Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

Unbeschrieben

Nur meine engste Familie, hatte ich gesagt. Doch natürlich musste Jorin dagegen verstoßen und nun sehe ich das gesamte Dorf auf der Wiese. Kinder wuseln um die Beine der Älteren herum. Selbst ihnen wurden die traditionellen Kleider in den Flügelfarben der Eltern übergestülpt. Dann sind da noch junge Feen aus meiner Schule, viele bereits mit eigenen Flügeln, flatternd, im Sonnenlicht schimmernd.

Mama weicht einem Löwenzahn aus, als sie quer über die Wiese auf mich zukommt. Ich ahne zu wissen, weshalb sie nicht fliegt. Die Rücksicht auf mich sorgt allerdings für eine gegenteilige Wirkung, sie erinnert mich einmal mehr an die bevorstehende Zeremonie. Gleich wird Mama mich beiseite nehmen, um vorher ein letztes Gespräch zu führen. Ausgerechnet Mama, die ihre dunklen, sternenfunkelnden Flügel mit neun Jahren erhalten hat, noch vor all ihren Freunden. Sicher wird sie mir helfen können. Wer auch sonst.
„Mira", sagt sie, „Kommst du kurz mit?"

Ich folge ihr, wenn auch ein bisschen langsam. Wir verlassen die Wiese und setzen uns auf einen Baumstamm im angrenzenden Wald. Immer noch dringen die Stimmen der Anderen zu uns, allerdings nur gedämpft und wir verstehen sie kaum. Die Bäume strahlen eine angenehme Kühle aus. Mama kommt direkt zum Punkt.

„Fühlst du dich wirklich bereit?"
Die Bedeutsamkeit der Frage erschüttert mich. Nein, wirklich, für uns ist die Zeremonie an keine bestimmte Zeit gebunden. Bis auf die eigene innere Uhr. Man muss keine Prüfung ablegen, das Ritual selbst ist die Prüfung. Davor ist man Schüler, mit dem Recht auf Lehrer und Unterricht. Sie zeigen einem, wie man den richtigen Moment spürt. Nur ist das leider eine sehr subjektive Sache. Manchen liegt sie mehr, anderen weniger.

„Natürlich", antworte ich, weiß aber im selben Moment, dass Mama mir nicht glaubt. Ich sehe es an ihrem Blick, als sie sagt:
„Vor meiner Zeremonie damals habe ich mich so bereit gefühlt, wie nur möglich."
Was sonst hätte ich erwarten sollen? Schließlich bin ich die Spätzünderin von uns, Mama war immer perfekt. Sofort tut mir der Gedanke leid. Sie fährt fort.
„Aber ich war zu dem Zeitpunkt auch jung. Je jünger wir sind, desto leichter meinen wir, uns auf dem richtigen Weg zu befinden. Ich glaube eben, nur deshalb erhalten die meisten ihre Flügel schon vor dem fünfzehnten Lebensjahr. Du bist älter und du hast schon immer viel nachgedacht. Kein Wunder, wenn du dich noch nicht bereit fühlst."

Ich umklammere mit einer Hand die Rinde des Baumstamms.
„Du glaubst also, es ist zu spät für mich?"
„Nein. Ich glaube nur, du zweifelst stärker. Noch können wir die Zeremonie absagen. Wenn du dir nicht sicher bist, ist es zu gefährlich."

Wenn ich mir nicht sicher bin. Wie soll man sich bei so etwas denn sicher sein? Eine Fee erhält bei der Zeremonie ihre Flügel. Dazu gehen wir die Verbindung mit einem Schmetterling ein. Es bedeutet uns viel mehr, als nur die äußere Erscheinung oder die Fähigkeit zu fliegen. Die Flügel mit ihrer Ausstrahlung und ihren Farben stehen für eine Lebensphilosophie. Jedes Lebewesen ist verpflichtet, eine neue Facette der Welt zu ergründen, um dieses Wissen dann der nächsten Generation mitzugeben. Mit der Wahl unserer Flügel legen wir fest, welche Facette das ist.
„Ich sage die Zeremonie nicht ab. Sicher werde ich mir nie sein und wenn ich darauf warte, sterbe ich ohne Flügel. Lieber nehme ich die Gefahr in Kauf, dass die Zeremonie scheitert."


Es dauert eine Ewigkeit, bis die Zeremonie beginnt. Eine Ewigkeit, in der die Zeit sich abwechselnd zu beschleunigen und zu verlangsamen scheint und dies in möglichst nervenaufreibendem Wechsel. Endlich stehe ich im Zentrum der Wiese. Zwar spüre ich die Blicke auf mir, kann aber nur die Umrisse der Dorfbewohner erkennen. Ein Schleier verdeckt meine Augen, dunkel, mit aufgestickten Sternen. Mamas Flügelfarben. Sie brennen sich mir ein, lachen mich aus. Auf der Wiese ist es ruhig.

„Jetzt", sage ich und erkläre mich damit für bereit. Die Zuschauer teilen sich, damit Mama auf mich zukommen kann. Dieses Mal fliegt sie, bis sie direkt vor mir landet. Sie wartet einen Moment zu lang. Ein verräterisches Zögern. Dann legt sie mir vorsichtig den Schleier ab.
„Ich nehme meine Farben von dir, denn heute wirst du deinen eigenen Weg antreten."
Das Tageslicht strömt ungefiltert auf mich ein, sodass ich blinzeln muss. Mama hat mir bereits den Rücken zugekehrt, als ich wieder klar sehe. Sie verschwindet zwischen den Anderen. Jetzt ist es zu spät, um abzubrechen, möchte ich ihr hinterherrufen. Der Gedanke hallt in mir wider. Es ist zu spät.

Auch ich wende mich um. Nun stehe ich meinen drei Lehrern gegenüber. Einmal atme ich tief durch, werfe alle Gefühle ab. In der Mitte ist Jorin, ein Elf im Alter meiner Eltern, die blonden Haare kurz geschnitten, die leuchtend grünen Flügel ausgebreitet. Er hat mich in Wirklichkeitslehre unterrichtet. Außerdem war er für die Organisation der Zeremonie verantwortlich.
„Danke für die vielen Gäste", flüstere ich ihm zu, während er mir gegenübertritt.
„Wusste ich doch, dass du dich freuen wirst", flüstert er voller Überzeugung zurück.
Ich muss ein Augenrollen unterdrücken. Mit Ironie konnte er noch noch nie viel anfangen.

Bei seinen folgenden Worten wendet er sich zwar mir zu, sie dienen in Wahrheit jedoch als Rede für alle Anwesenden.
„Jede Elfe tritt irgendwann den Weg in die Welt der Fantasie an, um ihren Schmetterling zu finden. Manche früher, andere später."
Dabei sieht er mich direkt an. Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen, bevor er fortfährt:
„Doch alle warten auf den richtigen Zeitpunkt. Heute wird eine meiner Schülerinnen aufbrechen. Zuvor aber werden wir ihr noch unsere letzten Ratschläge mitgeben."
Er deutet auf die beiden Lehrer an seinen Seiten.
„Mira, bisher haben dich die Grenzen der Wirklichkeit bestimmt."
Was als nächstes kommt, könnte ich mitsprechen.
„Nun betrittst du die Welt der Fantasie. Nur sie kann dich leiten, nur sie weist dir die Richtung, nur durch sie findest du zurück. Sie verleiht dir Flügel, durch die ewige Verbindung, welche du eingehen wirst. Über die Grenzen der Realität kann dich nur die Fantasie tragen."

Jorin tritt zurück und die eben noch links neben ihm stehende Gilda ersetzt seinen Platz. Sie ist die Einzige der Lehrer, die weite Hosen anstatt des traditionellen Gewandes trägt. Ihre dunkelroten Flügel schimmern matt. Bei ihr sollte ich lernen, meine innere Uhr zu gebrauchen.
„Wenn deine innere Uhr geschlagen hat", ergänzt sie Jorins Rede, „und du deine Vision klar mit dir trägst, wird dein Schmetterling dich finden. Andernfalls währt deine Suche ewig."
Hat sie beim letzten Satz etwa gestockt? Sie ahnt es. Sie ahnt, dass ich noch nicht bereit bin. Ich war dumm, das zu behaupten. Wie bin ich überhaupt auf diese Idee gekommen? Ich habe keine Ahnung, welche Facette des Lebens ich erkunden soll oder wer ich sein möchte. Da ist nur dieses drängende Gefühl in mir, das sagt jetzt, jetzt oder es ist zu spät.

Auf Gilda folgt Melvin, der letzte und mein ältester Lehrer, gekennzeichnet durch den grauen Bart. Zugleich sind seine Flügel die wohl auffälligsten, mit ihrem gelb-türkisen Karomuster. Er unterrichtet die Lehre der Flügelfarben. Natürlich muss er die letzten Worte haben.
„Kehre zu uns zurück und denke daran: die Welt der Realität hat ihre Grenzen, die Welt der Fantasie ist grenzenlos. Zieh los, deine eigenen Farben zu finden."

Nachdem Melvin seine ursprüngliche Position wieder eingenommen hat, sehen sie mich alle drei an. Ihre Flügel sind ausgebreitet, doch auf einmal scheinen sie das Licht nicht mehr nur einzufangen, sondern auf mich zurückzuwerfen. Es kitzelt warm auf meiner Haut.
„Schließe die Augen", sagt Jorin.
Ich tue es.
„Jetzt halte deine Vision, die Vorstellung, nach der du suchst, fest. Lass sie unter keinen Umständen los."

Nicht denken, denke ich, einfach dem Plan folgen. Ein Plan, der so schlecht ist, dass er eigentlich gar nicht zählen würde, ein Plan, der daraus besteht, keinen echten Plan zu haben.
So sehr ich kann, halte ich meinen Wunsch fest.
Ich wünsche mir, meinen Weg zu finden.

Sämtliche Geräusche verstummen. Nach einer Weile, öffne ich meine Augen wieder. Nur verändert das nichts. Als hätte ich sie nie geöffnet, sehe ich dieselben Linien und Muster, das Rotbraun meiner Augenlider. Ist das die Welt der Fantasie? Viel eher fühlt es sich an, als würde meine Sicht verdeckt.

Niemand leitet mich.
Niemand weist mir die Richtung.
Niemand trägt mich über die Grenzen der Realität.

Ich habe Angst. Angst? Die hatte ich schon immer. Vor mir liegt nichts. Ich bin nichts. Habe ich überhaupt einen Körper? Spüren kann ich ihn, aber nicht sehen. Auch das Spüren ist seltsam. Ununterbrochen dieses warme Kribbeln, überall. Jahrelang habe ich versucht mich auf diesen Tag vorzubereiten. Keine Ahnung, was ich jetzt tun soll. Hätte ich eine klare Vision, müsste mein Schmetterling mich finden. So muss ich mich wohl selbst auf die Suche machen. Aber wie? Eigentlich gibt es nur eine Möglichkeit. Ich weiß zwar nicht, wohin ich will, aber ich muss weitergehen. Einen Schritt machen, in der Hoffnung, dass sich etwas verändert. Blind bin ich in diese Zeremonie gegangen und muss nun den Preis bezahlen. Andererseits war genau das meine Entscheidung. Die Entscheidung, nicht mehr zu denken. Die Entscheidung, einfach zu gehen.

Anstatt zu gehen, renne ich. Mit diesem Achterbahnsprung in der Brust, der besagt, dass ich soeben schneller als mein Kopf war. Bei meinem nächsten Schritt spüre ich jedoch keinen Boden mehr. Gibt es hier überhaupt einen Boden?

Ich glaube, so fühlt es sich an, durch die Ozonschicht zu fallen. Mehr oder weniger. Wohl eher weniger. Aber was ich meine, ist das Gefühl, aus luftleerem Raum in einen Ort mit einer leichten Brise zu landen. Die Farben von eben werden mir von den Augen gerissen und durch einen eisblauen Himmel ersetzt.

So etwas hatte ich schon eher erwartet. Obwohl ich noch keine Flügel besitze, schwebe ich. Der Himmel wirkt endlos, bis auf ein paar Wolken. Diese verändern sich schneller als normalerweise. Sind es überhaupt Wolken? Mit ein paar ungelenken Schwimmbewegungen nähere ich mich ihnen durch die Luft. Je näher ich komme, desto besser sehe ich die Einzelheiten der sogenannten Wolken. Viele kleine, reinweiße Falter, die sich gegenseitig umflattern.

„Ich habe sie gefunden", murmle ich.
Vorsichtig strecke ich meine Hand aus. Tatsächlich, einer der Falter löst sich aus der Gruppe. Das ist er. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Könnte es so einfach sein? Allein diese Frage löst in mir Zweifel aus. Aber wozu bin ich hier, wenn nicht, um einen Versuch zu wagen? Kaum spürbar setzt der Schmetterling sich auf meinem Zeigefinger ab. Kaum spürbar, bis seine zarten Beine beginnen, sich in meine Haut zu bohren. Mit ein paar Sekunden Verzögerung zuckt mein Körper zurück.

Es war ein Fehler, denke ich.
Fehler, Fehler, Fehler!

Glühende Fäden durchziehen mich, laufen auf ihn zu, färben die Flügel des Schmetterlings rot, als würden sie mein Blut in sich aufnehmen. Ich versuche, ihn abzuschütteln, doch er ist mit mir verbunden. Meine Bewegungen werden schneller und auf einmal erinnert sich die Schwerkraft an mich, denn ich falle. Im Fall starre ich auf den Schmetterling an meiner Hand.

„Verschwinde", flüstere ich.
Aber ich bin dein Schmetterling. Wir sind verbunden. Warte noch ein kleines bisschen auf deine Flügel. Es war dein Wunsch, deine Vision. Du wolltest Klarheit, wolltest deinen Weg erkennen. Ich werde dir helfen.

Mein Weg. Klarheit. Ja, es ist pure, heiße Klarheit, die mich durchströmt. Und ich spüre, was sie ist. Wut. In erster Linie Wut, eine innere Kraft, die daraus entspringt.

Zeig es, zeig ihnen, dass du nicht zu spät bist! Dass du heute bereit warst und an keinem anderen Tag!

Nicht mehr denken, das war mein Plan. Jetzt, erfüllt von reinen Gefühlen, weiß ich, dass ich recht hatte. Es ist die einzige Möglichkeit. Die Einzige. Endgültig. Die Hitze wird stärker und stärker und stärker und ich halte es nicht mehr aus. Was soll das? Seit wann läuft die Zeremonie so ab? Wieso passiert mir das?

Du denkst zu viel, unterbricht mich der Schmetterling.
„Du bist es nicht", sage ich.

Mein freier Fall endet. Stattdessen durchbreche ich eine Wasseroberfläche, welche die Hitze wie eine Seifenblase zum Platzen bringt. Ein verschwommener, roter Schatten schwebt über mir, verschwindet.
Taubheit.


Wow, war das dramatisch, ist das Erste, was ich denke.
Wir hätten nicht zusammengepasste, ist das Zweite, was ich denke.
Es tut gut zu denken. Einfach so. Das Wasser ist kühl. Und leer. So lange wurde mir gesagt, ich soll auf den richtigen Moment warten. Ich dachte, meine Gedanken stünden mir im Weg. Meine innere Uhr wäre kaputt. Vielleicht war es einfach noch nicht so weit. Ich habe versucht, eine Wahrheit zu finden, die mich nicht loslässt. Eine Facette der Welt, die es zu ergründen lohnt. Aber die Wahrheit ist, dass ich mich nicht festlegen kann. Man muss sich nicht ständig entscheiden, was man wird. Man wird es einfach.

Ich sinke nicht mehr. Kann ich etwa...? Ja, ich kann. Sofort schwimme ich, immer weiter nach oben. Die Welt der Fantasie ist grenzenlos.
Man fällt, wenn man glaubt zu fallen.
Man schwimmt, wenn man glaubt zu schwimmen.

Meine nassen Haare kleben mir im Gesicht, als ich auftauche. Die Erinnerung an Mama bahnt sich den Weg nach oben. Ich glaube, du zweifelst stärker.
„Es ist okay, nicht zu wissen was passiert", sage ich, „Es ist okay, Angst zu haben. Manchmal muss man einfach weitergehen."
Super gemacht, Mira, denke ich. Die Erkenntnis des Jahrhunderts.
Sofort muss ich über mich selbst lachen. Mama hatte wohl recht, was das Zweifeln angeht.

Ein Kitzeln auf meinem Oberarm lenkt mich ab. Unwillkürlich muss ich zusammenzucken, sobald ich den Schmetterling sehe. Anders als sein Vorgänger erhebt er sich jedoch sofort in die Luft, flattert neugierig um mich herum. So einen Schmetterling habe ich noch nie gesehen. Seine Flügel haben die Farbe von leerem Pergament.
Ein unbeschriebenes Blatt.

„Du bist es", sage ich.
Immer schneller fliegt der Schmetterling um mich herum. Das warme Kribbeln vom Anfang meiner Reise liegt wieder auf meiner Haut. Ich merke, wie ich mich langsam aus dem Wasser erhebe. Schwebe.

Dann spüre ich sie. Ohne einen Blick auf mein Spiegelbild im Wasser werfen zu müssen, schlage ich mit den Flügeln. Der kleine Schmetterling ist immer noch da. Er fliegt Richtung Himmel, dreht sich, wartet kurz auf mich. Und ich folge ihm. Ich folge einem Schmetterling zurück in Richtung Realität. 




Diese neue Kurzgeschichte reiche ich für die Vorrunde im Rainbowheart Award von @Thedarkheart123 ein. Tatsächlich hatte ich einfach Lust auf Schmetterlinge, aber es gab natürlich auch ein paar thematische Einschränkungen. Das Genre im gesamten Wettbewerb ist "Fantasy". Außerdem konnte man sich eine der vorgegebenen Inspirationen auswählen. Ich habe das Zitat von Jean-Jacques Rousseau genommen („Die Welt der Realität hat ihre Grenzen, die Welt der Fantasie ist grenzenlos"). Sollte sich jemand für die genauen Regeln interessieren, findet man diese im entsprechenden Buch bei @Thedarkheart123 . Dort sieht man übrigens auch, wer die restlichen neun Teilnehmer der Vorrunde sind - deren Geschichten empfehle ich natürlich ebenfalls zu lesen.




Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro