XIII | Zerbrochen
Ich umklammerte den Airscreen. Mein Blick war festgeklebt auf den Bildschirm. Und das Bild brannte sich in mein Gedächtnis ein. Sie wirkten so leidenschaftlich. Als ob es nichts anderes als sie beiden auf der Welt geben würde.
Einen kurzen Moment wurde mir schwarz vor den Augen. Überdeutlich spürte ich, wie sich meine Brust hob und senkte. Viel zu unregelmäßig. Wie konnte er nur?
Der Gedanke pulsierte in meinem Kopf. Immer und immer wieder. Er machte es unmöglich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Irgendwo am Rande meines Bewusstseins wusste ich, dass ich mich beruhigen sollte. Dass es besser war, nicht übereilte Schlüsse zu ziehen. Doch dann war da das Foto. Es war ziemlich eindeutig. Wie konnte er nur? War ich ihm wirklich so wenig wert?
Als meine Sicht zurückkehrte, starrte ich immer noch auf das Bild. Meine Hand verkrampfte sich. Ich blinzelte, um zu verhindern, dass ich schon wieder abdriftete. Dann gab ich den Airscreen an meinen Sitznachbarn zurück und ging wortlos in den Klassenraum.
Wie konnte er unsere Beziehung nur in so einer Weise beenden? War das, was wir gehabt hatten, nicht gut genug gewesen? War ich ihm nicht gut genug gewesen?
Ich dachte an all die schönen Momente, die wir zusammen verbracht hatten. Unser erstes Treffen. Der erste Kuss. Das glitzernde Wasser am Hafen, als wir spät aus einem Nachtclub gekommen waren. Der Abend, als wir zusammen im Bett Geheimnisse und Sorgen ausgetauscht hatten. Ein Stich fuhr mir durchs Herz. Wie lange lief das mit Daria schon? War überhaupt irgendeiner dieser Momente je von Bedeutung gewesen?
Das schlimmste an allem war jedoch, dass ich David vertraut hatte. Hätte ich seine Affäre mit Daria jetzt nicht mitbekommen, hätte ich das weiterhin getan. Wie naiv ich doch gewesen war. Aber wie hätte ich es wissen sollen? Unsere Beziehung war gut verlaufen. Sehr gut sogar. Ohne wirkliche Hindernisse. Wie hätte ich es da ahnen können?
Trotzdem fühlte ich mich dumm. Vertrauensselig. Ignorant. Ich hatte das Gefühl, es hätte anders verlaufen können. Laurie zum Beispiel hatte es von Anfang an gewusst. Doch sie hatte ich jedes Mal zurückgewiesen. Hätte ich verhindern können, dass unsere Beziehung zerbrach, wenn ich sie nicht ignoriert hätte? Oder hätte das auch keinen Unterschied gemacht? Weil er mich ohnehin nie geliebt hatte?
Am liebsten hätte ich die Schule heute einfach geschwänzt und mich zu Hause in meinem Bett verkrochen. Englisch brachte mir meine heile Welt auch nicht zurück. David ohnehin nicht.
Es graute mir schon vor dem Tag, der noch vor mir lag. Die Neuigkeit würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Getuschel von allen Seiten. Mitleidige, neugierige, sensationslüsterne Blicke. Nicht, dass es nicht schon schlimm genug wäre, dass David ohne weiteres mit Daria herumgemacht hatte.
Leider war Schwänzen keine Option mehr, denn in diesem Moment kam der Lehrer herein. Ich ließ mich auf meinen Stuhl fallen und meine Tasche neben mich, ohne irgendetwas herauszuholen. Es wäre nur verschwendete Energie gewesen. Ich würde mich sowieso nicht auf den Unterricht konzentrieren können. Nicht, wenn ich immer noch das Bild von David und ihr vor den Augen hatte.
Je mehr meine Gedanken um die beiden kreisten, desto klarer wurde mir, wie berechnend er sein musste. Er hatte mir heute Morgen sogar noch ein Kompliment gemacht. So getan, als wäre in der Nacht zuvor nichts Ungewöhnliches passiert. Die Vorstellung, wie lange das schon so gelaufen sein könnte, brachte mich aus der Fassung. Wie konnte er nur?
***
Der Englischunterricht verstrich so langsam wie keine Stunde zuvor. Ein, zwei Mal versuchte ich, mich auf den Lehrer zu konzentrieren, in der Hoffnung, es würde mich ablenken. Aber was gestern Abend noch funktioniert hatte, war heute so sinnlos wie einer Bahn hinterherzurennen. Es brauchte nur drei Sekunden, dann kam ich zurück zu David und Daria.
Als ich auf dem Weg in den Hypothetik-Raum den erwarteten Blicken der anderen Schüler auswich, kam mir eine neue Idee. Was, wenn ich daran schuld war, dass David etwas mit Daria angefangen hatte? Hatte ich seine Erwartungen nicht erfüllt? War ich nicht gut genug gewesen? Nicht aufmerksam genug? Nicht klug oder hübsch genug?
Daria übertraf mich in so vielen Bereichen. Sie hatte ein Aussehen, um das sie jedes Mädchen an dieser Schule und wahrscheinlich auch in halb Edinburgh beneidete. Sie war eine der Jahrgangsbesten. Und wenn ihr etwas am Herzen lag, tat sie alles, wirklich alles dafür.
Vielleicht hatte es ihn ja gestört, dass ich trotz unserer Beziehung noch so viel Zeit mit meinen anderen Freunden und meinen Hobbies verbrachte. Vielleicht hatte sie ihm die Aufmerksamkeit gegeben, die ich für anderes benutzt hatte. Trotzdem kam alles auf eine Frage zurück: Warum hatte er nicht mit mir darüber geredet? Sicher hätten wir eine Lösung gefunden, und dann wäre das alles nicht passiert...
„Miss Cavanagh? Haben Sie mich verstanden?"
Ich schreckte auf. Für einen Herzschlag wusste ich nicht mehr, wo ich mich befand. Die letzten Minuten hatte mein Körper auf Autopilot umgeschaltet und mich bis in den richtigen Raum navigiert. Und die Person, die gerade mit mir sprach, war meine Hypothetik-Lehrerin.
„Tut mir leid. Können Sie es bitte noch einmal wiederholen?", fragte ich leise.
Im Hintergrund kicherte jemand. Es klang wie Daria. Mir schoss die Hitze in die Wangen.
Die Lehrerin bedachte sowohl sie als auch mich mit einem missbilligenden Blick. „Ich habe gerade erläutert, wie diese Stunde ablaufen wird. Lassen Sie sich es von Miss Kinnear oder Miss Bendell erklären. Auch wenn die Prüfungen schon vorbei sind, ist das kein Grund, unaufmerksam zu sein. Die Noten sind noch nicht in Stein gemeißelt."
Ich nickte kurz. Zum Glück wandte die Lehrerin sich danach wieder ihrer Präsentation zu, auf der in einer Tabelle verschiedene Themen abgebildet waren. Wie es aussah, mussten wir heute in Gruppen eine Wissenschaftsprognose erarbeiten. Und ich musste es mit den Personen machen, die ich heute am wenigsten sehen wollte. Daria und Laurie. Dieser Tag würde definitiv als einer meiner schlimmsten Schultage in die Geschichte eingehen.
Überraschenderweise überlebte ich die Stunde ohne größere Zwischenfälle. Laurie hatte beschlossen, die verschiedenen Aspekte unserer Aufgabe aufzuteilen. Dadurch musste ich mich zwangsläufig darauf konzentrieren. Und es brachte durchaus Vorteile: Ich hatte etwas anderes zum Nachdenken als David und musste nur das Nötigste mit Laurie und Daria reden.
Als der Unterricht zu Ende war, verließ ich den Raum so schnell es ging. Laurie hatte zwar in fast jedem Fach die Angewohnheit, sich noch mit den Lehrern zu unterhalten, aber darauf wollte ich mich nicht verlassen. Ich hatte wirklich wenig Lust, mit ihr zusammen zu unserem Treffpunkt zu gehen. Wenn sie jetzt noch damit anfangen würde, dass sie es von Anfang an gesagt hatte, wäre es endgültig mit mir vorbei.
Obwohl ich mich beeilt hatte, war es auf den Gängen schon voll. Unsere Hypothetik-Lehrerin war noch nie jemand gewesen, der die Schüler früher als nötig aus dem Unterricht entließ. Trotzdem hielt mich das Gedränge nicht davon ab, zu sehen, wer gerade ins Foyer kam. David. Ohne Daria. Ich erhöhte mein Tempo und drängte im Laufen ein paar Schüler zur Seite.
Dann fiel mir ein, dass Daria wahrscheinlich gerade erst aus dem Raum gekommen war. Kurz stockte ich, unsicher, ob ich nicht einfach zu Luis und Matilde gehen und David in Ruhe lassen sollte. Fast im selben Moment verwarf ich die Idee wieder. Das Foto war sehr eindeutig gewesen, aber ich musste es aus seinem Mund bestätigt bekommen. Was, wenn es einfach nur ein riesiges Missverständnis war?
Sei nicht albern, schien ein Großteil von mir zu sagen. Wo soll das ein Missverständnis sein? Hat er plötzlich einen Zwillingsbruder, von dem du nichts weißt? Doch der kleine Teil, der es immer noch nicht wahrhaben wollte, ignorierte ihn hartnäckig.
Gefühlte drei Herzschläge später hatte ich David eingeholt. Ich hielt seinen Arm fest und er drehte sich um. Seine Miene fror ein, als er mich sah.
„Ist es wahr?", brachte ich heraus, bevor mir die Stimme versagen konnte. Jetzt, wo ich direkt vor ihm stand, kam mir mein Vorhaben nicht einmal halb so gut vor.
„Lass uns draußen reden, okay?" Er wandte sich wie selbstverständlich zum Gehen. Ich ließ ihn jedoch noch nicht los.
„Wozu? Es weiß doch ohnehin schon die gesamte Schule."
Unwillig drehte er sich wieder zu mir. „Wenn du darauf bestehst. Ja, es stimmt. Kann ich jetzt gehen?"
Er sagte es in einem völlig unbeteiligten Ton, als würden ihn meine Gefühle so wenig interessieren wie eine Ameise am Wegrand. Mein Herz brach erneut. Eine Welle aus Enttäuschung, Verrat und Wut schlug über mir zusammen. Kurz war ich überwältigt, genau wie vor zwei Stunden. Für Sekunden sank ich immer tiefer hinein, bis meine Aufmerksamkeit plötzlich auf den Zorn fiel. Er hatte mich betrogen. Vermutlich sogar schon seit mehreren Wochen. Und jetzt wollte er mich ohne jegliche Erklärung stehen lassen.
„Warum?", zischte ich.
Er lachte auf. Als hätte ich mich verbrannt, ließ ich seinen Arm los.
„Ist das denn nicht eindeutig? Du siehst doch, wie du reagierst, wenn sich irgendetwas in deinem Umfeld ändert. Und erzähl mir nicht, es wäre besser gewesen, wenn du es vor einem Monat erfahren hättest."
Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Selbst die Schüler um uns herum schnappten hörbar nach Luft. Hörte er sich eigentlich selber mal beim Reden zu? Ich hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, das Foyer zu verlassen und ihn danach nie wieder sehen zu müssen. Das war ganz sicher nicht dieselbe Person wie der David, den ich geliebt hatte.
„Warum sie?", fragte ich, als ich mich wieder gefangen hatte. Meine Stimme war eiskalt und ich musste mich zwingen, nicht einfach wegzugehen. Heiße Wut brodelte in meinen Adern.
Sein linker kleiner Finger zuckte beinahe unmerklich. Ein Zeichen, das ich auch erst vor wenigen Wochen entdeckt hatte. Er war also doch nicht so gelassen, wie er tat. Meine Lippen verzogen sich zu einem schmalen, befriedigten Lächeln.
„Sie ist einfühlsam, unkompliziert, ehrlich, hat ihre eigene Meinung... Eigentlich ist sie alles, was du nicht bist."
Die Worte trafen mich wie ein brennender Pfeil. Genau, wie er es beabsichtigt hatte. Doch bevor ich wirklich merkte, wie tief, loderte meine Wut erneut auf.
„Dann hat sie jemanden wie dich eindeutig nicht verdient", entgegnete ich.
Ohne ihn noch eines einzigen Blickes zu würdigen, machte ich auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Gebäude.
***
Ich lag auf meinem Bett und sah aus dem Fenster. Den ganzen Tag war es unangenehm schwül gewesen und nun fielen die ersten schweren Regentropfen von Himmel. Angeblich sollte es heute auch noch gewittern. Das Wetter passte also genau zu meiner Stimmung.
Gerade übertönte allerdings noch Evyen den Regen. Es hörte sich an, als würde sie gerade die komplette Küche umsortieren. Sie war am Abend bei einem Dinner eines Freundes ihrer Mutter eingeladen, zu dem ich eigentlich auch hätte gehen sollen. Aber wenn ich schon Matilde und Luis abgesagt hatte, konnte ich da nicht plötzlich kommen. Außerdem hatte ich nicht mal eine Idee für ein angemessenes Gastgeschenk.
Ich richtete die Kissen hinter meinem Rücken neu an. Dann schaute ich weiter aus dem Fenster. Der Regen war bereits stärker geworden. In wenigen Minuten würde es wie aus Eimern schütten.
Neben mir blitzte das Display des Airscreens auf, den ich wohl offen liegengelassen hatte. Ich warf einen Blick darauf. Es war Laurie, die mir geschrieben hatte. In einem Anflug von Wut schaltete ich das Gerät aus und schob es so weit es ging weg von mir.
Sofort verschwand sie wieder und ließ meine Gedanken den ewigen Zweifeln über. Genau wie sie es heute Morgen gemacht hatte, nach meinem Streit mit David. Am liebsten würde ich ihn anrufen und fragen, ob er seine Worte wirklich so gemeint hatte. Auch wenn ich mir selber ausmalen konnte, wie dieses Gespräch verlaufen wäre. Gut, dass der Airscreen an der Bettkante und nicht direkt neben mir lag.
Hatte David recht und ich reagierte zu empfindlich? War das, was ich als Vertrauensbruch sah, eigentlich harmlos und ich machte nur unnötigen Aufstand darum?
Tief in meinem Inneren wusste ich, dass diese Gedanken irrational waren. Matilde, Luis und Chaeng sahen sowohl die Sache mit Laurie und Jean als auch die mit David ähnlich wie ich. Trotzdem ließ es mich nicht los. In der letzten Woche war so viel um mich herum passiert, mit dem ich in meinen absurdesten Träumen nicht gerechnet hätte. Und alle hatten ähnlich geendet. Lag es dann doch an mir?
Verzweiflung machte sich in mir breit. Ob es an mir lag oder nicht, es war geradezu unmöglich, in dieses Chaos wieder Ordnung zu bringen. Meine Freunde versuchten zu helfen, aber wir waren nur zu viert. Zu viert gegen die Abgesandten, die Defendergenes und David. Und wir hatten es nicht mal geschafft, eines dieser Probleme auch nur ansatzweise in den Griff zu bekommen. Es wurde immer noch komplizierter.
Mit einer seiner Aussagen hatte David auf jeden Fall recht gehabt. Ich konnte nicht damit umgehen, wie mein Leben und meine Umgebung langsam zerfielen. Zuerst Laurie und Jean, dann Evyen, jetzt David. Eine einzelne Träne rann mir die Wange hinunter. Sie war es, die den Damm brach.
Es fühlte sich an, als wären Jahre vergangen, seitdem ich das letzte Mal einfach nur meinen Gefühlen den Lauf gelassen hatte. Innerhalb weniger Momente schluchzte ich hemmungslos, begleitet vom Prasseln des Regens.
Jeder Mensch hatte seine Grenzen. Und irgendwann danach brach jeder zusammen. Meine Grenzen waren schon lange überschritten worden.
Ich wusste nicht, wie lange ich nur dasaß und weinte. Gerade war wieder einer der Momente, in denen ich glaubte, es würde besser werden – das war es bisher aber noch nicht geworden. Ich blinzelte die Tränen weg. Aber sofort verschwammen die Regentropfen wieder vor meinen Augen.
Erst einen Augenblick später bemerkte ich, dass es nicht an neuen Tränen lag. Zumindest nicht nur. Ich hob meine Hand und berührte die Scheibe. Sie war leicht gewellt. Mein Atem stockte.
Ich setzte mich aufrecht hin und fuhr ungläubig die leichten Höhen und Tiefen nach. Für den Moment hatte ich fast vergessen, warum ich überhaupt derart am Boden zerstört war. Vor ein paar Minuten war die Scheibe mit Sicherheit noch normal gewesen.
Ich warf die Kissen zur Seite, um das gesamte Fenster betrachten zu können. Alle Scheiben wiesen Unregelmäßigkeiten auf. Am besten sagte ich Evyen Bescheid. Das war zu seltsam, um es unter den Teppich zu kehren. Doch andererseits würde ich dann mit ihr über das Pulver und die Abgesandten reden müssen. Ich wusste nicht, ob gerade der beste Zeitpunkt war, das aufzubringen.
Das Glas zersplitterte in winzig kleine Einzelteile. Ich schrie auf. Gleichzeitig wehte eine Windböe die Splitter nach draußen auf die Terrasse. Meine Haare peitschten mir ins Gesicht. Wie ferngesteuert robbte ich an die Bettkante.
Während ich rückwärts die Treppe hinabstieg, war mein Blick auf das Fenster fixiert. Die Scheiben waren einfach so zersprungen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich sie nicht mal berührt.
Meine Tür flog auf. Dieses Mal war es kein Wind, sondern Evyen.
„Nel? Was ist passiert?"
Mit zitternden Fingern zeigte ich auf das Fenster. „Die Scheiben... Sie..."
Evyens Blick blieb an den leeren Fensterrahmen hängen. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und ihre Gesichtszüge entgleisten. Eine Sekunde später hatte sie sich wieder halbwegs unter Kontrolle. Ich wusste nicht, ob mich das beruhigen sollte oder nicht.
„Lass uns nach unten gehen. Ich mache uns einen Tee und dann kann ich einen Fenstermacher anrufen. Und währenddessen kannst du mir erzählen, was überhaupt passiert ist."
Entschlossen ging sie auf den Flur. Ich folgte ihr, jedoch nicht weniger aufgelöst als zuvor.
„Evyen, die Scheiben – erst waren sie wellig und dann sind sie plötzlich geplatzt." Meine Stimme war heiser vom Weinen. „Wie konnte das passieren? Das ist doch nicht normal!"
„Das hört sich tatsächlich nicht nach etwas Normalem an. Vielleicht kann uns jemand, der sich mit Fenstern auskennt, weiterhelfen."
Selbst von hinten sah ich, wie sich ihre Stirn in Furchen gelegt hatte. Sie hielt es genauso wenig für normal wie ich.
Ich ließ mich auf ein Sofa fallen und sah zu ihr hoch. „Und was, wenn uns das auch nicht weiterbringt? Scheiben zerbrechen nicht ohne Grund."
In ihren dunklen Augen spiegelte sich Besorgnis. „Das glaube ich auch nicht. Aber lass mich erstmal einen Tee machen, dann sehen wir weiter. Earl Grey?"
Ich nickte und sie ging in die Küche. Wenig später kam sie mit zwei dampfenden Tassen zurück. Sie stellte sie auf den kleinen Tisch ab und setzte sich neben mich. Nicht auf ihren üblichen Sessel. Irgendetwas an diesem Vorfall musste sie enorm aus der Bahn gebracht haben.
„Also, was ist genau passiert?", fragte sie.
Ich lehnte mich nach vorne und wärmte meine Hände an der heißen Tasse. „Ich habe irgendwann vorhin entdeckt, dass die Scheiben von meinem Fenster unregelmäßig waren", beschrieb ich. „Ich konnte es natürlich nicht glauben und habe die Wellen einmal mit meinen Fingern nachgefahren. Und ein wenig später sind sie einfach zerbrochen. Die Scherben liegen draußen auf der Terrasse."
Evyens Miene wurde, wenn überhaupt möglich, noch beunruhigender. Nervös veränderte ich meine Sitzposition. Das war kein gutes Zeichen.
„Du glaubst auch, dass etwas daran seltsam ist, oder?", fragte ich.
Anstatt etwas darauf zu erwidern, griff sie in ihre Hosentasche. „Es tut mir leid", murmelte sie. Und bevor ich überrascht blinzeln, geschweige denn nachhaken konnte, rammte sie mir eine winzige Spritze ins Bein.
Hinten im Raum explodierten die Scheiben der Gartentür.
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