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XV | Silvereyes

Als ich frisch geduscht aus dem Bad kam, fühlte ich mich um einiges besser als zuvor. Außerdem hatte ich mir vorher in Ruhe gemütliche Klamotten herausgesucht, was ebenfalls zum Aufschwung meiner Laune beitrug.

„Du hast ja ewig gebraucht. Ist das kalte Wasser endlich angegangen?", erkundigte sich Candice. Sie hatte es sich auf dem Bett gemütlich gemacht und las in einem antik aussehenden Buch.

„Nein." Zum Glück nicht.

Ich setzte mich mangels Alternative auf das Fußende des Bettes und fuhr mit der Bürste durch meine halbtrockenen Haare. Das hatte ich zwar schon im Bad gemacht, aber ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte, während Candice mit ihrem Buch beschäftigt war.

In den letzten Stunden hatten wir in einem kleinen Lokal irgendwo im Westen der Stadt gegessen. Danach waren wir alle Straßen in der Umgebung einmal abgegangen. Das klang viel, aber da nur zwei Drittel überhaupt frei zugänglich und davon über die Hälfte verlassen war, war es eine Sache von eineinhalb Stunden gewesen. Als das dann erledigt war, waren wir in mein Zimmer zurückgekommen, um den Healthpoint-Check zu machen. Bei der Gelegenheit hatte ich beschlossen, erstmal zu duschen.

Jetzt hatten wir noch etwa eine halbe Stunde, bevor dieser Dr. Ning mich sprechen wollte. Ich war mir nicht sicher, was ich mit der anfangen sollte.

Nachdem ich meine Bürste weggebracht hatte, legte Candice ihr Buch zur Seite. Dann setzte sie sich auf und sah mich erwartungsvoll an. Ich runzelte die Stirn.

„Wenn du im Türrahmen stehen bleiben willst, gerne. Du kannst aber auch herkommen." Sie deutete mit dem Kinn aufs Bett.

Zögernd setzte ich mich zu ihr. „Warum?"

Sie hob eine Augenbraue und strich sich eine dunkle Strähne über die Schulter. „In einer halben Stunde triffst du Dr. Ning."

„Und?"

Der würde mir hoffentlich so einiges erklären. Und wenn er es nicht konnte, würde ich Evyen fragen. So hatte ich es mir jedenfalls gedacht.

„Ich möchte dich nur ungerne unvorbereitet zu ihm lassen. Er kann sehr... speziell sein. Also, falls du Fragen hast, frag."

Auf einmal? Meinte sie nicht noch vor ein paar Stunden, dass Dr. Ning mir alles beantworten würde, weil sie ohnehin nicht alles wüsste? Doch wenn sie es schon anbot, konnte ich es auch nutzen.

„Warum bin ich hier?"

„Kompliziert. Liest du viel?"

Ich sah sie verwirrt an. „Nicht wirklich. Nur ab und an mal."

„Wenn du schon in einer großen Bibliothek bist, kannst du das ja in Zukunft ändern." Sie warf einen Seitenblick zu ihrem Buch. Dann schaute sie zurück zu mir. „Dann eben auf eine andere Art. Ist in letzter Zeit irgendetwas Seltsames passiert?"

„Abgesehen davon, dass Evyen mich in unterirdische Städte verschleppt, nachdem ich herausgefunden habe, dass mein Freund mich schon seit Wochen betrogen hat?", konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.

„Oh. Tut mir leid. Ist er oder sie immerhin hübscher als du?"

Ich hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte. Ich wollte das Thema nur nicht weiter ausführen. Obwohl ich es selber aufgerissen hatte. Aus Versehen allerdings.

„Daria, falls sie dir etwas sagt. Können wir aber vielleicht wieder zurück zu Linti kommen?"

Sie richtete sich gerade auf. „Klar. Irgendwas anderes außer den beiden Sachen noch?"

Sie hatte keine Ahnung, wie viel die letzten Tage geschehen war. Selbst mir kam es unwirklich vor, wenn ich daran zurückdachte.

„Es gab die Abgesandten. Laut Evyen sind sie-"

„Die meinte ich nicht", unterbrach sie mich. „Obwohl ich auch schon Bekanntschaft mit ihnen geschlossen habe."

„Du hast auch Immortalité-Gene?", fragte ich überrascht.

Sie legte den Kopf schräg und musterte mich neugierig. Ich konnte nicht einmal im Ansatz erahnen, was in ihren Gedanken vor sich ging. Mein Magen zog sich unbehaglich zusammen.

„Habe ich. Aber das meinte ich eigentlich auch nicht", sagte sie schließlich.

„Meine Fensterscheibe ist gestern explodiert. Und die im Wohnzimmer."

Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Perfekt. Wusstest du, dass es immer noch Leute gibt, die eine Art Superkräfte haben?"

Ich fing an, an meinem Ring herumzudrehen. Nein. Wusste ich nicht. Eigentlich hatte ich gedacht, das wäre etwas, das es nur in der Vergangenheit gegeben hatte. Aber das war vermutlich nicht das, was sie hören wollte. Also sagte ich nichts.

„Du hast sicher schon so einiges von den Goldeneyes gehört, oder?"

Ich nickte.

„Gut, dann können wir das überspringen. Vor bestimmt hundert Jahren haben die Weltregierungen jedenfalls wieder angefangen, die Forschungen davon zu übernehmen und zu verbessern. Mit der Hilfe des World Astronomical Projects, kurz WASP. Herausgekommen ist eine neue Generation, die Silvereyes. Auch mit sehr guten Defendergenes und Kräften."

„Und ich bin eine davon?"

„Genau."

Plötzlich wusste ich, warum sie darauf bestanden hatte, dass ich mich hinsetzte. Obwohl ich es wahrhaben wollte... welchen Grund hatte sie, zu lügen? Es erklärte die Fensterscheiben und ein wenig auch, wie ich an die Immortalité-Gene gekommen war.

„Das heißt, die Abgesandten waren wegen der Kräfte da? Damit es nicht eskaliert?", folgerte ich.

„Du brauchst keine Zeit, um das zu verarbeiten? Das waren streng geheime und schockierende Informationen."

Ich zuckte die Schultern. In den letzten Tagen war so viel passiert, da war ihre Enthüllung noch eins von den unspektakulären Dingen. Und immerhin kam ich damit einer Erklärung für alles einen bedeutenden Schritt näher.

„Wenn du meinst. Ja, hauptsächlich deswegen. Evyen hatte die Abmachung mit den Leuten vom Forschungsprojekt, dass sie dich zu ihnen zurückgeben würde, wenn deine Kräfte zum Vorschein kommen. Was ohnehin schon Ewigkeiten gedauert hat. Normalerweise erwachen sie mit vier oder fünf Jahren."

„Und Linti ist die neue Forschungsstation?" Zurückgeben klang danach, als wäre ich schon einmal dort gewesen. Was nur die Station in Mexico City bedeuten konnte. Die abgebrannt war. Durch die Kräfte eines Silvereyes? Vielleicht war ich ja verantwortlich für den Tod meiner Eltern. Ich schluckte.

„Linti? Nein, die sitzen immer noch in Mexico. Kurz nach dem Feuer sind sie für eine Zeit in die Zentrale von WASP umgezogen. Jetzt sollten sie aber wieder zurück sein."

„Und wo sind wir dann jetzt?"

„Evyen hat dich zu einer Art Gegenorganisation gebracht. Sie hat keinen wirklichen Namen, woran jemand am besten mal was ändern sollte. Zusammengefasst kannst du aber froh sein, hier und nicht in Mexico zu sein. Es ist um einiges netter hier. Und du hast mich als Gesellschaft."

Sie grinste, doch als sie meinen Gesichtsausdruck sah, veränderte sich ihre Miene. „Geht es dir nicht gut?"

„Ich...", fing ich an und überlegte, was ich als nächstes fragen konnte. Dann riss ich mich jedoch zusammen. „Was hat das Feuer ausgelöst?"

Candice entspannte sich sichtlich. „Der letzte Goldeneyes. Seine Kräfte wurden ausgelöst und er hat das halbe Gebäude niedergebrannt. Sich selbst inklusive."

Ich stieß einen erleichterten Seufzer aus. Das war es also gewesen. Keiner der Silvereyes, sondern einer der „alten" Generation.

Einen Moment lang herrschte Ruhe, die ich nutzte, um die Informationen ein wenig sacken zu lassen. Irgendwann brach Candice jedoch diese Stille.

„Übrigens, wir müssen langsam mal los. Dr. Ning mag es nicht, wenn man weniger als zehn Minuten zu früh kommt", sagte sie, die Hand bereits auf ihrem Buch. Dann stand sie auf und ging zur Tür. Ich folgte ihr. Das Gespräch um drei hatte ich fast vergessen.

Während wir erst durch die Bibliothek und später durch den Westteil liefen, ordnete ich weiterhin meine Gedanken. Evyen hatte mir nicht die vollständige Wahrheit erzählt, Jean und Laurie könnten auch Silvereyes sein, es gab zwei Organisationen, die in der Sache drinhingen. Und die Regierungen legten es anscheinend auf eine weitere Apokalypse an. Es war viel zu verdauen, doch ich steckte alles ungewöhnlich leicht weg. Vielleicht war dank der letzten Woche einfach keine Energie mehr übrig.

Als wir einer Straße bis zum Eingang des geschlossenen Bereichs folgten, fragte ich: „Was... kann ich denn? Was habe ich für Kräfte?" Diese Frage hatte mich schon seit ein paar Minuten beschäftigt. Was brachte eine Fensterscheibe dazu, sich zu wellen und zu zerspringen?

„Endlich. Ich dachte, schon, du wärst eine dieser nervigen Charaktere, die lieber aus dem Fenster springen würden als nachzufragen." Sie schenkte mir einen anerkennenden Blick. „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Bei manchen ist es direkt beim ersten Erscheinen klar, bei manchen eher weniger. Bei dir ist es nicht besonders eindeutig, wenn es so ist, wie du erzählst. Selbst ich hätte Glas zum Zerspringen bringen können."

„Wie denn?"

„Meine Kräfte zerstören."

„Zerstören?" Das war alles? Sollten Kräfte nicht eher so etwas tun wie Feuer oder Wasser beherrschen?

„Grob gesehen, ja."

Wir waren an einer Milchglastür angekommen, die genau so aussah wie die in dem Korridor vor meinem Zimmer. Candice legte den Finger auf ein rechteckiges Feld und etwas innerhalb der Wände entriegelte sich.

„Jetzt aber bitte so tun, als ob ich dir nie von allem erzählt hätte. Eigentlich hätte ich das nämlich gar nicht gedurft. Und wenn dir irgendetwas herausrutscht, Evyen hat es dir gesagt. Oder du hast es dir selbst gedacht. Verstanden?"

Ich konnte ihr nicht einmal antworten, als sie schon einen kleinen Knopf betätigte. Die Tür öffnete sich zischend. Sie gab den Blick auf einen schmalen Flur frei, an dessen Ende eine Treppe in die Tiefe führte.

Mit schnellen Schritten navigierte Candice durch den unbekannten Teil der Stadt. Wir mussten insgesamt sieben Treppen hinuntergehen, bis wir endlich vor einer dunklen Holztür standen. Sie sah genauso aus wie die restlichen in diesem Flur. Der einzige Unterschied bestand in dem kleinen Schild daneben, auf dem der Name Dr. Ning Jianyu eingraviert war.

Auf Candices Klopfen hin ertönte ein knappes „Herein" und wir betraten das Büro. Dr. Ning, ein konzentriert dreinblickender Mann in seinen Mittdreißigern, sah nicht einmal von seiner Arbeit auf, als er hinzufügte: „Du kannst wieder gehen, Candice, danke." Candice rollte die Augen, folgte seinen Anweisungen aber. Beim Verlassen raunte sie mir ein kurzes „Viel Glück" zu.

Die Zeit, die er noch in anderes vertieft war, nutzte ich, um das Büro genauer zu betrachten. Es war groß und hell, wie ganz Linti ausgeleuchtet mit Tageslichtlampen. An einer Wand thronte ein deckenhohes Bücherregal mit Leiter, in dem sich allerdings mehr sonstige Dekoration als Bücher befand. Darunter eine Halterung, in der ein goldener Augapfel schwebte. Ich runzelte die Stirn und sah mir schnell die andere Seite des Raumes an. 

Hinter seinem Schreibtisch stand ein schmaler Aktenschrank, neben dem ein paar Gemälde mit aufwendig gearbeiteten Rahmen hingen. Die Krönung bildete allerdings die Wand gegenüber der Tür. Durch eine weite, verglaste Flügeltür konnte man auf einen Balkon gehen, der über endlosen im Licht glitzernden Bücherregalen schwebte. Das musste dann wohl das Archiv sein, von dem Candice gesprochen hatte.

Ein leises Klacken lenkte meine Aufmerksamkeit zurück zum Schreibtisch. Dr. Ning hatte seinen Stift zur Seite gelegt und lehnte sich in seinem Stuhl weit zurück. Seine dunklen Augen musterten mich kritisch. Am liebsten wäre ich direkt wieder aus dem Raum gerannt.

„Nelly Cavanagh", sagte er schließlich. Ich bemerkte erst jetzt, dass seine Stimme überraschend angenehm war, auch wenn sie Spuren von weiter Überlegenheit enthielt. „Es wurden schon Wetten abgeschlossen, wann du zu uns kommen würdest. Wie es scheint, wird eine meiner Statuen nun an Jade gehen. Wie ärgerlich. Aber wir wollen fair spielen, nicht wahr?" Er sah mich abwartend an, als würde er eine zustimmende Reaktion von mir erwarten. Ich starrte jedoch nur zurück. So langsam begriff ich, was Candice mit speziell meinte.

Als ich auch nach mehreren Sekunden nicht reagierte, schlug er ein Bein übers andere und schnalzte mit der Zunge. „Nun, dann lass uns lieber direkt zum Thema kommen. Evyen hat dich lange genug hiervon ferngehalten. Wie wir sie doch alle lieben. Dank ihr weißt du wahrscheinlich nicht einmal, warum du ohne deine Eltern aufwachsen musstest."

Er machte eine weitere Pause, und dieses Mal wandte ich meinen Blick ab. Nur, um das regungslose Starren des Augapfels auf mir zu spüren. Ich hätte sogar schwören können, er hätte sich ein wenig in meine Richtung bewegt.

„Und dann auch noch diese Geschichte mit dem Pulver. Ihre Motive kann ich nachvollziehen, aber sie hätte dir wenigstens so weit vertrauen können, dass sie früher damit herausgerückt wäre."

Unwillkürlich entwich mir ein Schnauben. Zu all seinen Äußerungen erlaubte er sich auch noch, mir nicht einmal einen Stuhl anzubieten. Außerdem verspürte ich das plötzliche Bedürfnis, Evyen verteidigen zu müssen.

„Sie können Evyen nicht leiden, ich habe es verstanden", schnappte ich. „Und Ihr falsches Mitgefühl können Sie sich genauso sparen."

Er grinste. Was für ein arroganter Idiot. Am liebsten hätte ich seinen schrecklichen Augapfel mit meinen angeblich existierenden Kräften aus dem Fenster geschmissen. Dann würde ihm das Grinsen vergehen. Doch leider wollten sie nicht so wie ich und nicht ein Lüftchen bewegte sich.

Bevor ich es mir anders überlegen konnte, schob ich noch hinterher: „Ich finde es übrigens auch äußerst unhöflich, mich einfach hier stehen zu lassen. Ich bin nicht diejenige, auf dieses Treffen bestanden hat."

„Sicher, setz dich." Er deutete mit einer ausladenden Geste auf einen flachen, drehbaren Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches. Seine Augen funkelten amüsiert. Meine Enttäuschung darüber, dass die Augapfel-Aktion nicht funktioniert hatte, schoss in die Unendlichkeit. Am liebsten hätte ich ihm in allerbester Chaeng-Manier hier und jetzt die Meinung gegeigt und dann einen Abgang hingelegt. Trotzdem nahm ich Dr. Nings Angebot an.

„Du hast Temperament, das gefällt mir" sagte er.

Pädophiler Arsch, dachte ich.

„Jetzt zu dem ursprünglichen Programm. Zuerst alle nötigen Informationen, dann der organisatorische Teil und zum Schluss die Fragen. Ist bis dahin alles klar?"

Ich nickte, die Arme vor der Brust verschränkt. Vermutlich wäre es besser gewesen, Entspanntheit vorzutäuschen. Doch dazu war ich gerade nicht in der Lage. Vor allem nicht, wenn er so offen zeigte, dass er mich für komplett unterbelichtet hielt.

Der erste Teil seiner ach so wichtigen Informationen würde vermutlich genau das sein, was Candice mir bereits erklärt hatte. Im Unterschied zu ihr fing er zwar ganz am Anfang an, aber die Geschichte der Goldeneyes war auch nichts Neues. Trotzdem hörte ich aufmerksam zu. Es war durchaus möglich, dass der Welt noch mehr als die Silvereyes verschwiegen wurde.

„Gut. Es fing an mit der Entdeckung von unintelligenten außerirdischem Leben auf dem Planeten DO149c sieben Monate vor der Technischen Katastrophe und Arthur Versus' Experimente ein halbes Jahrhundert später. Er stellte ein Team aus den kompetentesten Wissenschaftlern dieser Zeit zusammen, um die Bedingungen des Planeten hier nachzustellen. Damit wollten sie versuchen, noch unbekannte für den Menschen nützliche Merkmale hervorzurufen. Wie es sich herausstellte, überlebten aber weder Tiere noch Menschen in dieser Umgebung. Jedenfalls, bis sie auf die Idee kamen, es mit Neugeborenen zu probieren."

Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er es auflistete wie jeden beliebigen Fakt. Als wären die illegalen Menschenversuche damals nicht eines der schlimmsten Ereignisse der Katastrophe gewesen. Von den Kinderrauben brauchte ich nicht mal anzufangen. Das war wie es aussah der Punkt, an dem er selbst durch den letzten Empathie-Test durchfiel.

„Daraus wurden dann die Goldeneyes", fuhr er fort. „Sie hatten nicht nur ihre unerklärbaren Kräfte und die charakteristischen goldenen Augen. Oft waren sie auch außergewöhnlich stark, scharfsinnig oder gut aussehend und konnten sich mühelos an Dinge erinnern, die in ihrer frühsten Kindheit passiert sind. Die Unverwundbarkeit, von der man immer hört, ist jedoch mehr Mythos als Wahrheit. Ursache dessen waren ihre sehr guten Defendergenes und die Übertreibungen in Erzählungen.

Nachdem die Goldeneyes mit viel Aufwand wieder unter Kontrolle gebracht wurden, lagen die Experimente vorerst brach. Vor einhundertdrei Jahren wurden sie allerdings wieder von WASP und den Weltregierungen aufgenommen. Sie entwickelten das Verfahren weiter, bis auch ältere Versuchspersonen nicht mehr verstarben. Interessanter waren jedoch die Nachkommen dieser Personen. Sie hatten bis auf die Augenfarbe und Kräfte, die diesmal kontrollierbar waren, dieselben Eigenschaften wie die Goldeneyes.

Die Bezeichnung „Silvereyes" für die neue Generation ist dabei aus Zufall entstanden. Die drei ersten Kinder, die geboren wurden, hatten alle gräuliche Augen. Die Wissenschaftler bei WASP gingen fälschlicherweise davon aus, das sei ein ähnlicher Defekt wie bei den Goldeneyes. Das nächste Kind bewies mit seinen braunen Augen zwar das Gegenteil, aber der Name blieb.

Etwa ein Jahr später hat sich herausgestellt, dass das Verfahren doch nicht so weiterentwickelt war wie gedacht. Die ersten Erwachsenen wurden krank und starben meist ein paar Monate später. Bald darauf folgten auch die restlichen. Zurück blieben die Kinder."

Dr. Ning machte eine bedeutungsvolle Pause. Darauf hatte er wohl mit dem Tod meiner Eltern angespielt. Die Reaktion, die er erwartet hatte, konnte ich ihm aber nicht geben. Allerhöchstens war ich nun noch verwirrter.

„Gab es nicht noch ein Feuer in der Station?", fragte ich.

Er warf mir einen missbilligenden Blick zu. Dann erst fiel mir ein, dass die Fragen in seiner Reihenfolge am Schluss dranwaren. Trotzdem ließ er sich großzügigerweise dazu herab, die eine Frage zu beantworten.

„Darauf wollte ich jetzt zurückkommen. Es war das Endergebnis eines Komplotts im Inneren von WASP und wurde vom letzten damals lebenden Goldeneyes ausgelöst. Dreißig Menschen sind dabei umgekommen, darunter dein Vater. Deine Mutter starb eine Woche später an den Folgen der Experimente. Es tut mir leid, dass du kaum Zeit mit ihnen verbringen konntest."

Bei diesem Satz grub ich meine Fingernägel in meine Handflächen. Man sah ihm deutlich an, dass er kein bisschen Mitgefühl hatte. Genauso gut hätte er direkt sagen können, die unzähligen Tode durch diese Experimente seien ihm vollkommen egal gewesen. Ich schluckte meine Wut hinunter und bemühte mich, weiterhin zuzuhören.

„Das Feuer war auch der Zeitpunkt, an dem Evyen dich mit der Hilfe deiner Mutter aus der Forschungsstation herausschmuggelte. Natürlich wurde sie schnell gefunden, aber sie ließ ihre Kontakte spielen. Sie schloss die Abmachung, dass du so lange bei ihr leben konntest, bis sich deine Kräfte zeigen, was normalerweise ungefähr mit vier Jahren passiert. Innerhalb dieses Rahmens nutzte sie alle Möglichkeiten aus. Sie erfand ein Pulver, das die auffälligsten Merkmale der Silvereyes wie die Kräfte oder die Defendergenes hemmt, und so kommt es, dass du jetzt erst hier bist.

Wie du siehst, hat sie nie beabsichtigt, dich ihnen zu überlassen, sondern insgeheim geplant, dich nach Linti zu bringen. Die Stadt ist der einzige Ort auf der Erde, an dem dich die Abgesandten von WASP und den Regierungen nicht bekommen können. Und wie du vielleicht auch schon bemerkt hast, haben wir auch noch andere Silvereyes hierherholen können. Candice zum Beispiel. Und das ist das Ende der Geschichte."

Erneut machte er eine Pause. Und wieder reagierte ich nicht so, wie er es gerne gehabt hätte. Ich versuchte zwar, möglichst erstaunt und überwältigt zu schauen, aber ich merkte selber, dass es nicht besonders überzeugend war. Dabei war erstaunlich viel von dem, was Dr. Ning erzählt hatte, neu für mich. Doch die grundlegenden Dinge hatte Candice bereits vorweggenommen.

„Nun, dann weiter zum Organisatorischen", machte er schließlich weiter. „Deinen Airscreen bitte."

Die nächsten Minuten übertrug er jede Menge Daten auf meinen neuen Airscreen und erklärte kurz, was alles war. Es gab Einträge in den Terminkalender, die ich unbedingt einhalten musste. Airadressen von Leuten, mit denen ich die nächste Zeit zu tun haben würde. Diverse Dokumente, die ich mir durchlesen sollte. Außerdem eine beachtliche Menge an Schulaufgaben. Als hätte ich nicht schon genug Probleme.

Danach richtete er mir Berechtigungen für einige Teile der Stadt ein, die nicht frei zugänglich waren. Bis auf den Teil, in dem wir gerade waren, kannte ich keinen davon.

„In der Linti-App befindet sich ein Stadtplan mit einigen Erläuterungen und Regeln", sagte er zu guter Letzt. „Schau sie dir so bald wie möglich an, es wird nicht immer jemanden geben, der genug Freizeit hat, dich herumzuführen. Die App ist personalisiert und zeigt dir den Grad an Informationen, den du benötigst. In deinem Fall sind das einige, deshalb bitte ich dich, die Inhalte nicht in der gesamten Stadt herumzuzeigen. Sollte jemand das mitbekommen, wird sich dein Aufenthalt hier weniger angenehm gestalten. Mehr dazu steht im Regelverzeichnis."

Er schaltete den Airscreen ab und reichte ihn mir. „Ist noch irgendetwas unklar geblieben oder hast du etwas nicht verstanden?"

Jetzt war also Fragestunde. Danach konnte ich endlich gehen. Immerhin hatte ich jetzt die Möglichkeit, die Antworten zu bekommen, die ich wirklich brauchte.

Doch leider kam ich bei allem, was ich wissen wollte, nicht besonders viel weiter. Mit meinen Freunden konnte ich wirklich nur über briefähnliche Dateien kommunizieren und wie lang ich hierbleiben musste, hing davon ab, wie ich mich im Umgang mit meinen Kräften anstellte. Und wann Evyen kommen würde, konnte er mir nur genauso ungenau beantworten wie Candice.

Danach verlor Dr. Ning keine Zeit mehr, mich aus seinem Büro zu schmeißen. Angeblich wegen wichtiger Termine, die er nicht verschieben könnte. Er gab sich auch nicht besonders Mühe, es glaubwürdig rüberzubringen. Aber das war mir ganz recht, ich wollte nicht länger als nötig von seltsamen Augäpfeln angestarrt werden.

Als ich den Raum verließ, war ich alleine auf dem Flur. Einen kurzen Moment horchte ich in die Stille hinein, aber es schien keiner in der Nähe zu sein. Dann blieb wohl nur noch eine Möglichkeit. Ich verzog das Gesicht und öffnete die Linti-App.

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