Two
Harry
„Ich möchte gerne unter vier Augen mit dir sprechen, Harry."
Alistair, mein Boss, der mir ungefähr bis zur Brust reichte, aber hinter dessen Körperumfang ich mich hätte verstecken können, schaute mich durchdringend an, als er diese Worte aussprach.
Mist! Was hatte ich jetzt schon wieder verbockt?
Eigentlich war ich mir keiner Schuld bewusst, dennoch grübelte ich nach. Zumindest so lange, bis er mit der Sprache herausrückte.
„Ich habe einen privaten Auftrag für dich und ich möchte, dass das unter uns bleibt, hast du mich verstanden?"
„Ja, Alistair."
Ein privater Auftrag, das klang auf jeden Fall geheimnisvoll.
„Gut. Es geht um meine Tochter Maggie. Du hast die vorgestern kennengelernt. Dieses Mädchen macht mich noch wahnsinnig!"
Er fuhr sich mit einer Hand durch die restlichen verbliebenen Haare, die sich wie ein Kranz um seinen Kopf legten. Ich verstand nicht ganz, was er damit meinte, da ich Maggie eigentlich ziemlich nett fand – zumindest vom ersten Eindruck her.
Aber Alistair klärte mich sogleich auf.
„Sie hat ein ausgesprochen tolles Talent, sich mit Männern einzulassen, die etwas auf dem Kerbholz haben."
Erstaunt zog ich meine Augenbrauen nach oben.
„Du meinst, sie geht mit Kriminellen aus?"
„Ja. Ihr letzter Freund war wegen Diebstahl und Hehlerei vorbestraft. Und sie hatte auch schon etwas mit einem, der wegen Körperverletzung angezeigt wurde. Das geht gar nicht. Sie ist eine Polizisten-Tochter!"
„Ok, aber was habe ich jetzt damit zu tun?", erkundigte ich mich leicht verwundert.
„Maggie hat einen neuen Freund. Sie denkt, ich wüsste das nicht, aber ich bin ja nicht blöd. Allerdings war sie dieses Mal so schlau, ihn nicht mit nach Hause zu bringen. Ich weiß weder, wie er heißt, noch wo er wohnt. Ich möchte dich bitten, das herauszufinden und dann zu überprüfen, ob der Junge sauber ist."
Mir lag auf der Zunge zu fragen, warum er das nicht selbst tat aber ich traute mich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht. Zum einen wusste ich, was Alistair im Moment um die Ohren hatte und zum zweiten konnte ich mir fast denken, dass es gewissermaßen als Ehre galt, mit dieser wichtigen Aufgabe betraut zu werden.
Deswegen nickte ich und antwortete: „Gut, dann mache ich mich mal gleich an die Arbeit."
„Es wird nicht einfach werden, du musst ihr Vertrauen gewinnen, damit sie dir vielleicht den Namen verrät."
„Das kriege ich hin."
An Selbstsicherheit hatte es bei mir noch nie gemangelt.
„Fein, Harry, dann wünsche ich dir viel Spaß bei der Mission."
Der Weg, Maggies Vertrauen zu erlangen, ging vermutlich über Kieran. Sie mochte den Jungen, das konnte ich spüren und da ich sehr viel Zeit mit meinem Patenkind verbringen wollte, sah ich dort den Ansatzpunkt. Ich musste Maggie in unsere Unternehmungen mit einbeziehen und auch öfter bei Alistair zu Hause auftauchen, damit sie sich an mich gewöhnte.
Es war mir schleierhaft, wie eine junge Frau, deren Eltern im Polizeidienst tätig waren, immer wieder an böse Jungs geriet, doch scheinbar gab es Menschen, die zogen solche Typen an wie ein Magnet.
Meine nächsten freien Tage nutzte ich, um etwas mit Kieran zu unternehmen, oder ihn bei Rosie und Alistair zu besuchen.
„Onkel Harry, duck mal, ich habe einen Affen demalt!", verkündete er stolz, als ich nachmittags bei einer Tasse Tee im Wohnzimmer von Alistair und Rosies Haus saß, um auf Maggie zu warten, die jeden Moment von der Arbeit zurückkehren musste.
Normalerweise wohnte sie nicht mehr bei ihren Eltern, doch seit Kieran hier war und Alistair sie gebeten hatte, öfter für den Kleinen dazu sein, zog sie vorübergehend wieder in ihr altes Zimmer unterm Dach. Ich war über alles informiert, kannte ihre eigentliche Adresse, sowie den Weg zu ihrer Arbeitsstätte, einer Grundschule im gleichen Stadtteil Londons, in welchem sie ansonsten lebte.
Jetzt musste ich nur noch ein wenig in ihrem Privatleben herumstöbern, ausfindig machen, welche Clubs sie derzeit besuchte und mit wem sie sich öfter traf.
Doch Maggie machte es mir nicht einfach, sie hielt sich sehr bedeckt, was ihre Präferenzen zum Feiern und Ausgehen betraf.
Während ich Kierans Kunstwerk betrachtete, dachte ich darüber nach, wie wir wohl einen gemeinsamen Tag verbringen konnten, der sie so richtig auftauen lassen würde.
„Was hältst du davon, wenn wir morgen zusammen mit Maggie den Spielplatz besuchen?", fragte ich Kieran, der sofort begeistert nickte.
„Au ja! Das wird schön!"
„Fein, dann komme ich morgen früh vorbei."
„Du kannst zum Frühstücken kommen, Harry", lud Rosie mich ein.
Just in diesem Moment hörten wir das Quietschen der Haustür und wenige Augenblicke danach tauchte Maggie im Wohnzimmer auf, die sogleich von Kieran begrüßt wurde.
Auch ich wollte das tun, doch als ich aufstand, blieb ich mit der Schnalle meines Gürtels an der Tischdecke hängen und zog diese mit mir. Die Teetasse kippte um und der Inhalt ergoss sich auf den Boden.
„Oh Gott, das tut mir leid", stammelte ich erschrocken.
„Das ist doch nicht schlimm Harry. Besser der heiße Tee landet auf dem Teppich, als auf deiner Hose", meinte Rosie, bevor sie sich anschickte, einen Lappen zu holen, um die Flüssigkeit aufzuwischen.
Zum Glück war die Tasse heil geblieben.
Mir war das richtig peinlich. Maggie würde mich jetzt bestimmt für einen kompletten Idioten halten. Doch sie zeigte dies zumindest nicht, sondern begrüßte mich ganz normal.
Hübsch war sie ja schon, ich mochte ihre Augen und ihr Lächeln. Auch hatte sie eine angenehme Art zu sprechen und ihr Humor schien unschlagbar zu sein. Vermutlich benötigte man diesen auch, wenn man mit einen strengen Vater wie Alistair klarkommen musste.
Am nächsten Tag lief alles wie am Schnürchen. Nach dem Frühstück, welches wir ohne Alistair einnahmen, da dieser bereits im Büro verweilte (in unserem Job gab es oftmals kein freies Wochenende), begab ich mich mit Kieran und Maggie zum nahegelegenen Spielplatz. Wir platzierten den kleinen Jungen auf der Schaukel, um ihn abwechselnd anzuschubsen, was ihn jedes Mal vor Freude laut aufschreien ließ.
Und dann irgendwann, nachdem ich das Gespräch geschickt auf Filme gelegt hatte, stellte ich eine Frage ins Blaue hinein.
„Sag mal, hast du heute Abend schon etwas vor? Ich suche noch jemanden, der mit mir ins Kino geht."
„Oh, das tut mir leid, Harry. Ich bin heute Abend schon mit meinem Freund verabredet."
Bingo, sie hatte also ein Date!
„Schade, ich wusste gar nicht, dass du einen Freund hast."
Mein letzter Satz setzte eine Gesprächslawine in Gang. Maggie heulte sich förmlich bei mir aus, wie schlimm es doch sei, die Tochter eines Polizisten zu sein, der die ständig kontrollierte und ihre Freunde überwachen ließ. Sie erzählte mir sogar, dass sie mit Kriminellen befreundet gewesen sei, nachdem ich sie ausgiebig bedauert hatte, weil ihr Vater so ein Schnüffler war.
Damit gewann ich ihr Vertrauen. Sie ließ tatsächlich den Vornamen ihres neuen Stechers fallen: Stuart.
„Stuart? Ich kannte mal einen Typen, mit dem habe ich zusammen Fußball gespielt. Der hieß auch Stuart", sagte ich nachdenklich.
„Echt? Das ist ja ein Zufall."
Sie durchschaute meine Lüge nicht.
„Ja, und deswegen frage ich mich, ob es sich vielleicht sogar um die gleiche Person handelt."
Und wieder tappte sie in meine Falle.
„Er heißt Brewster mit Nachnamen."
„Brewster? Wurde er zufällig 1994 geboren?"
„Ja."
„Und er hat einen Bruder namens Scott?"
„Nein, nur eine Schwester, soweit ich weiß. Die geht auch immer in diesen Club, den wir heute Abend besuchen."
„Schade, dann ist es wohl doch nicht der Stuart, den ich kenne."
Ich hatte es geschafft. Mit seinem vollem Namen sowie dem Geburtsjahr würde ich auf jeden Fall etwas anfangen können. Dabei würde mir unser Computer im Polizeipräsidium gute Dienste leisten.
Am späten Abend zog ich mich dorthin zurück. Unser Büro gähnte vor Leere, sodass ich ungehindert meinen Ermittlungen nachgehen konnte. Ich wollte nicht, dass mir irgendwer dabei über die Schulter schaute.
Nachdem ich meine Dienstnummer eingegeben hatte, spuckte der Computer alles über Stuart Brewster aus.
„Oh Mist!", stieß ich laut hervor, denn das, was ich gerade erfuhr, ließ eine Gänsehaut über meinen Körper wandern.
Im gleichen Moment beschloss ich, Alistair nicht darüber in Kenntnis zu setzen, denn er würde Maggie daraufhin ganz sicher in einer Klosterschule unterbringen – oder ihr einen Keuschheitsgürtel anziehen, damit sie auf ewig ohne Mann bleiben würde.
Beides wollte ich verhindern. Aber das ging nur, wenn ich ihr die Wahrheit erzählte.
Seufzend druckte ich das ellenlange Vorstrafenregister aus, faltete es penibel zusammen und schob dieses in die Tasche meines Mantels.
Es wurde Zeit für ein sehr persönliches Treffen mit Maggie.
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Eigentlich wollte ich in der letzten Nacht schon updaten, doch ich war gestern auf einer Weihnachtsfeier und habe es vorher nicht mehr geschafft, das Kapitel fertig zu schreiben - und danach erst recht nicht.
Für alle, die Black nicht kennen: Ihr habt in diesem Kapitel erfahren, was alle anderen schon wissen und lieben: Harry ist ein kleiner Tollpatsch!
Das nächste Update kommt am 04.12.2016
LG, Ambi xxx
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