1. Kapitel
Viertes Schuljahr:
Hermines Sicht
»Miss Granger!« Snapes garstige Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken fuhr ich hoch und brachte meinen Oberkörper wieder in die Senkrechte. Ich war doch tatsächlich im Unterricht eingeschlafen! Eigentlich kein Wunder: In der letzten Nacht hatte ich alles andere als gut geträumt. Ich hatte einen Albtraum von Malfoy gehabt.
Zwei Szenen waren plötzlich in meinem Kopf aufgetaucht. Zum einen jene, in der er mich Schlammblut genannt hatte, zum anderen ein Frühlingstag im letzten Schuljahr, wo Malfoy mich beim Lesen am Ufer des Sees gestört hatte.
Beide Erlebnisse hatte ich eigentlich verdrängen wollen.
»Was ist so wichtig, dass es Sie vom Unterricht abhält?«
»Äh ich... also.« stammelte ich verlegen. »Nichts, Sir.« Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg und ich gegen meinen Willen errötete.
»Das will ich doch hoffen!« Snape wandte sich wieder seinem Pult zu. »Grade von Ihnen hätte ich mehr erwartet, Miss Granger. Zehn Punkte Abzug für Gryffindor, wegen nicht vorhandener Aufmerksamkeit.«
Zehn Punkte? Nur weil ich eine Sekunde nicht aufmerksam gewesen war? Der hatte sie ja wohl nicht mehr alle! Ich wollte protestieren, doch Snape wischte mit der Hand in meine Richtung, als wäre ich nichts weiter als eine lästige Fliege.
»Machen wir weiter.« Die Stimme des Zaubertränkelehrers war messerscharf, als er sich an Neville wandte. »Mister Longbottom, wollten Sie uns nicht grade erläutern was es mit Bezoaren auf sich hat?«
Neville sank in seiner Bank zusammen und wurde scharlachrot.
Oh, wie ich diesen Lehrer hasste!
Dieser ruhige und doch schneidende Ton. Das konnte einen echt zur Weißglut bringen! Und dann noch dieser gespielt enttäuschte Unterton: Grade von Ihnen hätte ich mehr erwartet, äffte ich Snape in Gedanken nach. Aber er war ein Lehrer und aus diesem Grund war es wichtig, dass ich höflich blieb. Schließlich war eine gute Note wichtig und wenn man es, wie auch in der Muggelwelt, zu etwas bringen wollte, auch nicht grade unbedeutend.
Nachdem Neville sich vor der ganzen Klasse blamiert hatte, »Fünf Punkte Abzug für Gryffindor«, und Harry wütend aufgestanden war, um Snape mal gehörig die Meinung zu geigen, »Mister Potter, noch ein mal zehn Punkte Abzug«, holte Snape eine Rolle Pergament aus einer Schublade und sagte: »In den folgenden Wochen werdet ihr in Paaren einen der schwersten Tränke der Zaubererwelt zubereiten. Bisher ist er nur wenigen richtig gelungen! Er heißt Wolfsbanntrank!«
Ich schnappte nach Luft.
Der Wolfsbanntrank war einer der schwierigsten Tränke überhaupt!
War ja klar, dass er seiner Hassklasse ausgerechnet diesen Trank als Hausaufgabe aufbrummen musste. Dieser Zaubertrank war selbst für die Jahrgangsbesten der siebten Klasse zu schwer und wir als Viertklässler sollten ihn nun zubereiten?
Doch ich sagt nichts, um nicht noch einmal negativ aufzufallen.
Die erstaunten, wütenden Blicke der Schüler ignorierend, rollte der Professor das Pergament auf und begann die Paare preiszugeben:
»Millicent Bulstrode und Neville Longbottom!" Ein dunkelhaariges Mädchen, das ich schon öfter mit Pansy Parkinson gesehen hatte, musterte Neville und verdrehte dann die Augen. Snape fuhr fort: »Vincent Crabbe und Parvati Patil, Lavender Brown und Ronald Weasley, Seamus Finnigan und Dean Thomas, Pansy Parkinson und Harry Potter...«
Ich hörte nicht mehr zu. Meine Gedanken schweiften wieder ab und ich hörte nur noch wie Harry sich darüber aufregte ein Paar mit Pansy bilden zu müssen. Der Arme!
Wenn ich gewusst hätte, welche Namen Snape jetzt aufrief, hätte ich mich gleich mit bemitleidet:
»Draco Malfoy und Hermine Granger! Fertig, Hausaufgabe bis Ende des Halbjahres: Zubereitung des Wolfsbanntrankes!«
Was?! Ich, Hermine Granger eine Muggelstämmige oder um es in den Worten jenes arroganten Kotzbrockens zu sagen: ein Schlammblut, sollte den Rest des Halbjahres Zeit mit Malfoy verbringen?
Ich hasste ihn!
Jahrelang hatte er mich geärgert, gemobbt, wegen meiner nichtmagischen Herkunft diskriminiert. Und nun sollte ich mit ihm, dem, der mir lange das Leben zur Hölle gemacht hatte, zusammen arbeiten?!
Es war Ende September
Bis zu Halbjahresende waren es noch fast vier Monate!
Wie sollte ich das nur überstehen?
Während ich mich noch über die missglückte Paarbildung aufregte, verließen die ersten Schüler bereits das Klassenzimmer.
»Ähm, Professor Snape...« begann ich, doch der Lehrer beachtete mich erst gar nicht.
Anders als Malfoy, der nun nach vorne kam und sagte: »Professor... Sir, wie wäre es wenn Pansy mit mir und Potter mit Granger ein Paar bilden würde?«
Snape sag ihn von oben herab an.
»Mr. Malfoy! Hinterfragen sie nicht mein Tun oder es wird Sie teuer zu stehen kommen.«
Die Stimme des Lehrers war eisig.
Doch Malfoy ignorierte das und sprach: »Mein Vater wird davon erfahren! Niemals werde ich mit einem Schlammblut zusammen arbeiten.«
Sein Blick huschte zu mir herüber und funkelte mich aus seinen grauen Augen voller Abscheu an. Snape jedoch war bei dem Wort Schlammblut zusammen gezuckt. Seine Stimme war scharf wie eine Rasierklinge, als er zischte: »Mr. Malfoy, nehmen Sie ein solches Wort nicht in meiner Gegenwart in den Mund! Und jetzt verschwinden Sie!« Das Gesicht des Lehrers war zornesrot. Warum nur? Warum war seine Stimmung bei dem Wort Schlammblut so plötzlich umgeschlagen?
Schließlich leerten sich die Kerker, auch die letzten Schaulustigen des Vonstattengegangenen verließen den Klassenraum und weil ich wenig Lust hatte mit Professor Snape alleine zu sein, packte ich schnell meine Sachen zusammen.
Da kam Malfoy an meinen Platz und sagte spöttisch: »Na Granger, sieht aus als müssten wir uns nun öfter sehen. Morgen Abend um halb sieben in der Bibliothek!« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Ihm war es egal, dass ich da eigentlich mit Harry und Ron Hagrid hatte besuchen wollen. Ich blickte ihn mit hasserfülltem Blick an und verließ ohne ein Wort zu sagen das Klassenzimmer. Hinter mir hörte ich Malfoy höhnisch schnauben.
Das konnte ja heiter werden!
~~~
Mist, schon so spät. Ich war doch um halb sieben mit Malfoy in der Bibliothek verabredet. Und jetzt war es schon zwanzig vor. Schnell packte ich meine Sachen zusammen und verließ den Gryffindorgemeinschaftsraum.
In der Bibliothek angekommen, sah ich Malfoy, alias arroganter Kotzbrocken, bereits an einem der Regale lehnen. Ich zögerte kurz. Allein Malfoys Anblick rief Erinnerungen in mir hervor, an die ich lieber gar nicht denken wollte. Allein sein Anblick rief das kalte Kotzen in mir rauf. Schlammblut. Der Vorfall war mittlerweile zwei Jahre her, doch es war in dem Moment ein ungeheurer Schock gewesen, hatte ich doch nicht gewusst, dass ein Hogwartsschüler ein solch schlimmes Wort gebrauchen würde.
Es hatte mir Angst gemacht. Doch nun sagte ich mir: Alles wird gut Hermine. Du musst nur den Rest des Halbjahres sehr viel Zeit mit dem blödesten, gemeinsten, arrogantesten und attraktivsten Jungen der Schule verbringen! Ich seufzte.
Momentmal, attraktiv? Hatte ich das grade wirklich gedacht? Ich beäugte ihn noch mal und musste leider feststellen, dass er gar nicht so hässlich war wie ich immer gedacht hatte. Ich muss eine ziemlich zufriedene Miene gehabt haben, denn als Kotzbrockens wunderschöne silbersturmgraue Augen zu mir wanderten grinste er spöttisch. Silbersturmgrau? Jetzt Ernsthaft? Ich hatte sie ja wohl nicht mehr alle!
»Na Granger?« Meinte er spöttisch. Gegen meinen Willen errötete ich.
Malfoy lachte gehässig und sagte: »Ich hab uns hinten nen Tisch freigehalten.« »Äh ja, ähm super dann also...« stammelte ich vollkommen verwirrt. Doch Malfoy hob nur die Augenbrauen und machte sich auf den Weg zu unserem Tisch.
»Zaubertränke und ihre Wirkung das klingt doch gut.« Sagte ich und knallte einen Stapel Bücher neben Malfoys Füße, die er auf der Tischkante platziert hatte.
»Also Malfoy, was weißt du denn schon über den Wolfsbanntrank?« Fragte ich in lehrerhaftem Ton.
»Ist das hier ne Nachhilfestunde, oder was?« Sagte Malfoy statt einer Antwort und fügte dann aber noch hinzu: »Keine Ahnung, ist dafür da um Wölfe zu killen.«
Ich blickte ihn verständnislos an und korrigierte: »Der Wolfsbanntrank ist ein erst in jüngster Zeit entwickelter Zaubertrank für Werwölfe, der aber durch das Hinzufügen von Zucker seine Wirkung verliert.
Nur wenigen, darunter Professor Snape selber ist es gelungen den Trank korrekt herzustellen. Wenn ein Werwolf, drei Tage vor Vollmond täglich eine große Tasse des bitteren Gebräus einnimmt, bleiben zwar die Schmerzen bei der Wandlung gleich, jedoch behält er während des Werwolfdaseins sein Menschliches Bewusstsein und kann seinen Körper im Falle von starker Willenskraft, die meistens vorhanden ist, zumindest teilweise beherrschen.«
Als ich meinen Vortrag geendet hatte meinte Malfoy in provozierendem Ton: »Wow, du bist ja wirklich so klugscheißerig wie alle immer sagen.«
Ich grinste ihn verschmitzt an und antwortete: »Wenn klugscheißerig in,« Ich musterte ihn gespielt kritisch, »deiner Sprache so etwas wie hübsch, intelligent oder wunderschön bedeutet, dann,« ich lächelte überlegen, »ja, das bin ich!«
Malfoy fing an zu lachen, aber nicht dieses typische, spöttische ich-bin-viel-besser-als-du-Malfoy-Lachen, sondern ein ehrliches, warmes Lachen bei dem man richtig hören konnte, dass es von Herzen kam. Es klang so wunderschön, dass ich einfach mitlachen musste. Und so saßen wir, uns vor Lachen kugelnd in der Bibliothek und kriegten uns fast nicht mehr ein.
Wenn mir jemand vor einer Woche gesagt hätte, dass ich bald mit Malfoy, Slytherin und dem wohl blödesten, gemeinsten und ja ich gebe es offen zu in diesem Moment auch attraktivsten Jungen der Schule, etwas zu lachen gehaben würde dann hätte ich dem einen Vogel gezeigt!
Doch jetzt nur für diesen Moment war es das normalste von der Welt. Und, ich muss es wohl zugeben, auch das schönste was ich mir je hätte vorstellen können.
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