ohne etwas zu sagen. Irgendwann knurrt aber ihr Magen, sodass wir uns lachend voneinander lösen.
"Hör auf", brummt sie schmollend und greift nach ihrer Pizza, "Ich habe nun mal Hunger. Das ist kein Verbrechen." Mit zusammengepressten Lippen hebe ich die Arme. "Ich sage nichts."
"Du solltest definitiv dich wieder mehr auf die Schule konzentrieren, Valentin", schaltet sie nun wieder auf das andere Thema, "Auch wenn es als Protest gegenüber unseren Vater ist, bringt es dich nicht weiter. Damit schneidest du dir nur selbst ins Fleisch, wenn du deshalb nicht nach Europa darfst." Achselzuckend beiße ich von der lauwarmen Pizza ab. "Es ist wahrscheinlich sowieso schon zu spät. Sowohl um meinen Abschluss als auch um meine Beziehung mit Anton könnte es nicht schlechter stehen."
Mit einem breiten Grinsen hebt sie nun ebenfalls die Schultern. "Das würde ich jetzt so nicht sagen. Zum einen bist du nicht dumm, wenn du dich anstrengst, kannst du innerhalb einiger Wochen wieder gut dabei sein. Und außerdem bist du Levi nicht egal. Warum hätte er dich sonst heute gesucht?" "Er hat dir einen Gefallen getan, mehr nicht." Augenverdehend gibt sie mir einen Klaps gegen den Arm. "Okay, in Sachen Liebe bist du doch ein Schwachkopf. Er macht sich Sorgen um dich! Natürlich ist er verletzt, du hast auch nicht gerade schöne Dinge bei eurer Trennung gesagt. Aber glaube mir", sie zwinkert, "Es ist noch nichts verloren."
Valentin hat sich nun endlich einer Person anvertraut. Wird nun endlich alles besser? 💫
Ava glaubt fest daran, dass die Beziehung noch zu retten ist 😯
Was denkt ihr, wie es weitergehen wird?
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