Kapitel 48
• A N T O N •
Als ich die Wendeltreppe nach unten laufe, steht Valentin bereits in seiner Perfektion am Ausgang und wartet auf mich.
Mein Herz macht Luftsprünge, als er mir entgegenkommt und seine Hand ausstreckt. "Bist du bereit, zu flüchten?" Glücklich nicke ich und ergreife seine Hand, verschränke unsere Finger ineinander, um es noch mehr zu genießen. "Das wollte ich den ganzen Abend machen", sage ich und beobachte ihn dabei, wie er unsere Hände an seinen Mund führt und meinen Handrücken küsst.
"Wir sollten verschwinden, bevor man die Hunde loslässt", meint er und führt mich nach draußen in die angenehme Abendluft. Schweigend laufen wir nebeneinander her, schwelgen darin, diesen Moment für uns alleine zu haben.
"Also, ähm, du möchtest wahrscheinlich nicht darüber reden, aber über was haben du und dein Vat-" "Der Mond scheint heute Abend ziemlich hell", unterbricht Valentin mich, sein Blick starr nach oben gerichtet.
Obwohl es mir einen kleinen Stich ins Herz versetzt, dass er sich mir nicht anvertrauen möchte, kann ich nicht anders, als meinen attraktiven Freund anzuhimmeln.
Der Mond spiegelt sich in seinen Augen, während sein Gesicht hell erleuchtet wird. Er sieht aus wie ein griechischer Gott. Mein Blick fällt auf seine vollen Lippen, nach denen ich mich augenblicklich sehne.
"Valentin." Er wendet sich mir zu und als würde er meine Gedanken lesen können, küsst er mich. Hier, auf offener Straße. Wenige Passanten laufen an uns vorbei, starren uns womöglich an. Aber das zählt für uns nicht. Dieser Moment gehört ganz alleine uns.
Nach einer gefühlten Ewigkeit lehnt er sich zurück. Seine Augen sind von Liebe getränkt. Doch auch von irgendwas, das ich nicht wirklich einschätzen kann.
Was ist mit ihm?
"Gehen wir noch ein bisschen spazieren?", fragt er mich, wartet aber nicht ab, sondern zieht mich einfach weiter. "Valentin, bedrückt dich etwas?" Es scheint, als würde er meine Worte überhören. Ohne auf seine Umgebung zu achten, geht er wahllos weiter. Als wäre er wirklich auf der Flucht vor etwas. Oder jemanden.
"Rede mit mir, Valentin", bitte ich ihn, rede aber wieder nur gegen eine Wand. "Valentin."
Warum redet er denn nicht mit mir?
"Hast du Hunger? Sollen wir uns etwas zu essen holen?" "Nein, ich bin nicht hungrig. Ich will aber, dass du mit mir sprichst", erwidere ich, "Was ist passiert, als du mit deinem Vater gesprochen hast?", frage ich nun mit sanfter Stimme und mustere ihn besorgt. Seufzend weicht er meinen Blicken aus. "Er hat wie immer Müll gelabert. Das ist uninteressant. Vertraue mir."
Das tue ich. Ich vertraue ihm wie keinem anderen.
Wir laufen einige Zeit einfach nur ziellos herum. Doch ich kann nicht wirklich abschalten. Ich sehe es meinem Freund an, dass ihn etwas bedrückt. Aber er scheint nicht darüber reden zu wollen.
Wenn ich ihn aber dazu dränge, wird er vollkommen dichtmachen. Und das möchte ich auch nicht.
Irgendwann spazieren wir über eine Brücke, von dort aus entdecke ich ein buntes Lichtermeer. "Schau mal!", rufe ich entzückt aus, "da scheint ein Jahrmarkt zu sein." Valentin betrachtet mit gerunzelter Stirn das Spektakel. "Dabei ist noch nicht einmal ein besonderer Feiertag", seufzend sieht er mich an, "Du willst dorthin, stimmt's?"
Er kennt mich einfach zu gut. Bei sowas kommt das Kind in mir zum Vorschein. Schon damals bin ich gerne mit meinen Eltern auf solche Rummel gegangen.
Begeistert ziehe ich ihn weiter, obwohl er nur widerwillig mitläuft. "Wir gehen auf jeden Fall zum Schießstand, wenn es einen gibt. Damit du etwas für mich gewinnen kannst." Darüber muss er schmunzeln. "Es muss natürlich gleich ein total kitschiger Ausflug werden. Soll ich dir gleich noch ein Lebkuchenherz kaufen und wir teilen uns Zuckerwatte?"
Zwar weiß ich, dass er mich damit nur aufziehen will, aber ich bin davon entzückt. Das sieht er mir auch an, denn seine Augen weiten sich entsetzt. "Das kann nicht dein Ernst sein?", stöhnt er, "Warum gebe ich mich bloß mit dir ab?" "Weil du mich so sehr liebst", erwidere ich lächelnd und küsse ihn auf die Wange.
Während wir Richtung Jahrmarkt laufen, vibriert es in meiner Brusttasche. "Einen Moment..."
Schweren Herzens lasse ich seine Hand los, um nach meinem Smartphone zu suchen. Mum ruft an. Ich nehme den Anruf entgegen.
"Hallo, Schätzchen. Ich wollte nicht stören." "Alles gut, Valentin und ich wollten jetzt auf einen Jahrmarkt gehen", erzähle ich und muss schmunzeln, als ich sehe, wie er die Augen verdreht. "Dein Vater und ich haben uns schon gedacht, dass ihr beide euch weggeschlichen habt. Sein reizender Vater macht hier gerade einen halben Aufstand, weil Valentin nicht aufzufinden ist. Vielleicht sollte er sein Telefon ausschalten. Ich kenne diesen Mann nicht, würde ihm aber zutrauen, Valentin damit aufspüren zu wollen."
Daran habe ich gar nicht gedacht. Aber sie hat Recht. Es wäre Mr. Bishop zuzutrauen, dass er seine eigene Familie womöglich verwanzt hat.
"Danke für die Warnung, Mum. Zur Sicherheit mache ich es auch, okay?" "Ist gut, Liebling. Aber melde dich dann doch nochmal, wenn ihr auf dem Weg nach Hause seid", bittet sie mich. "Mache ich."
Als ich auflege, fragt Valentin, was los sei. "Dein Vater sucht nach dir." "Welch Überraschung", brummt er und setzt sich wieder in Bewegung. "Mum meinte, du solltest dein Handy ausschalten, damit er dich nicht irgendwie aufspüren kann", sage ich, während ich selbst meines ausschalte.
Er wirft mir einen zweifelnden Blick zu, ich erwidere ihn aber standhaft. "Ihm ist so einiges zuzutrauen, also bitte, tue es." "Ist ja gut." Ich bin erleichtert, als seinen Handy die Power ausgeht, und entspanne mich. "Zufrieden?", fragt er und wackelt mit seinem Smartphone in der Hand vor meiner Nase herum.
Hand in Hand gehen wir weiter, stürzen uns ins Getümmel. Es ist ziemlich viel los dafür, dass es schon so spät ist. Sogar noch Kinder rennen umher, erfreuen sich über das vielseitige Angebot.
Mein Freund sieht sich zähneknirschend um, ihm gefällt es gar nicht, unter so vielen Menschen zu sein. Dafür finde ich es umso schöner, dass er mit mir hier ist.
"Weißt du schon, was du zuerst tun möchtest?", erkundigt er sich, als wir an der Kasse stehen. Die Schlange ist zum Glück nicht allzu lang. "Wir können uns ja erstmal umsehen, dann habe ich einen besseren Überblick. Aber wir fahren nachher auf jeden Fall Riesenrad!", beschließe ich übereifrig. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände darüber, wie er meine Idee findet. "Was denn? Hat der große Valentin Bishop etwa Höhenangst?", ziehe ich ihn grinsend auf. "Nein, aber ich stehe auf sowas einfach nicht."
"Ach komm schon. Es wird dann wie bei Love, Simon." Verwirrt betrachtet er mich, was mich stocken lässt. "Sag mir nicht, du kennst diesen Film nicht?" "Muss ich das denn?" "Love, Simon ist so ziemlich der süßeste Liebesfilm des letzten Jahres! Und es geht um einen schwulen Jungen! Den musst du doch gesehen haben." "Schatz, das Schwulste an mir bist du", erwidert er, kramt dabei nach seinem Portmonee, weil wir gleich dran sind.
Über seinem Kommentar grinsend bemerke ich, wie einige Leute uns ansehen. Unter anderem vier Mädchen, ungefähr in unserem Alter, die achtlos meinen Freund anstarren und alle drei Sekunden kichern. Er kriegt davon natürlich nichts mit.
Grummelnd lege ich meine Arme von hinten um ihn und schmiege mich an seinen muskulösen Rücken. "Was machst du da?", höre ich ihn fragen. Meine Aufmerksamkeit liegt auf den Weibern, die uns aufmerksam beobachten. Ihre Münder stehen dabei offen, als könnten sie nicht glauben, was sie da sehen.
Ladies, gebt mir eure Nummern, und ich schicke euch ein paar Videos. Dann ist jeder Zweifel verschwunden, glaubt mir...
"Ich mache nur deutlich, was mir gehört", erwidere ich und nehme seinen unglaublich maskulinen Geruch wahr. Gäbe es ihn als Parfum, würde ich ihn überall verteilen, um immer ein wenig Valentin bei mir zu haben.
"Du Spinner", meint er und reicht dem Ticketverkäufer ein paar Scheine, "Zweimal, bitte." Mit unseren Eintrittskarten in der Hand gehe ich erhobenen Hauptes an den Mädchen vorbei, neben mir meinen gutaussehenden Freund.
Als er es bemerkt, dreht er sich zu ihnen um, sieht dann mich mit hochgezogener Augenbraue an. "Von denen lässt du dich also provozieren?" Schulterzuckend kicke ich einen Stein zur Seite. "Ich mag es halt nicht, wenn du von irgendwem angehimmelt wirst." "Außer du bist es selber, der bei meinem Anblick sabbert", schmunzelt er und umfasst dann mein Kinn, "Dann liefern wir denen aber auch eine echte Show."
Seine Lippen treffen auf meine, saugen regelrecht an meinen. Seufzend lege ich meine Arme um seinen Hals und presse mich enger an ihn. Mein Körper spielt verrückt, als seine Zungenspitze über meine Unterlippe streicht. Bereitwillig öffne ich meinen Mund, empfange seine Zunge. Sie liefert sich mit meiner einen heißen Kampf.
Entzückt quitsche ich auf, als Valentin mich auf einmal hochhebt und, ohne unseren Kuss zu unterbrechen, trägt. Ich finde mich an der Wand eines Standes wieder. Er hat seine Hände neben meinem Kopf abgestützt. "Sollen wir dann?" Er macht eine Andeutung auf das Riesenrad, das nur einige Meter von uns entfernt steht.
"Ganz nach Love, Simon?" "Solange ich nicht wie bei Wie ein einziger Tag an so einer Kapsel hängen muss, mache ich alles", erwidert er grinsend und nimmt wieder meine Hand.
Zwischen den beiden scheint es ja in Ordnung zu sein...Valentin möchte sich aber auch nicht Anton anvertrauen.
Was geht in ihm vor? 🤔
Kurze Anmerkung: Wer hat "Love, Simon" auch geschaut und liebt ihn so sehr wie ich? 😍
Nächstes Kapitel: 22 Uhr
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