Spielst du mit mir?
Hey Leute,
da ich gefragt wurde, meine Kurzgeschichte einmal weiterzuführen, was zwar schon ein bisschen her ist aber OK, kommt hier jetzt der zweite Teil. Die Geschichte ist noch nicht richtig ausgearbeiet, es handelt sich hierbei um eine Rohfassung. Trotzdem wünsche ich viel Spaß und Spannung! Vielleicht gruselt ihr euch ja etwas ;)
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-- 22 Jahre zuvor --
Es war früher Morgen und die Bewohner der Stadt fingen gerade an, sich für die Arbeit, die Geschäfte oder zum Vergnügen fertig zu machen. Einzig die beiden Krankenschwestern hatte etwas anderes auf die ruhigen Straßen getrieben. Fleißig waren sie dabei, schwarz-weiße Flyer an den Straßenlaternen vor dem großen Plaza anzubringen. Die Schwestern waren so in ihre Arbeit vertieft, dass sie die Person nicht bemerkten, die kurz nach ihnen die Flyer wieder herunterriss. Voller Verachtung wurde das zerknüllte Papier in den nächsten Mülleimer geworfen.
Das Bild auf dem dünnen Flyer zeigte einen kleinen Jungen, keine fünf Jahre alt. Seine Augen waren tiefbraun, genauso wie das Haar, das ihm in alle Richtungen abstand. Einzig sein großes Segelohr schien nicht ganz zu dem symmetrischen Gesicht zu passen. Weder lächelte der Junge, noch war er traurig. Eine Leere hatte von ihm Besitz ergriffen, dessen Abbild sich in den Augen des Kindes wiederfand.
Dies alles sah der Mann mit dem weißen Kittel und der Brille, den letzten der abgerissenen Flyer in der Hand. Endlich wusste er, wo man seinen kleinen Bengel hingebracht hatte. Die Adresse zu der er sich aufmachte, war fein säuberlich unter das Bild geschrieben worden, „St. Ariels Krankenhaus, Laubbeerenstraße 7". Die Adern auf seinem Arm traten hervor, als er die Hand zur Faust ballte, seinen dezenten Hut zurecht zog und sich in Bewegung setzte ...
-- Heute --
Bong bing, bong bing, bong bing, ertönte es aus einem der abgegrenzten Räume. Elizabeth Maria Rent blieb irritiert vor der dunklen Tür stehen und versuchte die Ursache des Geräusches auszumachen.
„Beth!", zischte es links von ihr. Sophia, eine weitere Krankenschwester hatte sie entdeckt. Ihre Hand vollführte einige ruckartige Bewegungen und bedeutete Beth näher zu kommen. „Halte dich nicht zu lange hier im Ostflügel auf, dieser Ort besitzt keinen besonders guten Ruf." Sie schielte zur Tür, durch dessen Holz das stetige bong bing scholl.
„Es war nie meine Absicht, hier lange zu verweilen. Ich wollte nur wissen, was diese Geräusche verursacht. Weißt du, wer sich hinter dieser Tür verbirgt?"
„Ja, aber du solltest das ganze ruhen lassen. Schon viele von uns haben dort drinnen ihr Ende gefunden." Sophias Blick wurde immer gehetzter, je länger sie im Korridor verweilten. Mit einem plötzlichen Ruck ihres Kopfes packte sie den Arm ihrer Freundin. „Komm. Schnell!"
Verwirrt ließ sich diese mitziehen, bis die beiden Frauen in einem helleren Korridor zum Stehen kamen. „Welcher Geist ist dir denn begegnet, dass du mich so mitzerren musstest?", fragte eine schwer atmende Elisabeth. Teile ihres geflochtenen Haares hatten sich gelöst und klebten ihr nun auf der verschwitzten Stirn.
„Das fragst du noch? Ist dir nicht aufgefallen, dass wir alle, wirklich alle hier, diese Tür meiden? Es bringt nichts Gutes mit sich, zu lange in seiner Gegenwart zu sein."
„Aber wer ist dort? Was hat er getan, dass alle solch eine Angst vor ihm haben?", teilte ich Sophia meine Überlegungen mit. Doch gerade als ich zu ende gesprochen hatte, bohrten sich ihre Nägel in mein nacktes Fleisch. „Hör zu! Ich habe dir diesen Job nicht besorgt, damit du unnötige Fragen stellen kannst! Mach deine Arbeit und lass mich die meine machen, sonst bringst du uns beide nur in unnötige Gefahr. Hast du verstanden?" Etwas perplex nickte Beth. Sofort ließ der stechende Schmerz nach. Zurück blieben nur die vier Rötungen von Sophias Nägeln, für die sie fast schon einen Waffenschein benötigte, so spitz waren sie.
Als Elisabeth Maria aufblickte, war ihre Freundin bereits verschwunden. Allmählich fragte sie sich, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, dieses unterbezahlte Jobangebot anzunehmen. Nicht zuletzt darum, da sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit eine überaus gefährliche Person aufhielt.
Nichtsdestotrotz schnappte sie sich die Akte des nächsten Patienten auf ihrer Liste und ließ ihre Neugierde erst einmal ruhen. Doch für wie lange?
Es waren jetzt bereits einige Wochen vergangen, in denen die Geräusche aus Zimmer 222 nicht nachließen. Obwohl sie immerzu hörbar waren, schien sich niemand an den seltsamen Lauten zu stören. Oder sie verdrängten sie einfach nur.
Einzig Beth störte es. Das ewige hin und her, laut und leise. Zwar hatte ihre ehemalige Freundin ihr geraten, sich von dem Zimmer fern zu halten, jedoch wurde es von Tag zu Tag schwerer, dieser Anweisung Folge zu leisten. Vor allem seit sie sich mit Sophia gestritten hatte, die sie immer wieder warnend ansah, wollte ihre Vernunft nicht mehr ausreichen, die Versuchung des Ungewissen zu unterdrücken.
So geschah es, dass sie sich in ihrer Mittagspause an den Zentralcomputer setzte und die Akte von Zimmer 222 las. Laut dieser befand sich nur ein kleiner Junge in dem Zimmer. Die Akte berichtete von dem Eintreffen des Kindes, vor genau zweiundzwanzig Jahren. Doch das konnte nicht stimmen. Bestimmt war es nur ein kleiner Eingabefehler, niemand konnte schließlich zweiundzwanzig Jahre lang ein Kind bleiben. Den Kopf schüttelnd schloss sie das Suchfenster und blickte geradewegs in die Augen der Oberschwester Marlinda, deren kalte, grauen Iren jede ihrer Bewegungen verfolgten. Mit einem geraunten Gruß verabschiedete sich Elisabeth und verließ beinahe fluchtartig den Raum.
Als sie sich umblickte, sah sie sofort das Schild. Beinah verhöhnte es sie und verlockte sie gleichermaßen. Zimmer 222, stand dort. Eine einfache Holztür trennte sie nunmehr von dem kleinen Jungen, vor dem all die anderen Angestellten Angst zu haben schienen. Doch warum sollte man sich vor einem Kind fürchten? Schließlich war es doch nur ein junger Körper, die Unschuld selbst, und kein Serienkiller. Jedenfalls versuchte sie sich das weiszumachen.
Vielleicht war es nur ihre Neugierde verschuldet, dass die Krankenschwester die Tür öffnete. Vielleicht war es aber auch das Gefühl, etwas beweisen zu müssen und sich somit von der Menge abzuheben. So oder so, Elisabeth betrat den verbotenen Garten Eden, verschwand aus den Köpfen der Menschen und wurde nie wieder gesehen ...
Der Mann rieb sich die Hände. Wie lange war es her, dass er wieder einen Neuzugang bekommen hatte? Beinahe war ihm langweilig geworden und er hatte schon befürchtet, seinen kleinen Bengel ersetzten zu müssen. Doch jetzt, nach so einer langen Zeit des Wartens war er belohnt worden. Die Frau zu seinen Füßen war eine wahre Augenweide. Ihr wundervolles Haar hatte er aus dem strengen Zopf gelöst, sodass es ihr wellig über die Arme fiel. Ihre Haut war weiß wie Alabaster und sie war so zierlich wie eine exotische Blume.
Grinsend wandte er sich seinen kleinen Spielzeugen zu, die er aufgebahrt neben sich aufgereiht hatte. Gründlich überprüfte er die Spitze eines Skalpells, bevor er sich an die Arbeit machte. Als einzige lebende Person im Raum brauchte er nicht leise zu sein. Denn die Toten schliefen nicht ...
Sophia ahnte es bereits. Ihre Freundin war weg. Verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.
Und dabei hatte sie sie doch noch extra gewarnt! Doch wer hört schon auf die Worte einer einfachen Freundin, die auch noch unter Schlafmangel litt? Sie musste ja selbst zugeben, wie verrückt sie geklungen hatte. Wäre sie an ihrer Stelle gewesen, hätte sie wahrscheinlich ebenfalls auf eigene Faust gehandelt. Dennoch war es eine Schande, ein weiteres unschuldiges Leben zu verlieren. „Frau Meyers, sind sie wieder am Tagträumen?", beschwerte sich eine kehlige Stimme hinter ihr. Sophia hatte gar nicht gemerkt, wie die Oberkrankenschwester hinter sie getreten war.
„Nein, Oberst Melinda. Natürlich nicht." Der strenge Blick der älteren Frau ließ sie zu einer Eissäule erstarren. Von dem einen auf den anderen Moment wurde er jedoch weicher, fast mitleidig. „Es tut mir leid wegen Ihrer Freundin. Das arme Ding war eindeutig nicht für diese Arbeit gemacht. Ihr Geist war so frei wie ein Vogel und genau das wurde ihr zum Verhängnis. Lass es dir also eine Lehre sein und distanziere dich von Zimmer 222." Sie hielt inne. Lauschte kurz. An ihrem Ohr blinkte ein kleines Licht und signalisierte mir, dass sie gerade einer anderen Unterhaltung folgte.
Sophias normalerweise gebräunte Haut wurde weiß, als sie Melindas nächsten Worte vernahm: „Es schmerzt mich zu sagen, dass du erst nächste Woche damit anfangen kannst, dich von Zimmer 222 fernzuhalten. Leider Gottes wird die liebe Susanne für die nächsten Tage ausfallen und somit lege ich es in deine fähigen Hände, dich um sein Wohlergehen zu kümmern."
„Nein ...", flüsterte Sophia gepresst. „Oh bitte nicht." Tränen traten ihr in die Augen, doch sie unterdrückte sie wissentlich, um der Oberschwester gegenüber keine Schwäche zu zeigen. Somit presste sie nur unter großer Anstrengung hervor: „Ich werde meine Aufgabe gewissenhaft erfüllen. Machen Sie sich keine Sorgen. Dem Patienten aus Zimmer 222 wird nichts geschehen."
Zufrieden sah Melinda ihr in die Augen und verzog die Lippen zu einer leichten Grimasse. „Es ist nicht der Patient, um den ich mir Sorgen mache."
Sophia steht vor der dunklen Tür. Von Nahem sieht der Schriftzug, der in geschwungenen Zahlen „Zimmer 222" verkündet, leicht verblichen aus. Auch das Holz an sich besaß bereits einige Schrammen und Termitenlöcher.
Das Tablett in ihren Händen wackelte leicht, die Suppe schwappte über und verbrühte Sophias Hand. Sich auf die Lippe beißend verdrängte sie den Schmerz und klopfte. Niemand antwortete ihr. Eine unnatürliche Stille hatte sich auch bei dem Jungen eingestellt. Jetzt bekam sie es doch langsam mit der Angst zu tun. Was wenn sie ebenfalls verschwindet? Was wenn sie nie mehr ihre Familie sehen könnte? Was wenn ...?
Die schlimmstmöglichen Szenarien spielten sich eine nach der anderen vor ihrem inneren Auge ab, bis sie von einem Knarren unterbrochen wurde. Ein leichter Luftzug wehte ihr die blonden Haare aus dem Gesicht und ließ sie frösteln. Tatsächlich wurde das Knarren von der Tür verursacht, die sich einen kleinen Spalt breit geöffnet hatte.
Das nunmehr lauwarme Essen fest in Händen haltend, trat die Krankenschwester ein. Das Zimmer hinter der Tür war genauso eingerichtet, wie jedes andere in diesem Krankenhaus. Einzig die Patienten unterschieden sich von Raum zu Raum.
Vorsichtig stellte Sophia das Tablett auf den kleinen eckigen Tisch und vermied es tunlichst, in Richtung des Bettes zu gucken. Sie wollte sich gerade abwenden, da scholl das bekannte bang bing durchs Zimmer. Entgegen ihrer Vorsetzte drehte sie sich doch um. Das Bett war leer.
Mit kleinen, watschelnden Schritten näherte sie sich und sah hinab. Kein Laut drang aus ihrem Mund, als sie den Jungen erblickte. Dieser kleine Bub sollte für das Verschwinden von dutzenden Krankenschwestern verantwortlich sein? Das konnte sie nicht glauben!
In den Händen hielt der Junge einen kleinen blauen Ball. Schwungvoll warf er diesen an die Wand und erzeugte somit die Geräusche, die bei jedem im Gebäude den kalten Schweiß ausbrechen ließ. Doch jetzt war es anders. Sophia hatte keine Angst mehr. Nicht vor einem kleinen Jungen wie diesem hier. Verträumt betrachtete sie seine Silhouette, da drehte er sich plötzlich herum und sah ihr in die Augen. Er lächelte. „Spielst du mit mir?"
Melinda ging die steinigen Treppen zum Keller hinunter. An der Hand hielt sie einen kleinen Jungen – Patient aus Zimmer 222. Der Kleine schien sich nicht im Geringsten an ihrer schwieligen Hand zu stören, es war zu lange her, seit er einen Menschen berührt hatte. Zusammen schritten sie Stufe für Stufe hinab, ihr einziges Licht kam von einer alten Öllaterne, alles andere tat in seinen Augen weh.
Der Junge nuckelte an seinem Daumen und Melinda kam sich sehr professionell vor, so wie sie alles geregelt hatte. Sie stellte einzig Mädchen von der Straße und ohne Ausbildung ein. Solche, dessen Familien keine Anzeige aufgeben würden. Solche, dessen Leben besser dran war, ohne diese Mädchen.
Die Hand, mit der sie den Jungen hielt, verkrampfte sich. Der Junge gab einen leisen Laut der Unmut von sich und die Oberschwester lockerte ihren Griff wieder. „Wir sind ja gleich da.", sprach sie ihm gut zu.
Am Ende der Treppe angelangt bogen sie nach rechts und betraten seine Kammer ...
„Spielst du mit mir?", fragte sie der Knirps. Dabei wirkte er so hoffnungsvoll, dass Sophia nicht nein sagen konnte.
„Was möchtest du denn spielen?" Als Antwort hob der Junge nur den Ball. Lächelnd nickte die blonde Krankenschwester, setzte sich auf den Boden und bedeutete ihm anzufangen. Ein paar Mal warfen sie das blaue Spielzeug hin und her, mal im hohen Bogen, mal eher waagerecht. Jeder Wurf wurde gefangen, der Junge ließ nichts den Boden berühren.
Lachend warf er den Ball erneut nach oben. „Berührt er den Boden, dann hast du verloren und verlierst dein Leben." Sophia verharrte auf der Stelle. Hatte er eben „dein Leben" gesagt? Mit Sicherheit meinte er „ein Leben". Ja, das musste es sein. Auf keinen Fall konnte er „dein Leben" gemeint haben.
Sie begann das Spiel wieder aufzunehmen und sah sich immer mehr in Bedrängnis. Der Kleine wollte einfach nicht aufhören, bis einer verlor. Irgendwann reichte es Sophia und sie fing den Ball mit beiden Händen, legte ihn zur Seite und wollte aufstehen.
Sofort befiehl sie eine träge schwäche und ihre Knie knickten ein. Schwach tastete sie nach den Gitterstäben des Bettes, jedenfalls versuchte sie es. Mittlerweile tanzten schwarze Flecken vor ihren Augen und verzerrten ihre Wahrnehmung. Ihr war es, als schaue sie der Junge konzentriert an.
„Du hast den Ball abgesetzt, dabei wolltest du doch mit mir spielen. Du hast verloren, Frau Krankenschwester. DU HAST VERLOREN!", schrie er noch hinterher, während er mit wutverzerrtem Gesicht aufsprang, sie an den Haaren zerrte und ihr etwas in den Hals stieß. Kurz bevor Sophias Bewusstsein sich verabschiedete, sah sie noch eine Hand, die sich auf die Schulter des Jungen legte. Beinahe schnurrte eine raue Stimme: „Gut gemacht. Sehr gut"
Anmerkungen des Autors:
Erst sehr viel später sollten die Geschehnisse, welche sich im St. Ariels Krankenhaus abgespielt haben, aufgedeckt werden. Doch bis es so weit ist, werden noch viele weitere Frauen verschwinden. Drogenabhängige, Nutten, Stripperinnen ...
Da fragt man sich doch glatt, wer steckt hinter alledem und warum scheint ein Leben so wenig wert zu sein? Oder waren diese Frauen vielleicht doch nicht so unschuldig? Vielleicht wurden sie aus einem besonderen Grund ausgewählt, der sich uns nur noch nicht erschließt?
Was denkt ihr, schuldig oder unschuldig?
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