Seven
Harry
Wenige Tage nachdem die peinliche Aktion mit den Handschellen stattgefunden hatte, fand ich unter den Scheibenwischern meines Wagens einen Zettel. Als ich diesen entfaltete, um zu sehen, welcher Idiot mal wieder seine Werbung verteilte, blieb mir allerdings fast die Spucke weg.
Man bedrohte mich – und es war kein Geringerer als Maggies Ex-Freund. Vermutlich hatte er vor ihrem Haus campiert, um herauszufinden, mit wem sie sich jetzt traf. Allerdings wusste dieser Kerl nicht, mit wem er sich hier angelegt hatte.
Da ich ihn sowieso im Auge hatte behalten wollen, kam mir diese Aktion gerade recht.
Mit einem diabolischen Grinsen auf den Lippen, trat ich den Weg zur Arbeit an. Allerdings machte ich einen Umweg zum Gericht, um mir bei Richter Shermann einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung des Idioten zu besorgen.
„Guten Morgen, Mr Styles, was verschafft mir die Ehre?", erkundigte er sich und rückte seine Brille auf der Nase zurecht.
Lächelnd schob ich ihm die Unterlagen, den Ausdruck des Strafregisters zu.
„Ich habe Grund zu der Annahme, dass er wieder dealt", sagte ich kurz und knapp.
„Fein, dann läuft es also auf eine Hausdurchsuchung hinaus. Ich gebe gerne mein Ok."
Die Formalitäten dauerten eine Weile, doch das interessierte mich nicht. Dann kam ich eben später ins Büro. Bei den zahlreichen Überstunden, die ich schob, fiel das überhaupt nicht ins Gewicht.
Als ich das für mich so wichtige Dokument in den Händen hielt, lief ich eilends nach draußen, um endlich den Weg ins Präsidium anzutreten. Liam, Sophia und Seth saßen bereits im Büro.
„Guten Morgen, Harry, na gut geschlafen? Du bist reichlich spät heute", wurde ich durch Sophia begrüßt, die mir außerdem verschwörerisch zuzwinkerte.
Hoffentlich hatte sie Liam nichts von den Handschellen erzählt, sonst war ich geliefert.
„Ich hatte noch in einer anderen Abteilung etwas zu tun", erklärte ich und legte meinen Mantel sorgsam ab.
Ich wollte im Büro nicht unbedingt breittreten, dass Alistair mich vor einigen Monaten beauftragt hatte, seine Tochter zu beschatten. Aber ich plante auch nicht, diese Durchsuchung alleine zu veranstalten. Ich wollte Liam unter vier Augen einweihen, deshalb wartete ich, bis Sophia sich verkrümelt hatte, um einen Kaffee zu holen und Seth mitnahm, der ebenfalls einen starken Hang zu dem koffeinhaltigen Zeug besaß.
Langsam schob ich den Durchsuchungsbefehl in Liams Richtung, der das Dokument sogleich mit hochgezogenen Augenbrauen unter die Lupe nahm.
„Du willst einen Dealer hochgehen lassen?", fragte er grinsend.
„Ja, und du sollst mich begleiten."
Hausdurchsuchungen durften niemals alleine stattfinden, immer zu zweit oder sogar zu dritt. In diesem Fall hielt ich es jedoch für ausreichend, mit zwei Mann aufzukreuzen.
„Ok, wann soll die Sache steigen?"
„Heute Nacht, ich fliege morgen nach Barrow, wie du weißt."
„Gut, ich bin dabei. Weiß Alistair schon Bescheid?"
Ein wenig verlegen druckste ich herum. „Ähm, nein, das Ganze läuft sozusagen privat."
„Wieso denn das?"
„Weil er mich bedroht hat."
Ich würde nicht umhin kommen, Liam genauer aufzuklären, doch das wollte ich später tun, entweder bevor oder nachdem wir die Bude des armseligen Würstchens auf den Kopf stellen würden.
„Treffpunkt neun Uhr, geht das klar?", vergewisserte ich mich bei meinem Freund und Kollegen, der dies mit einem Nicken bestätigte.
„Ok, also bis dann."
Schnell ließ ich den verräterischen Zettel wieder in meiner Manteltasche verschwinden, damit Sophia und Seth diesen nicht zu Gesicht bekamen. Je weniger Leute in die Sache involviert waren, desto geringer war die Chance, das Alistair davon Wind bekam, dass ich ihn damals angelogen hatte, indem ich behauptete, das der Freund seiner Tochter sauber sei.
Somit war Maggie der Aufenthalt in einem Kloster erspart geblieben. Stattdessen konnte ich perverse Spielchen mit ihr treiben, ganz nach unserem Geschmack. Gestern hatte sie meinen Rücken verkratzt und mir außerdem mehrere Knutschflecke am Hals zugefügt, um ihr Revier zu markieren, wie sie sich ausdrückte. Immerhin würden wir uns einige Tage nicht sehen, da ich nach Nord-Alaska flog, um mein Patenkind und seine Eltern zu besuchen, die dort durch den anderen Teil unseres Teams bewacht und geschützt wurden. Es musste schweinekalt in Barrow sein und deswegen hatte ich mir extra einen Parka sowie eine Fellmütze besorgt. Der Yves Saint Laurent Mantel blieb zum ersten Mal zuhause, was ein wehmütiges Gefühl in meinem Inneren auslöste.
Pünktlich um neun Uhr stand ich vor dem Haus, in welchem Maggies Ex-Freund wohnte und wartete auf Liam, der nur eine Minute nach mir eintraf.
„Alles klar, Harry? Können wir loslegen?"
„Und ob."
Stuart war nicht zuhause und deswegen öffnete der Hausmeister für uns die Wohnung des Dealers. Jetzt konnten wir uns richtig austoben. Der Gedanke daran, dass dieses miese Schwein mir auch noch gedroht hatte, beflügelte meine Energie um ein Vielfaches.
Gut gelaunt zog ich mir die hauchdünnen Gummihandschuhe über, um endlich meines Amtes walten zu können.
Während Liam das Schlafzimmer auf den Kopf stellte, nahm ich mir den Wohnbereich vor. Voller Tatendrang durchwühlte ich sämtliche Schubladen des hellen Holzschranks, der an der linken Wand stand. Vorher riss ich diese jedoch gründlich aus der Verankerung. Es sollte ja richtig gemacht werden.
Selbst das Sofa musste daran glauben und als ich mir die kleine Kommode unter den Nagel reißen wollte, kam Liam ins Zimmer getrabt.
In seiner rechten Hand hielt er eine Tüte, gefüllt mit einem weißen Pulver, das verdächtig nach Koks aussah.
„Das sind auf jeden Fall über 0,5 Gramm", grinste er mir entgegen.
„Fein, dann reicht das für eine Anklage, aber warte, ich habe hier auch noch etwas."
Triumphierend hielt ich zwei weitere Beutel, gefüllt mit bunten Pillen jeglicher Größen und Farben, in die Höhe.
„Auch das nehmen wir mit", meinte ich.
„Ja, und wir sollten uns noch die Küche vornehmen", gab mein Kollege zu bedenken.
Es dauerte nicht lange, bis wird die Schränke dort auf den Kopf gestellt hatten und zwischen zahlreichen Gewürzen drei pralle Päckchen mit Gras entdeckten.
„Da wollte wohl jemand besonders schlau sein", lästerte ich, während Liam das Zeug in einen großen, durchsichtigen Beutel packte, der zur Sicherstellung der Drogen diente.
„Wir sollten noch das Bad in Augenschein nehmen", schlug ich gehässig vor.
Wenn schon, denn schon, lautete hier die Devise. Der Arsch hatte es nicht anders verdient. Er würde sowieso Augen machen, wenn er später hier aufkreuzte und seine Wohnung einem Schlachtfeld glich. Liam und ich hatten wirklich ganze Arbeit geleistet.
„Also, Harry, was steckt hinter dieser Sache?"
Nachdem wir das Beweismaterial abgeliefert hatten, standen wir vor unseren Autos und pafften. Liam eine Zigarette und ich eines meiner heißgeliebten Zigarillos.
Die Stunde der Wahrheit schlug nun für mich. Ziemlich kleinlaut berichtete ich über Alistairs Wunsch, seine Tochter durch meine Wenigkeit beschatten zu lassen du ihrem Stecher auf den Zahn zu fühlen.
Liams Augen wurden immer größer und als ich mit der Tatsache herausrückte, dass Maggie und ich was am Laufen hatten, kriegte er sich vor Lachen nicht mehr ein.
„Du bist ein toter Mann, Styles, das muss dir klar sein."
„Glaube mir, ich bin mir der Gefahr, in der ich tagtäglich schwebe, durchaus bewusst", sagte ich sarkastisch.
„Hast du sie schon genagelt?"
„Was denkst du denn? Schließlich sind wir schon eine ganze Weile zusammen."
„Alter Schwede, du legst es echt darauf an, von Alistair erschossen zu werden, oder?"
Liam lachte erneut, worauf ich ausstieß: „Er kann froh sein, dass sie nun mit mir ausgeht und sich keinen weiteren Kriminellen angelacht hat."
„Das ist allerdings wahr."
Als ich mein Zigarillo entsorgte, nahm mein Freund das Gespräch erneut auf.
„Sag mal, wann wollt ihr ihm das erzählen? Ihr könnt es ja nicht ewig verheimlichen, oder ist es wirklich nur eine Bettgeschichte, die irgendwann zu Ende gehen wird?"
„Nein, da ist mehr, von beiden Seiten aus."
Anerkennend zog er die Augenbrauen nach oben.
„Dass du dich mal verliebst, wird auch Zeit. Eine Weile dachten wir, du seist schwul."
„Ernsthaft?"
„Ja, wegen deinen ausgefallenen Klamotten."
Ich hätte Liam eine klatschen können. Niemand durfte meinen Kleidungsstil beleidigen.
„Kauf du dir mal einen anständigen Mantel", schnaufte ich entrüstet.
„Hey, ich habe nicht von deinem Mantel geredet, sondern von den Hemden, die du trägst."
„Pfff", machte ich nur und winkte ab. „Du hast keine Ahnung, Liam. Ich liebe meine Hemden und Maggie tut das auch."
Es war das Ende unserer Konversation, denn da es bereits auf zwölf Uhr zuging, zogen wir es vor nach Hause zu fahren. Ohnehin konnte ich nur wenige Stunden Schlaf tanken. Morgen ging es nach Barrow – ich würde zum ersten Mal für einige Tage von Maggie getrennt sein. Eine Sache, die mir gar nicht schmeckte.
Während ich meinen Koffer packte, dachte ich darüber nach, wie es wohl wäre, wenn wir beide zusammenziehen würden. Dann konnten wir nämlich die Karten auf den Tisch legen, da Alistair dann keinen Grund zu der Annahme haben würde, dass ich seine Tochter nur als Bettgeschichte missbrauchte.
Mein Ziel war es also, nach der Rückkehr aus dem Eis, die Sache mit Maggie zu besprechen. Hoffentlich würde sie ja sagen.
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Dieses Kapitel beinhaltet einen kurzen Einblick in Harrys Berufsleben. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Vielen lieben Dank für die tollen Kommentare zum letzen Kapitel. :) Sie waren göttlich.
Seid ihr gut ins neue Jahr gekommen? Ich ja. Ich wünsche euch ein frohes neues Jahr!
Das nächste Update kommt am 08.01.
LG, Ambi xxx
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