◔ 𝖕𝖆𝖗𝖙 - 𝖘𝖎𝖊𝖇𝖟𝖊𝖍𝖓
... Now I 'm the one left screaming through the night ...
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Ich warte und hole tief Luft, bevor ich mich zu ihm umdrehe. Er geht einen Schritt zurück, erschrocken über den Ausdruck in meinen Augen. Innerlich fürchte ich mich davor, dass er sich in die tötende Gestalt zurückverwandelt und mich in tausend Stücke zerfetzt. Ich lehne mich mit den Rücken kraftlos an die Tür und verschränke die Arme vor der Brust. Es gibt mir ein wenig halt und mein bebender Körper sieht hoffentlich nicht mehr aus wie unkontrollierter Wackelpudding.
„Ich möchte ... vorher noch den Dreck von meinen Händen waschen, sonst bekomme ich noch eine Blutvergiftung", sage ich schniefend und Silvan nickt. Keiner sagt mehr was und wir weichen den Blicken des anderen aus. Schließlich reiße ich mich zusammen und gehe mit großen Bogen um Silvan herum, der sich kein Stück bewegt. Ich denke er tut das für mich, damit ich nicht mehr Angst bekomme oder wieder versuche ihm davonzulaufen wenn er sich plötzlich regt.
„Das solltest du auch tun", rate ich ihm, deute auf seine blutigen Hände und laufe zu unserem Zimmer. Zum Glück habe ich noch die Karte. Im Inneren erwartet mich das reinste Chaos, alles wurde umgerissen und verwüstet. Hier hatte man äußerst gründlich nach Silvan gesucht und ihn nicht gefunden. Ich frage mich, wie er mitbekommen hat, dass etwas nicht stimmt und er in Gefahr ist. Ob er auch hier jemanden getötet hat?
Ich gehe ins Bad und lasse kühles Wasser über meine Hände laufen. Mein Blut verschwindet im Abfluss. Der Spiegel ist zersplittert und die kleinen Teile liegen verteilt auf dem Boden. Ich stelle den Wasserhahn wieder ab und betrachte all die Wunden auf meiner Handfläche. Sie sind nicht besonders groß, aber ich wünschte, ich hätte etwas um sie zu desinfizieren.
„Dawn? Kommst du?", ruft Silvan vor der Badezimmertür und mein Körper verkrampft sich. Angst steigt in mir hoch und schnürt mir um ein Haar die Kehle zu. Ich muss ihm zuhören, ich will es wissen und dann kann ich entscheiden, was ich mache. Ich trockne meine Handflächen vorsichtig ab und öffne die Tür. Silvan wartet auf mich, seine Hände sind auch nicht mehr mit Blut beschmiert.
Er geht vor und wir verlassen das Motel. Langsam werden auch die anderen Besucher wach, deshalb wird es höchste Zeit zu verschwinden. Silvan steuert entschlossen auf einen der schwarzen Busse zu, während ich versuche, die Körper ringsherum nicht zu beachten. Ich beobachte, wie er die Fahrertür öffnet und ein Gerät mit einem lauten Geräusch aus dem vorderen Bereich reißt und es wegwirft. Es sieht aus wie Funkgerät. Wäre sicherlich einfach gewesen es zu orten.
Ich atme tief durch, steige in den Bus vorne auf der Beifahrerseite ein und schnalle mich an. Silvan setzt sich hinter das Steuer und reicht mir, bevor er den Wagen startet, einen kleinen Koffer mit einem roten Kreuz drauf. Als ich ihn schließlich öffne, sind wir bereits von dem Motel Parkplatz runter und wieder auf der Landstraße. Im Koffer liegt Desinfektionsmittel, Pflaster und Verbandszeug. Ein wenig sprachlos schraube ich die Flasche auf und schütte etwas auf einen sterilen Stoff, um es dann auf meine Handflächen zu drücken. Natürlich brennt es, aber ich gebe keinen Laut von mir und beiße die Zähne zusammen.
Nach einer Weile spüre ich immer häufiger Silvans abschätzende Blicke auf mir und seine Finger trommeln auf dem Lenkrad. Diesmal halte ich mich zurück und gebe ihm keine Möglichkeit auf meine Fragen zu antworten. Er soll selber anfangen, denn das hat er mir ja versprochen.
Die Straßen füllen sich langsam mit Leben, als Silvan mit einem tiefen Seufzen an einer noch leeren Raststätte anhält. Wir steigen aus und setzen uns an einer überdachten Picknickbank gegenüber. Ich habe den Erste Hilfe Kasten mit und versuche mir selber die Hände zu verbinden, was gar nicht so einfach ist.
„Du musst mir sagen, was du denkst, Dawn", bittet mich Silvan und ich hebe den Blick. Seine grünen Augen wirken im Vergleich zu den letzten Stunden müder. Ich entdecke noch etwas anderes. Unsicherheit. Seine Augen flehen mich an, etwas zu verstehen, aber ich bin noch nicht sicher, was er von mir will. Jetzt bin ich es, die fragend den Kopf schief legt und die Augenbrauen hochzieht. Silvan presst die Lippen aufeinander und fährt sich mit beiden Händen durch sein silbernes Haar. Ich kann mir vorstellen, das es für ihn schwer ist die richtigen Worte zu finden. Jedoch möchte ich, dass er es nicht einfach hat. Er soll mir wirklich erklären, was mit ihm los ist und nicht vom Thema ablenken oder mir neue Rätsel geben.
„Ich... ich kann andere Menschen schlecht einschätzen, wenn es um ihre Gefühle und Gedanken geht. Ich liege meistens falsch, deshalb sag mir bitte, was du denkst oder wenn du Fragen hast, ja?" Ich mustere seinen Gesichtsausdruck und nicke. Dann scheitere ich zum zweiten Mal an der Aufgabe, mir selber einen Verband um meine Hand anzulegen.
Silvan nimmt wie aus heiterem Himmel mit einer unglaublich behutsamen und liebevollen Art und Weise meine Hand in seine und wickelt vorsichtig den weißen Stoff um meine Haut. Die Verbindung wenn sich unsere Hände berühren, verursacht mir eine Gänsehaut und löst einen regelrechten Stromstoß aus. Das Schlimme dabei ist allerdings, wie er mich zwischendurch anschaut. Es liegt was Ernstes, Unverrückbares darin, das mein Herz flattern lässt. Es ärgert mich das ich meine Gefühle nicht im Griff habe, selbst wenn es angebracht wäre.
„Ich kann nicht sagen, wie alt ich war, als sie mich zu sich geholt haben. Ich bin auf jeden Fall noch nicht in die Schule gegangen und sowieso viel zu krank gewesen, um dort anzufangen. Meine Eltern weinten viel zu der Zeit und entschuldigten sich immer wieder bei mir. Sie erzählten mir von einer Therapie, die mir helfen sollte wieder ein gesundes Kind zu werden", vertraut Silvan mir an und fängt nebenbei an, die linke Hand ganz konzentriert zu verbinden.
„Jahre lang bin ich in den Laboren gewesen und lebte dort mit vielen Menschen zusammen, die angeblich die gleiche Krankheit hatten wie ich. Anfangs waren es nur normale Tests und dann irgendwann begannen sie mit der Behandlung. Zu den Schmerzen die ich bekam, veränderte sich mein Körper und ich wurde Stärker, Schneller und Unkontrollierbarer. Vor zwei Jahren endete meine Behandlung. Mit keinem sind sie zuvor so weit gekommen. Bevor sie die letzten Tests machen konnten, bin ich abgehauen"
„Kannst du es kontrollieren?", frage ich nach und zeige auf seine Hand, die von einem Handschuh umgeben ist. Inzwischen kann ich mir denken, warum er ihn trägt und warum er seinen Oberkörper stets mit langen Sachen versteckt. Silvan lässt meine Hand los, schaut sich kurz sicherheitshalber um, ehe er den Handschuh auszieht und ich zum ersten Mal seine rechte Hand sehe. Auf den ersten Blick sieht sie schwarz aus, fast verkohlt, aber beim genaueren Hinsehen bemerkt man die Adern, welche sich auf der Hand bewegen. Ich kann nur ahnen, dass sie sich weiter unter dem grünen Pullover über seinen Arm schlängeln.
„Wenn ich mich beherrschen kann, passiert nichts. Sobald meine Gefühle wie Wut oder Angst überhand gewinnen, übernimmt mein Körper und ich kann nicht steuern was ich tue", erklärt er mir und zieht den Handschuh hastig wieder an, als ein weiteres Auto an der Raststätte halt macht und Kinder fröhlich quietschend über den Parkplatz rennen. Ich merke, dass die Stimmung kippt und Silvan Zeit zum Luft holen braucht, deshalb greife ich kurzerhand nach seiner freien Hand und versuche die zerschrammten Knöchel so gut es geht zu verarzten.
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