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Niemand da?



„Mama? Mama, wo bist du?", hallt die Stimme eines kleinen Mädchens in der Dunkelheit. „Mama, es ist so dunkel. Ich habe Angst. Bitte komm und ..."

Sie wachte auf.
Zitternd und schweißgebadet lag sie auf dem Boden ihres kleinen Apartments am Ende der Straße „Niemandsland". Ein trostloser Name für eine ebenso trostlose Gegend der ansonsten blühenden Stadt.
Die rechte Hand der Frau war unter ihrem übergewichtigen Körper eingeklemmt und schon völlig gefühllos. Es war genau die Art von Gefühllosigkeit, deren Taubheit nur der Vorbote des prickelnden Schmerzes war, der jede noch so kleine Bewegung erschwerte.
Ächzend zog sie die betroffene Hand hervor und versuchte aufzustehen, dabei zitterten ihre kurzen, stämmigen Beine unkontrolliert und drohten, unter ihrem Gewicht zu versagen.
Die Frau stand kurz vor einem Anfall, verursacht durch ihre immer wiederkehrenden Alpträume, welche sie verfolgten und folterten, meist in der Nacht, doch manchmal auch bei Tage. Sie lebte in ständiger Angst und Einsamkeit, erdrückend genug, um sie von allen außerhäuslichen Aktivitäten abzuhalten.
Als die erschöpfte Frau endlich stand, wankte sie so grazil, wie eine Betrunkene es eben konnte, in die unaufgeräumte Küche. Dort wuchs das Geschirr von Tag zu Tag weiter an, bildete instabile Türme, während kleine Kerbtiere sich über die Reste angetrocknetem Essens hermachten.
Die Bettdecke, ein ausgeblichenes Stück Stoff, ließ sie völlig achtlos auf dem Boden liegen – es war ihr egal.
Würde ihre Betreuerin sie so sehen, sie wäre geschockt. Nein, angewidert. Vor allem ihre Brauen wären Zeugen ihres Missfallens. Sie würden sich vor Abscheu anheben, sodass die Stirn kleine Falten bilden würde, gefolgt von einem leichten Kopfschütteln.
Das Schlimmste daran: Die Frau konnte ihrer Betreuerin keinen Vorwurf machen, war sie doch der gleichen Meinung.
Die einst so kraftvollen, dunkelbraunen Haare hingen schlaff und strähnig an ihrem aufgequollenen Gesicht herab. Arme und Beine waren von einer dicken Fettschicht umgeben, die sie als kleines Mädchen sicherlich nicht gehabt hatte.
Der Alkohol hatte ihr und ihrem Aussehen den Rest gegeben. Die Augen waren blutunterlaufen, die Klamotten stanken und auch sonst hatte sie es in letzter Zeit mit der Körperhygiene nicht sehr ernst genommen.
In der Küche holte die Frau eine Fertigpackung Asia-Nudeln aus dem Schrank und füllte ihren alten Topf mit Leitungswasser.
Gebannt starrte sie auf den Wasserstrahl und streckte ihre Hand nach ihm aus. Dabei war sie von einem naiven Glauben an die Existenz des Wassers erfüllt, der ihre Wahrnehmung trübte, sie gar fantasieren ließ.
Als sie die Hand zurückzog, war diese von roten Spuren gezeichnet und prompt wurde die Frau von Erinnerungen regelrecht überschwemmt. Es fühlte sich an, als wäre der sprichwörtliche Hammer gekommen und hätte sie, den Nagel, auf den Kopf getroffen.
Ein erstickter Schrei verließ ihre aufgebissenen Lippen und sie wankte rückwärts, weg von dem roten Wasser. Dabei streifte ihr Fuß die Nudelpackung, die sie fallen gelassen hatte. Die Frau verlor das Gleichgewicht, stieß sich den Kopf und glitt am Tresen abwärts.
Ihre Atmung beschleunigte sich, sodass sie hyperventilierte. Schnappatmung, erinnerte sich die Frau, sollte nicht alleine durchgestanden werden. Einfach lachhaft!
Überhaupt glich sie eher einem Haufen Elend als einem Menschen, was für andere sicherlich bizarr aussah.
Eine stark übergewichtige Frau Mitte dreißig, sitzt kauernd auf dem Boden ihrer verdreckten Küche. Sie zittert und ist ungepflegt - wobei der Grund keine Rolle spielt, nicht für andere.
Doch sie irrten sich, sie alle, denn die Frau wurde verfolgt. Seit ihrer Kindheit, seit diesem Tage, an dem die Dunkelheit des Unwissens, ihr verlorener Begleiter, alles zerstörte. Dabei wäre der Tod eine Erlösung gewesen, dessen Klaue bereits das Leben Dutzender zerfetzt hatte. Wieso war ausgerechnet sie noch hier? Wieso konnte sie nicht loslassen, auch jetzt noch?
Er war es, er war schuld. Er, der ihr alles nahm, war hier und hatte sie gezeichnet. Das Wasser hatte er blutrot gefärbt, als Warnung. „ER WIRD KOMMEN!"
Sie konnte seine Hand bereits auf ihrem Körper spüren, seinen Atem im Gesicht. Konnte das irre Funkeln in seinen Augen sehen, welches nun sicherlich auch in ihren leuchtete.
Sie war am Ende.

....

„War ich ein böses Mädchen? Habe ich es nicht verdient, rauszugehen? Wenn du mich rausholst verspreche ich, immer brav zu sein. Bitte, bitte, bitte... komm und hol mich!"

....

Das Klopfen an ihrer Tür ließ sie aufschrecken. Der Türgriff drehte sich und das Vorhängeschloss klimperte lose vor sich hin - es war nicht eingehängt.
Er ist hier, schoss es ihr durch den Kopf. Er ist wieder da.
Zitternd schnappte sie sich eines der scharfen Küchenmesser und schlich zur Tür. Sie packte es zunächst am falschen Ende, was dazu führte, dass die Klinge tief in ihr eigenes Fleisch schnitt. Ihr Blut verlieh ihr einen unheimlichen Schimmer. Sie wirkte nunmehr wie das Mordwerkzeug eines Serienkillers, dessen grauenhafter Anblick der Frau den Atem nahm.
In dem Moment, in dem sich die Tür einen Spaltbreit öffnete, ließ sie reflexartig das Messer vorschnellen. Ein Schrei erklang, der die Frau stoppen ließ, wirkte er doch allzu bekannt.
Mit einem lauten Scheppern fiel das Messer zu Boden und hinterließ eine Kerbe im Parkettboden.
Vor der Tür stand ihr Nachbar Jo und hielt sich den aufgeschlitzten Arm, dessen Blut den Boden mit rostroten Tropfen sprenkelte.
Mit vor Überraschung geweiteten Augen starrte er seine Nachbarin an, doch diese sah ihn nicht, da sie nur auf den Boden starren konnte, dorthin, wo sich das Blut zu einer kontinuierlich vergrößernden, glänzenden Pfütze vereinte. „Tropf, tropf, tropf, oh du süßer Lebenssaft. Lass mich dein Glitzern sehen!"
Der um einiges jüngere und um einiges größere Mann hielt sich weiterhin den Arm, während sein Gesichtsausdruck von überrascht zu wütend wechselte.
„Hey, hast du sie noch alle? Was bildest du dir eigentlich ein, du ... " Sie hatte genug gehört. Mit Schwung schloss sie die Tür und beobachtete durch den Spion, wie Jo noch eine Zeit lang an ihre Tür hämmerte und ihr Verwünschungen nachrief.
Mit einem letzten „Der werde ich es noch zeigen, das wird diese Hure bereuen!" ließ er die Frau zurück und stapfte den Gang entlang. Eine leere Milchpackung trübte nun die Klarheit des Blutes, dessen Lache sie weiterhin anstarrte. Sie öffnete die Tür, nahm die Milchpackung und ging wieder hinein. Die Packung stellte sie vor sich ab, dann betrachtete sie die rote Verfärbung am Rand. Normalerweise kamen Jo und sie ganz gut miteinander aus. Sein Äußeres erinnerte stark an einen dieser aufgepumpten Bodybuilder, die mehr Muskeln als Verstand besaßen, dennoch hätte sie ein solches Benehmen nicht von ihm erwartet. Vielleicht war er aber auch ein Spion von ihm, denn dann hätte sie besser zielen sollen. Dennoch hatte sie ihn nur leicht verletzt, anstatt ihn unschädlich zu machen.
Früher einmal hatte die Frau für genau die Art von Mann geschwärmt. Von allen Männern hatten es ihr die Typen mit starkem Bartwuchs und breitem Kreuz besonders angetan. Heute jedoch hatte sie es aufgegeben, die Liebe, das Zusammenleben, einfach alles.
Wieder im Schlafzimmer zog die Frau die Bettdecke über ihren klammen Körper, während sie ihren vertrauten Platz neben dem Bett einnahm. Das Messer hatte sie aufgehoben und hielt es nun fest in der Hand.
Mit ihrer geliebten Taschenlampe leuchtete sie noch einmal unter das Bett – vielleicht versteckte sich dort jemand? – bevor sie die Augen um 8 Uhr abends schloss.

....

„Ich höre Stimmen, Schreie, sie dringen durch die Wände. Sie rufen und betteln, aber ich weiß, es ist sinnlos. Sie können mich nicht hören, nicht mehr."

....

Kurz daraufjedenfalls kam es ihr so voröffnete sie die Augen wieder und sah sich um.
Ihr Körper hatte sich verändert. Aus der 34-jährigen Frau war ein kleines 12-jähriges Mädchen, mit stechend blauen Augen und wirrem braunen Haar geworden. Die Lumpen, die seinen schmächtigen Leib bedeckten, waren fadenscheinig und farblos.
Sie sollten das Mädchen daran erinnern, wo sein Platz und was seine Aufgabe war. Die anderen und es selbst sollten keine Individualität erlangen, sondern nützlich sein, der Gesellschaft und ihm– daran erinnerte es sich noch, als wäre es gestern gewesen.
Es tat, was ihm aufgetragen wurde, wusste das Mädchen es doch nicht besser.
Es stand einfach nur da und ließ zu, wie sich die Finsternis um seinen Körper sammelte und langsam damit begann, es zu verschlingen. Die Dunkelheit streckte ihre kalten, schwarzen Tentakel nach dem Mädchen aus, die sich um seinen Leib schlangen und zudrückten.
Panisch versuchte es, sich zu bewegen - sinnlos. Es war an beiden Händen und Füßen und auch sonst überall gefesselt. Die Finsternis hatte es geschafft, sie hatte den Begriff der Dunkelheit evolviert, hatte ihre Macht vergrößert und war allmächtig geworden.
Und dann, von dem einen auf den anderen Moment, war sie verschwunden.
Plötzlich saß das Mädchen auf einem morschen, schon unheilvoll knarrenden Holzstuhl, in einem kleinen, dämmrigen Raum.
Außer seinem Stuhl und ihm gab es nichts, nicht mal eine Tür. Nichts als kahle Wände und feuchte Luft, die den Raum beherrschten. Bei so viel Nichts kam es sich beinahe wie ein Eindringling vor, wie jemand Unerwünschtes.
Rote Striemen bedeckten seinen zitternden Leib, sie zeugten das Geschehen. Aus Angst hatte sich das Mädchen in die Ecke gedrängt, wo es die Arme um die Knie geschlungen hatte und sich heftig vor und zurück wiegte.
Ein schwacher Luftzug ließ seine Haare tanzen und das, obwohl es keine Fenster gab. Federleicht spürte das Mädchen die Haarspitzen im Nacken, was ihm einen kleinen Schauer den Rücken hinuntersandte, der seine anderen Härchen zu Berge stehen ließ. Kurz bildete es sich ein, eine kalte Berührung an der gleichen Stelle gespürt zu haben, an der die Spitzen seinen Nacken trafen.
Die Kälte nahm mit einem Mal zu, sein Hals brannte da, wo ein schweres Halsband aus Eisen angebracht wurde. Er legte es dem Mädchen an, als sei es sein Hund, als wäre dieses Verhalten gerechtfertigt.
Das zwölfjährige Mädchen konnte nicht atmen. Tränen traten ihm in die Augen und verschleierten seinen Blick, während es nach Luft schnappte. Dennoch, sich wehren tat es nicht, stattdessen schrie es.
Es schrie und schrie, doch niemand kam, niemand hörte es, niemand außer der Gefangenen selbst, niemand außer ihm.
Nach einer Weile – es kam dem Mädchen vor wie Stunden – wurde es schwächer. Die Kraft verließ zuerst Arme und Beine, bevor es auch seine Stimme zum Verstummen brachte. Selbst seine Tränen hatten aufgehört zu fließen.
Wieder versank es in tiefem Schlaf ...

....

„Es tut weh, immer tut er mir weh. Er piekt und sticht mich. Mama, mach, dass er aufhört!"

....

Mit einem Keuchen schreckte sie hoch.
Warum nur konnte die Frau sich nicht befreien? Warum verfolgte er sie – auch nach 22 Jahren – immer noch?
Ein Geräusch ließ die Dicke noch weiter zusammenfahren. Reflexartig tastete sie nach dem Messer und hielt es schützend vor sich, während sie zitternd auf die Beine kam.
Die Wand ihr gegenüber knackte und wurde schwarz. Es bildeten sich Risse im Putz. Dreckschichten wurden zu Boden befördert und die Temperatur fiel um mehrere Grad. Sofort nahm die Frau eine kampfbereite Stellung ein, das Messer zur Wand gerichtet.
Eine Hand ... Eine altbekannte, fleckige Hand streckte sich langsam durch das entstandene Loch im Putz. Ihr folgten andere, weitaus kleinere Hände.
Kinderhände.
Sie kamen von überall: Von der Decke, von den Wänden, von unter ihrem Bett. Dabei griffen sie in die Luft und erweckten den Eindruck, nach ihr packen zu wollen. Sie versuchte auszuweichen, doch letztendlich hatte die Frau keine Chance zu entkommen. Immer mehr Hände erschienen aus dem Fundament des Hauses und schafften es tatsächlich, ihre Kleidung zu streifen. Nur knapp entkam sie einer weiteren Kinderhand und erblickte... ihn.
Zunächst war es nur sein Gesicht, welches sich aus der Wand zu drücken schien, dann folgten die Glieder, bis sich schließlich sein kompletter Körper zeigte.
Sein knochiges Ich trug immer noch den gleichen, weißen Kittel über dem gleichen, dunkelblauen Hemd, so wie er es früher zu tragen gedachte - die Hände in den Kitteltaschen vergraben und ein Lächeln im Gesicht. Ganz beiläufig zog er eine dunkle Brille aus der Kitteltasche und setzte sie sich auf die krumme Nase. Doch auch die Brille konnte nicht von seinem zernarbten Gesicht ablenken. Es war bei einem Unfall verunstaltet worden, wobei das Mädchen - welches diesen verursachte - nicht überlebte.
Als er einen Schritt auf die Frau zumachte, wankte diese zurück und stieß sich an etwas Hartem. Die Kinderhände hatten nur darauf gewartet, sie in ihre kleinen, klammen Finger zu bekommen und packten zu.
Ohne weitere Fluchtmöglichkeiten zerrte die Frau an ihren Klamotten.
Mittlerweile hatte er sich ihr bis auf einen Schritt genähert und fuhr mit den Fingerspitzen ihren Kiefer entlang. Sie erstarrte. Schweiß ließ den Griff des Messers rutschig werden, sodass dieses zu Boden glitt.
„Es ist so viel Zeit vergangen." Seine Hand wanderte tiefer. „So viel Zeit und du gehörst immer noch mir."
Sie biss sich auf die Zunge, um ein Wimmern zu unterdrücken, während er an ihrem Hals entlang strich.
„Was ist nur aus dir geworden? Ein kleines Mädchen wie du sollte doch bei seiner Familie sein, findest du nicht auch?", dabei sah er liebevoll hinter die Frau.
Diese machte den Mund auf, war kurz davor zu schreien, doch die Hände kamen ihr zuvor. Noch bevor sie einen Ton hervorbringen konnte, hatten die Hände ihr schon den Mund verschlossen und zogen sie nun weiter nach hinten.
Aus dem Augenwinkel sah sie noch, wie er in die Wand hineinfuhr - das Lächeln zu einem Grinsen mutiert – als es auch schon schwarz wurde.
„Endlich vereint.", flüsterte es von allen Seiten.
Sie fiel ...

Die neuesten Meldungen ...

Wie die Morgennachrichten berichten, ereignete sich am 01.04.2018 eine Tragödie.
Die gerade einmal 34-jährige Maria Sommers beging um ca. 7 Uhr morgens Selbstmord.
Familie, Kinder oder einen Ehemann hatte sie nicht, nur ihr besorgter Nachbar Jo Enders hegte noch gelegentlichen Kontakt zu der Alleinstehenden. Von ihm wurden wir über das seltsame Verhalten von Maria Sommers, direkt vor ihrem Tode, aufgeklärt. Anscheinend soll sie zu diesem Zeitpunkt nicht nur ohne Sinn gehandelt haben, auch sonst wurde die Alleinlebende höchstwahrscheinlich von Halluzinationen geplagt.
Die Polizei hielt die Erklärung dieses Todesfalls dennoch für unvollständig und startete eine Untersuchung von Maria Sommers. Dafür inspizierte sie unter anderem die Wohnung der Verstorbenen und was sie fanden, war nicht nur außergewöhnlich, sondern höchst suspekt.
Die komplette Wohnung von Frau Sommers war von Rissen durchzogen, die nur so vor Dreck strotzten und aus dem Fundament des Hauses selbst zu kommen schienen. Ebenfalls fand man am Boden Spuren getrockneten Blutes, wie die Abdrücke von kleinen Handflächen und Füßen. Im letzten Zimmer - dem Schlafzimmer - fanden sie außerdem eine Grußkarte. Man versuchte die dort geschriebenen Zeilen mit dem Todesfall in Verbindung zu bringen, doch man scheiterte. Sie wurden im Nachhinein an die Presse weitergegeben und veröffentlicht:

Tropf, tropf, tropf,
oh du süßer Lebenssaft,
lass mich dein Glitzer sehen,
tropf, tropf, tropf,
auf, dass du niemals schwindest.

Genau diese Wortwiederholungen fand man auch in einem Abschiedsbrief, dessen Inhalt, laut Gutachter, nicht für vollwertig genommen werden kann. Wahrscheinlich handelt es sich auch hierbei um ein, durch Halluzinationen hervorgerufenes Wahnbild. Der Brief lautet wie folgt:

Gefürchteter (dessen Namen ich nicht nennen werde),
lange Zeit über lebte ich im Schatten deines Handelns. Es gab Tage, an denen ich kurz vor dem Ende stand und nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Und es gab Tage, die ein falsches Spiel mit mir spielten. Dennoch lebte ich weiter, wie es mir gesagt wurde, immer und immer weiter. Ich lebte am Abgrund, wertlos und ohne Heilmittel, immer mit dem Gedanken, ganz alleine auf der Welt zu sein. Dabei war ich es nicht, wir waren es nicht. Hast du gehört? Wir waren es nicht! Keine Sekunde lang!
Meine Eltern habe ich zwar nie kennengelernt, dennoch weiß ich, wie eine Familie sein sollte und wie nicht. Deshalb weiß ich auch, dass ich niemals eine hatte, eine Familie meine ich.
Am Anfang, als du mir ein Heim schaffen wolltest, einen Ort, an dem ich geschützt und frei wäre, glaubte ich dir. Ich glaubte dir über viele Jahre hinweg, glaubte an deine Versprechen und süßen Worte. Wie dumm ich doch war! Stattdessen hätte ich die Augen aufmachen sollen. Ein Blick auf die anderen hätte gereicht, um die Wahrheit zu erkennen. Ein einziger klarer Blick hätte gereicht, um uns alle zu retten. Doch wem mache ich hier etwas vor?
Auch jetzt noch gebe ich mir selbst einen Teil der Schuld am Geschehen. Dabei ist es vor allem nicht die Schuld der andern und mir, sondern die Schuld der Gesellschaft. Im Nachhinein gab es so viele Anzeichen, so viele Hinweise, die wir einfach übersehen haben! Im Gegensatz zu uns, denn wir waren Kinder, besaß beziehungsweise besitzt das System mehr als genug schlaue Köpfe, um unser Leid zu erkennen. Doch was wurde für unsere Rettung getan? – nichts! Rein gar nichts!
Ich weiß, jetzt lässt sich so etwas leicht behaupten, jetzt da ich tot bin, trotzdem soll jeder wissen, dass er einer der Gründe ist, warum wir sterben mussten.
Doch es gibt noch etwas anderes, was ich von dir erfahren möchte. Genauer gesagt etwas, das ich immer noch nicht ganz verstehe. Der Moment, der das Fass meiner Angst zum Überlaufen brachte, war der Moment deines Erscheinens. Ich wusste, es war so weit, dass endlich alles vorbei sein würde.
Nur verrate mir bitte eines: Besaß ich in deinen Augen einen Wert? Habe ich dich weitergebracht? Oder war ich nur eine weitere reife Frucht, die gepflückt werden musste?
Bitte, verrate es mir.

Deine Maria

....

Die Spurensicherung steht vor einem Rätsel, diese Tat geht weit über einen Aprilscherz hinaus, wovon sie anfangs ausgingen. Auch die Bevölkerung verlangt jetzt nach Antworten und klagt die Regierung an, dieses Verbrechen nicht schon früher aufgedeckt zu haben.
Die Polizei wird dazu angeregt - beinahe gedrängt - ihre Recherchen zu erweitern.
Was sie entdecken, scheint zunächst absurd, zu grauenvoll, um wahr zu sein. Wie es scheint, wurde Maria Sommers im zarten Alter von 12 Jahren eine Vollweise. Sie kam daraufhin in ein Heim für traumatisierte Kinder. Geleitet wurde es damals, vor 22 Jahren, von einem gewissen Dr. Bloodfallen, der zu dieser Zeit als anerkannter Wissenschaftler galt, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Psyche von Kindern zu studieren.
Wie die neuesten Ergebnisse berichten, führte Dr. Bloodfallen höchst groteske Experimente mit den Kindern durch, die oft an den Spätfolgen starben. Wie Maria Sommers so lange überleben konnte und warum sie nicht an die Öffentlichkeit gegangen ist, bleibt weiterhin ungeklärt, wie auch der Verbleib von Dr. Bloodfallen.
Sicher ist nur, dass es bereits viele Opfer dieser Art gegeben hat, alle im Zeitraum der letzten 22 Jahre.

....

Ein Jahr ist vergangen und wir trauern noch immer um das Leiden von Maria Sommers und der verlorenen Kinder.
Schon kurz nach ihrem Tode hatte es begonnen: Die Zahl der Selbstmorde nahm drastisch zu, wobei die Opfer diesmal wahllos schienen. Sie unterschieden sich nicht nur im Aussehen, sondern hatten auch sonst keinerlei Verbindung zueinander. Einzig das Alter, welches immer die 22 Jahre überschritt, hatten sie gemein. Es ist unbekannt, ob es weitere Opfer geben wird. Fakt ist, an jedem Todesort fand man die gleichen Risse, den gleichen Dreck und dieselben Blutspuren wie bei Marie Sommers.
„Ein Nachahmungstäter oder doch etwas anderes?", lautete die Überschrift.

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