Ein Wink des Himmels
Seit knapp einer Stunde sitze ich ganz alleine in einem Raum. Er ist recht klein, und hat nicht viele Möbel darin. Nur einen kleinen quadratischen Tisch und zwei Stühle, auf dem einen ich sitze und der andere immer noch leer ist. Seitdem ich ihm von meiner Vorahnung erzählt habe, habe ich das Gefühl von Etwas befreit zu sein.
Nun habe ich es gesagt, ihn gewarnt. Doch das kann es doch nicht gewesen sein, oder? Nein. Ich muss ihn dazu bringen nicht in dieses verdammte Flugzeug zu steigen. Sonst würde ich mir das nie verzeihen, dass weiss ich genau. Die Tür wird geöffnet und ein grosser Mann mit grauen Haaren und ebenso ergrautem Dreitagebart, betritt das Zimmer.
„Nein. Ich habe doch gesagt, dass er heute Abend nicht da ist. Irgend so eine dämliche Veranstaltung, ein Ball oder so etwas. Ich melde mich später wieder. Ja, okay." Der Mann legt auf und sieht mich mit einem eisigen Blick an. „Ich bin Williams Manager. Sie sind also die Verrückte, die ihn vor einer bösen- wie haben Sie sie genannt? Vorahnung?- gewarnt haben." Er sieht auf mich runter, seine grauen Augen sehen mich leicht aggressiv an. „Ich weiss wie das klingt, aber es ist die Wahrheit.", verteidige ich mich.
Der Mann stösst einen tiefen Seufzer aus und setzt sich mir gegenüber. Mit über einander geschlagenen Beinen sitzt er da und sieht mich mit Argusaugen an. Ich rutsche unruhig hin und her, frage mich was jetzt auf mich zukommt. „Die Wahrheit also? Eine Wahrheit die Sie für rechtens erachten. Die Frage ist doch viel mehr- wie sieht das die Polizei?" Ich schlucke und versuche meine Nervosität zu verstecken, doch der Mann ist ein Profi, vielleicht sogar ein ehemaliger Polizist. So kommt er mir jedenfalls vor.
Er beugt sich leicht über den Tisch, ganz automatisch rücke ich etwas weg. „Zu schade verzichtet Mr Blake auf eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch und sexueller Belästigung. Er sagte und ich zitiere; Sie meinte es nur gut, lassen wir sie laufen." Erleichtert atme ich auf, doch auch wenn er auf eine Anzeige verzichtet, habe ich noch immer eine Hälfte meines Kopfes in der Schlinge, die sich immer noch zuziehen kann.
"Ich wollte ihn weder belästigen noch sonst etwas. Alles was ich wollte, war ihn davor zu warnen in zwei Tagen in diese Maschine zu steigen. Denn sie wird abstürzen und er, wenn er an Board ist, wird sterben. Und das wollen wir beide nicht, ist doch so, oder?" Sein Lächeln wird noch ekelhafter und der Ausdruck in seinen Augen nimmt an Eiseskälte zu.
„Ich sorge für meine Schützlinge, aber ich vertraue nicht auf das Wort einer dahergelaufenen Verrückten. Die meiner Meinung nach in eine Zwangsjacke gesteckt und in die Gummizelle gehört. Aber ich kann ihn nicht umstimmen, das schafft keiner. Wenn er Ihnen also nicht glaubt, dann ist das so. Aber ich kann ihn nur unterstützen. Und jetzt bitte ich Sie das Gebäude und am besten das Land zu verlassen."
Er steht auf und streckt mir seine Hand hin. Ich schaue zu ihm auf und spüre so viel Hass, dass ich mich auf der Stelle übergeben könnte. „Vielleicht sollte ich das auch, aber ich werde es nicht, denn mir liegt sein Leben aufrichtig am Herzen. Und was Sie angeht, Mr Arrogant, sollten Sie lieber auf die Meinung dieser Verrückten vertrauen, ansonsten haben Sie das Leben Ihres Schützlings auf dem Gewissen. Und das sollte doch Grund genug sein, finden Sie nicht?"
Ich stehe auf und verlasse den Raum, spüre seinen vernichtenden Blick auf mir ruhen. Als ich ins Freie trete, bleibe ich stehen und atme tief ein und wieder aus. Ich ärgere mich über mich selbst, ich hätte es besser anstellen sollen. Aber ich gebe nicht auf, nicht bevor ich mit ihm persönlich unter vier Augen und in Ruhe darüber reden konnte. Mir ist es zwar rätselhaft wie ich das anstellen soll, doch ich werde schon einen Weg finden.
Zuerst muss ich meine Gedanken sortieren und etwas Essen. Seit gestern Abend habe ich nichts mehr gegessen und jetzt ist es weit nach Mittag. Während ich an einem Stand, ganz in der Nähe des Hotels, einen Gemüseburger schmecken lasse, wandern meine Gedanken wieder zu der Begegnung mit William Blake. Auch wenn ich ihm zum ersten Mal begegnet bin, habe ich eine Verbindung gespürt.
Eigentlich ist das gar nicht möglich, überhaupt nicht mit den Ansichten der heutigen Wissenschaft zu vereinbaren. Dennoch ist dieses Gefühl da, wenn ich jetzt die Augen schliesse, sehe ich sein Gesicht. Die Kontur seines markanten Kiefers, die vollen Lippen, die gerade Nase, dazu seine unglaublich grünen Augen. Das blonde lockige Haar, das ihm wirr in die Stirn fällt. Ein wunderschöner Mann, von dem ich nichts weiss. Ich kenne ihn überhaupt nicht und habe trotzdem das starke Verlangen ihn zu beschützen. Ihn vor einem schrecklichen Fehler zu bewahren.
Doch was sagt mir, dass es überhaupt stimmt? Was wenn es nur ein schrecklicher Tagtraum war und nichts mit der Realität zu tun hat? Was dann? Dann habe ich ohne Grund einen Menschen belästigt, ihn sogar verängstigt. Aber was wenn es doch wahr ist? Was, wenn das Flugzeug doch abstürzt und ihn mit in den Tod reisst? Dann habe ich zugelassen, dass ein junges Leben beendet wird. Und das kann ich nicht verantworten. Ich will gerade wieder zum Hotel, als mir ein Flyer vor die Füsse geweht wird.
Ich sehe mich um, ob vielleicht jemand diese verteilt hat, doch ich kann niemand sehen. Also hebe ich ihn vom Boden auf und betrachte ihn. Darauf ist gross zu lesen, dass heute ein Maskenball stattfindet, im selben Hotel wie die Presseveranstaltung stattgefunden und William wohnt. Das ist meine Chance, ich muss dahin. Aber ich habe kein Kleid, nichts das ich anziehen könnte. Doch dafür muss es doch auch eine Lösung geben. Mit neuem Mut mache ich mich auf die Suche nach einem Secondhand Shop und da Los Angeles sehr viele davon besitzt, muss ich nicht lange danach suchen.
Ich betrete einen kleinen Laden und eine Klingel kündigt mich an. Während ich mich umsehe, erscheint eine ältere Frau und lächelt mich freundlich an. „Was kann ich für Sie tun?" Ich zögere, weiss nicht was ich ihr erzählen soll. „Suchen Sie nach einem Kleid?" Ich nicke und gehe einen Schritt auf sie zu, sie hat blondes Haar das mit vielen grauen Strähnen durchzogen ist. Ihre Augen strahlen eine Wärme aus, die mich sofort in ihren Bann zieht.
„Ich suche ein Kleid das zu einem Maskenball passt." Sie nickt eifrig und beginnt sofort von dem Maskenball, der wie sie mir erzählt jedes Jahr in diesem Hotel stattfindet, zu erzählen. „Viele Mädchen gehen in die Kaufhäuser, oder in die schicken Boutiquen um sich ein Kleid zu kaufen. Aber die wahren Schätze findet man nur hier." Ihre braunen Augen beginnen zu funkeln und ein sentimentaler Ausdruck schleicht sich in ihre Augen.
„Ich glaube ich habe das Richtige für Sie.", sagt sie, nachdem sie mich von oben bis unten gemustert hat. Unsicher schaue ich mich um, so viele Kleider gibt es hier. Ich wüsste gar nicht wo ich anfangen sollte zu suchen, doch sie scheint genau zu wissen welches Kleid sie für mich ausgesucht hat. Ich folge ihr ein Stück weit, schaue mir die Kleider an und kann eine leichte Vorfreude auf den Ball nicht unterdrücken. „Das hier würde Ihnen mit Sicherheit stehen." Ich schaue zu ihr und kann nicht glauben was sie mir präsentiert.
Ein wunderschönes Kleid, das oben bestickt ist und unten in einem fliessenden Stoff gehalten wurde. Das Oberteil hat unzählige goldene und champagnerfarbene Perlen und Pailletten und über dem fliessenden Stoff liegt eine Lage Glitzertüll. Am Rücken kann man Flügel befestigen, so sieht man aus wie ein Schmetterling. Als ich das Kleid anprobiere, fühle ich, dass dies mein Kleid ist. Es passt perfekt, nichts ist locker oder zu eng. „Als hätte es auf Sie gewartet.", schwärmt sie als sie mich sieht. Ich lächle und kann gar nichts dazu sagen. Ich bin sprachlos. „Das ist einfach traumhaft."
Verzückt streiche ich über den Stoff und kann kaum glauben, dass ich das bin. „Ich würde die Haare hochstecken, vielleicht noch mit einer goldenen Brosche verzieren. Was meinen Sie?" Ich nicke und kann gar nicht glauben was alles passiert. Catherine, wie sie heisst, bietet mir an mir die Haare zu frisieren. „Das ist nett von Ihnen. Wie...?", weiter lässt sie mich nicht reden.
„Engel muss man helfen sich auf der Welt zurecht zu finden." Sie zwinkert mir zu, was mich zum Lächeln bringt. „Danke." Ich umarme sie und frage mich, was sie alles ahnt. Manche Menschen haben ein Gespür für andere Menschen, diese Frau hat ein untrügliches da bin ich mir sicher. Ich erzähle ihr von mir, wo ich herkomme, was ich hier mache. Sie hört mir aufmerksam zu, unterbricht mich kein einziges Mal. Es tut unglaublich gut das alles jemandem zu erzählen, der mich nicht schräg ansieht, oder glaubt, dass ich verrückt bin. Im Gegenteil. Sie unterstützt mich in meinem Vorhaben.
Bestärkt mich dran zu bleiben. Nachdem sie die letzte Haarnadel verbraucht hat, lächelt sie mich an. Draussen geht bereits die Sonne unter und die letzten Sonnenstrahlen spiegeln sich in den Fenstern und fallen wie Scheinwerfer auf mich. „Sie haben ein Wunder vollbracht." Ich stehe auf und drehe mich zu der älteren Frau um, sie sieht mich mit grossen Augen an. „Ach was. Wahrer Schönheit muss man nicht gross nachhelfen, man kann sie hervorheben. Aber die Schönheit, die sitzt genau hier drin."
Sie tippt auf meine Brust, dort wo mein Herz schlägt. Ich lächle sie an und bedanke mich bei ihr. „Hilf ihm, Schätzchen. Tanz mit ihm, verzaubere ihn." Sie lacht und winkt mir zum Abschied. Während ich auf dem Weg zum Hotel bin, frage ich mich, ob ich ihn überhaupt unter all den maskierten Gästen finden werde. Ich werde einfach auf mein Gefühl vertrauen, es wird mich zu ihm führen da bin ich sicher. Auf dem Flyer stand nichts von einer Einladung, wahrscheinlich werden die Gäste trotzdem kontrolliert. Doch es steht niemand vor der Tür, niemand der mich davon abhält den Saal zu betreten.
Über all hängen weisse Luftballons, es sieht aus wie einer anderen Welt. Staunend gehe ich weiter. Auf den Tischen stehen goldene Kerzenständer, in den Vasen stehen weisse Lilien und Straussenfedern. Klassische Musik wird gespielt, beschwingt und doch etwas sentimental. Ich habe das Gefühl in die viktorianische Zeit gefallen zu sein. Einfach umwerfend. Es befinden sich schon weit mehr als hundert Personen im Raum, einige Tanzen bereits, andere sitzen an den Tischen und reden.
Das Essen ist also schon vorbei und die Tanzfläche scheint bereits schon eingeweiht worden zu sein. Alle tragen Masken, die Frauen wunderschöne Kleider und die Männer atemberaubende Anzüge. Als ich mich bis zur Tanzfläche vorgekämpft habe, ohne ein einziges Mal gestolpert zu sein, passiert es doch noch und ich lande unsanft auf den Knien. Ich verziehe das Gesicht vor Schmerz und höre plötzlich eine Stimme die mir sehr bekannt vor kommt.
„Geht es Ihnen gut? Warten Sie, ich helfe Ihnen." Ein Mann mit schwarzer Maske kniet vor mir und hilft mir aufzustehen. Wieder in aufrechter Position stehe ich dem Mann gegenüber dessen Schicksal ich in meinen Händen halte. Ich weiss es ganz genau, er ist es. Seine smaragdgrünen Augen strahlen mich an. Doch erinnert er sich an mich? Weiss er wer ich bin?
Weiss er es? Was denkt ihr?
eure Amanda
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