Kapitel 53
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Arcade von Duncan Laurence
Jake
Übermüdet sitze ich in der Küche und schlürfe an meinem schwarzen Kaffee. Den ganzen Abend und auch Nacht, habe ich gehofft er würde nach Hause kommen, doch das tat er nicht. Gerade, als ich dachte, dass diese klaffende innerliche Wunde heilen würde, wurde sie erneut aufgerissen. Seufzend stehe ich auf und begebe mich nach draußen zu meinem Auto, um ins Haupthaus zu fahren.
~
„Erklär uns, was das gestern war.", fordert einer und die anderen nicken zustimmend. Müde streiche ich mir durchs Gesicht und lehne mich an den Tisch. „Was soll ich erklären? Reese ist mein Bruder und, dass wir ihn aufgenommen haben, geht euch nichts an. Das ist Jahre her.", brumme ich genervt. „Aber er ist ein Omega!"
„Er ist mein Bruder!", wütend starre ich den Typen an, der das gesagt hat. „Trotzdem hättest du es uns sagen sollen.", ruft jemand eingeschnappt. „Nein. Das hat nichts mit euch zu tun. Meine Familie geht nur mich was an!", wild fangen sie an auf mich einzureden. Einige negativ, wenige positiv.
„Ruhe!", brüllt plötzlich eine raue alte Stimme. Überrascht sehen wir zu der Ältesten, wie sie das Haus betritt und auf mich zu kommt. „Jake hat Recht! Es geht uns nichts an und doch hat mich sein Vater vor Jahren um Rat gebeten und ich gab ihm die Bestätigung, dass es besser ist, es für sich zu behalten.", mit offenem Mund starren sie alle an. Selbst ich bin außerordentlich überrascht. Seit dem Ritual habe ich sie nicht mehr gesehen.
„In welcher Beziehung stehst du zu deinem Bruder?", kommt es von weiter hinten. Unsicher sehe ich zu der jüngeren Frau, die mich neugierig betrachtet. „In welcher Verbindung soll er schon mit ihm stehen? Er ist sein Bruder!", ruft jemand genervt rein. „Nein, sagt mir nicht, dass ihr es nicht gespürt habt. Als die beiden gestern wieder auf einander gestoßen sind. Wie als wäre unser Alpha wieder vollständig. Er ist nicht nur dein Bruder, nicht wahr?", schluckend sehe ich zu ihr. Ich hatte nicht vor es ihnen schon jetzt zu sagen. Aufmunternd nickt mir die Älteste zu.
„Nein. Nein das ist er nicht.", schnaufend kratze ich mich am Nacken. „Reese, Reese ist meine zweite Hälfte, mein... mein Mate.", sage ich schließlich. Geschockt sehen sie mich an. „Aber er ist dein Bruder!"
„Nein, nicht biologisch.", kommt es von der Ältesten, die sich schützend vor mich stellt, was wirklich komisch ist, denn sie ist gerade einmal halb so groß und wirkt sehr zerbrechlich. „Jake's Vater wusste es von Anfang an, dass ist auch einer der Gründe warum er zu mir kam. Er war sich nicht sicher ob es gut ist, wenn die beiden in so einem engen Verhältnis aufwachsen. Ich weiß nicht mehr ob du dich daran erinnerst, Junge.", sie dreht sich zu mir. „Als ihr Reese, zu mir gegeben habt, nach dem er schon ein paar Wochen bei euch war, bist du schrecklich krank geworden, denn deine Seele hat sich schon vom ersten Augenblick, an ihn gebunden. Du brauchtest ihn in deiner Nähe, also entschieden wir ihn bei euch aufwachsen zu lassen.", seufzt sie und streicht mir über den Arm, ehe sie sich wieder zu den anderen dreht. Gerade als sie weiter reden wollte unterbreche ich sie, indem ich ihr eine Hand auf die Schulter lege.
„Er ist mein Mate und das wird sich nicht ändern, egal was ihr davon haltet. Akzeptiert es oder geht.", mit verschreckten Armen sehe ich zu ihnen und versuche so viel Macht wie möglich aus zu strahlen. Denn egal wer mein Mate ist, ich kann und werde das Rudel schützen, mit Reese noch viel stärker.
„Denkt darüber nach und geht." Grübelnd verlassen einige das Haus, jedoch bleiben die meisten zu meinem Erstaunen, die ihre Köpfe neigen und mir so erneut ihre Treue schwören, egal wer meine Liebe ist. Schwach lächelnd nicke ich, ehe diese nun auch das Haus verlassen. „Danke.", sage ich zu der alten Dame, als alle weg sind. „Aber natürlich.", antwortet sie mir und läuft nun auch Richtung Ausgang. „Ah, nur noch eins. Es wird nicht leicht. Gib ihm seine Zeit. Lernt euch erneut lieben. Ich weiß es wird schwer für dich ihn gehen zu lassen, aber glaube mir, er wird nie aufhören dich zu lieben." Warte was?!
„Was meinen-...", doch da ist sie schon weg.
Was um Himmels Willen meint sie mit gehen??
~
Erschöpft und zutiefst verunsichert öffne ich unsere Haustür. Schlurfend gehe ich in die Küche und sehe Reese dort wartend sitzen, neben ihm eine große Reisetasche. Langsam schaut er zu mir auf. Am liebsten würde ich ihm um den Hals fallen, doch es scheint mir in diesem Moment nicht angebracht. „Reese...", murmle ich. Schwach lächelnd sieht er zu mir, ehe er den Blick abwendet und schmerzlich die Augen schließt.
„Wir müssen reden. Ich muss... muss es verstehen können.", flüstert er. Bedacht lasse ich mich auf dem Platz ihm gegenüber nieder und sehe in sein markloses, wunderhübsches Gesicht. „Warum...?", fragt er mit gläsernem Blick. „Warum hast du nie was gesagt, Jake? Ich mein... es... ich.... ich bin ein Omega.", aufgebracht fährt er sich übers Gesicht und streicht seine Tränen weg. „Wir... dachten es ist das beste dir nichts zu sagen...", fange ich langsam und leise an zu erklären.
„Aber warum?"
„Wir wollten dich beschützen, Reese. Vor der Welt, dem Hass gegenüber Omegas, dem Schmerz der dir widerfahren würde..."
„Ich habe gelitten, Jake. Nie habe ich verstanden, warum mich alle immer gemieden haben, doch jetzt macht es Sinn... Sie müssen gespürt haben, dass ich kein reinblütiger bin. Dass ich so gemacht wurde. Irgendwo in ihrem Urinstinkt."
Tausende kleine Tränen laufen über seine geröteten Wangen. Es ist, als würde jemand einen Dolch in mein Herz rammen und ihn langsam anfangen zu drehen. „Wir haben nur das Beste für dich gewollt...", seufze ich und will nach seiner Hand greifen, die er aber sofort wegzieht.
„Das Beste?", schnaufend atmet er aus und eine Stille entsteht.
„Seit... Seit wann weißt du das ich dein Mate bin?", fragt er mich mit bebender Stimme.
„Wahrscheinlich seit ich dich das erste Mal gesehen habe, unter diesem Baum... mit diesen haselnussbraunen Augen, die so eine Wärme ausstrahlten, dass ich glaubte darin zu zergehen. Du warst ab dem Moment der Mittelpunkt meiner Welt. Ich hatte noch nie so ein Verlangen jemanden zu beschützen. Du... hast mich verzaubert. Unser Vater wusste das, also rettete er dich und nahm dich bei uns auf. Du warst wie mein persönlicher Schatz, den ich um jeden Preis beschützen und verteidigen musste. Aber richtig gewusst, habe ich es damals noch nicht. Ich war einfach zu jung. Erst als wir mit einander das erste Mal geschlafen haben, war dieses Band für mich zu eindeutig und mein innigstes Verlangen war es dich zu markieren.", versuche ich ihm verstehen zu geben.
Aufmerksam sieht er zu mir, als ihm die Erkenntnis kommt. „Ich... Oh mein Gott! Ich kann... Verdammt Jake! Ich kann schwanger werden!", aufgeregt steht er auf und rauft sich die Haare. „Wir haben nie verhütet! Wie...? Du musstest das doch wissen!"
„Beruhig dich Reese. Du kannst noch nicht schwanger werden. Erst wenn ich dich markiere und dann auch nur in deiner Hitze.", beschwichtigend sehe ich zu ihm. „M-Meine Hitze?? Warum habe ich die nie gespürt?", zitternd lässt er sich wieder auf seinem Platz nieder.
„Weil du als zu kein warst ein Mittel bekommen hast, das diese unterdrückt, bis ich dich markiere. Die anderen hätten es sonst gerochen, dass du ein Omega bist...", schluckend sieht er zu mir. „Ich... Ich muss darüber nachdenken. Irgendwie verstehe ich dich, aber es ist alles etwas viel...", flüstert er nun und sieht traurig auf das Gepäck.
„Was soll die Tasche?", fragend sehe ich zu ihm. „Ich werde gehen Jake.", entsetzt reiße ich die Augen auf. Mein Herz hört auf zu schlagen und jegliche Farbe weicht aus meinem Gesicht. „Was?! Aber... Aber wo hin?"
„Zu... Grandma. Ich habe gestern Abend mit ihr telefoniert. Sie... Ich habe darüber nach gedacht meinen Abschluss doch dort zu machen."
Nein. Nein. Nein. Nein.
„Reese... nicht, ich kann... ich kann für dich da sein, dich beschützen. Dir wird nie wieder Leid zu gefügt werden. Ich...", hektisch streiche ich mir über die Haare.
„Ich muss das tun. Ich... Ich brauche Abstand. Abstand von allem.", traurig lächelnd sieht er zu mir.
Nein. Nein. Nein.
„Reese... bitte.", flehend sehe ich zu ihm, als plötzlich ein lautes Hupen ertönt. „Das muss Willow sein, sie bringt mich zum Bahnhof.", er steht langsam auf und schultert seine Reisetasche. Schnell springe ich auf, will ihn aufhalten, bleibe jedoch wie eingefroren stehen.
„Ich... Ich ruf' dich an, wenn ich angekommen bin.", murmelt er und geht dann leise davon. Nur sein laut hämmerndes Herz ist klar wahrnehmbar für mich. Als die Tür in die Angeln fällt, kann ich diese eine schmerzliche, quälende Träne nicht mehr zurück halten. Weg.
Weg... WEG! Reese! Schreit meine innere Stimme ihm hinterher. REESE!!
Gefühlte Stunden stehe ich hier, als mit einmal ein Ruck durch meinen Körper geht und ich schnell zu meinem Auto renne und ohne weiter zu warten los rase. Bahnhof! Bahnhof! Komm schon! Wie eine riesige Leinwand läuft der Satz, Reese geht!, durch mein Kopf. Mit quietschenden Reifen komme ich an. Erregt reiße ich die Tür auf und sprinte zu den Gleisen. Unser Bahnhof ist klein, übersichtlich und kaum benutzt. Es gibt zwei Schienen. Hin und zurück. Unter einem kleinen Dach sehe ich Reese stehen, wie Willow mit ihm redet und er nur nachdenklich auf den Boden starrt.
„REESE!", brülle ich. Erschrocken hebt er den Kopf, schaut direkt in meine Augen, als ich genau in dem Moment bei ihm ankomme, ihn fest in meine Arme ziehe, so dass er einige Zentimeter vom Boden abhebt. „Geh nicht!", flehe ich und vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge. „Geh nicht. Geh nicht. Geh nicht.", murmle ich immer und immer wieder. Seufzend schlingt er dann endlich seine Arme um meinen Hals und fährt mit seinen kleinen Händen in mein Haar. „Ich liebe dich, Reese. So sehr."
„Ich weiß." Ich spüre wie glühend heiße Tränen von ihm auf mich fallen. Genau in dem Moment fährt der Zug ein. „Trotzdem muss ich gehen.", sagt er dann schließlich und nun scheint es, als würde man Säure in meine klaffende Wunde kippen.
„Bitte Reese."
„Lass mich runter.", flüstert er und streicht über meinen Nacken. Widerwillig lasse ich ihn runter gleiten. „Es ist kein Abschied für immer.", verspricht er mir.
Ohne darüber nach zu denken, wo wir gerade sind, dass uns Willow neugierig betrachtet oder ich ihn danach nur noch weniger gehen lassen kann, lege ich meine Lippen auf seine. Drücke ihn an seinen Wangen zu mir und versuche den Geschmack, die Wärme und die Gefühle, die mich übermannen, diese Liebe, für immer zu speichern. Sachte löst er sich. „Machs gut.", und damit steigt er in den Zug und mit ihm mein Herz.
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