Four
Maggie
Wir hatten unglaublichen Spaß im Zoo: Harry, Kieran und ich. Der kleine Junge genoss das Kinderschminken sehr und freute sich darüber, nun als Tiger durch die Gegend laufen zu dürfen. Allerdings hatte er darauf bestanden, dass sein Onkel Harry sich ebenfalls zum Tiger machen ließ.
Mit zwei 'Raubkatzen' im Schlepptau lief ich erst durch den Zoo, bevor wir später ein McDonalds Restaurant aufsuchten, wo alle Leute uns angrinsten. Ein Mädchen wollte sogar Fotos mit Kieran und Harry machen, doch der Lockenkopf wehrte ab. Ich konnte mir gut vorstellen, dass dies mit seinem Job in Zusammenhang stand. Polizeibeamte durften sich unter Umständen nicht fotografieren lassen, auch nicht außerhalb des Dienstes. Mein Vater gehörte zu der Sorte. Er achtete immer streng darauf, dass Familienfotos, auf denen er zu sehen war, niemals auf den gängigen Internetplattformen veröffentlicht wurden. Deshalb verstand ich Harry nur zu gut.
Kieran sollte wohl ebenfalls geschützt werden und so zog das Mädchen schmollend ohne Fotos von Dannen.
Nachdem wir aufgegessen hatten, fuhren wir zurück zu meinem Elternhaus, wo meine Mutter sich köstlich über die Raubkatzen amüsierte. Wir tranken Pfefferminztee, während Kieran sich eine Tasse Kakao einverleibte.
Nachdenklich betrachtete ich den kleinen Jungen, der so ein sonniges Gemüt besaß, dass man ihn am liebsten ständig knuddeln wollte. Wie sehr musste er seine Eltern vermissen? Doch es kam selten ein Ton darüber, er hörte immer auf das, was mein Dad im erzählte und wenn Harry sich in seiner Nähe aufhielt, war er sowieso restlos glücklich.
Harry. Ich fand ihn sehr nett und liebenswürdig und er konnte gut mit Kindern umgehen – eine Sache, die ich sehr schätzte. Dennoch hatte ich hin und wieder Gewissensbisse, weil ich einfach so zugesagt hatte. War es nicht zu früh, nach der Trennung gleich auf ein neues Date zu gehen?
Fakt war: Ich würde es nur herausfinden, wenn ich mich darauf einließ. Und bei einem Polizisten konnte ich weiß Gott nichts falsch machen. Er dealte nicht mit Drogen, fabrizierte keine Einbrüche und betrieb auch keine krummen Geschäfte. Das einzige Problem war, dass ich meinem Dad nicht unbedingt auf die Nase bilden wollte, dass ich nun mit einem seiner Mitarbeiter ausging. Er würde den armen Kerl nämlich auseinander nehmen und vermutlich sogar herausfinden wie viele Frauen und One-Night-Stands er generell schon mitgenommen hatte. Das wollte ich Harry ersparen.
So bekam nur meine Mutter mitgeteilt, dass wir am Samstag zusammen weggehen würden. Verschwiegen wie sie war, brauchte ich keine Angst zu haben, dass mein alter Herr es mitbekommen würde.
Ich wusste nicht wieso, aber ich freute mich tierisch auf das Date mit Harry. Deshalb schmiss ich mich am Samstag auch in Schale. Ich hatte mir extra ein neues Kleid gekauft, kurz und in einem schönen Rotton. Der Ausschnitt saß nicht zu tief, sodass ich nicht zu nuttig rüberkam.
Nachdem ich mich geschminkt und meine Ohrringe angelegt hatte, zog ich meinen Mantel über und ging nach unten. Kurz checkte ich mein Handy, um festzustellen, dass Harry mir geschrieben hatte.
„Bin in fünf Minuten bei dir."
Wir hatten vereinbart, dass ich draußen, um die Ecke warten würde, damit mein Vater es nicht mitbekam. Da ich sowieso oft mit der U-Bahn unterwegs war, fiel es auch gar nicht weiter auf, als ich mich verabschiedete.
„Wo gehst du denn hin?", wollte mein Dad wissen.
„Ich bin mit Merle verabredet, wir gehen ins Kino."
„Viel Spaß."
„Danke."
Mit einem erleichterten Aufatmen zog ich die Haustür hinter mir zu und lief mit schnellen Schritten zum Ende der Straße. Dort parkte bereits ein Wagen, dessen Scheinwerfer erwartungsvoll aufleuchteten.
„Hey!" Grinsend ließ ich mich auf dem Beifahrersitz nieder.
„Hey, Maggie, na hat Alistair was gemerkt?"
„Nicht die Bohne, er denkt, ich gehe mit meiner besten Freundin ins Kino."
„Super, da wollte ich jetzt mit dir hin. Heute ist ein neuer Film angelaufen, den ich gerne sehen würde. Mit Tom Hanks in der Hauptrolle."
„Echt? Das ist mein Lieblingsschauspieler."
„Meiner auch."
Zum Kino waren es nur wenige Minuten mit dem Auto, welches Harry im nahegelegenen Parkhaus abstellte. Er bezahlte die Karten sowie Getränke und einen Eimer Popcorn, den wir uns während der Vorstellung teilten. Außer dass Harry einen Teil seiner Cola über das Popcorn schüttete, passierten auch keine nennenswerten Katastrophen. Der Film war ganz nach meinem Geschmack: Laut, aktionsgeladen und spannend. Was wollte man mehr?
Im Anschluss an den Kinobesuch schlug Harry vor, in eine Bar zu gehen, worauf ich sofort zustimmte.
„Trinkst du eigentlich nie Alkohol?", erkundigte ich mich, als er sich eine Cola bestellte, während ich mich für einen Cocktail entschied.
„Selten und auch nur dann, wenn ich nicht Auto fahren muss."
„Oh, so gesetzestreu?", fragte ich grinsend.
„In dieser Hinsicht schon."
Seine grünen Augen fixierten mich, als er einen Satz losließ, der mich prompt an mein Missgeschick mit Stuart erinnerte.
„Stimmt, du hast es ja nicht so mit braven Jungs, das habe ich ganz vergessen."
Wäre da nicht sein Grinsen gewesen, hätte ich diesen Spruch bestimmt übel genommen, doch seine Grübchen waren so niedlich und überhaupt fand ich ihn ziemlich süß.
„Ich versuche mich gerade zu bessern, deswegen gehe ich mit einem Gesetzeshüter aus", erwiderte ich schlagfertig, errötete jedoch dabei.
Gott war das peinlich!
Doch scheinbar schien Harry das anders zu sehen, denn außer einem Schmunzeln, erntete ich keine Reaktion auf meine Äußerung. Überhaupt verlief der restliche Abend in der Bar recht lustig. Ich mochte Harrys Humor, auch wenn er bei den Witzen die Pointe versaute.
Aber gerade das gefiel mir an ihm. Er war so herrlich imperfekt, das wirkte regelrecht anziehend auf mich. Ich mochte verpeilte Menschen und Harry zählte ich irgendwie dazu. Auch wenn er in seinem Beruf vermutlich alles richtig machte. Ansonsten hätte er nämlich kein halbes Jahr im Team meines Vaters überlebt.
Ich bestellte einen zweiten Cocktail, dann einen dritten. Wir merken gar nicht, wie die Zeit verging, so unterhaltsam war unser Zusammensein. Erst als ich zur Toilette musste und dann einen Blick auf die Uhr warf, stellte ich fest, dass es bereits auf zwei Uhr zuging.
„Ist es wirklich schon so spät?", sagte ich erstaunt zu Harry.
„Ja, es scheint so. Ich bin auch gerade überrascht."
Wir kamen überein, zu bezahlen, was er sich nicht nehmen ließ, obwohl ich protestierte.
„Ich verdiene mein eigenes Geld, Harry! Ich kann dich auch mal einladen, du hast schon das Kino übernommen."
„Das kommt überhaupt nicht in Frage! Ich bin der Mann, in dieser Beziehung sehe ich das ziemlich altmodisch."
Seufzend gab ich schließlich nach und überließ ihm die Rechnung. Irgendwann würde ich ihn austricksen, spätestens beim nächsten Date.
Moment – hatte ich gerade darüber spekuliert, erneut mit ihm auszugehen? Wollte er das überhaupt? Gelangweilt zu haben schien er sich vermutlich nicht, ansonsten wäre es nicht so spät geworden.
Als ich von meinem Barhocker rutschte, spürte ich plötzlich eine Hand an meinem Po. Entsetzt fuhr ich herum, da ich annahm, dass es sich um Harrys Finger handelte, die er wohl nicht bei sich behalten konnte. So hätte ich ihn absolut nicht eingeschätzt! Doch als ich in das Gesicht des Mannes blickte, der mir ein „Du hast vielleicht einen schönen Knackarsch, Baby", zuraunte, erkannte ich, dass es sich um einen Fremden handelte.
Im gleichen Moment hörte ich Harrys aufgebrachte Stimme: „Nimm sofort deine dreckigen Pfoten von ihr!"
„Was? Das lasse ich mir von dir Milchgesicht nicht sagen!", blökte die Schnapsdrossel zurück.
Man sah diesem Typen direkt an, wie betrunken er war, was ziemlich abstoßend auf mich wirkte. Bevor ich jedoch irgendetwas sagen konnte, ging Harry endgültig dazwischen.
Er schubste den Typen zur Seite, zog mich zu sich und fauchte: „Ich bin mit dem Mädchen hier und wenn sie einer anfasst, dann auf keinen Fall du. Hast du das kapiert, du Hirn?"
Als der Betrunkene auf ihn losgehen wollte, streckte Harry kurz seinen Arm aus, griff nach einer Hand des Typen und wendete einen Griff an, den ich von meinem Vater kannte und der ziemlich schmerzhaft war. Sekunden später jaulte der Typ auf und ging fast vor Harry in die Knie, was ein ziemlich kurioses Bild abgab.
„Hör auf!", wimmerte er, „hör auf!"
Mit einem verächtlichen Schnauben ließ Harry den Betrunkenen los, der sich daraufhin sofort verzog.
„Bist du ok, Maggie?", erkundigte sich Harry, worauf ich nickte.
Kühle Nachtluft schlug uns entgegen, als wir aus der Bar nach draußen traten und ich begann prompt zu frösteln.
„Ist dir kalt, Maggie?"
„Ein wenig."
Vorsichtig legte er einen Arm um mich, während wir zu seinem Wagen schritten. Ein schöner Abend war fast zu Ende, bis auf die Heimfahrt, welche jedoch nicht allzu lange dauerte.
Ehe ich mich versah, parkte Harry den Wagen kurz vor meinem Elternhaus. Zu dieser Uhrzeit schliefen die beiden schon und demnach war es ungefährlich, selbst wenn er mich bis vor die Tür begleitet, was er auch tat.
„Das war ein schöner Abend und danke, dass du mich in der Bar gerettet hast", sagte ich, in seine grüne Augen schauend, deren Blick mich wirklich fesselte.
„Ja, das fand ich auch."
Lächelnd präsentierte er seine süßen Grübchen in die ich am liebsten hineingekniffen hätte. Vielleicht wollte ich auch lieber seine Lippen küssen?
Der Alkohol stieg mir eindeutig zu Kopf und sämtliche Hemmungen wurden über Bord geworfen.
Langsam zog ich Harry zu mir, stellte mich auf die Zehenspitzen und presste meine Lippen auf seine. Es fühlte sich göttlich an, vor allem, weil er nicht abgeneigt zu sein schien und seine Lippen sanft gegen meine massierte. Zumindest so lange, bis plötzlich die Beleuchtung im Haus anging.
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Oha, das Licht geht an, wer wird das wohl sein? ;)
Die Widmung des heutigen Kapitels geht an die liebe Anni Gummiwatte, weil sie heute Geburtstag hat. Herzlichen Glückwunsch ♥
Das nächste Update kommt am 18.12.2016
Ich wünsche euch noch einen schönen restlichen Sonntag.
LG, Ambi
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