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XVII | Kräfte

„Alles in Ordnung?", riss mich Candices Stimme zurück in die Realität. Ich beeilte mich zu nicken, versuchte, die beklemmende Enge der Flure zu ignorieren.

„Sicher?" Sie runzelte die Stirn und sah mich von der Seite an. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."

Ich wandte den Blick von den hellen Leuchten ab. „Ja, alles gut. Lass uns dieses Kräfte-Zeugs einfach schnell hinter uns bringen."

„Tut mir leid, wenn ich irgendwelche Hoffnungen zerstören muss, aber das wird keine einmalige Sache sein. Dieses Kräfte-Zeugs der Hauptgrund, weshalb du überhaupt hier bist."

Ich schwieg, obwohl ich ihr innerlich dankbar war. Sie lenkte mich immerhin von dem Traum von letzter Nacht ab. Der Gang schien schon wesentlich ungefährlicher. Nicht so, als würde eine der Lampen jede Sekunde anfangen zu flackern.

„So schlimm ist das aber nicht, das wirst du auch noch bemerken", fuhr sie fort. „Am Anfang ist das Kontrollieren relativ schwierig, aber das legt sich über die Jahre."

„Jahre?" Das hörte sich nicht besonders optimistisch an. Was, wenn ich noch mehr als ein paar Monate in Linti festsaß?

„Was hast du denn gedacht? Dass du heute einmal mit den Fingern schnipsen wirst und die Sache ist erledigt?"

Nicht so simpel, aber so ähnlich. Die Ungläubigkeit in ihrem Ton warf mich allerdings aus der Bahn.

„Es ist eigentlich gar nicht kompliziert, braucht aber eine Menge Übung. Bis du die hast, dauert es schon eine Weile. Aber mach dir keine Sorgen, das wird schon. Bisher hat es erst einer geschafft, sich selbst mit seinen Kräften umzubringen."

Das war genau das, was man als unwissender Neuankömmling hören wollte. Ich wollte nicht unbedingt die zweite sein, die diesen Erfolg aufzuweisen hatte.

Bevor ich irgendetwas sagen konnte, deutete Candice auf eine Abzweigung des Flurs. „Ich muss jetzt abbiegen, viel Glück noch. Wir sehen uns dann am Nachmittag."

Damit verschwand sie um die Ecke.

„Bis später", murmelte ich, doch vermutlich kam es nicht einmal mehr bei ihr an. Jetzt war ich ganz auf mich allein gestellt. Wie damals, als dich alle verlassen haben, flüsterte ein kleiner Teil meines Bewusstseins. So gut es ging blendete ich ihn aus und sah mir die Karte der Stadt an. Ich musste diesem Flur nur ein Stückchen weiter folgen und dann war es die dritte Tür rechts.

Diese war ein kleines Tor, von dem allerdings nur der rechte Flügel aufging. Und dahinter trat ich in eine große Halle mit steinernem Boden, in der sich bis auf ein paar Stühle und einen verloren herumstehenden Tisch nichts befand. Als ich zurück auf den Plan schaute, um mich zu vergewissern, dass ich am richtigen Ort war, trat eine hochgewachsene Frau hinter einem Pfeiler hervor. Vor Schreck ließ ich den Airscreen fast fallen.

„Ich bin Jade", begrüßte sie mich. Dann blickte sie mir in die Augen. „Nelly, oder?"

Ich nickte. Gestern beim Durchstöbern meines Terminkalenders hatte ich schon vermutet, dass sie die Jade war, an die Dr. Ning seine Wette verloren hatte. Das bestätigte sich nun. Sie wirkte eindeutig wie jemand, der ihm etwas entgegensetzen konnte. Ihr Gang war selbstsicher, als sie den Raum bis zu den Stühlen durchquerte, und alles an ihr schrie förmlich nach Selbstbewusstsein. Die Art, wie sie ihre roten Haare ohne System lose hochgesteckt hatte, ihr charakteristischer, eher praktikabler Kleidungsstil, ihre Gestik. Da blieb nur noch zu hoffen, dass ihre gewonnene Statue nicht ganz so seltsam war als das, was Dr. Ning in seinem Büro herumstehen hatte.

Vor einem der Stühle blieb sie stehen und winkte mich zu sich. „Komm ruhig hier rüber, hier ist es gemütlicher. Und mach bitte die Tür noch zu."

Ich folgte ihren Anweisungen und setzte mich dann auf einen der Stühle. Sie tat es mir nach.

„Und, wie war dein erster Eindruck von Linti?"

Überrascht sah ich auf. Mit der Frage hätte ich nicht gerechnet. Eher damit, dass sie direkt mit ihrem Programm anfangen würde.

„Verwirrend", sagte ich nach ein wenig Überlegen. Eigentlich war der erste Eindruck nicht nur Verwirrung, sondern um einiges negativer gewesen, aber das konnte ich so schlecht sagen. Sie konnte schließlich nichts dafür, dass Evyen mich in Unwissenheit gelassen oder David eine Affäre mit Daria angefangen hatte. Die Enttäuschung und Wut, die erneut aufwallten, schluckte ich so gut es ging hinunter.

Sie lächelte warm. „Kann ich mir vorstellen. Das muss alles furchtbar viel gewesen sein. Erst in einer völlig fremden Umgebung aufzuwachen, und dann auch noch mit den Silvereyes-Experimenten konfrontiert zu werden."

„Hm", machte ich zustimmend. Im Gegensatz zu Dr. Ning schien sie ihre Worte wirklich ernst zu meinen. Oder mich zumindest nicht nur provozieren zu wollen. Trotzdem hoffte ich, sie würde schnell auf die Kräfte kommen. Was ich gerade am dringendsten brauchte, war kein Mitleid, sondern Ablenkung. Von dem nicht bewältigbar scheinenden Berg an Problemen, der sich in den letzten Tagen aufgehäuft hatte.

„Ich sehe, du würdest lieber direkt zum Punkt kommen", sagte sie glücklicherweise nach einigen Sekunden Stille. „Gut. Ich gehe mal davon aus, dass du keinerlei Vorwissen zu der genauen Funktionsweise der Kräfte hast."

Ich schüttelte den Kopf. „Jedenfalls nicht mehr als das, was man über die Goldeneyes in Geschichte lernt."

Sie schlug ein Bein übers andere. „Dann hast du wenigstens schonmal einen Überblick darüber, was für Ausprägungen die Kräfte haben können. Es könnte sowohl etwas eher Klassisches wie die Kontrolle über Wasser sein, oder etwas eher Unkonventionelles wie das Aufspalten von Mechanismen in ihre Einzelteile."

Oder auch bloße Zerstörung, fügte ich in Gedanken hinzu. Wie bei Candice.

„Egal, was es am Ende ist, alle Kräfte haben den gleichen Aufbau." Jade tippte auf einen Airscreen neben ihr und ein horizontaler Bildschirm erschien zwischen uns. „Die Kraft an sich." Auf dem Bildschirm tauchte ein Kästchen mit der Aufschrift „Kraft" auf. „Einen Auslöser." Das passende Kästchen erschien auch hierzu. „Und eine Nebenwirkung." Ein letztes Kästchen ploppte auf.

Jade zeichnete einen Kreis um die drei Begriffe und erläuterte: „Wie sich jeder Aspekt manifestiert, ist individuell von Person zu Person und meistens haben die drei Aspekte auch nichts Ersichtliches miteinander zu tun. Trotzdem ist es für die Kontrolle der Kraft wichtig, jeden einzelnen genau zu kennen, nicht nur die Kraft an sich.

Ohne dass der Auslöser gegeben ist, wirst du nämlich keinen Zugriff auf die Kraft haben. Und wenn du dir der Nebenwirkungen nicht bewusst bist, könnten die am Ende im schlimmsten Fall zum Tod führen. Wie mächtig du am Ende sein wirst und wie präzise du die Kraft einsetzen kannst, hängt von Selbsteinschätzung und Gleichgewicht ab. Und das erhältst du nur durch Übung, Übung und noch mehr Übung.

Um es klarzustellen, wie schnell du sie kontrollieren können wirst, hängt allein von dir selber ab. Du kannst dir sowohl wenig als auch viel Mühe bei unseren Trainingseinheiten geben. Letzteres wäre mir aber lieber. Je schneller ich dich als keine Gefahr für deine Umwelt und dich selber sehe, desto eher kannst du zurück nach Edinburgh."

Der letzte Satz war kein offizieller Teil der Einführung mehr, sondern genau an mich gerichtet. Als ich Jades bohrendem Blick begegnete, lief mir ein Schauder über den Rücken. Anscheinend lag mein Schicksal nun zu großen Teilen in ihren Händen. Und sie hatte vollkommen recht. Wenn es meinen Aufenthalt in Linti verkürzen würde, würde ich mich wohl wirklich mehr anstrengen.

Sie war diejenige, die den Blickkontakt unterbrach und die Aufmerksamkeit zurück auf den Bildschirm lenkte. In dem Moment wechselte ihre gesamte Ausstrahlung von Streng wieder zurück zu Freundlich. Der fließende Übergang war zugegebenermaßen beeindruckend.

„Also, was würdest du vorschlagen, was wir jetzt machen sollten?", fragte sie.

Ich folgte ihrer Handbewegung zu den drei Begriffen. Kraft, Auslöser und Nebenwirkungen. „Herausfinden, wie die Aspekte bei mir aussehen?", riet ich.

„Genau", sagte sie zufrieden. „Am sinnvollsten ist es, mit dem Auslöser anzufangen, obwohl er schwieriger zu erkennen ist als die Kraft. Warum?"

„Um die Kraft zu benutzen, braucht man den Auslöser. Training wird schwierig, wenn die Kraft zufällig kommt und geht."

„Außerdem kann man so effektiv herausfinden, was die anderen beiden Aspekte sind. Auf den Auslöser folg die Kraft und auf diese die Nebenwirkungen. Neben dieser Abfolge gibt es noch eine andere Regelmäßigkeit. Im Anfangsstadium reagiert die Kraft sehr sensibel auf Emotionen. Genau genommen ersetzen sie die Kontrolle, auf die wir hinarbeiten werden.

Wenn du jetzt mit dem Auslöser konfrontiert werden würdest, du dich aber in einer ganz alltäglichen Situation ohne außergewöhnlich starke Emotionen befindest, würde wenig passieren. Solltest du in einer anderen Situation jedoch besonders starke Gefühle empfinden, sieht das anders aus. Meistens kommt es zu einem unkontrollierten Ausbruch der Kräfte, der sich auf ein oder mehrere willkürliche Ziele richtet. In seltenen Fällen könnte es auch zur Blockierung der Kräfte führen, das heißt, es passiert gar nichts. Soweit alles klar?"

Meine Augen huschten von ihr zum Display und blieben am letzten der Kästchen hängen. „Du hast vorhin gesagt, man könnte an den Nebenwirkungen sterben. Ist das wirklich...?" Alle Möglichkeiten, die Frage zu beenden, hörten sich zu gewichtig an. Als wäre der Tod wirklich ein realistisches Schicksal.

„Nebenwirkungen sind immer gefährlich", bestätigte Jade. „Sie könnten zum Beispiel zum Austrocknen des Körpers führen. Fatal wird es allerdings nur, wenn man seine Kräfte über einen längeren Zeitraum intensiv einsetzt. Da deine Fähigkeiten noch nicht so stark ausgeprägt sind, brauchst du dir darüber aber noch keine Sorgen machen."

„Und das kann auch nicht aus Versehen passieren?", fragte ich zweifelnd.

„In deinem jetzigen Stadium nicht. Wie gesagt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen."

Ganz überzeugt war ich immer noch nicht, gerade wegen Candices Anspielung von vorhin. Trotzdem hatte es keinen Zweck, mich selber verrückt zu machen, wegen etwas, das ich nicht einmal ganz verstanden hatte. Besser, ich machte mir erstmal ein vollständiges Bild.

„Wie findet man denn heraus, was der Auslöser ist?"

Jade tippte auf den mittleren Begriff, sodass dieser der Einzige war, der noch auf dem Bildschirm verblieb. „Wir werden eine Liste von Möglichkeiten anlegen und die dann von oben nach unten durcharbeiten. Von mindestens einer Situation, in der deine Kräfte zum Vorschein gekommen sind, wissen wir ja schon."

Meine Augenbrauen wanderten in die Höhe. Ausprobieren? Eigentlich hätte ich gedacht, es gäbe eine Art wissenschaftliches Prozedere, so wie die Leute hier in Linti wirkten.

„Und wie genau soll das dann funktionieren, ohne dass man die Kraft kennt?", hakte ich nach. Es machte zwar Sinn, mit dem Auslöser anzufangen. Aber was, wenn man Wasser kontrollieren konnte und man sich in einem Raum ohne Wasser befand?

„Du weißt doch sicher, wie deine Kräfte erschienen sind, oder?"

Sofort hatte ich wieder mein Zimmer vor Augen. Die Dunkelheit, mein Bett, den Regen im Hintergrund. „Das Fenster. Die Scheiben haben sich erst gewellt und sind dann zersprungen."

„Und genau das werden wir versuchen, nachzustellen. Damit fangen wir aber erst morgen an. Heute brauchen wir nur noch die Liste, und dann sind wir fertig."

Ich musterte den fast leeren Bildschirm. Dann begann ich, Jade alle Details meines Zimmers an dem Abend zu schildern.

*

Ich kam erst spät in meinen Raum zurück. Nach der Besprechung mit Jade hatte ich erstmal mehrere Stunden Zeit gehabt, um diverse Schulaufgaben zu erledigen. Und dann hatte Candice darauf bestanden, mit mir Essen gehen zu wollen. Nun war es zehn Uhr.

Ich unterdrückte ein langes Gähnen und betrat den kleinen Raum. Meine Tasche stellte ich zum Schreibtisch, holte den Airscreen hervor und legte mich aufs Bett.

Wie von alleine öffnete ich die Liste der möglichen Auslöser. Sie fing an mit alltäglichen Gegenständen wie Kissen und hörte mit Konzepten wie weich auf. Als Jade erklärt hatte, dass Konzepte ein häufigerer Auslöser waren als Gegenstände, hatte sie mich ziemlich überrascht. Am erstauntesten war ich allerdings darüber, dass mich so etwas überhaupt noch überraschen konnte.

Ich legte den Airscreen wieder weg und sah mich im Raum nach einer sinnvollen Beschäftigung um. Schule wäre eine Idee, ich könnte mir etwas zum Lesen holen, wie Candice es empfohlen hatte...

Plötzlich stutzte ich. Irgendwas hatte sich hier verändert, während ich Essen gewesen war. Erneut blickte ich ziellos durch den Raum, bis ich bemerkte, wo der Unterschied lag. Auf dem runden Tischchen an der Tür stand ein brauner, gewöhnlich aussehender Karton mit einer Notiz darauf.

Neugierig stand ich auf und sah ihn mir genauer an. Doch das erste, was ich dieses Mal von ihm wahrnahm, war die rechtsgeneigte, geschwungene Handschrift auf der Notiz. Evyens Handschrift.

Ich dachte, das hier würde dich interessieren. Wir kannten uns weit besser, als ich immer erzählt habe. Du kannst den CD-Spieler in der Box benutzen. Wie versprochen, keine Lügen mehr.

Ich starrte auf den Zettel und las ihn noch einmal. Die Worte machten immer noch keinen Sinn. Wen kannte Evyen besser, als sie zugab? Warum sollte mich das was angehen? Und wozu der CD-Spieler? Waren CDs nicht schon seit Ewigkeiten veraltet? Ich fürchtete, die Antworten würde ich nur in dem Karton finden.

Darauf bedachte, nichts kaputt zu machen, öffnete ich den Deckel. Ein kleiner CD-Spieler zwischen einer Menge an quadratischen Hüllen eingequetscht, die vermutlich CDs beherbergten. Ich zog eine der Hüllen heraus und öffnete sie. Mein Verdacht hatte sich bestätigt. Doch die Buchstaben, die sich auf der runden Scheibe befanden, ließen die Welt kurz vor meinen Augen verschwimmen. Ich kannte diese Schrift. Sie hatte sich seit meiner Geburt in mein Gedächtnis eingebrannt.

Mit zitternden Händen hob ich die Hülle an und las, was darauf stand. Tagebuch 24.

Da ich fürchtete, die CD würde mir bald aus der Hand rutschen, legte ich sie zurück. Ein Schauder lief mir über den Rücken, als ich den Karton erneut betrachtete. Vor mir stand das Tagebuch meiner Mutter.

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