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Unberechenbar

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Sorglos und hochkonzentriert balanciert seine Herzensdame auf einem Mauerstück. Etwas, das Skyla seit ihrer Kindheit gerne macht. Der Wind pustet ihr freudig durch die hellblauen Strähnen und lädt sie zum Spielen ein. Die Sonnenstrahlen erfassen das Mädchen seiner Träume wie Scheinwerfer einer Theaterbühne und machen sie zum Star. Die Blätter tanzen im Hintergrund und der Vogelgesang schafft eine harmonische Atmosphäre. Skylas Kleidungsstil ist auffällig. Viele würden es rebellisch nennen. Er hingegen findet das Outfit passend. Ihre Stoffjacke erinnert an einen Pandabären. Selbst die Jacke hat Bärenohren und die Ärmel sind ein Stück länger mit einem Loch für den Daumen. Am Saum befinden sich sogar knuffige Bärenpfoten. Auf ihrer schwarzen Leggins schlängelt sich ein bunter Drache aus vielen kleinen Schmetterlingen und auch ihre Chucks sind bunt.

Noch hat Skyla ihn nicht bemerkt, was sich Lukas zu Nutze macht und sich bewusst ans Ende der Mauer stellt. Als seine Freundin dann mit einem Satz in der Luft befindet, blickt sie ihm direkt in die Augen. Erwartungsvoll breitet er seine Arme aus. Bereit, sie aufzufangen. Eine Geste, die sie glücklich stimmt und sie sich grinsend auf ihn verlässt. In diesem Moment wird ihm seine Bürde bewusst und er verflucht sein Herz für die List. Den Fakt ist: Er ist verdammt schlecht in Sport. Eine traurige Wahrheit, die jeder bestätigen kann, der ihn kennt. Skyla zu enttäuschen wäre eine Blamage, die er kaum ertragen könne. Und schon wieder macht sich sein Kopf zu viele Gedanken über seine Situation. Vor Augen errechnet sich die Flugroute mit unzähligen Variablen, als plötzlich Skyla vor ihm zu landen droht und seine Hände zupacken. Lukas taumelt zwar, aber er hält das Gleichgewicht. Seine Freundin lacht und schlingt ihre Arme um seinen Hals, womit sie seinen Herzschlag beschleunigt.

Die Bitte seines Vaters hat der junge Bänker nicht vergessen, woraufhin sein Griff fester wird. Ihr Kopf liegt an seinem und der vertraute Zitronenduft steigt ihm in die Nase. Es fühlt sich verboten an. Sein Gewissen nagt an ihm, da die Versuchung zu groß ist, von der Schokolade abzubeißen. Ihr Duft vernebelt ihm den Kopf und weckt Sehnsüchte, die er unter Kontrolle halten will. Mit viel Selbstbeherrschung setzt Lukas seine Kindheitsfreundin ab und nur kurz fixieren seine Augen ihre Lippen.

So nah und doch so fern.

Er räuspert sich schnell und sucht den Augenkontakt. „Thomas lässt dich grüßen."

Skyla tauscht ihre gute Laune gegen einen bösen Blick aus und hebt mahnend den Finger. „Spiele nicht seinen Laufburschen. Ich habe schon Ewigkeiten nichts von ihm gehört und das macht mich traurig."

„Ich hörte, ihr habt vor zwei Wochen miteinander geschrieben", kontert Lukas, womit sein Mund mal wieder schneller war als der Kopf.

Wieso verteidige ich ihn eigentlich?

„Das war etwas anderes! Das ist zu einfach!", behauptet sie mit aufgeblasenen Wangen. „Aber wieso verteidigst du ihn? Ich meine, du ärgerst dich doch selbst darüber, dass er nie da ist."

Als Lukas losprustet, legt sie den Kopf schief.

„Lustig! Ich habe soeben das Gleiche gedacht. Also das mit dem Verteidigen. Du hast Recht, es ist nicht richtig."

Mit einem Schmollmund zieht Skyla das Handy aus ihrer Hosentasche und wählt eine Nummer. Lukas hat eine böse Vorahnung.

„Du rufst ihn doch nicht etwa an oder?"

Mit dem Blick auf seinen Sohn gerichtet, spricht Skyla ins Telefon: „Sag mal ist das dein Ernst, Thomas? Komm doch selbst vorbei und sieh nach deiner Patentochter! Was ist so wichtig, mich so lange nicht zu besuchen?"

Lukas seufzt, denn das ist so typisch für sie.

„Sorry, Thomas, aber das sind alles nur billige Ausreden für mich! Ich erwarte eine offene und ehrliche Entschuldigung. Ich gebe dir einen Zeitraum von 48 Stunden, ansonsten bin ich nicht mehr dein Patenkind."

Eine Drohung, die Lukas' Vater immer ins Stocken bringt und Panik heraufbeschwört. Skyla weiß, wie sie ihm schlechtes Gewissen bereitet und es endet jedes Mal mit seiner Entschuldigung und einer langen Umarmung. Noch ehe Thomas eine Möglichkeit hat, sich dazu zu äußern, legt sie auf und macht das Handy auf stumm.

„So", zieht sie das Wort in die Länge, als habe sie Vertrauen in ihrem Plan. „Dann wollen wir mal sehen, was ihm wichtiger ist. Wir oder seine Arbeit."

Lukas seufzt erschöpft. „Du bist unglaublich."

„Unglaublich gut." Sie lächelt frech. „Ich weiß."

Da Lukas über ihr rebellisches Verhalten lieber schweigt, rückt sie ihm auf die Pelle.

„Also", beginnt sie und klimpert auffällig mit ihren Wimpern. „Ich bin hier, was steht an? Wollen wir durch den Park?"

„Ich will dich verwöhnen."

Das war wieder einmal unüberlegt. Skyla blinzelt verwundert und rollt kurz darauf mit den Augen. Seinen Namen brummt sie wie ein Bär, dessen Winterschlaf unterbrochen wurde.

„Was verstehst du unter verwöhnen?"

„Naja, ich lade dich zum Essen ein. Aber zuerst hatte ich an einen Abstecher im Buchladen gedacht und wenn du mir erlaubst, schauen wir, was im Kino läuft."

Es folgt eine kurze Schweigeminute, bevor sie sich Tränen in die Augen lacht.

„Oh, Lukas. Du willst mit mir in den Buchladen? Du weißt doch, was das heißt. Da kommen wir beide nicht so schnell raus und der halbe Tag ist rum."

Wohl wahr. Es ist unser zweites Zuhause. Ein Ort voller Träume, Abenteuer und Wunder. Eine andere Realität mit vielen Happy Ends. Eine Welt, wo die Liebe stark genug ist, um alles zu überwinden. Eine Liebe, wie ich sie für dich empfinde. Nichts fordernd. Sie wird immer bestehen und ewig überdauern. Dich glücklich zu sehen, ist alles, was ich will.

„Lukas?" Skyla betrachtet ihn prüfend. „Wenn du davon sprichst, mich zum Essen einzuladen, dann hoffentlich doch selbstgekocht oder?"

Sein Blick ist flehend, denn nach einem Tag im Büro fühlt er sich zu ausgelaugt und nicht in der Lage, großartig in der Küche zu zaubern.

„Ich hatte an einen Besuch in dem Ambiente deiner Wahl gedacht", gesteht er ihr.

„Es ist wie bei meinen Eltern", murmelt seine Freundin in ihren imaginären Bart und verschränkt die Arme.

Kacie und Finn sind wahrlich verwöhnt, das kann Lukas nicht leugnen. Skylas Eltern verlassen sich voll und ganz auf ihre Tochter. Das arme Mädchen schwingt zuhause allein den Kochlöffel, weil ihre Eltern keinen Finger krumm machen. Hätte sie es sich nicht zur Berufung gemacht, dann würde der Essensplan aus Fastfood, Fertiggerichten oder Besuche bei der Großmutter bestehen.

Obwohl Skyla Feierabend hat, plant seine Freundin noch immer, selbst zu kochen. Etwas, was er ihr ausreden möchte. Denn auch wenn sie eine ambitionierte und leidenschaftliche Köchin ist, hat sie es einmal verdient, bewirtet zu werden. Entschlossen tritt er an sie heran und legt seine Hände auf ihre Schultern. Schlagartig sehen sich die beiden Freunde in die Augen.

„Hey, heute mal nicht. Deine Eltern kommen klar und du lässt dich von mir mal verwöhnen. Einmal auswärts Essengehen, das ist doch nicht zu viel verlangt oder? Und ich verspreche dir, Donnerstag bin ich bei dir und helfe wie ich kann. Wir kochen gemeinsam und im Anschluss machen wir einen DVD-Abend. Was hältst du davon?"

Ihren Kopf legt sie in den Nacken und blickt hinauf in den Himmel.

Als er einen Tropfen in ihrem Gesicht sieht, geht Lukas jedoch vom Falschen aus: „Sag mal weinst du?"

Ruckartig hebt sie den Kopf, wobei ihre Dickköpfe fast zusammenstoßen.

„Es regnet, Lukas. Siehst du die Wolken?"

„Welche Wolken? Es war doch gerade noch..."

Es ist nicht mal ausgesprochen und schon schüttet es wie aus Eimern. Ein schneller Handgriff in ihren geschulterten Rucksack und schon öffnet sich der Schirm über ihren Köpfen. Sein verdutzter Gesichtsausdruck bringt sie erneut zum Grinsen. Skyla überwindet mit einem großen Schritt jeglichen Abstand zwischen ihnen. Ihren Kopf lehnt sie an seine Schulter und ihre Augen schließt sie entspannt. Sicherlich wirken sie auf andere wie ein Pärchen. Allein der Gedanke treibt ihm die Röte ins Gesicht.

„Ist gut. Du hast gewonnen. Ich folge dir heute überall hin. Aber nur, weil wir einen Deal haben. Aber denk dran, ich weiß, wo du wohnst. Wenn du Donnerstag nicht antanzt, dann hole ich dich persönlich ab und schleife dich bis zu mir nach Hause."

Launisch, unberechenbar, wild und frech – Lukas liebt alles an ihr. Ihr zuckersüßer Anblick verleiht ihn dazu, sanft mit dem Daumen über ihre Wange zu streichen.

„Versprochen, Skyla. Ich werde immer für dich da sein."

Worte, die sie aufblicken lassen. Etwas, womit er nicht gerechnet hat und zusammenzuckt. Zum zweiten Mal an diesem Tage.

„Und ich bin immer für dich da", erwidert sie glücklich und drückt ihn feste.

Eine Umarmung, die Lukas herzlich erwidert. Einer von vielen glücklichen Momenten, die er mit ihr teilt. Als wolle die Sonne ihm Hoffnung schenken, vertreibt sie den kurzen Regen und lässt seine Welt noch mal in einem ganz anderen Licht erstrahlen.

Vielleicht gibt es gemeinsame Zukunft für die beiden. Eine Zukunft, wo er sie als seine Ehefrau bezeichnen darf. Das wäre sein Happy End.


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