Kapitel 22: Glaes
»Was siehst du?«, fragte Thalina an Alena gewandt. Diese hatte eine Grüblermiene aufgesetzt während sie den Stufe 2 Runenstein in der Hand wog. Langsam streiften die Blicke der Jugendlichen umher. Doch sie sah nicht die hellen Sandsteingebäude mit Ziegeldächern, sie sah auch nicht die vielen Händler in bunten Kutten, oder die Lamas, die Wasserkrüge oder Obstkörbe an ihren Sätteln trugen. Stattdessen sah Alena eine Welt voller blauer Runensteine.
Thalina konnte sich nicht vorstellen, wie es wohl aussehen mochte, doch auf ihrer Reise nach Glaes hatte die Blondine ihr ein wenig davon erzählt.
»Es ist herrlich. Eigentlich ist es dunkel, doch dann leuchten die Runensteine. Sie sind überall verteilt, sie leuchten wunderschön blau, pulsieren, leben! Es ist fast, als rufen sie einen, als rufen sie mich. Sie singen Lieder, sie lachen, sie erfreuen sich am Leben. Besonders glücklich sind sie, wenn sie in den Händen von Wayfindern sind, das macht sie ganz aufgeregt! Es ist so wunderschön.«
»Klingt fast wie ein Sternenhimmel.«
»Den würde ich auch gerne mal sehen.«
Alena hatte sie danach durchlöchert mit Fragen darüber, wie groß die Sterne am Himmel waren. Es war schwer gewesen, einen Vergleich für jemanden aufzustellen, der quasi blind war. Doch manchmal glaubte die Wayfinderin, ein erkennendes Funkeln in Alenas Augen zu sehen. Ein bisschen mehr blau, das sich in das grau mischte, Alena schien ein bisschen besser orientiert seitdem sie sie getroffen hatten. Aber vielleicht bildete sie es sich auch nur ein, wer konnte das schon wissen.
»Dort!«, rief Alena plötzlich. »Da sind ziemlich viele Runensteine.« Sie zeigte in Richtung des Marktes. »Bewegen sie sich?«, wollte Evan wissen. Alena wog den Kopf zur Seite und die blonden Haare fielen ihr ins Gesicht. »Nein.«
»Gut, dann los!«
Glaes' Gassen waren gefüllt von Menschen, gekleidet in hellen, luftigen Gewändern, die Haut von der Sonne braun gebrannt. Die blasse Haut der Wayfinder stand im Kontrast und ließ sie herausstechen, Händler riefen ihr aus allen Ecken zu. Der Markt schien dem in Tyrea so ähnlich und doch so unterschiedlich. Die Stände waren nicht notdürftig aus Holz mitten auf einem Platz errichtet, sie befanden sich rechts und links im untersten Geschoss der kleinen Sandsteinhäuser. Die Händler von Glaes hatten Fensterbänke gebaut auf denen sie ihre Waren präsentierten, die Fenster waren nicht mehr als große Löcher in den Wänden. Keine Glasscheiben, keine Holzläden.
»Wenn hier ein Sturm losbricht, regnet es doch rein«, wunderte sich Thalina, als sie durch die Gänge spazierten.
»Das ist es ja«, sagte Evan, »hier regnet es nicht viel. Stürme gibt es quasi nicht. Der Boden ist fast immer trocken.« Die Brünette senkte den Blick und erkannte tatsächlich, dass die Erde in den Ritzen der hellen Steine sehr hell wirkte. Beinahe wie Sand. Sie hoffte inständig, dass es hier auch so bleiben würde.
»Es ist nicht mehr weit«, kündigte Alena an, die in dem Gedränge an Thalinas Hand lief und in der anderen den Stufe 2 hielt. Ihren Stock hatten sie im Gasthaus gelassen, bei den Menschenmassen würde nur jemand drüberstolpern. Abgesehen davon waren blinde Menschen eine Nichtexistenz. Thalinas Blick stahl sich auf das Gesicht der kleinen Wayfinderin. Es war üblich, dass man Kinder mit Behinderung nach der Geburt sofort tötete. Einige glaubten, ließe man sie leben, würden ihre gebrochenen Körper zum Gefäß für böse Geister. Thalina war froh, dass Alenas Großmutter sie gerettet hatte.
Abrupt blieb die Jugendliche stehen und drückte Thalinas Hand. »Dort drüben. Sieht so aus, als hätte sie jemand angeordnet. Drei in einer Reihe, zwei Reihen übereinander.«
»Hört sich nach einem Regal an... Bietet etwa jemand Runensteine zum Verkauf an?!«, fragte Evan und sein Gesicht verzog sich.
Thalina schluckte die Wut hinunter und ließ ihren Blick schweifen. Sie befanden sich an einer Wegkreuzung, die Häuser hier waren nicht nur sandsteingelb, es gab hell orangene, und hellblaue Häuser, alle aneinander gereiht.
Die Straßen waren auch hier wie vollgestopft, langsam kämpften sie sich ein Weg hindurch. Ein orangenes Häuschen tat sich einige Schritte vor ihnen auf, und während die Brünette zwischen den vorbeigehenden Menschen ein paar Blicke darauf erhaschte ohne zu auffällig zu sein, merkte sie, dass sich an der hinteren Wand tatsächlich ein paar Regale befanden. Jedoch waren sie zu weit weg, um zu erkennen was darauf lag. »Ist es immer noch geradeaus, Alena?«
»Ja.«
Evan nickte und sah zu Thalina. »Ich werde nachsehen, ob es einen Hintereingang gibt.« Er war schon dabei, sich zu entfernen, da griff Thalina nach seinem Ärmel. »Warte! Und wenn es wirklich welche sind? Willst du sie etwa klauen?«
Entrüstet starrte der Schwarzhaarige sie an. Seine Augen funkelten. »Wenn es die Welt ein Stückchen mehr vor dem Untergang wahrt, natürlich. Außerdem«, fügte er hinzu, »gehören die Runensteine ihnen eh nicht.«
Widerwillig nickte sie und Evan entfernte sich.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Alena.
»Hast du schon einmal ein Lama gestreichelt?«
»Nein. Was ist ein Lama denn überhaupt?«
Die Wayfinderin schmunzelte. »Komm, ich zeig es dir.«
Einige Augenblicke später kam Evan zurück zu ihnen, die Hände in seinem Gewand vergraben. »Lasst uns gehen.«
»Tschüss Lamas«, machte Alena und ihre Hand strich ein letztes Mal über das wuschelige Fell. Der Besitzer winkte ihr freundlich nach und eilig verschwanden sie hinter der nächsten Ecke.
»Und? Wie siehts aus?«, wollte Thalina wissen und auch Alena hatte den Kopf gehoben und sah zu Evan. Doch der winkte ab. »Nicht hier, lasst uns zurück gehen.«
Sie bogen um einige Ecken, verließen die Hauptstraßen und liefen durch kleinere Gassen mit verspielten Torbögen und gemütlichen Innenhöfen. Thalina bestaunte die filigrane Arbeit an einigen Hauseingängen, rankelnde Muster, die sich um den Rahmen zogen, als Evan plötzlich stehenblieb.
Verwirrt hob die Wayfinderin den Blick und erkannte bereits an seiner Körperhaltung, dass sie sich ganz und gar nicht in einer gemütlichen Gegend befanden.
»Was ist los?«, wollte Alena wissen. Thalina wirbelte herum und sah, wie sich zwei Gestalten hinter ihnen in den Weg stellten. Einige Schritte vor Evan waren es drei. Sie waren eingekesselt.
»Was wollt ihr.« Es war mehr ein Zischen als eine Frage. Evans Hand war zu seinem Schwertknauf geschnellt und auch Thalina ließ einen der Dolche in ihre freie Hand gleiten. Langsam sah sie sich um und rechnete ihre Chancen aus.
»Ihr habt etwas, das uns gehört.«
Rechts und links von ihnen reihten sich die Sandsteinhäuser dicht aneinander, hier befanden sich keine Läden und deshalb gab es auch keine Fenster im Erdgeschoss. Nur geschlossene Holztüren. Fliehen kam nicht in Frage. Also kämpfen.
Vor ihnen befanden sich drei Männer, die Waffen nicht gezogen, aber sie hingen sichtbar an ihren Gürteln. Hinter ihnen standen ein Mann mit bereits gezogenem Schwert, und daneben eine große Frau, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie trug rote, kinnlange Haare, die Augenbrauen grimmig zusammengezogen.
»Das muss ein Missverständnis...«
»Blödsinn! Wir haben Euch gesehen, auf frische Tat ertappt!«
»... Der Laden.«, dämmerte es der Wayfinderin und sie hätte sich nur zu gern an die Stirn geschlagen. Die Rae-vahs hatten ihnen eine Falle gestellt. Und sie waren mit Ach und Krach darauf reingefallen.
»Ergebt Euch einfach, dann werden wir Euch nicht weh tun«, forderte die Frau, während sie gelangweilt ihre Fingernägel betrachtete. Pah! Thalina schob die kleine Wayfinderin hinter sich, und merkte erst dann, dass sie angefangen hatte, zu zittern. Sie drehte sich halb zu ihr um. »Es wird alles gut werden, wir beschützen dich.« Doch Alena wimmerte nur, die Hände um ihren Oberkörper geschlungen.
»Ergeben? Wir denken nicht daran!«, rief Evan und sprang auf einen der Männer zu, sein Schwert blitzte in der Sonne auf. Das war das Kommando für Thalina. Sie widmete sich den beiden Gestalten hinter ihnen. Die Frau hatte immernoch keine Waffe gezogen und wich ihrem Angriff gekonnt aus. Thalina hörte das Pfeifen eines Schwertes und duckte sich darunter hinweg, doch die Rothaarige trat ihr unsanft gegen das Schienbein.
Schmerz zuckte auf und verärgert stürzte sie sich auf die Frau. Obwohl ihre Gegnerin ohne Waffen kämpfte, schien sie die bessere Kämpferin zu sein. Thalina wich den Hieben des Mannes beinahe nebenbei aus, während sie vergeblich versuchte, der Frau wenigstens einen Kratzer zu verpassen. Thalina musste unbedingt wieder trainieren.
Die Frau sprang auf sie zu und Thalina hüpfte zur Seite, jedoch war diese Gasse zu eng dafür. Hart knallte sie mit der Schulter gegen die Hauswand. »Mist!«
Ein hämisches Grinsen trat in das Gesicht der Frau. »Nicht in Topform, was?«
Thalina verengte die Augen und setzte zu einem weiteren Angriff an, diesmal auf Hüfthöhe. Endlich! Ihr Dolch traf auf Fleisch und ein roter Kratzer machte sich an der Seite der Frau breit, jedoch würde das ihr einziger Triumph bleiben. Durch ihre gebückte Haltung hatte Thalina zwar einen ungeschützten Punkt angreifen können, jedoch konnte ihre Gegnerin einen viel wichtigeren Punkt angreifen: ihren Nacken. Noch dämmerte ihr, dass sie einen Fehler gemacht hatte, dann spürte sie den gleißenden Schmerz in ihrem Nacken und sank zu Boden.
Die Bewusstlosigkeit schwappte dicht vor ihr, wie kühlendes Wasser. Ihr war unheimlich heiß, und das süße, erfrischende Wasser konnte ihr diese Hitze nehmen. Es war wie eine angenehme Verheißung. Bis sie Alena schreien hörte.
Dumpfe Geräusche drangen an ihr Ohr, durchbrachen die Wasseroberfläche. Schritte, fast wie ein Beben. Staub wurde aufgewirbelt. Thalina hustete. Sie fühlte ihren Körper nicht. Aber sie hörte. Hörte Stimmen. Doch es waren nur Fetzen, als würde sie zwischendrin den Fokus verlieren. »... still!... dir nichts...«
Thalinas Körper fing an, zu kribbeln. Sie kämpfte darum, die Augen zu öffnen. Sie blinzelte ein paar Mal. Ihre Augen brannten höllisch. Als hätte jemand Säure hineingekippt.
Als sie schließlich schaffte, die Augen ganz zu öffnen, wurde sie unsanft hochgezogen, doch ihre Beine gaben sofort nach. Sie kribbelten und fühlten sich wabbelig an. Evan wurde gegen die Wand gedrückt, seine Hände mit einem Seil verbunden. Sie sah, wie Alenas Hände vor ihrem Körper verbunden wurden, die blonden Haare verwüstet. Hände griffen erneut an Thalina, zogen sie hoch, etwas legte sich auch um ihre Hände. Sie versuchte, sich den Griffen zu entwinden, doch es war vergebens.
Sie konnte nur noch mit ansehen, wie ihre Freunde vor ihr die Straße entlanggeschubst wurden.
Immer wieder mussten die Rae-vahs Thalina auf die Beine helfen. Sie stolperte den Weg entlang, den anderen hinterher. Ihr Blick war gesenkt, es kostete all ihre Konzentration, auf den Boden und seine Unebenheiten zu achten. Ab und zu sah sie nur noch schwarz, ihre Schläfe pochte. Ein Stück weiter links und sie wäre komplett ausgeknockt gewesen. Sie wusste nicht, was besser war. Ihr Bein pochte, es war das Selbe, mit dem sie im Gremowald umgeknickt war.
Sie führten die Gefangenen immer weiter hinauf und für Thalina wurde das Atmen immer schwerer. Schließlich erreichten sie ihr Ziel. Eine riesige Villa türmte sich vor ihnen auf, links von ihnen konnte man hinab in die Stadt sehen, während die Sonne hinter der Silhouette unterging. Einige letzte Sonnenstrahlen schummelten sich durch die Villa, erleuchteten Gänge mit weißem Marmor, ließen ihn glitzern. Staunend ließ Thalina ihren Blick schweifen. Sie kamen in eine große Halle, mit hohen Säulen und jeder Menge sattgrüner Pflanzen unter jedem der zahlreichen Torbögen, welche die Seiten zierten. Es sah beinahe aus wie ein Palast, hier könnte ein König wohnen. Stirnrunzelnd musterte sie den Raum genauer. Während man links in das komplette Tal sehen konnte, gingen rechts jede Menge Gänge und Türen ab, und vor einigen standen Wachen in glänzender Rüstung.
Thalina wunderte sich noch darüber, als sie das Wappen erblickte und ihr beinahe die Augen herausfielen. Eine goldene Galeone auf blauem Hintergrund. König Franz' Wappen. Die Rae-vahs und der König arbeiteten zusammen? Wenn Thalina schon vorhin befürchtet hatte, dass sie in eine missliche Lage geraten waren, dann sah es jetzt so gut wie aussichtslos aus. Wir werden sterben, schoss es ihr durch den Kopf. Der König machte keine halbe Sachen. »Glotz' nicht so, weiter!«, schimpfte die Frau hinter ihr und verpasste ihr einen Stoß.
Sie wurden in eine zweite Halle gebracht. Sie besaß die selben Wände, den selben Marmorboden, jedoch war sie vollgestopft mit Gerätschaften. Kleine, große, kompliziert aussehende Maschinen, manche bewegten sich, kleine Zahnräder drehten sich, manche waren aus. Thalina konnte leider nur einen kleinen Blick darauf erhaschen, sie wandten sich einer Treppe zu. Doch anstatt hinauf zu gehen, wurden sie hinter die Treppe geführt, wo eine dicke Klappe in den Boden eingelassen war. Einer der Männer öffnete die Luke und sie wurden eine steinerne Treppe hinuntergeschubst.
Es war dunkel, nass und kalt. Als sich Thalinas Augen an die Dunkelheit gewöhnten, stutzte sie. In dem kleinen dunklen Raum, an die Wände gekettet standen zwei Gestalten, einer blond mit hochrotem Gesicht, einer mit betretener Miene und braunen, lockigen Haaren.
Ihr Blick blieb einen Augenblick an den Ketten hängen und sie erstarrte, aber man schubste sie weiter. Ein Deja-vu.
»Kristoph? Habi?!«
»Oh, hallo«, murmelte Habi.
»Ach, Ihr kennt euch? Was für ein Zufall...«, sagte die Frau sarkastisch und kettete Thalinas Hände an einen der Ringe wie bei den anderen auch, dann hörten sie nur noch, wie die Klappe laut ins Schloss fiel.
»Was zum Zephiros macht ihr denn hier?!«, rief Evan.
Alena, die neben Thalina angekettet war, schluchzte. »Meine Füße tun weh.«
Thalina stieß ihren Atem aus und Kristoph antwortete mit steinernem Gesichtsausdruck: »Sie kamen aus dem Hinterhalt. Und da er«, er wies mit dem Kinn auf Habi, »nicht kämpfen kann, hatten sie ein leichtes Spiel mit uns.«
»Aber woher wussten sie, dass ihr zu uns gehört?«, fragte die Brünette.
Kristoph zuckte mit den Schultern. »Vermutlich haben sie uns die ganze Zeit schon beobachtet.«
Mist. Das war nicht gut. Sie hatten das geplant und sie in eine Falle gelockt. Noch waren sie nicht tot, das war doch ein gutes Zeichen, oder?
»Mein Runenstein«, schniefte Alena.
Thalina wandte den Kopf zu ihr. »Sie haben ihn dir abgenommen?«
Die Jugendliche nickte betroffen.
»Ja, mir haben sie auch alle abgenommen«, sagte Evan.
»Wie viele hattest du denn aus dem Haus geklaut?«
Evans schwarze Augen heften sich auf sie. »Alle.«
Die Wayfinderin verdrehte die Augen.
Habi meldete sich zu Wort: »Also das sind ein paar komische Freunde, die ihr da habt... Sie haben meine Jamie Lyn kaputt gemacht!«
»Nein du Idiot, das warst du selbst, als du vor Schreck auf sie draufgefallen bist!«, rief der Lord und rüttelte wütend an den Ketten.
Habi reckte sein Kinn und das war das erste Mal, dass Thalina sah, wie er ernst wurde. »Und das ist nur passiert, weil sie uns angegriffen haben.«
Kristoph zuckte mit den Schultern und wandte seinen Blick ab.
Habi ergriff das Wort wieder: »Und Runensteine?« Der Musiker verlagerte unsicher sein Gewicht. »Hat das mit eurer geheimen Mission zu tun?«
Thalina presste deprimiert die Lippen zusammen, bis sie merkte, dass Evan ihren Blick suchte.
»Wir sollten es ihm sagen. Er hat verdient, zu wissen warum er mit uns jetzt in einer Zelle steckt.«
Sie wusste, dass er recht hatte. Schuldgefühle überrollten sie. Er war ihnen gefolgt, weil er von den Risiken nicht gewusst hatte. Sie hätten ihm es schon viel früher erklären müssen.
Thalina nickte dem Schwarzhaarigen zu und er gab Habi eine knappe Zusammenfassung von den Wayfindern und den Rae-vahs.
»... Und deswegen haben sie uns wohl eine Falle gestellt«, waren Evans letzten Worte. Habi hatte die ganze Zeit auf einen Punkt an der Wand gestarrt. »Und dieses Wayfinder.. Dingens.. Ihr habt das alle?«
Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. »Kristoph nicht.«
»Woher weiß man, ob man einer ist?«
»Man fässt ihn an. Und wenn es boooooom macht«, Alena riss dramatisch den Kopf nach hinten, »dann bist du einer.«
»Habt ihr denn einen...«
Ein lautes, ächzendes Geräusch ertönte, gefolgt von schnellen Schritten. Einige Silhouetten bildeten sich an der Tür ab, und ein großgewachsener Mann betrat den Raum, hinter ihm mindestens fünf Wachen. Er drehte sich im Kreis, lächelte und machte eine ausladende Geste. »Willkommen in Glaes! Entschuldigt die unkomfortable Unterbringung. Ich habe unsere Bediensteten bereits wissen lassen, dass ihr angenehmere Räumlichkeiten braucht. Oh«, er wandte sich zu Kristoph, »ich wusste gar nicht, dass Ihr ein Wayfinder seid, mylord. Man hatte berichtet, Ihr wäret sterbenskrank. Doch Ihr seht erstaunlich gesund aus, abgesehen von der misslichen Lage, in der Ihr Euch befindet.«
Kristoph kniff die Augen zusammen. »Ihr müsst mich mit jemandem...«
»Lord Kristoph von Rychwald, einem kleinen unbedeutenden Kaff, aber immerhin wichtig genug, um jedes Jahr am goldenen Jahrhundertstanz in Artreia teilzunehmen.«
Thalina kannte diese Veranstaltung nicht, doch sie wusste, dass in den Hauptstädten der Königreiche oft große Feste stattfanden und die Lords und Ladies aus den anderen Reichen ebenfalls vorbeischauten.
»Sagt mir, mylord, wart Ihr schon immer einer von uns gewesen?« Der große Mann trat näher und Thalina konnte in dem dämmrigen Licht seine Gesichtszüge ausmachen. Er besaß hohe Wangenknochen und ein attraktives Gesicht. Ein amüsiertes Lächeln lag auf seinen geschwungenen Lippen. Irgendwie kam er ihr bekannt vor.
»Wie auch immer«, sagte er, als Kristoph nichts erwiderte, »wer hier hat das Sagen, hm?« Sein Blick glitt über sie. Dann zu Kristoph, dann Habi. Alena übersprang er beinahe, dann schnellte er zurück zu Thalina und schließlich zu Evan.
Und dann wieder zu Thalina. Er runzelte seine Stirn für eine Sekunde, dann klatschte er in die Hände: »Bringt alle übrigen in ihre neuen Räumlichkeiten.«
Ein gehetzter Blick spiegelte sich in Thalinas Gesicht, als sie beobachten musste, wie ihre Freunde abgeführt wurden. Sie würde nicht mit ihnen gehen, der Blick des Mannes war starr auf sie gerichtet. Seine braunen Augen funkelten, und er hatte immer noch dieses... Lächeln auf den Lippen.
Als die anderen draußen waren, zog er einen Stuhl verkehrt herum vor sie und setzte sich darauf. »Na, da hat sich dein Wayfinder-Gen also aktiviert. Zu schade, dass du dich für die falsche Seite entschieden hast.«
»Kennen wir uns?« Trotzig reckte Thalina das Kinn nach vorne und sah dem Mann unverblümt in die Augen.
Er nickte. »Erinnerst du dich nicht? Oh, welch' zufällige Begegnung es doch war. Lange hielt sie auch nicht an. Aber man sieht sich bekanntlich immer zweimal im Leben.«
Da machte es Klick und sie erinnerte sich. Eine kurze Begegnung, in Arensberg. Er war in sie hineingelaufen, er hatte sich entschuldigt. Sie erinnerte sich an die Attraktivität, die er ausgestrahlt hatte. Er strahlte sie immer noch aus, er war nicht viel älter als sie selbst.
»Wer ist dein Befehlsgeber?«
»Was hattest du in Arensberg zu suchen?«
Er lachte und schüttelte den Kopf. »So kommen wir nicht weiter. Du beantwortest meine Frage, ich beantworte deine.« Das Lächeln war aus seinem Gesicht gewichen und Thalina zog unruhig an ihren Ketten.
»Zuerst brecht ihr in Kirchhain in unser Labor ein, tötet unsere Forscher, stehlt Dokumente...stehlt einen Stufe 2! Und dann macht ihr das Selbe in Andros, mit dem Unterschied dass ihr noch viel mehr tötet?«
Er vergrub seine Hand in der Tasche seines Ledergewandes. Als er sie herauszog, war eine Zeichnung eines kleinen Jungen zu erkennen. »Das ist Daniel, ihr habt ihn getötet. Er ist nicht einmal vierzehn Jahre alt.« Aufgebracht fuhr sich der Mann durch die Haare und stützte sich auf die Rückenlehne des Stuhls.
Thalina verzog das Gesicht. »Wir waren nie in Andros. Wir sind von Kirchhain durch den Gremowald gereist.«
Er lachte schallend, es wurde von den kalten Wänden zurückgeworfen und ließ sie kurz zusammenzucken. Er wurde wieder ernst. »Niemand, der schlau genug ist, reist durch den Gremowald, und selbst wenn, dann überlebt das kaum einer.«
»Es war aber so. Wir haben Glück gehabt. Wir wollten durch das Tal weiter gen Süden. Doch das ganze Tal war überschwemmt, die ganze Stadt dort ist ertrunken.«
»Ertrunken?«
»Völlig überschwemmt. Wasser überall. Der Damm ist gebrochen.«
»Beres...«
»Die Stadt ist gestorben, weil Leute wie Ihr die Prophezeihungen ignoriert und die Runensteine stehlt. Wir haben vielleicht ein paar Forscher auf dem Gewissen, Ihr aber eine ganze Stadt.«
»Wer ist dein Befehlsgeber? Es ist Jorngar, nicht wahr? Der Alte Mann sollte auch endlich mal sterben, seine Zeit ist längst vorüber.« Der Mann senkte den Blick finster. »Er manipuliert die Leute um sich herum, benutzt sie für seine Zwecke. Genau das hat er mit mir auch gemacht. Ich habe ihn getroffen, als ich ein Jugendlicher war, gerade einmal sechzehn. Wie alt gibt er sich jetzt aus? Vierzig? Fünfzig? Damals war er schon Mitte vierzig. Das ist jetzt ungefähr dreizehn Jahre her.«
Thalina runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht.«
Der Mann fixierte ihren Blick und ließ sie frösteln. »Die Prophezeihungen sind nichts weiter als das Gekritzel von wahnsinnigen Leuten, die vor langer Zeit gelebt haben. Und Jorngar... Jorngar ist ein Lügner und Betrüger.«
»Du bist der Lügner hier! Ihr habt ihn gejagt! Er war so lange auf der Flucht!«
»Oh, so hat er dir das erzählt? Denk doch mal nach! Schon vor dreizehn Jahren besaß er das selbe Alter wie heute. Er hat einen Weg mit den Runensteinen gefunden, den Alterungsprozess zu verlangsamen oder vielleicht sogar aufzuhalten. Was meinst du, warum er den Spitznamen »Alter Mann« hat? Er muss in regelmäßigen Abständen die Orte wechseln, an denen er lebt, damit es den Menschen dort nicht auffällt.«
»Das würden die anderen niemals zulassen.«
»Das wissen nur die engsten in seinem Kreis, er ist ja nicht dumm.«
Thalina schluckte. »Selbst wenn das wahr wäre«, sagte sie, »gibt es immer noch die Prophezeihungen. Die Götter...«
»Die Götter hätten schon längst was unternommen, wenn dieser ganze Schwachsinn wahr wäre. Sie haben immer auf uns aufgepasst, warum sollte das auf einmal aufhören?«
»A-aber die Weltkatastrophen...die Omen..«
Das Ächzen der Falltür ertönte und eine Wache betrat den Raum. »Lord Zahiraya, ein Expressbrief vom Vorstand.«
Der Mann nickte. »Ah...ja. Sei so gut und bring sie zu den anderen. Wir sehen uns, kleine Wayfinderin.«
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