15. Trugbild
Es überraschte den Dieb, wie gut Toivos Zauber funktionierte. Ein Teil von ihm hatte angenommen, dass der alte Magier diese rare Gelegenheit ihn loszuwerden unmöglich ungenützt verstreichen ließ. Aber anscheinend überwog der Wunsch der Rettung seines ehemaligen Schülers über den Drang, ihn umzubringen. Interessant. Anders als die meisten anderen, hatte er dem Magier sein schamloses scheinheiliges Gehabe niemals abgekauft. Ohne jeden Zweifel war er genauso kaltblütig und pragmatisch veranlagt wie der Dieb selbst - und es gab nichts und niemanden, den er nicht bereitwillig für das Vorantreiben seiner eigenen Ziele in den Sieben Hölle schmoren lassen würde. Nun, fast niemanden.
Cierian Vale war wirklich ein Phänomen. Normalerweise war Kat sehr gut darin Menschen zu lesen und ihr Handeln vorauszuahnen, doch der Bändiger war wie ein Joker in einem Kartendeck, in letzter Sekunde konnte er das Blatt noch wenden und ein vollkommen anderes Ende heraufbeschwören. Eine Eigenschaft, die in einem Krieg wie diesem entscheidend sein konnte.
Jeder gute Spieler bewahrte sich eine Verzweiflungskarte in der Hinterhand auf - und Cierian Vale würde seine eigene sein.
Kat erreichte die Reling und hievte sich an Deck. Der Zauber wirkte weiterhin und so lief der Dieb beinahe unbehelligt durch den Sturm, bis zu einer mit einem Kurbelrad verriegelten Eingangstür. Lange hielt diese ihn nicht auf und er gelangte über eine Stahltreppe in einen fensterlosen, mit Kugelleuchten erhellten Korridor.
Ezra reiste ungern in Begleitung - eine zweischneidige Klinge. Zum einen war es natürlich vorteilhaft, da die Besatzung bestimmt spärlich besetzt war und die Kontrollen dadurch gezwungenermaßen in breiteren Abständen erfolgen mussten, ein großer Nachteil war aber auch, dass ein Fremder sofort auffallen würde. Sobald ihn jemand sah war die Mission gelaufen.
In seinem Kopf legte er eine Karte an und folgte dem Korridor.
Tut das nicht, drängte eine Stimme, die schon seit Anbeginn der Mission in seinem Kopf herumspukte. Bist du vollkommen verrückt geworden? Du bist Kat Laer. Du läufst niemals blindlings in dein Verderben, du überlebst.
Er ignorierte sie und bog um eine Ecke. Ihm fehlte die Zeit, um jede Biegung gründlich auszuspähen und musste völlig auf sein Glück vertrauen. Noch eine eher untypische Vorgehensweise für ihn. Aber die Zeit tickte erbarmungslos weiter.
Er vermutete den Gefangenentrakt noch ein Stockwerk tiefer, aber wie sollte er möglichst schnell und effizient dorthin gelangen?
Die Antwort kam überraschend; er hörte Gesang. Ein Kinderlied aus Le-Zith?
Der Ursprung des Liedes führte ihn zu einer Tür mit einem kleinen runden Durchblick. Offenbar die Küche.
Ein Bursche hantierte dort mit unterschiedlichen Kochutensilien und sang leise vor sich hin.
Vorsichtig drückte der Dieb die Tür auf und trat geräuschlos ein. Sein Opfer stand mit dem Rücken zu ihm. Es wäre ein leichtes ihm Hier und Jetzt die Kehle durchzuschneiden, aber dann wäre er um keine Information reicher und hätte auch genauso gut vorbeischleichen können. Bedachtsam löste er den Obsidanklinge aus der Halterung und ließ ihn in seine Hand gleiten.
»Eine falsche Entscheidung und du bist tot.«
Der Gesang erstarb. Der Junge spürte den tödlichen Stahl, der sich an seine Halsschlagader schmiegte und begann heftig zu zittern. »Bitte«, murmelte er und hob entwaffnend beide Hände, wobei er in einer weiterhin einen Holzlöffel fest umklammert hielt. »Ich schwöre, ich werde keine Probleme bereiten, ich habe nichts gesehen ... Bitte.«
Der Gestank von frischem Urin stieg ihm unangenehm in die Nase. Natürlich musste er sich einpissen ...
»Wie heißt du?«, fragte Kat.
»Jussipo.«
»Na schön, Jussipo. Dich wird es wohl kaum überraschen, wenn ich dir sage, dass ich auf der Suche nach Cierian Vale bin. Falls du bereitwillig kooperierst, werde ich dich vielleicht nicht umbringen. Also wo ist er?«
»I-I-Ich w-weiß es nicht«, brachte sein Opfer furchtsam hervor und blickte ihn mit weitaufgerissenen Augen an. Er war noch fast ein Kind. Vermutlich jünger als Oz.
»Hör gut zu«, begann er finster, »wenn du tust was ich sage, passiert dir nichts.«
Eine glatte Lüge, immerhin würde in weniger als einer Stunde ein tiefes Loch im Schiffrumpf klaffen - zumindest wenn alles nach Plan verlief.
»Ich weiß nicht, wo Cierian Vale ist«, wiederholte der Junge immer noch angsterfüllt. Kat hielt ihn nicht für gewieft genug, um diese Angst vorzutäuschen und ließ das Messer enttäuscht sinken. »Gibt es hier eine Vorratskammer?«
»A-Aber ja!«, stieß der Bursche hervor, sichtlich erleichtert, diesmal seinem Wunsch zu entsprechen. »Gleich dort drüben!«
Er zeigte auf eine robuste Holztür mit eingeschnappten Vorhängeschloss davor.
»Nur ... «, fügte er betreten hinzu, »habe ich den Schlüssel nicht.«
Der Dieb trat vor und entriegelte das Schloss mit beinah gelangweilter Routine.
»Rein da«, wies er den Jungen an. Dieser rührte sich nicht vom Fleck, ein zitterndes Häufchen Elend.
Der Dieb seufzte, für so etwas fehlte ihm die Zeit: »Hätte ich dich töten wollen, wärst du es bereits. In ein paar Stunden werden sie dich schon finden.«
Oder du treibst mit dem Rest des Schiffes Tod am Meeresuntergrund, schoss es ihm durch den Kopf.
Noch immer zögerte er, doch dann nickte Jusoppo gefügig und schlüpfte in das kleine Kämmerchen. Er gab wirklich einen erbärmlichen Anblick ab, wie er dort zitternd zwischen den Gemüsekisten kauerte.
Nein, dachte er entschieden und wollte schon die Tür schließen, als der Bursche plötzlich rief: »Warte! Ich weiß vielleicht nicht wo Cierian Vale sich aufhält, aber ich könnte es herausfinden!«
Der Dieb zögerte. Die Tür stand nur noch einen kleinen Spalt offen.
»Bitte ... «, flehte es aus dem Spalt heraus. »Ich werde ganz bestimmt nützlich sein ... «
»Wie?«
»Ich denke ich weiß, wer es wissen könnte.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Graf Ezras engster Vertrauter an Board ist sein Untersekretär, Laurin Moria, dieser kümmert sich seither um sämtliche seiner Belange, ganz gleich welcher Natur«, plapperte der Bursche drauflos, »er wird es wissen, ganz bestimmt.«
Laurin Moria ... der Name sagte ihm nichts und er war einer von Ezras engsten Vertrauten? Seltsam ... Irgendwas störte ihn, aber die Zeit verann gnadenlos.
»Überredet«, knickte Kat ein und stieß die Tür wieder auf, »bring mich zu diesem Untersekretär.«
Juseppo führte ihn in den Bauch des Schiffs. Noch immer fühlte sich der viele Stahl der sie einschloss widernatürlich an, wie eine ganz andere Welt aus klickenden Geräuschen und schwarzem Rauch. Er hörte wie Maschinen unentwegt Leben durchs Unterdeck pumpten, konnte ihren schmierigen Gestank riechen. War das die Zukunft, die Le-Zith für diesen Kontinent bereithielt?
»Dort vorne ist seine Kabine«, raunte der Junge ihm leise zu. »Ich habe da auch schon eine Idee, wie wir ihn herauslocken ... «
Kat musterte den Jungen kritisch von der Seite. »Scheinbar bist du richtig scharf darauf deine eigenen Leute zu verraten.«
»Das sind nicht meine Leute«, entgegnete Juseppo und seine Wangen entflammten. »Nur weil ich ihnen ihr Abendessen zubereite, heißt das nicht unbedingt, dass ich alles gutheiße, was sich seine Exzellenz und seine engsten Vertrauten in ihrem Wahn zusammenreimen. Auch innerhalb Le-Zith gibt es Kritiker an seiner Politik. Und ihre Anzahl wächst mit jedem verstreichenden Tag!«
»Mutige Worte. Trotzdem hast du bisher niemanden von ihnen Gift ins Essen gemischt, oder?«
»Ich hab mal in Morias Kohlsuppe gespuckt«, hielt der Kleine tapfer dagegen und entlockte dem Dieb damit ein kurzes Grinsen. »Na schön, dann erzähl mir mal von deiner Idee.«
Die Idee war recht simpel. Juseppo würde Moria eine Botschaft übermitteln, die andeuten würde, dass etwas mit dem Gefangenen nicht stimmte. Moria würde der Sache auf den Grund gehen und Kat direkt zu Vales Aufenthaltsort führen. Soweit so gut.
Der Dieb schmiegte sich eng in den Schatten und bedeutete den Kleinen mit einem knappen Nicken die Operation zu starten.
Der Junge holte zittrig Luft und klopfte an. »Graf Moria? Hier ist Juseppo. Leutnant Vaan schickt mich, um Euch von einem dringenden Problem zu unterrichten. Darf ich eintreten?«
Zunächst passierte nichts, doch dann wurde die Tür ruckartig aufgerissen. Ein Mann im flatternden Nachtgewand und angegrauten Spitzbärtchen trat barfuß auf den Flur hinaus. »Was für ein dringendes Problem, Jungchen?!«
»I-Ich weiß nicht genau«, stammelte Juseppo überraschend überzeugend, »der Leutnant unterrichtete mich nur es hätte etwas mit dem Gefangenen zu tun. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Mit dem Gefangenen«, wiederholte Moria und kniff argwöhnisch die Augen zusammen. Einen Moment war sich Kat ganz sicher, der Bluff würde nicht wirken und tastete nach seinem Obsidanmesser, doch dann fügte der Untersekretär ärgerlich hinzu: »Nicht schon wieder ... Dieser Kerl treibt mich noch in den Wahnsinn! Folge mir! Im Fall der Fälle brauche ich vielleicht noch jemanden, der Graf Ezra eine Nachricht überbringt.«
»Sehr wohl, Graf.«
Anscheinend hatte der Bändiger auch in Gefangenschaft nichts von seiner Nervtötigkeit eingebüßt ...
Die beiden liefen zügig den Flur entlang und nach etwas Abstand nahm der Dieb die Verfolgung auf.
Die Sieben waren gnädig gestimmt, niemand kreuzte ihren Weg und sie gelangten unbehelligt in einen verwaisten Korridor. Hinter einer dieser Türen musste sich Cierian Vale befinden.
»Wo ist Vaan?«, fragte Moria scharf und wandte sich plötzlich dem Jungen zu.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte dieser schüchtern und zog schützend den Kopf ein.
»Unfassbar«, murmelte der Untersekretär kopfschüttelnd. »Dieser Tage ist es wirklich unmöglich geschultes Personal zu kriegen. Leutnant? Leutnant!«
Kat regierte instinktiv und packte ihn von hinten, um ihm mit dem Arm die Luft abzuschnurren. Für einen Bürokraten kämpfte er tapfer, doch der Dieb wusste wie man ein Opfer schnell ruhigstellte, lange würde er den Druck nicht aushalten und das Bewusstsein verlieren. Als die Gegenwehr erlosch, sackte Morias Körper wie ein Sack Kohle zusammen und blieb regungslos liegen.
»Ist er tot?«, fragte Juseppo ängstlich und wich zur Wand zurück.
»Nein«, antwortete Kat, ging in die Hocke und besah sich das Türschloss genauer. Es war ein einfaches, aber robustes Zylinderschloss. Anscheinend hatten die Konstrukteure dieses Ungetüms sich so sehr auf die äußere Eisenschicht verlassen, dass alle anderen Sicherheitsvorkehrungen sträflich vernachlässigt wurden. Genau darauf hatte er spekuliert. »Du hältst hier Wache, sobald du jemanden siehst, schrei.«
Der Junge erblasste und nickte mit zusammengepressten Lippen. Vielleicht wurde er sich seines Verrats gerade bewusst und realisierte, dass es kein Zurück mehr gab.
Kat knackte gefühlvoll das Schloss und zog leise die Tür einen Spalt auf. Jetzt bloß nicht leichtsinnig werden, dachte er mahnend, nicht nachdem du es soweit geschafft hast.
Der Raum in den er schlüpfte, lag im Halbdunkeln. In einer Ecke flackerte das kleingedrehte Licht einer Gaslaterne und warf langgezogene, gespenstische Schatten auf den Fußboden.
Vorsichtig machte er ein paar Schritte hinein. Er konnte auf der dunkeln Seite des Raums die schwache Silhouette eines Stuhls ausmachen, und darauf die dunkeln Umrisse eines menschlichen Körpers. Größe und Gewicht könnten hinkommen ...
Es war eiskalt und sein Atem begann sich dunstförmig vor ihm abzuzeichnen.
Er schlich näher. Vales Handgelenke waren mit Eisenketten umschlungen und auf seinen Rücken fixiert worden. Seine Füße waren nackt und er trug einfache weiße Gefängniskleidung. Außerdem hatten sie ihm einen Sack über den Kopf gestülpt.
Schließlich blieb er genau vor ihm stehen und sah auf ihn herab. Er hatte es geschafft.
»Hey«, sagte er und zog ihm den Sack herunter. »Du bist besser noch nicht abgekratzt, nicht nachdem ich so viel Mühe in diesen Befreiungsversuch gesteckt habe ... «
Zunächst zeigte er keine Reaktion - möglicherweise hatte Ezra ihn ja mit einem Schlafzauber belegt? Das wäre wirklich lästig - doch dann ... gähnte er auf einmal ausgelassen und blinzelte zu ihm hoch. Eine weitere Sekunde verstrich ereignislos, dann fing er heftig an zu lachen.
Verdammt ... Er ist doch nicht etwa gefallen?!
»Du bist heute ja besonders kreativ«, brach es schließlich aus dem Bändiger heraus. »Kat Laer der zu meiner Rettung herbeieilt? Das ist wirklich mehr als lächerlich, Harlyn. Langweilen dich diese Psychospielchen nicht langsam?«
Kat verstand sofort. »Du denkst ich bin ein von Ezra erschaffenes Trugbild? Erschaffen um dich zu quälen und zu brechen.«
»Nein, natürlich denke ich das du der echte Kat Laer bist«, erwiderte der Magier höhnisch. »Bestimmt hattest du einfach etwas Langeweile und hast dann beschlossen das Unmögliche zu versuchen und mich aus Le-Zith Fängen zu befreien. Immerhin stehen wir beide uns auch so unfassbar nah!«
Der Blick des Diebs verfinsterte sich. Damit hatte er nicht gerechnet, wie sollte er ihn jetzt auf die Schnelle von seiner Echtheit überzeugen?
»Hör mir zu«, sagte er möglichst ruhig. »Für dieses Theater haben wir jetzt keine Zeit, wenn wir es nicht rechtzeitig zurück aufs Deck schaffen, werden wir mit dem Schiff gemeinsam in die Luft gesprengt.«
»Nun, diesmal hast du dir ja eine besonders dramatische Wendung ausgedacht! Nicht nur das ich gerettet werde, nein, diesmal werden wir sogar dich und dein Schiff auf den Grund des Meeres befördern? Gefällt mir.«
»Vale, das ist keine verdammte Illusion, verstehst du? Ich bin wirklich hier, um deinen undankbaren Arsch zu retten.«
»Du hättest dich lieber wieder für Shae oder Oz entscheiden sollen, oder meinetwegen noch für Toivo! Dann hätte diese Rettungsmission wenigstens an ein kleinwenig Glaubwürdigkeit gewonnen! Allein Kats Anwesenheit beweist mir, dass das alles nur in meinem Kopf stattfindet!«
Dem Dieb riss endgültig der Geduldsfaden und er donnerte dem Magier seine Faust mitten ins Gesicht, nur damit er endlich sein Maul hielt.
»Das ist auch neu«, murmelte der Bändiger zerknirscht. Durch seinen wütenden Schlag hatte er ihm die Nase gebrochen, frisches leuchtendrotes Blut rann dem Gefangenen übers Kinn und besudelte sein Wollhemd.
»Jetzt hör mir mal gut zu«, die Stimme des Diebs bebte vor Wut, »selbst wenn das alles nur in deinem Kopf stattfindet ... selbst wenn ich deiner Meinung nach nicht real bin ... du wirst jetzt gefälligst trotzdem mit mir mitkommen und dich retten lassen, mir scheißegal ob du das alles für ein Trugbild hältst! Weißt du eigentlich, was wir deinetwegen alles durchgemacht haben? Oz, Kyrie, dieses Drachenmädchen, Jelena Jeckles und sogar dein verdorbener Lehrmeister! Sie alle geben in diesem Moment ihr Bestes, um dein erbärmliches Ableben noch ein kleines Stückchen länger hinauszuzögern! Also tu mir den Gefallen und behalt deine Hirngespinste für dich! Wenn du nicht aktiv zu deiner Rettung beitragen willst ist das deine Sache, aber wage es ja nicht diese Rettungsmission auch noch zu behindern! Ich werde schon genug damit zu tun haben, damit wir nicht auffliegen, ich kann mich jetzt nicht auch noch mit deinem inneren Zerwürfnis auseinandersetzen!«
Der Magier schwieg, während sein Retter ihn von seinen Ketten befreite. Doch vor dem letzten lösenden Klicken, hielt er nochmal inne.
»Denkst du wirklich niemand wird kommen, um dich zu retten?«
»Ich hoffe es, sonst wäre mein selbstloses Opfer ja vollkommen umsonst gewesen.«
»Tja, Pech gehabt.«
Das Klicken ertönte und der Bändiger war frei. »Beeil dich, wir haben nicht viel Zeit!«
Der Magier schüttelte kurz die schmerzenden Handgelenke aus und stand schwerfällig auf - das lange sitzen in dieser unbequemen Position, hatte ihn steif werden lassen.
Der Dieb war inzwischen schon wieder an der Tür angelangt und wartete ungeduldig. Er war immer noch ziemlich wütend, aber nicht nur auf den Magier, sondern auch auf sich selbst. »Jetzt komm endlich!«
Mit dem Ärmel wischte er sich noch das Blut aus dem Gesicht, dann schien er seinen Widerstand aufzugeben. »Fein«, sagte er. »Spiel ich eben dieses kranke Spiel eine Weile mit.«
Gemeinsam traten sie auf den Korridor heraus, wo der junge Koch sofort aufschreckte. »Cierian Vale!«, entfuhr es ihm wie von Sinnen und seine Augen weiteten sich vor Schreck und Ehrfurcht.
»Wer ist das denn?«
»Ein Verbündeter«, antwortete Kat knapp und lief bereits den Korridor entlang. Sie hatten jetzt noch weniger als zwanzig Minuten, um zurück aufs andere Schiff zu gelangen.
»Warte!«, rief Juseppo. »Was soll ich denn jetzt tun?«
»Geh zurück in deine Küche und verhalte dich normal. Damit hilfst du uns am Meisten.«
»In Ordnung ... viel Glück und ... « Er wandte sich schüchtern an Vale: »Es war mir wirklich eine Ehre bei der Rettung des Helden Astrias eine kleine Rolle gespielt zu haben. Ich hoffe wirklich, ihr schafft es irgendwann, Le-Zith aus dem Griff dieses Wahnsinnigen zu befreien und den so dringend benötigten Umbruch herbeizuführen - nach so vielen Jahren des Kämpfens und des Verlusts.«
Dann machte er sogar noch das Zeichen, dass Vale selbst als Sinnbild der Rebellion eingeführt hatte, eine weitaufgespreizte Hand, die sich über dem Herzen zu einer Faust schloss. Fünf Länder, ein Kontinent.
Dies schien ihm dann doch ziemlich peinlich zu sein, denn er errötete heftig, machte am Absatz kehrt und lief eiligst in die andere Richtung davon.
Der Magier starrte ihm nach.
»Vale!«
»Hast du nicht vorhin noch behauptet, dieses Schiff würde bald untergehen?«
»Dem ist auch so.«
»Und du willst diesen Jungen mit ihm untergehen lassen?«
»Wir haben keine andere Wahl! Es ist viel zu riskant, eine weitere Person mitzunehmen, Toivos Zauber-«
»Dann nimm ihn mit und lass mich hier.«
Kats Nerven lagen blank. Wollte dieser Bändiger ihn eigentlich kpmolett verarschen? Doch er durfte keinen Streit provozieren, was sollte er tun, wenn Vale den ganzen Plan verwarf und eine eigene, noch hirnrissigere Rettungsmission anzustreben begann? Das durfte er nicht zulassen, nicht nachdem sie alles für diese eine Chance riskiert hatten!
»Mir bereitet es auch keine Freude, den Jungen zurückzulassen. Aber sein Überleben wird nicht über das Schicksal von Hunderttausenden entscheiden! Wir können es uns einfach nicht leisten, dich nochmal zu verlieren, kriegst du das nicht endlich in deinen sturen Schädel rein? Deine unerwartete Auferstehung hat die ganze Welt erschüttert, Rebellen aus jedem Winkel des Kontinents rotten sich erneut zusammen und die Menschen beginnen sich nicht länger vor Le-Zith' Übermacht zu fürchten und schöpfen neue Hoffnung. Im Vergleich dazu ist er was? Ein kleiner unbedeutender Koch, den es zufällig auf dieses Schiff verschlagen hat? Was wird er verändern?«
»Alles«, entgegnete der Magier nachdrücklich. »Du hast recht, Menschen wie du und ich werden diesen Krieg führen, ihn vielleicht sogar gewinnen, aber für wen Kat? So viele gute Seelen gibt es nicht mehr, dass wir es uns leisten können auch nur noch eine weitere zu riskieren! Selbst wenn wir diesen Kontinent retten, werden nicht wir diejenigen sein, die ihn verändern. Das können nur noch unverdorbene Seelen wie die von Oz oder Shae oder die dieses Jungen, den du so bereitwillig für mein Überleben zu opfern gedenkst. Denk nach, Kat! Wenn wir weiterhin so rücksichtslos handeln und die Schutzlosen nicht beschützen, wer wird dann am Ende noch übrigbleiben? Willst du wirklich seine Exzellenz vernichten, damit als nächstes eine Organisation wie der Sheridan-Orden an seine Stelle tritt? Was genau hätten wir dann verändert?!«
Der Dieb schwieg, während ihnen die Zeit weiter unaufhaltsam durch die Finger rann. Er wusste, dass er die rational richtige Entscheidung getroffen hatte; natürlich war Vales Überleben wichtiger als die des Kochs. Aber durch die Worte des Magiers hatte sich tief in seinem Unterbewusstsein etwas geregt; Ekel. Ekel vor sich selbst und was aus ihm geworden war.
»Meinetwegen, wir sammeln den Jungen ein, unter einer Bedingung.«
»Und zwar?«
»Ich werde für den Jungen zurückbleiben. Auf diesem Weg werdet ihr beide gerettet und der Plan bleibt unangetastet - da du mich ohnehin für eine Illusion hältst, dürfte dir das keine Schwierigkeiten bereiten. Deal?«
»Real oder nicht, manchmal verstehe ich dich wirklich nicht«, grummelte der Bändiger kopfschüttelnd. »Deal.«
***
Cierian ist zurück!
Na das lief doch wie am Schnürchen✨ jetzt müssen sie nur noch das Schiff erreichen und zusammen in den Sonnenuntergang segeln. Genauso wird es sein. Oder auch nicht🤭
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