Der Domino-Effekt
Der Domino-Effekt
Als ich zu Hause ankam, konnte ich noch immer nicht so richtig fassen, dass Sherlock und Janine jetzt ernsthaft ein Paar waren. Zwar hatte ich den ersten Schock mittlerweile überwunden, aber es war einfach zu verrückt um wahr zu sein. Und auch die Worte von John verfolgten mich immer noch, denn ich war fassungslos darüber, dass er offensichtlich der gleichen Meinung wie Mary war.
Wie konnten die beiden auch nur ansatzweise annehmen, dass aus Sherlock und mir jemals mehr als Freundschaft sein könnte? Gut, ich mochte wirklich noch Gefühle für ihn haben, aber Sherlock war durch und durch beziehungsunfähig. Daher hatte es mich auch wie der Schlag getroffen, als Janine vorhin aus seinem Schlafzimmer gekommen war und Sherlock sie als seine feste Freundin präsentiert hatte.
Aber ich musste zugeben...ich war nicht nur schockiert...ich war irgendwie auch sauer. Dabei wollte ich doch eigentlich, dass Sherlock aus meinen Gedanken verschwand und vor allem meine Gefühle für ihn sollten endlich verschwinden. Und das Sherlock jetzt ganz offenbar eine Beziehung führte, konnte dafür ja nur hilfreich sein.
Ezra schien immer noch unterwegs zu sein, denn ich war allein und es war unabsehbar, wann er nach Hause kommen würde. Die Meetings konnten sich meistens endlos hinziehen und wenn sie einen Kunden gewonnen hatten, dann wurde in der Firma stets ausgiebig gefeiert.
Ich stellte mich also auf einen entspannten Abend allein ein und ließ mich regelrecht auf mein Sofa fallen, als auf einmal mein Handy klingelte. Als ich einen Blick drauf warf, erkannte ich die Nummer von John, aber dieses Mal ignorierte ich es. Denn ich hatte keineswegs das Bedürfnis, mir ein weiteres Mal etliche Argumente anzuhören, die angeblich dafür sprachen, dass Sherlock und ich zusammengehörten. Immerhin musste ich konsequent sein und das würde ich auch. Noch mehr Verwirrungen konnte ich echt nicht gebrauchen.
***
Als erneut mein Handy klingelte, schreckte ich hoch und war etwas verwirrt. Offenbar war ich eingeschlafen und es waren inzwischen 2 Stunden vergangen. Diesmal war es jedoch kein Anruf, denn ich öffnete eine Nachricht, die von Sherlock war. Er hatte mir eine Adresse geschickt und wollte offenbar, dass ich dorthin kam. Genervt verdrehte ich die Augen und fragte mich, was nun schon wieder so dringend war, dass Sherlock nicht auf mich verzichten konnte. Da ich aber auch wusste, dass er mich so lange mit Nachrichten oder Anrufen terrorisieren würde, bis ich nachgab, wollte ich mich lieber sofort auf den Weg machen. Denn, je eher ich die Sache hinter mich brachte, desto eher konnte ich wieder nach Hause.
Ein wenig später erreichte ich schließlich die Adresse, die Sherlock mir geschickt hatte und mir fiel die Kinnlade runter, als sich diese als das Büro von Charles Augustus Magnussen entpuppte.
,,Sherlock, was führst du jetzt wieder im Schilde?, dachte ich mir und war schon drauf und dran, wieder umzukehren, als ich plötzlich eine weitere Nachricht von Sherlock erhielt.
Komm endlich rein.
Wir haben nicht den ganzen Abend Zeit.
SH
Aha, also zitierte mich Mr. Holmes nicht nur her, er schien mich auch noch zu beobachten und das war ja wieder was für mich. Ich seufzte und begab mich schließlich in das Gebäude, was sich bereits wie die Höhle des Löwen anfühlte. Zwar wusste ich noch nicht, was Sherlock vorhatte...aber ich würde es ganz sicher noch bereuen hergekommen zu sein.
,,Evelyn?", brachte John irritiert hervor und ich sah ihn nur ausdruckslos an.
,,Wieso? Hast du jemand anderes erwartet?"
,,Ich...ich wusste gar nicht, dass Sherlock dich angerufen hat.", entgegnete er, als unser Meisterdetektiv auch schon zu uns stieß.
,,Nicht angerufen...geschrieben. Ich war mir nicht sicher, ob Evelyn rangehen würde und ganz offensichtlich scheint sie schlechte Laune zu haben."
,,Wenn ich auch wieder ohne jegliche Vorwarnung zu einer Mission zitiert werde, die mit Sicherheit in einem Schwerverbrechen endet, dann darf ich auch mies drauf sein. Also, was um alles in der Welt haben wir hier zu suchen, Sherlock?", fragte ich und sah ihn abwartend an, ehe er uns nur andeutete, ihm zu folgen.
,,Das werdet ihr gleich sehen."
Sherlock eilte nach oben zu einem Aufzug und löcherte John auf einmal mit Fragen, was geschehen würde, wenn er nun auf einfachem Wege versuchen würde in das Büro von Magnussen einzubrechen. Ich filterte diese Konversation aus und begutachtete stattdessen das Gebäude, was eher einer Luxuszentrale glich und ich fühlte mich unglaublich unwohl. Deshalb wagte ich auch keinen Schritt in die Firma von Ezras Familie, da ich dort wegen der luxuriösen Inneneinrichtung sicher auch eine Panikattacke bekommen würde.
,,Dir ist schon klar, dass du nicht aussiehst wie Magnussen.", wandte John ein, als Sherlock nun direkt an den Fahrstuhl herantrat und eine Karte auf das Sicherheitsfeld legte.
,,Was in diesem Fall, ein erheblicher Vorteil ist.", meinte Sherlock nur kühl und mein Blick fiel nun auf einen kleinen Lautsprecher an der Wand, was wohl eine Freisprecheinrichtung zu sein schien, die mit dem Büro von Magnussen verbunden war.
,,Sherlock, du Wahnsinniger...was machst du hier?", erklang auf einmal eine Stimme aus dem Lautsprecher und ich starrte das Gerät völlig perplex an.
,,Janine?"
Auch John wollte etwas sagen, aber Sherlock brachte ihn zum Schweigen, noch bevor John einen Ton hervorbringen konnte. Stattdessen setzte Sherlock ein breites Lächeln auf und sah auf den oberen schwarzen Kreis, was wohl eine Kamera sein sollte.
,,Hi, Janine! Mach schon, lass mich rein."
,,Das kann ich nicht, das weißt du doch. Sei nicht albern.", widersprach Janine und Sherlock setzte nun plötzlich einen unglaublichen Hundeblick auf.
,,Zwing mich nicht, das hier unten zu tun. Nicht...vor all den Leuten."
Mein Blick wanderte zu John, doch der schaute genauso dumm aus der Wäsche wie ich und hielt noch dazu zwei Kaffeebecher in den Händen. Was sollte das hier eigentlich werden?
Die Antwort darauf ließ nicht lange auf sich warten und wenn ich dachte, dass der Tag nicht noch verrückter und schlimmer werden konnte, dann hatte ich mich darin gründlich getäuscht. Denn Sherlock griff nun in die Innentasche seines Jacketts und zog doch allen Ernstes ein Schmuckkästchen hervor, welches er öffnete und somit einen funkelnden Diamantring offenbarte.
Ich hatte das Gefühl, dass ich einer Ohnmacht nahe war und ich bekam nicht mal mit, was Sherlock John für einen Spruch an den Kopf warf, denn ich war viel zu fassungslos über das, was eben gerade passiert war. Und hätte Sherlock mich nicht kurzer Hand in den Aufzug gezogen, dann hätte ich wahrscheinlich noch Stunden da draußen gestanden.
Sherlock hatte Janine eben doch allen Ernstes einen Heiratsantrag gemacht. Und das machte mich nicht nur komplett fassungslos, ich spürte auch, wie sich alles in mir krampfartig zusammenzog. Hatte Sherlock für heute nicht schon genug Überraschungen parat gehabt? Musste er den Tag jetzt auch noch komplett ruinieren?
,,Das war Janine!", stellte Blitzmerker John fest und Sherlock sah ihn vielsagend an.
,,Natürlich! Sie ist Magnussens persönliche Assistentin. Darum geht's ja hier."
,,Du hast dich gerade verlobt, um in ein Büro einzubrechen?", schlussfolgerte John fassungslos und Sherlock brachte die Antwort so trocken hervor, als wäre es das Normalste auf der Welt, so etwas zu tun.
,,Ja! Ein Glücksfall, ihr auf deiner Hochzeit zu begegnen. Also auch dein Verdienst!"
Jetzt kapierte ich gar nichts mehr. Also war dieser Antrag lediglich ein Mittel zum Zweck gewesen, um in das Büro von Magnussen zu kommen? Sherlock war noch egoistischer und abgebrühter als ich bis jetzt angenommen hatte.
,,Herrgott, Sherlock...sie liebt dich!", brachte John geradezu empört hervor, doch Sherlock schien das wenig zu kümmern.
,,Ja, wie gesagt: Schwachstellen!"
,,Evelyn, sag du doch auch mal etwas dazu.", forderte John mich auf, doch ich sah ihn nur ausdruckslos an.
,,Was soll ich denn sagen, John?"
,,John, die ganze Situation hat Evelyn so sprachlos gemacht, dass sie wahrscheinlich ohnmächtig werden würde, wäre sie nicht so standhaft und bereits derartige Schandtaten von mir gewöhnt.", pflichtete Sherlock nur bei und ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu.
,,Naja, du hast ja schon Einiges abgezogen, Sherlock, aber das...das war wirklich unterhalb der Gürtellinie."
Sherlock grinste nur ein wenig, denn er schien auch noch stolz darauf zu sein. Janine hingegen, tat mir jetzt irgendwie leid, denn Sherlock würde ihr mit dieser ganzen Eskapade das Herz brechen. Allerdings konnte ich nicht leugnen, dass ich auch irgendwie Erleichterung verspürt hatte, nachdem Sherlock offenbart hatte, dass der Antrag nur eine Farce gewesen war. Und gleich ärgerte ich mich wieder über mich selbst, denn ich durfte einfach nicht so empfinden. Ich musste meine Gefühle zum Teufel jagen und zwar am besten heute noch.
***
Als der Fahrstuhl an seinem Ziel ankam, betraten wir das Büro von Magnussen und ich hatte sofort ein mieses Gefühl. Nicht nur, weil wir uns gerade auf unehrenhafteste Weise Zutritt verschafft hatten, sondern auch, weil ich spürte, dass hier irgendwas nicht stimmte. Auch John sah sich misstrauisch um, denn von Janine war keine Spur zu sehen.
,,Wo ist sie denn hin?"
,,Ein bisschen unhöflich. Ich habe ihr gerade einen Antrag gemacht.", meinte Sherlock und ich zischte regelrecht.
,,Den du eh nur als ekligen Vorwand genutzt hast, um hier reinzukommen, wegen deiner Besessenheit von Magnussen."
,,Leute!"
John unterbrach unsere Konversation, die auf dem besten Weg gewesen war, in einer Diskussion zu enden, als er auf den Boden deutete und sich bereits einige Schritte von uns entfernte. Wir folgten seinem Blick und mir fuhr der Schreck in die Glieder, als ich Janine am Boden liegen sah- mit einer Platzwunde am Kopf.
,,Oh, mein Gott! Ist sie...", setzte ich an und John fühlte nach ihrem Puls.
,,Sie lebt noch. Sie hat wohl einen Schlag gegen den Kopf bekommen. Janine?"
John versuchte, sie wieder zu Bewusstsein zu bringen und ich zog augenblicklich meine Dienstwaffe. Wer auch immer Janine bewusstlos geschlagen hatte, könnte noch hier sein und war möglicherweise bewaffnet. Als Janine etwas Unverständliches von sich gab, holte ich mein Handy aus der Jackentasche und wählte den Notruf.
,,Ich rufe einen Krankenwagen!"
,,Hier liegt noch Einer!", sagte Sherlock und ich sah um die Ecke. ,,Ein Wachmann."
,,Braucht er Hilfe?", fragte John und Sherlock warf einen flüchtigen Blick auf den bewusstlosen Wachmann.
,,Ein Ex-Knacki! Und Rassist nach seinen Tattoos, also was solls. Kümmert euch um Janine."
Gerade wollte ich den Notruf wählen, aber Sherlock schüttelte den Kopf und Janine schien bei John vorerst in guten Händen zu sein. Und Sherlock verdrehte ein wenig die Augen, als der nächste Vorschlag von John kam.
,,Wir sollten die Polizei rufen."
,,Während wir hier einbrechen? Du bist bei sowas nicht wirklich ein Naturtalent, John. Außerdem haben wir Evelyn hier...sie ist Polizei genug."
Ich war mal wieder sprachlos, aber Sherlock achtete nicht darauf. Stattdessen durchsuchte er nun das Büro nach Hinweisen und ich sah zu John, der immer noch bei Janine war.
,,Ich bringe ihn um und du sagst, es war ein Unfall."
,,Bin dabei!"
Plötzlich waren über uns Schritte zu hören, die offenbar aus der Wohnung von Magnussen stammten. Gerade wollte ich schon losstürmen, aber Sherlock sah mich eindringlich an und hielt mich zurück.
,,Nein! Bleib hier und hilf John. Ich gehe hoch."
,,Sherlock, bist du wahnsinnig? Das ist viel zu gefährlich!", brachte ich angespannt hervor und er sah mich vielsagend an.
,,Und genau deswegen bleibst du hier."
Bevor ich widersprechen konnte, stürmte Sherlock nach oben und ich sah ihm noch fassungslos nach. Auch John rief Sherlock noch nach, aber er ließ sich nicht aufhalten. Ich steckte meine Waffe vorerst zurück und kniete mich nun ebenfalls neben Janine, die ich besorgt musterte.
,,Ist sie schwer verletzt?"
,,Nein, ich glaube nicht. Wer auch immer es war, hat nicht so fest zugeschlagen. Sie sollte nur außer Gefecht gesetzt werden.", erklärte John und das beruhigte mich etwas.
Denn das bedeutete immerhin, dass wir keinen gnadenlosen Killer hier gehabt hatten und dann nahm die ganze Situation vielleicht doch kein blutiges Ende. Obwohl ich es schon einen merkwürdigen Zufall fand, das ausgerechnet an dem Abend hier ein Überfall gestartet wurde, an dem wir selbst in das Büro einbrachen.
Gerade als Janine wieder zu sich kam und benommen ein paar Worte mit John wechselte, ertönte oben auf einmal ein Schuss. Mir fuhr der Schreck in die Glieder und ich zog reflexartig meine Waffe. John riss vor Schreck die Augen auf und wollte etwas sagen, als ich ihm zuvor kam.
,,Du bleibst hier!"
,,Evelyn...", begann er, aber ich warf ihm einen todernsten Blick zu.
,,Du bleibst hier, John. Pass auf Janine auf."
Mit gezogener Waffe eilte ich nun selbst die Treppen hoch und mein Herz raste förmlich...jedoch nicht nur wegen des rasanten Tempos. Und als ich oben angekommen war, fiel mein Blick sofort auf einen Raum, zu dem die Tür offen stand. Mit wachsamen Blicken sicherte ich mich ab, ehe ich eintrat und mein erster Blick fiel auf Magnussen, der etwas mitgenommen aussah, aber offenbar nur einen Schock und eine Platzwunde erlitten hatte.
,,Mr. Magnussen? Alles in Ordnung bei Ihnen?", fragte ich unsicher und er sah mich benebelt an.
,,Sie hat ihn niedergeschossen."
,,Was?", setzte ich an, aber da wanderte mein Blick schon zu Boden und mir fiel vor Schreck fast die Dienstwaffe aus der Hand.
Sherlock lag regungslos auf dem Boden und sein weißes Hemd färbte sich bereits blutrot. Sofort kniete ich mich neben ihn und zog hastig mein Handy hervor.
,,Es wird alles gut, Sherlock...halte durch.", sagte ich, während ich mit zitternden Händen den Notruf wählte. ,,Ja, hallo...mein Name ist Evelyn Headley. Ich brauche einen Krankenwagen in das Büro von Charles Augustus Magnussen. Ein Mann wurde angeschossen. Bitte beeilen Sie sich."
Ich gab ihnen noch die Adresse durch und legte dann auf. Dann beugte ich mich über Sherlock und versuchte, ihn wieder wach zu bekommen. Aber er blieb ohne Bewusstsein und ich presste meine Hände auf seine Schusswunde, um zumindest noch mehr Blutverlust zu verhindern. Allerdings wagte ich noch einige Versuche, um Sherlock aus seiner Ohnmacht zu holen, was jedoch erfolglos blieb.
,,Sherlock, kannst du mich hören? Du darfst jetzt nicht aufgeben, verstanden? Es wird alles gut."
Innerlich hatte ich das Gefühl erstarrt zu sein und ich stand völlig unter Schock. Verzweifelt versuchte ich alles, um Sherlock um jeden Preis am Leben zu halten und insgeheim fragte ich mich, wer um Himmels Willen ihm das angetan hatte.
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