14. Kapitel
Hermines Sicht:
Malfoy wollte mich doch auf den Arm nehmen! Ich hatte ihm gerade seinen verdammten Arsch gerettet und nun kam noch nicht mal ein Danke?
Wütend und mich hochrotem Kopf stapfte ich durch den fast kniehohen Schnee.
Er war ein selbstverliebtes Arschloch, ein arroganter Kotzbrocken, der sich selbst viel zu gut war, um sich je bei jemandem zu bedanken! Mein Atem ging unkontrolliert und stoßweise, so sauer war ich gerade.
Besonders wütend war ich, weil er ja Recht hatte: Wenn wir über den See liefen, waren wir wesentlich schneller in Hogsmeade, als wenn wir den normalen Weg nehmen würden.
Eine Weile lang schwiegen wir beide.
Ich lief stur geradeaus, doch irgendwann riskierte ich einen Seitenblick.
Malfoys Miene war nachdenklich. Wahrscheinlich heckte er gerade einen Plan aus, wie er mich noch mehr verärgern konnte.
Doch plötzlich blieb der Slytherin neben mir stehen.
»Granger?« seine Stimme klang seltsam zaghaft.
»Was?!« Genervt drehte ich mich um und erstarrte. Es war sein Ausdruck, der mich zusammen zucken ließ. Voller Furcht und seltsam traurig.
Mein Blick wurde weicher.
»Es...« Er zögerte. »Es tut mir leid. Du hast wahrscheinlich Recht. Ich bin einfach zu stolz, um mich bei jemandem zu bedanken. Aber das sollte ich. Du hast mir wahrscheinlich wirklich das Leben gerettet. Also...» Er spannte den Kiefer an. Man merkte, wie schwer es ihm fiel, das letzte Wort auszusprechen. »Danke.« flüsterte er leise.
Ich machte Anstalten ihm die Hand auf die Schulter zu legen, doch ließ den Arm wieder sinken: Auf noch so einen Moment wie eben, konnte ich wirklich verzichten. Nicht nur, dass ich Herzklopfen bei seiner Nähe bekommen hatte. Nein. Wir hatten uns auch fast geküsst. Schon wieder.
Also nickte ich bloß und drehte mich dann wieder um. Wir waren fast am Schwarzen See angelangt.
Vorsichtig trat ich auf das Eis. Erst mit einem, dann mit dem anderen Fuß. Es hielt. Grade wollte ich erneut einen Fuß vor den anderen setzen, als Malfoy mir zuvorkam.
»Granger, Granger, Granger.« tadelte er mich, mit einem Mal wieder ganz der Alte.
»Einfach so über das Eis laufen, das ist doch langweilig!« Er deutete auf zwei Ästen am Boden und mit einem Schlenker seines Zauberstabes lagen an ebenjenem Platz zwei Paar Schlittschuh.
Erstaunt starrte ich ihn an. Der Zauber war nicht schwer, aber ich hatte nicht gedacht, dass Malfoy ihn beherrschte. Im Allgemeinen war mir in letzter Zeit schon oft aufgefallen, dass Malfoy gar nicht so dumm war, wie er aussah.
Er blickte mich erwartungsvoll an und riss mich so aus meinen Gedanken. »Was?« Genervt schaute ich ihn an. Er deutete mit einem Blick auf die Schlittschuh und mir wurde klar, was er wollte. Mist. Ich konnte doch gar kein Schlittschuh fahren! Ich konnte die Lebensdauer einer Nalaniwurzel berechnen, einen Kelch in einen Tisch verwandeln und bereits mit dreizehn Jahren einen Vielsafttrank brauen. Aber ich konnte verdammt nochmal kein Schlittschuh fahren!
Doch diese Blöße würde ich mir vor Draco Malfoy ganz sicher nicht geben. Das wäre ja noch schöner!
Also nahm ich auf einem schneebedeckten Baumstumpf am Ufer platz, streifte ich mir meine Winterstiefel von den Füßen und zog mir die Schlittschuh an. Sie passten wie angegossen.
Nun wurde es ernst. Ich atmete ein, festigte meine Haltung und setzte dann vorsichtig den rechten vor den linken Fuß. Und wäre prompt hingefallen, wenn sich nicht zwei starke Arme um meine Taille gelegt und mich aufgefangen hätten. »Vorsichtig, Miss Granger.« raunte Malfoy mir ins Ohr.
Mir stockte der Atem, von unserer plötzlichen Nähe. Eng aneinander gepresst standen wir eine Weile da, unsere Nasenspitzen nur Zentimeter von einander entfernt. Malfoys Hüfte drückte gegen meine, kein Blatt hätte mehr zwischen uns gepasst. Vorsichtig atmete ich ein und musste auf der stelle schlucken, als sein wundersamer Geruch in meine Nase stieg. Pfefferminze und einen Hauch von Apfel.
Zaghaft hob ich den Kopf und der Blick in Malfoys silbersturmgrauen Augen ließ mich zusammen zucken. Es lag etwas Undeutbares darin. Verwirrt wand ich mich aus der Umarmung und versuchte Abstand zwischen uns zu bringen. Ich getraute mich nicht noch einmal, ihm in die Augen zu gucken.
Mit gesengtem Kopf murmelte ich ein »Danke« und wollte mich umdrehen, als ich am am Handgelenk festgehalten wurde. »Hey,« Malfoys Stimme war bestimmt, aber nicht arrogant. "
»Ich zeig, wie es geht, okay?« Und bevor ich protestieren konnte, legte er seine Hände an meine Hüfte und schob mich vorwärts.
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Es sah aus, als tanze er.
Als schwebe er über das Eis, zu einer Melodie, die nur er hören konnte.
Malfoy lief mit geschlossenen Augen über das Eis, fuhr Schlenker und Kreise, mal vorwärts, mal rückwärts.
Vor anderthalb Stunden hatte er angefangen mir das Schlittschuh laufen bei zubringen. Er hatte einfach nicht glauben können, dass es etwas gab, dass ich nicht konnte.
Nun saß ich alleine am anderen Ufer des Sees und beobachtete den Slytherin dabei, wie er über das Eis tanzte.
Zum ersten Mal wurde mir klar, wie schön Malfoy war. Zum ersten Mal, sah ich ihn, wie er wirklich war.
Jetzt, wo er weit entfernt von mir auf dem Eis seine Kreise zog.
Mit einem Mal tauchte eine Erinnerung vor meinem inneren Auge auf. Das Ereignis im, wie ich inzwischen nachgelesen hatte, Raum der Wünsche. Erst jetzt fiel mir auf, dass er gar nicht auf meine Frage, warum er weinte, geantwortet hatte. Im Gegenteil. Er hatte sie beiseite gewischt und hatte eine Gegenfrage gestellt. Warum? Was war so schrecklich, dass es einen Draco Malfoy derart aus der Fassung brachte? Er hatte so stark geweint, Tränen waren ihm über die Wangen gelaufen. Was war geschehen?
Und dann der Kuss.
Klar, jetzt war ich mit Ron zusammen, doch den Kuss hatte ich nicht vergessen. Er ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Warum hatte Malfoy mich geküsst? So ohne Mistelzweig.
Und wie beim ersten Kuss, hatte ich mich nicht dagegen gewehrt. Im Gegenteil. Auch diesen Kuss hatte ich erwidert. Warum hatte ich das getan? Warum hatte ich Malfoy nicht einfach fort gestoßen und ihm sonstwas erzählt? Warum war ich nicht einfach aus dem Raum gerannt?
Und letztendlich: Warum hatte ich den Kuss genossen?
Ich empfand doch nichts für ihn... oder etwa doch? Das war immerhin Draco Malfoy und nicht einfach irgendjemand!
Ich war jahrelang in Ron verknallt gewesen und jetzt, wo wir endlich zusammen waren, empfand ich plötzlich was für Malfoy?
Nein, das konnte und durfte nicht sein!
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»Vielen Dank, Mister Dewton.« Dankbar nahm ich das Einmachglas entgegen. Dieses enthielt eine dickflüssige bläulichgraue, die langsam hin und her schwappte. Vorsichtig ließ ich den Flubberwurmschleim in meine Manteltasche gleiten.
»Ich habe zu danken, Miss Granger. Es ist schön mal wieder Gesellschaft zu haben.« Der alte Mann hinter dem Tresen lächelte.
»Nun, wir müssen dann auch wieder.«
Ich deutete zur Tür und Mister Dewton lächelte.
»Auf Wiedersehen, Miss Granger! Beehren Sie mich bald wieder mit ihrer Anwesenheit.«
Die Türglocke läutete als ich, gefolgt von Malfoy, den Laden verließ.
Während ich mich um die fehlende Zutat gekümmert und mich ein wenig mit dem Ladenbesitzer unterhalten hatte, hatte Malfoy sich im Geschäft umgesehen.
Es hatte etwas in seinem Blick gelegen, etwas, dass ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Mit großen Augen war, ganz anders als beim letzten Mal, er durch die engen Gänge geschritten und hatte jedes einzelne, bis an die Decke gehende Regal genauestens begutachtet.
Er hatte ausgesehen wie ein kleines Kind, dass einen riesigen Lolli bekommen hatte. Erstaunt und ehrfürchtig zugleich.
Diese neue Seite an ihm, die Seite die er mir heute gezeigt hatte machte mir auf eine seltsame Art Angst. So kannte ich ihn nicht.
Aber dieses Seite gefiel mir auch. Sie war freundlich und emotional und wunderbar.
Ganz anders, als der Malfoy der mich jahrelang schikaniert hatte.
Schweigend liefen wir nebeneinander her, ein jeder in seine Gedanken vertieft, bis Malfoy plötzlich fragte: »Was läuft da eigentlich zwischen dir und dem Wiesel?«
Die Frage traf mich unerwartet und ich stolperte, fing mich jedoch im letzten Moment.
Ich merkte, wie ich gegen meinen Willen errötete, doch ich hob mein Kinn und antwortete patziger als beabsichtigt: »Wir sind zusammen, was dagegen?«
Doch Malfoy ging gar nicht auf meinen Ton ein, sondern blieb ruhig und erwiderte: »Ich nicht, aber du.«
Dann erhöhte er sein Schritttempo und ließ mich sehr verwirrt hinter sich.
Wie bitte? Was sollte das denn heißen?
Wieso bei Merlin sollte ich etwas gegen eine Beziehung mit Ron haben?
Und was hatte Malfoy davon mich so zu verunsichern?
Mit diesen Fragen beschäftigte ich mich den gesamten Rückweg. Was bezweckte Malfoy damit?
Eine halbe Stunde später traten wir aus dem geheimen Gang in den Kerkern.
Hier trennten sich unsere Wege.
Grade wollte Malfoy sich umdrehen, als ich ihn vom gehen abhielt.
»Malfoy?« Ich musste ihn das einfach fragen. Der Gedanke ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Der Slytherin wandte sich mir wieder zu.
»Was meintest du damit? Also, dass ich etwas gegen eine Beziehung mit Ron hätte?«
Ein Lächeln huschte über das Gesicht meines Gegenübers. »Ich weiß es nicht genau. Du wirkst so. So als wärst du dir unsicher.«
Unsicher? Obwohl ich es nicht gerne zugab hatte er wahrscheinlich recht.
Ich hatte immer etwas für Ron empfunden, schon seit ich ihn kannte. Konnte es sein, dass ich nun, nach all dieser Zeit nicht mehr auf Ron stand?
Bei diesem Gedanken lief mir ein eisigkalter Schauer über den Rücken.
Malfoy war näher an mich heran getreten. Kaum berührte sein Knie meines, bekam ich auch schon eine Gänsehaut. Warum nur machte mich die Nähe zu ihm nur so verrückt? Er war ein Slytherin und Malfoy dazu.
Ich war wie erstarrt durch seine plötzliche Nähe und so konnte ich auch nicht die Hand wegschlagen, die nach einer meiner Locken griff und sie um einen Finger wickelte.
Ich senkte den Blick.
»Liebe ist nichts wofür man sich schämen muss, Granger. Auch wenn es mich so absurd ist, dass man eine bestimmte Person gern hat, so sollte man es sich dennoch selbst eingestehen.« flüsterte der Slytherin mit einem undeutbaren Unterton in der Stimme.
Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, ob Malfoy noch immer über Ron und mich sprach.
Verwirrt hob ich den Kopf und sog schade die Luft ein, als unsere Nasenspitzen sich dabei berührten.
Ich merkte, wie ich schon wieder rot wurde. Ich öffnete den Mund, im etwas zusagen, schloss ihn jedoch dann wieder.
»Granger...« Beim Klang meines Namens aus seinem Mund zuckte ich zusammen.
Doch dann fasste ich Mut.
Wenn ich wirklich was für Malfoy empfand und sich meine Liebe zu Ron in nichts aufgelöst hatte, gab es nur eine Möglichkeit dies auszutesten.
Und so schloss ich die paar Zentimeter, sie noch zwischen unseren Lippen lagen.
Ich konnte Malfoys Überraschung spüren, doch dann erwiderte er den Kuss, legte seine eine Hand meine Taille, sie andere mich immer in meinem Locken und drückte mich an die Kerkerwand.
Es war wie ein Feuerwerk, dass auf meinen Lippen explodierte.
Mein Mund prickelte und ein warmes, wohltuendes Gefühl erfüllte meinen Körper.
Für einen Moment vergaß ich, dass dies hier Malfoy und nicht Ron war und hab mich ganz dem Kuss hin, spürte seine Lippen auf meinen, seine Hände an meinem Körper.
Und es fühlte sich gut an. Verdammt gut. Viel zu gut.
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