
10. Scott McCall
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Vielen vielen Dank für die vielen Kommentare/Reads und Votes. Es freut mich dass ihr nach zwei kompletten Büchern immer noch hier seit 😅😍😘 und ja das musste ich jetzt einfach mal loswerden
Lg CoolerBenutzername
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Ich atme tief durch und lausche in die Umgebung herein. Das ticken einer Uhr. Quietschende Reifen. Ein absterbender Motor. Schuhe, die auf Asphalt treffen. Ich drücke mich etwas Näher an die Wand und schleiche in Richtung Durchbruch, der Behandlungszimmer und Warteraum miteinander verbindet. Ich werde eins mit der Stille im Raum und drücke meinen Körper dicht an die farblose Wand.
Ein Schlüssel wird ins Schloss gedrückt. Zwei Umdrehungen. Ein Klicken.
Ich höre wie die Glastüre geöffnet wird und jemand die Tierarztpraxis betritt. Ich höre das leise Klirren des Schlüsselbundes und einen ruhigen Herzschlag, der sich mit der gleichmäßigen Atmung des Eindringlings mischt. Ich atme erneut tief ein und lenke meine Konzentration auf den Körpergeruch des Eindringlings: Scott McCall. Ich kann hören, wie er das 'Geschlossen' Schild umdreht und somit möglichen Kunden symbolisiert, dass die Praxis ab jetzt geöffnet hat.
Das kleine weiße Ebereschentor zwischen Warteraum und Anmeldung wird quietschend geöffnet und der junge Mann tritt in den kleinen Raum. Müsste ich schätzen, würde ich sagen, dass er nur noch wenige Meter von mir entfernt steht. Nur noch eine dünne Wand ist zwischen uns. Ich drücke meinen Körper noch etwas fester an diese Wand und halte für wenige Sekunden meinen Atem an. Die Schritte des Mannes kommen näher und obwohl die Tierklinik durch die schmale Fensterfront im oberen Teil des Behandlungsraum hell erleuchtet ist, scheint er mich nicht zu bemerken.
Er tritt mit schnellen Schritten in den Raum, wobei ich sehen kann, dass er mit den Gedanken scheinbar ganz wo anders ist - ansonsten hätte er mich problemlos und nahezu sofort neben dem Durchbruch bemerkt. So jedoch läuft er gedankenverloren an mir vorbei, direkt auf die metallische Behandlungsliege zu. Die Sohlen seiner Halbschuhe rollen sich nahezu lautlos auf dem Boden ab. Ich höre seinen ruhigen Herzschlag und seine Atmung. Ich kann für wenige Sekunden den leichten Lufthauch spüren, der entsteht als er den Durchbruch durchquert und dicht an mir vorbeiläuft. Ich bin mir sicher, dass sein Jackenärmel für wenige Sekunden meinen Arm streift.
Doch der Moment ist zu schnell vorbei und McCall scheint ihn noch nicht einmal wahrgenommen zu haben. Er hat mich bereits passiert und steht mit wenigen weiteren Schritten vor der Behandlungsliege. Das gleichmäßige Ticken der Uhr geht in der Geräuschkulisse unter, als McCall seinen Motorradhelm und seine ausgewaschene Jeansjacke auf der metallische Behandlungsliege ablegt. Ich frage mich, ob er mich tatsächlich noch nicht hat bemerkt hat, oder ob er mich einfach nur in dem Glauben lässt. Dieses Unwissen lässt mich nervös werden. Er steht noch immer mit dem Rücken zu mir und ich gebe ihm nicht länger die Chance, mich durch ein einfaches Umdrehen zu entdecken. Stattdessen gebe ich ein lautes Räuspern von mir und trete mit einem Schritt von der Wand zurück in den Raum.
Scott McCall wirft seinen Kopf verwirrt herum, während sich sein Körper bereits instinktiv zur Türe dreht. Ich kann seine angespannten Muskeln sehen, während sich in seinem Gesicht eine Mischung aus Schock und einem Fragezeichen abbildet. Ich vermute, dass er am ehesten mit einem Kunden gerechnet hat. Doch ich gebe ihm keine Sekunde, um die Situation zu realisieren. „Wir haben ungefähr 15 Minuten," ich werfe einen kurzen Blick auf die tickende Wanduhr, die meine Worte bestätigt. Noch circa 15 Minuten bevor die Männer meines Vaters misstrauisch werden. Ich bin den wachsamen Augen des ersten Vogel zwar entkommen - den zweiten hatte ich ja bereits zu meinem Vater geschickt - aber auch dieser wird nicht lange brauchen, um mich hier aufzuspüren.
Mein Blick wandert zurück zu Scott McCall, der durch meine Worte vier weitere Sekunden an Zeit gewonnen hat, um die Situation vollständig zu begreifen. Doch anstatt seine volle Unterstützung zu haben, starrt er mich noch immer mit großen Augen und angespannten Muskeln an. Er scheint noch nicht einmal etwas auf meine Worte zu erwidern wissen. Ich ziehe meine Augenbrauen nach oben und werfe ihm einen fragenden Blick zu. „Alles gut?" bemühe ich mich anschließend nach einer weniger beherzigten Frage.
„Ra...Raven?"
McCall scheint verwundert genug um seine ansonsten makellose Sprache in die eines stotterndes Kind zu verwandeln. Ich kann nicht anders als leicht über seine Ungläubigkeit zu Lächeln. „Du bist es wirklich," stellt der Junge nach wenigen Sekunden leise und mehr zu sich selbst fest und bevor ich mich versehe, hat er zwei große Schritte auf mich zu gemacht und mich in seine kräftigen Arme gezogen. Er drückt mich fest an sich und automatisch schlingen sich auch meine Arme fest um seinen Körper. Sofort umhüllt mich sein Körpergeruch, der mir ein Gefühl vermittelt, dass mir in dem letzten Jahr so verwehrt geblieben ist: Zugehörigkeit.
Wir verharren beide vielleicht etwas zu lange in der engen Umarmung, bevor wir uns zögerlich von einander lösen. Ich streiche mir leicht unangenehm eine einzelne Haarsträhne aus dem Gesicht, nicht so Recht wissend, wie man mit so einer herzlichen Begrüßung umzugehen hat. McCall ergreift das Wort: „Ich dachte du wärst," kurzes Zögern, dann die kalte Wahrheit „Tod." Ein winziges Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, bevor ich in alten Raven Manieren und mit unangefochtenem Selbstvertrauen antworte: „So schnell bin ich nicht Tod zu kriegen!"
Auch auf McCalls Gesicht bildet sich ein kleines Lächeln und wieder steigt das Gefühl in mir auf, sich hier wohl zu fühlen. Ich muss mich zurück halten, um dem jungen Mann nicht noch einmal in die Arme zu fallen. Dafür bin ich zu cool. Jedoch glaube ich auch in dem Gesicht von meinem Gegenüber diesen Wunsch nach einer weiteren Umarmung lesen zu können. Doch auch er gibt diesem Verlangen nicht nach.
„Wieso bist du wieder hier?" fragt Scott nach wenigen schweigenden Sekunden und ich vermute, dass er in seinem Kopf erst einmal die vielen Fragen der Wichtigkeit nach ordnen musste. Ich atme tief durch und entscheide mich dazu, McCall erst einmal in Unwissenheit zu lassen, weshalb ich locker sage: „Uninteressant!" Ich kann nicht glauben, dass ich nach so viel gemeinsamer Zeit noch immer auf diese Art und Weise antworte, anstatt dem Alpha einfach sofort die Wahrheit zu sagen. Aber so wie scheint, kann man sich selbst nie wirklich verlieren.
„Raven...," ich ahne bereits, dass McCall zu einer Du-Musst-Vollkommen-Ehrlich-Zu-Mir-Sein-Rede ansetzt, weshalb ich ihn sofort augenverdrehend unterbreche: „Wir sollten Reden!" Überraschung tritt bei meinen Worten in McCalls Züge und ich kann ihm ansehen, dass er niemals damit gerechnet hätte, dass ich, Raven Hale, freiwillig ein ernstes Gespräch anfange. Jedoch lasse ich mich davon nicht irritieren. Ich rede weiter: „Was ist im letzten Jahr passiert?"
„Was zur Hölle ist mit dir passiert? Bist du immer noch mit deinem Vater...," erwidert McCall meine Frage mit einer eigenen, wobei er den letzten Teil seines Satzes in der Luft hängen lässt. Ich kann Sorge an ihm riechen und entscheide mich dazu, vollkommen ehrlich zu antworten. „Ja," antworte ich also und nicke leicht, „Ich bin noch immer mit ihm unterwegs." Im Gegensatz zu McCall zögere ich nicht davor, zuzugeben, dass ich und Crowley - mehr oder weniger - ein Team sind. Ich kann die Sorge in dem Gesicht des Alphas noch größer werden sehen. Trotzdem legt er sich bei meiner wahrheitsgemäßen Antwort keine misstrauische Haltung an.
„War es seine Idee hier her zu kommen? Bist du wegen ihm hier," ich nicke als Antwort, sage jedoch vorerst nichts dazu, „Was will er hier?" Ich verzögere meine Antwort, meide jedoch nicht den Blick von McCall. Stattdessen schaue ich ihn für wenige Sekunden lang ausdruckslos an. „Wir sind auf der Suche nach Peter Hale," ringe ich mich anschließend zu einer ehrlichen Antwort durch, die auf McCalls Ehrlichkeitsnorm basiert. Denn auch wenn ich mir noch nicht ganz sicher bin, ob ich den Alpha erneut in mein Drama hereinziehen möchte, möchte ich dass er mir erneut vertraut.
„Warum?"
Bei seiner Frage klappt mein Kinnladen herunter und mit einem leicht schräggelegten Kopf mustere ich ihn. Ich muss mich zurückhalten um ihm kein fassungsloses ‚Dein Ernst' entgegen zu schleudern. „Weil er meine Mutter ermordet hat?!" stelle ich dem Alpha stattdessen eine rhetorische Frage, bemerke dann jedoch dass seine Frage sicherlich nicht meine Beweggründe hinterfragt, sondern die meines Vaters. Also kläre ich ihn auch über diese auf: „Peter Hale hat Crowleys erste und einzige Liebe getötet," ein kleines Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht, während ich leicht mit dem Kopf schüttele, „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr er diesen Typen hasst." Ich zucke mit den Schultern.
„Ihr seid also nur hier um ihn zu töten?" lautet McCalls kritische Frage darauf und augenverdrehend versuche ich zu erklären: „Ja. Er hat Crowleys," ich kann nicht anders als an dieser Stelle ironisch zu klingen, „wahre Liebe getötet und," mein ironischer Ton wird ernst, „meine Mutter. Was würdest du an meiner Stelle tun?" Ich werfe dem Alpha einen fragenden Blick zu und warte auf seine Antwort. Doch er schweigt - auch wenn ich mich nicht zu sagen traue, ob er Angst vor einem Zuspruch hat oder einfach keinen Sinn in Wiederworten sieht. Ich lasse es zu und zwinge ihn nicht weiter zu einer genaueren Antwort.
„Warum bist du dann hier?"
Ich kann einerseits McCalls Enttäuschung sehen, vielleicht hatte er wirklich die Hoffnung dass ich wegen ihm zurückgekommen bin, aber andererseits kann ich auch aus seiner Frage heraushören, dass er mit 'hier' nicht etwa Beacon Hills im Allgemeinen meint. Stattdessen meint er hier. In der Tierklinik und vielleicht sogar hier, direkt vor ihm.
„Crowley hat mich darauf angesetzt, dich und dein Rudel zu beobachten," ich zucke leicht mit den Schultern, „Er ist der Meinung, dass ihr unsere beste Chance seid um Peter Hale zu finden!" Meine Erklärung ist logisch und entspricht der Wahrheit. Ich richte meinen Blick emotionslos auf dem Alpha, der mit seiner Antwort noch nicht einmal zögert: „Wir haben keine Ahnung wo Peter steckt und selbst wenn," sein Herzschlag bleibt ruhig, genau wie seine Tonlage. Ich unterbreche ihn noch bevor er weitersprechen kann: „dann würdet ihr es mir nicht sagen," ich kann nicht anders als die Augen zu verdrehen, „schon klar!"
„Und warum bist du dann hier?" wiederholt der Alpha jetzt erneut seine Frage, wobei er dieses Mal eine besondere Betonung auf das 'hier' in seinem Satz liegt. Somit hebt er das hervor, was ich schon längst aus seinem Satz herausgehört habe. Warum bist hier? In der Tierklinik? Bei mir? Ich nehme mir wenige Sekunden Zeit um zu antworten, blicke den Alpha dabei jedoch weiterhin an. In der Zwischenzeit versucht mein Kopf meine ehrliche Antwort, die tief in meinem Körper versteckt bleibt, in Worte zu fassen.
„Weil," ich schüttele leicht den Kopf, „Weil ich dich sehen wollte!"
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