Kapitel 56
[Zeichen]
~Worte waren nun nicht mehr von nutzen. Jetzt mussten Taten sprechen~
Grau. Diese Farbe hatte die Welt angenommen als Alessia erkannt hatte, das es zu spät war. Als sie die schwarze Leiche gesehen hatte, die schwarze Leiche, die nur mehr aus brüchiger Asche und bröckeligem Staub bestand. Die Leiche von Casmiel Tripe.
Zwei Tage. Zwei Tage waren sie nun ohne ihn, ohne sein charmantes Lächeln, seine dunkelblauen Augen, in denen man versank wie im tiefen Meer, aber es fühlte sich gut an in ihnen zu versinken. Es war kein panisches Gefühl, wenn das Wasser die Lungen umspülte, es war beruhigend, als hätte man das erste Mal in seinem Leben wirklich Sauerstoff geatmet.
Es war nicht nur die Schönheit des speziellen Blaus, das Alessia nicht einmal wirklich definieren konnte. Es war nicht nur die filigrane Ausarbeitung, die diese Augen so besonders machten. Es war die Sicherheit, die sie weitergaben auch wenn man nicht glauben konnte das Casmiel Tripe wirklich Sicherheit verbreiten konnte.
Aber Alessia kannte ihn. Schon lange. Länger als andere.
Sie wusste Dinge über ihn, die manche nie vermutet hätten. Sie hatte ihn nicht als den stolzen, arroganten Anführer kennengelernt, sondern als den gebrochenen Jungen, der gerade aus der Arena geflohen war und nicht wusste wohin. Sie kannte den kleinen, verängstigten und zitternden Jungen, der gerade erst 15 geworden war und schon die Welt retten sollte. Sie kannte den traurigen Blick, die salzigen Tränen, die seine Wange hinunterflossen weil er nicht verstand wie er das alles überlebt hatte. Sie kannte den verzweifelten und leeren Blick, als er erzählt hatte, das seine Schwester gestorben war wegen ihm.
Sie wusste nicht wie. Das war ein Geheimnis, das Cas wohl mit in sein Grab nehmen würde, das er gerade mit in sein Grab nahm denn niemand wusste wie Cassiopeia Tripe gestorben war. Neben ihrem Bruder war sie nur ein kleiner Stern, während Cas der helle, strahlende Mond war. Man schätzte Cassiopeia erst, als der Mond verschwunden war, obwohl sie immer da war.
Schließlich hatte Alessia des öftern mitbekommen wie er mit seiner Einbildung sprach, die zugleicht auf seine Violine war. Sie wusste wie oft er Cassiopeias Tod beklagte, wie oft er sagte das sie die Welt retten hätte sollen und das er nur eine billige Kopie von ihr war.
Alessia kannte ihn vielleicht besser als irgendjemand sonst, aber trotzdem kannte sie ihn nicht wirklich. Es gab niemanden, der ihn wirklich kannte, weil Casmiel aus so vielen verschiedenen Facetten bestand, das man sie nicht einmal in einem ganzen Leben erfahren konnte. Nur Dolores kannte ihn wirklich.
Alessia wusste von der Violine, sie wusste auch von der Einbildung, die Cas hatte, aber angesprochen hatte sie ihn nie darauf. Sein Leben war traumatisch, er sollte auch die Chance haben jemanden seine Last zu übertragen, denn einem realen Menschen würde er nie wieder wirklich vertrauen.
Dolores. Eine einfache Violine aus dunklem, glänzenden Holz das einen leichten Rotstich hatte. Saiten aus Darm, das hatte Cas ihr einmal gesagt und ein Einzelstück. Es gab keine Violine auf der Welt, die so aussah, wie Dolores. Sie war etwas ganz besonderes und jetzt hielt Alessia sie in ihren Händen.
Nicht direkt, sie hatte den schwarzen Geigenkoffer in ihren Armen, umklammerte ihn, als wäre er ihr Rettungsring, der sie aus dieser schrecklichen Realität ziehen würde damit sie nicht mehr weinen musste, wie sie es seit Casmiels bestätigtem Tod getan hatte.
Sie weinte jede Nacht, ihre Augen waren nie wirklich trocken. Es fand sich immer ein kleiner Tropfen Schmerz in ihnen und Alessia wusste nicht ob sie jemals mit diesem Tod zurecht kommen könnte.
So viele Menschen standen um das Feuer herum, das sie angezündet hatte. Viele umarmten sich, diese Nähe war wichtig und Alessia wusste, das diese Leute sowas wie ihre eigene, kleine Familie waren. Eine Familie, die diesen Schmerz verstand, weil sie immer wieder Leute verloren.
Aber mit Casmiel ging die Konstante in ihrem Leben verloren. Sie hatte nun nichts mehr, an das sie sich klammern konnten, wenn der Sturm wieder einmal drohte sie mitzureißen.
Vielleicht war Cas kein Held gewesen, er hatte diese Bezeichnung gehasst, aber er war ein Zuhause gewesen. Nicht nur ein Mensch, ein wahres Zuhause. Sie hatten immer wieder den Standort gewechselt, hatten überall übernachtet und wenn es nur für eine einzige Nacht war, aber einer war immer da gewesen.
Wenn sie einmal wieder von einer Mission zurückkehrten, waren nicht immer alle zurück gekommen. Manche waren in der Arena gelandet, andere gestorben aber einer war immer da gewesen und hatte sie begrüßt, ihre Berichte angehört und alles ins Protokoll aufgenommen. Casmiel Aradeon Tripe.
Er war kein Mensch gewesen, genauso wenig ein Gott oder ein Held. Das war nicht das, was er darstellte.
Er war ein Zufluchtsort, er war die rote Hand. Nicht die Organisation, nicht die Menschen. Es war Casmiel Tripe. Er hatte diese Rebellion gegründet, damals vor Jahren. Er hatte mit nur 16 Jahren mehr Verantwortung getragen als gut war und jetzt...jetzt war er tot. Er war tot und niemand konnte etwas dagegen tun.
Er war gestorben weil er sich nicht selbst gerettet hatte, sondern zuerst alle anderen auf den Hubschrauber verladen hatte. Dann war er zurückgeblieben mit Eirene, der zweiten Leiche, die heute verbrannt werden sollte.
Ja, es war gefährlich gewesen die Leichen zu bergen. Die Leiterin war nicht dumm, sie hatte Wachen aufgestellt und den früheren Unterschlupf überwachen lassen, aber diese Opfer waren es wert. Niemand aus ihren Reihen war gestorben, aber sie hatten diese Wachen getötet. Nicht nur getötet, sie hatten sie zerstört.
Trauer, Wut und Frustration. Drei Faktoren die den Menschen in den Wahnsinn trieben. Nicht den Wahnsinn, den Casmiel hatte und der ihn auch irgendwie genial machte, sondern der Wahnsinn, aus dem die Leute entstanden, die sich selbst, die Welt oder alles aufgaben. Die Leute, die am Ende als Böse galten, weil niemand ihre Geschichte hören wollte, weil niemand ihnen zuhörte.
Alessia hatte diesen Weg eingeschlagen. Nicht direkt, sie gab nicht auf. Aber Casmiels Tod war so, als hätte jemand ihr ihren Bruder genommen, den sie nie gehabt hatte. Es war eine Art Ansporn zum Kämpfen und vor allem zum Morden. Alessia hatte keine Lust mehr auf der guten Seite zu stehen. Sie hatte keine Lust mehr die ganze Zeit vernünftig und klug zu handeln. Sie hatte keine Lust mehr darauf eine Fassade zu wahren, die gerade eben vor ihren Augen zusammengebrochen war, als sie sah, wie die beiden schwarzen Leichen verbrannten und im Feuer untergingen, ein Teil von ihm wurden.
Alessia wollte nicht mehr auf der Seite der Verlierer stehen. Sie wollte auch nicht weiterhin die pazifistischen Regeln von Theseus beachten, auch wenn sie diesen Untoten gut leiden konnte. Sie wollte nicht länger dabei zusehen wie sie alles verlor und die Arena wuchs und wuchs. Sie wollte diesen Präsidenten umbringen. Sie wollte ihn nicht nur umbringen, sie wollte ihm Schmerzen zufügen, die er noch nie zuvor gefühlt hatte. Sie wollte ihn Leiden sehen.
Für alle Phoenixe, die er auf dem Gewissen hatte. Für alle Menschen, die gestorben waren, weil er einen Krieg zwischen zwei Generationen angezettelt hatte. Für alle Phoenixe, die in der Arena mit dem Tod konfrontiert wurden, die wegen den Spielen zu Mördern wurden.
Alessia wollte Gerechtigkeit, aber diese schien mit jeder Sekunde ihres Lebens zu schwinden und nur mehr Platz für die alte Generation zu hinterlassen. Den Phoenixen wurde die Luft zum Atmen genommen. Sie wurden gegen die Wand gedrückt und Reden würde nichts mehr nützen. Nun waren Worte nur mehr heiße Luft und Taten mussten sprechen. Taten, die Alessia nur zu gerne begehen würde.
Jetzt stand sie da. Dolores in ihrem Arm, als wäre sie ihr Anker, den Blick auf die Flammen gerichtet, die gerade ihren Bruder aufgefressen hatten. Sie starrte in die Leere und vergoss Träne um Träne während sie nur daran dachte Casmiel zu rächen und ein Zeichen zu setzten. Ein Zeichen, das die Geschichte niemals vergessen würde. Ein Zeichen für Casmiel Tripe.
Sie plante etwas Großes. Etwas, das noch kein Phoenix jemals gewagt hatte. Einen Anschlag auf den Präsidenten höchst selbst und morgen wäre es so weit. Morgen würde sie losziehen und diesen Bastard umbringen.
„Denk nicht zu viel darüber nach" murmelte plötzlich eine Stimme, nahe an ihrem Ohr und sie drehte ihren Kopf ruckartig zu der Person, die ihr nicht einmal in die Augen sah. Sowie sie zuvor, blickte er in das Feuer, das noch immer wild loderte.
„Denken verursacht Gefühle und diese solltest du abschalten wenn du soetwas großes planst" meinte Robb, der Mann der neben ihr stand, nur verhängnisvoll und Alessia sah ihn verwirrt an.
„Woher weißt du was ich plane?" fragte sie nur zischend, aber noch immer leise, sodass niemand ihre Unterhaltung mitbekommen würde.
„Darling...Alessia. Ich bin nicht dumm und ich kann deine Angst spüren und sehen. Deine Gedanken sind voll damit und das berechtigt. Wie kommst du auf die Idee das alleine zu machen?" fragte er sie nur und seine verschiedenfarbigen Augen richteten sich auf die ihren. Ein frechen Glänzen, das perfekt zu dem kleinen Lächeln passte, das er auf den Lippen trug, erfüllte seine Augen.
„Robb. Ich...ich kann das nicht von dir verlangen..." meinte sie nur kopfschüttelnd. Sie wollte niemanden unnötig in Gefahr bringen, schließlich war ihr selbstgegebener Auftrag mehr als nur gefährlich.
„Oh keine Sorge, Alli. Du wirst ganz sicher nicht alleine den ganzen Spaß erleben. Wir kommen natürlich mit" widersprach Robin ihr nur schnell und sie sah ihn nur noch verwirrter und vor allem verzweifelter an.
„Wir? Was...?" fragte sie nur bevor jemand ihre Schulter als Armstütze benutzte und auch noch Lorcan, mit einem genauso frechem Grinsen im Gesicht, wie Robb es trug, neben ihr stand und sie neckisch musterte.
„Jap. Unglaublich aber wahr, ich und Robby hier werden dich begleiten. Du, meine Liebe, bist nicht alleine auf dieser Welt" Lorcan schob ihr Gesicht etwas zu sich und lächelte sie etwas milder und weniger verhängnisvoll an.
„Auch wenn es nach seinem Tod so scheint, wir alle haben dieses Gefühl. Aber wir sollten uns daran erinnern was Cas uns geschenkt hat. Eine Familie und als so eine ziehen wir in jeden Krieg" versprach er ihr und Tränen schossen in Alessias Augen bevor sie Lorcan stürmisch umarmte.
Dieser schien vorerst etwas geschockt, er hatte diese Reaktion nicht erwartet, schon gar nicht von Alessia, aber dann legte er seinen rechten Arm um ihre Taille und strich ihr mit der anderen beruhigend über den Hinterkopf.
Ohne weitere Worte zog er auch Robb zu sich her und zwang ihn so in diese sehr chaotische und zugleich irgendwie niedliche Gruppenumarmung.
Nach einer kurzen Minute des Schweigens schnaubte Robb amüsiert und meinte nur: „Das ist so kitschig. Wollen wir uns wieder trennen oder jagen wir Mister President als Sandwich in die Luft?"
Lachend und zugleich schniefend löste sich Alessia und Lorcan lächelte sie ermutigend an. Dann wuschelte er frech durch ihre Haare, ein Fehler. Denn Al war vielleicht ein emotionales Wrack wegen Casmiels Tod und Begräbnis, aber ihre Haare waren noch immer heilig und sie gab Lorcan sofort, fast schon instinktiv, eine Schelle die ihn auf die Seite warf.
Robb konnte sich nicht mehr halten vor lachen und die Blicke, die ihnen zugeworfen wurden, waren komplett verstört, amüsiert, fragend oder einfach nur Das-ist-mal-wieder-typisch-für-diese-Idioten-die-nicht-einmal-bei-einem-Begräbnis-ihre-Klappe-halten-können-mäßig. Oh, haben wir komplett verstört schon erwähnt?
„Nur weil du wirklich süß warst, heißt das nicht, das du dir alles erlauben kannst, Lorcan Careij!" zeterte Alessia nur während Lorcan sich wieder auf seine wackeligen Beine stellte und Robb sich bei einer Wand halten musste damit er nicht halb-verreckend am Boden landete. Tränen waren schon in seinen Augen zu sehen und er bekam keine Luft vor Lachen.
„Verdammt Ali. Erinner mich daran das ich dich niemals zu meinem Feind mache. Diese Schelle könnte einen ausgewachsene Bullen umwerfen. Heilige Maria Mutter Gottes" fluchte Lorcan nur halb lachend, halb weinend, weil seine Wange ziemlich schmerzte und ein heftiger, roter Handabdruck von Alessia dort prangte. Er konnte sich die Tränen genauso wenig verkneifen wie es Robb konnte und jetzt war Alessia nicht mehr die einzige mit Tränen in den Augen, nur hatten alle drei einen anderen Grund.
„Danke Jungs. Das...das bedeutet mir wirklich viel auch wenn ihr Idioten seid und wahrscheinlich an eurer verdammten Dummheit sterben werdet" meinte sie nur ehrlich dankbar und während Robb sich nur langsam beruhigte, zwinkerte Lorcan ihr zu, als würde er flirten aber natürlich wusste Alessia das es nur seine Art war, auf Komplimente aller Art zu reagieren.
„Wollen Sie uns denn auch in Ihren Plan einweihen, Madame?" fragte Robb nur als er sich wieder beruhigt hatte, aber noch immer amüsiert prustete wenn er Lorcans rote Wange sah.
„Ganz ehrlich?" meinte Alli nur während sie ihre Arme um Robbs und Lorcans Schultern legte und sie ein Stück mitzog. „Ich habe keine Ahnung was ich machen werde. Wie klingt Kaffee für den Anfang?"
Alessia - _Silberschweif_
Lorcan - Ghostheart7
Robb - @Me
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