Wer einmal lügt...
Wer einmal lügt...
Als ich am Nachmittag auf der Dienststelle war, hatte sich unsere außergewöhnliche Leiche mittlerweile schon zum Thema des Tages entwickelt. Denn offenbar hatte niemand von meinen Kollegen bisher so einen Fall gehabt und da war das natürlich besonders interessant.
Während alle anderen über das außergewöhnliche Spektakel diskutierten, hatte ich mich in da Büro von Lestrade zurückgezogen und grübelte über das Opfer nach. Es war mir ein Rätsel, wer das Opfer so sehr gehasst hatte, dass dieser Jemand es so einen qualvollen Tod sterben ließ.
Aber so sehr ich mir auch den Kopf zerbrach, mir wollte einfach keine logische Theorie in den Sinn kommen, welche den Hergang am Tatort in etwa hätte treffen können. Und zum ersten Mal beneidete ich Sherlock um seiner grenzenlose Intelligenz und seine Logik, die jeglichen Verstand von uns allen mühelos in den Schatten stellte.
,,Evelyn!"
Ich zuckte zusammen, als ich mit einem Mal die Stimme von Sergeant Donovan ertönte und mich förmlich aus den Gedanken riss. Diese Frau hatte wahrlich keinen Sinn für Anstand, wenn sie sich wie ein Luchs an andere Menschen heran pirschte.
,,Himmel, Donovan...erschrecken Sie mich doch nicht so!"
,,So schreckhaft? Ich dachte, durch die Arbeit mit dem Freak wären Sie abgehärtet. Wie läuft es denn mit Sherlock Holmes als Kumpel?", fragte sie und ich verdrehte unauffällig die Augen.
Auch, wenn sie mit der Bezeichnung Kumpel, gewaltig danebenlag, denn davon waren Sherlock und ich noch meilenweit entfernt, so wollte ich ihr erst gar keine Chance geben, weiter auf das Thema einzugehen und zuckte nur mit den Schultern.
,,Man gewöhnt sich dran! Was gibt's denn, Donovan?"
,,Da möchte Sie jemand sprechen.", entgegnete sie und ein verschmitztes Grinsen huschte über ihr Gesicht, was mich innerlich seufzen ließ.
Wenn sie schon so guckte, dann konnte es sich nur um Sherlock handeln und dann hätte ich ohnehin keine Chance zu entkommen und was sollte ich sagen? Wenn man vom Teufel sprach, dann stand er meist schon hinter der nächsten Ecke.
,,In Ordnung!", gab ich mich geschlagen und gab Sergeant Donovan ein Zeichen, dass sie den unerwarteten Besuch hereinlassen sollte.
Sie nickte, drehte sich dann um und deutete vielsagend in meine Richtung, ehe sie verschwand. Seufzend sah ich zur offenen Tür, wo zu meiner Überraschung jedoch nicht Sherlock, sondern Liam nun auftauchte.
,,Hey, Evelyn!", begrüßte er mich und ich stöhnte genervt auf.
,,Das darf doch wohl nicht wahr sein."
Ein verschlagenes Grinsen erschien augenblicklich auf dem Gesicht von Liam und er schloss kurzer Hand die Tür hinter sich. Ein Besuch von Sherlock wäre mir jetzt bei weitem lieber gewesen, trotz seiner merkwürdigen Art und Weise. Aber er hatte mir ja immerhin nicht das Herz gebrochen.
,,Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich auf deiner Dienststelle finde, denn der Fall lässt dich sicherlich nicht mehr los. Aber du warst ja schon immer ein Arbeitstier in dieser Hinsicht. Tja, manche Dinge ändern sich wohl nie.", raunte er mir entgegen und ich sah ihn verbittert an.
,,Was zur Hölle willst du von mir, Liam?"
,,Ich sagte dir bereits, dass ich deine Hilfe brauche, Evelyn.", sagte er und ich winkte ab.
,,Und ich sagte bereits Nein. Also, da ist die Tür."
Vielsagend deutete ich Richtung Bürotür, doch Liam hatte schon damals einen unglaublichen Sturkopf gehabt und diese Tatsache hatte sich ganz offenbar bis heute nicht verändert. Denn er setzte sich eiskalt auf den Stuhl mir gegenüber und setzte seinen Hundeblick auf, doch ich blieb ausdruckslos und starrte ihn nur genervt an.
,,Es tut mir leid, Evelyn. Ich meine, wie das alles damals gelaufen ist. Wie hätte ich ahnen können, was passiert? Aber ich wollte dich niemals verletzen, das musst du mir glauben."
,,Kein Problem, Liam! Die ganze Sache ist Schnee von gestern und ich bin längst drüber weg. Wir müssen also kein großes Ding draus machen.", entgegnete ich und Liam seufzte, während er den Kopf schüttelte.
,,Du hattest schon immer ein ganz großes Talent dafür, Mauern um dich herum aufzubauen, Evelyn. Und wenn dir alles zu viel wurde oder auch nur der Anflug von großen Gefühlen da war, bist du geflüchtet und du tust es immer noch."
Nun wurde ich wütend! Was dachte Liam sich eigentlich? Jahrelang hatten wir keinen Kontakt zueinander und nun glaubte er anscheinend, mir einen Vortrag über mein Leben halten zu können. Dabei war er doch derjenige gewesen, der damals alles ruiniert hatte.
,,Hör zu, Liam...wenn du glaubst, du kannst hier einfach so auftauchen und mein Leben umkrempeln, dann irrst du dich gewaltig. Wenn du also nichts Besseres zu bieten hast, dann solltest du jetzt wirklich gehen.", zischte ich und hatte wirklich Mühe damit, ihm nicht an Ort und Stelle den Kopf abzureißen.
Denn ich hatte in einer Hinsicht gelogen: ich war noch nicht vollkommen über unsere gemeinsame Vergangenheit hinweg. Zwar hatte ich keine Gefühle mehr für Liam, aber die Sache von damals schmerzte mich immer noch und das ärgerte mich, denn ich würde es am liebsten einfach vergessen. Liam wirkte nun ein wenig verblüfft, denn er starrte mich erstaunt an und schien regelrecht überrascht von meinem Ausbruch zu sein.
,,Du hast dich wirklich ziemlich verändert. Ich meine, tough und schlagfertig warst du ja schon immer und früher hattest du auch schon deine kratzbürstige Ader, aber jetzt...du bist ja zu einem richtigen Eisklotz geworden.", sagte er und ich verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Na, und? Kann dir doch egal sein."
,,Du irrst dich, wenn du wirklich glaubst, dass dies der Fall ist, Evelyn. Du bist mir nicht egal und das wirst du auch niemals sein. Also, warum diese eiskalte Zickentour? Du könntest einer regelrechten Diva ja locker Konkurrenz machen."
Liam sah mich ernst an und versuchte offenbar nach einem Hinweis zu suchen, doch ich wandte den Blick von ihm ab und starrte stattdessen aus dem Fenster. Ignoranz war immer noch die beste Strafe und ich wollte Liam keinen Grund geben, um mich noch mehr mit Fragen zu löchern. Aber er schien einfach nicht aufzugeben.
,,Ist es wegen der Sache damals?", fragte er und ich warf ihm einen ausdruckslosen, aber dennoch verwirrten Blick zu.
,,Was meinst du?"
,,Wegen dem du New York verlassen hast.", brachte er hervor und ich sah ihn versteinert an, ehe er weitersprach. ,,Es gab eine Menge Gerüchte und niemand wusste, wohin du gegangen bist. Und diejenigen die es wussten, die durften nichts sagen. Bist du deswegen so? Läufst du vor irgendwas davon?"
,,Liam, wenn du nicht augenblicklich aufhörst, mich über mein Leben auszufragen, dann werfe ich dich für den Rest DEINES Lebens in den Knast.", sagte ich und in meiner Stimme lag ein bedrohlicher Unterton, der offenbar Wirkung zeigte.
Denn Liam sah mich regelrecht entsetzt an, doch dann hob er abwehrend die Hände und ich entspannte mich etwas.
,,Wie du willst! Dann kommen wir eben auf mein Anliegen zu sprechen. Und ich sage es nur noch einmal: Evelyn, ich brauche wirklich deine Hilfe! Und bevor du jetzt wieder Nein sagst, mache ich dir einen Vorschlag. Du hilfst mir bei meinem Problem und ich dir bei deinem Fall.", schlug er vor und ich schnaubte verächtlich.
,,Wie solltest ausgerechnet du mir dabei helfen können? Und selbst wenn, dann lehne ich dankend ab. Ich habe bereits einen egozentrischen Draufgänger als Gehilfen, der sich selbst für das achte Weltwunder hält. Ich brauche nicht noch jemanden von der Sorte."
Vielsagend sah ich Liam an und als dieser auf einmal zu grinsen anfing, war ich mehr als verwirrt. Was hatte er denn jetzt schon wieder? So lustig konnte der Spruch nun wirklich nicht gewesen sein. Liam grinste noch ein bisschen breiter und nickte mir dann auf einmal anerkennend zu.
,,Wow! Es geschehen noch Zeiten und Wunder. Evelyn, ich bin beeindruckt.", sagte er und irritierte mich nur noch mehr.
,,Wovon redest du bitte, Liam?"
,,Sherlock Holmes!", war alles, was er als Antwort zu bieten hatte und ich zuckte nur mit den Schultern.
,,Was ist mit ihm?"
,,Du magst ihn!"
Mein Ex-Freund grinste breit über das ganze Gesicht und mir klappte die Kinnlade runter. Nun wurde es aber heilig hier! Zuerst wollte er mir Vorschriften machen, wie ich mein Leben zu leben hatte und nun hatte er schon Wahnvorstellungen. Er musste eindeutig seinen Verstand verloren haben.
,,Erzähl keinen Schwachsinn, Liam!"
,,Tue ich doch gar nicht. Selbst ein Blinder würde diese Tatsache erkennen.", meinte er und ich funkelte ihn wütend an.
,,Sherlock und ich sind nur Kollegen."
,,Genau! Und ich bin Queen Elizabeth die 2.", meinte er und nun war ich wirklich sauer.
,,Du tickst nicht richtig."
,,Weil ich etwas sehe, was du selbst nicht sehen willst?", fragte er unschuldig und ich verdrehte die Augen.
,,Nein! Weil du maßlos übertreibst."
,,Ach, ist das so? Wenn ich wirklich so maßlos übertreibe, warum regst du dich dann so auf?"
Liam hob eine Augenbraue und ich sah ihn sprachlos an. Darauf wusste ich keine Antwort und genau das ließ Liam triumphierend grinsen. Um das Thema zu wechseln, bevor es noch richtig peinlich wurde, entschloss ich mich dazu, ihm nun doch etwas mehr auf den Zahn zu fühlen.
,,Was ist das für ein Problem, das du hast?"
,,Hm...Themawechsel! Geschicktes Manöver, Miss Headley!", setzte er an, doch mein tödlicher Blick genügte, um seine weiteren Worte diesbezüglich im Keim zu ersticken. ,,Nun, was das angeht...ich bin an einer äußerst heißen Spur dran!"
Nun richtete ich den Blick gen Himmel, denn ich hätte mir auch gleich denken können, dass eine angeblich heiße Verschwörung hinter dem ganzen Theater steckte. Ich kannte Liam einfach zu gut und er würde sich auch sicherlich niemals ändern. Aber auf die Gefahr hin, dass er wieder absurde Gerüchte in die Welt setzte, die mich, Sherlock und die anderen betrafen, spielte ich das Spiel lieber mit.
,,Was auch sonst? Also, worum geht es bei dieser...heißen Spur?", wollte ich wissen und Liams Augen leuchteten nun förmlich.
,,Um etwas sehr Großes, Evelyn. Und nicht nur das...es könnte mehr als gefährlich für alle werden."
,,Wieso? Nähert sich etwa das Ende der Welt?", meinte ich sarkastisch und nun rollte Liam mit den Augen.
Für mich klang diese Theorie jedoch gar nicht so abwegig, denn bei Liam musste man auf alles gefasst sein. Und wenn man nicht aufpasste, befand man sich sogleich mitten in einer geheimen Mission, die am Ende doch nur in einer Sackgasse endete.
,,Evelyn, bitte sei ernst. Das hier ist kein Spiel.", ermahnte mich Liam und ich seufzte.
,,Das ist nur nicht so einfach. Du hast damals gelogen, Liam...warum solltest du es nicht auch wieder tun?"
Liam blickte schuldbewusst drein und ich ärgerte mich über mich selbst, dass ich wieder von der Vergangenheit anfing und so direkt war. Aber noch ehe ich etwas sagen konnte, setzte Liam unsere Diskussion fort.
,,Dieses Mal ist alles anders und ich kann es dir beweisen.", sagte er und nun sah ich ihn erwartungsvoll an.
,,Ach, ja? Und wie genau?"
,,Euer Opfer!", setzte Liam an und ich verschränkte die Arme vor der Brust.
,,Was ist mit ihm?"
,,Ich weiß, wer es ist!"
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