Chapter 7
„Rose!“, strahlte meine Mutter mir entgegen, als ich ihr am Samstag – einen Tag vor dem Erscheinungsdatum der neuen Ausgabe der Times – die Tür öffnete.
„Mom“, lächelte ich, nicht ganz so euphorisch, zurück. In ihrer Hand hielt sie eine Flasche Sekt und ein kleines, eingepacktes Geschenk. Zumindest den Sekt würde ich nicht anrühren können.
Ich bat sie in mein Wohnzimmer und deutete auf das Sofa. „Setz dich. Willst du was trinken?“
„Nein“, sie schüttelte ihren Kopf. „Hol besser zwei Gläser“, grinsend hielt sie die Sektflasche nach oben.
Abwehrend hob ich beide Hände und schüttelte energisch meinen Kopf. „Ich kann nicht, Mom.“
„Warum nicht?“, sie warf mir einen misstrauischen Blick zu, und ich kannte diesen Blick. Ich kannte ihn seit meiner jüngsten Kindheit und ich wusste, was er zu bedeuten hatte. Es war dieser Ich-weiß-dass-du-lügst-Blick. Nur in diesem Fall log ich wirklich nicht.
„Das erzähle ich dir später. Lass uns erst einmal bei einem Glas Wasser bleiben. Okay?“
Das Misstrauen in ihrem Blick wurde noch stärker, noch intensiver und sie ließ es mich deutlich spüren, gab letztendlich aber doch nach. „In Ordnung.“
Also holte ich eine Flasche Wasser und zwei ganz gewöhnliche Gläser.
„Wir haben uns seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen, Rose“, meine Mutter neigte dazu, das alle zehn Minuten zu sagen. „Du hast dich wirklich verändert.“
„Ach ja?“
„Ja“, sie nickte energisch, „Du scheinst an Gewicht zugelegt zu haben, aber das steht dir gut“, lächelnd strich sie sich eine blonde Haarsträhne aus ihrem Gesicht, das in meinen Augen noch immer so bildschön war wie früher.
Ich musste kurz auflachen. „Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment auffassen soll oder nicht“, scherzte ich und nahm einen Schluck von meinem Wasser.
Nun entfuhr auch meiner Mutter ein belustigter Laut. „Wie gesagt, es steht dir hervorragend.“
Nun war sie diejenige, die an ihrem Glas nippte. „Wie läuft es denn mit deinem Studium?“
Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich weiß nicht mehr, wie ich es bezahlen soll., schoss es mir durch den Kopf, aber das konnte ich ihr selbstverständlich nicht sagen.
„Gut“, log ich schließlich, „Es ist ziemlich stressig, aber es macht mir Spaß.“
Sie begann zu Grinsen, als hätte ich ihr erzählt, dass ich den Weltfrieden gesichert hätte. „Das freut mich wirklich.“
Genau aus diesem Grund hatte ich solche Angst, ihr davon zu erzählen. Sie freute sich jedes Mal so sehr, wenn ich ihr erzählte, wie gut das Studium lief und wie viel Spaß ich daran hatte. Bis vor zwei Monaten hatte das ja auch noch gestimmt.
„Aber Rose“, plötzlich stieß sie einen Seufzer aus. „Du kommst mir irgendwie seltsam vor. Ist alles in Ordnung?“
Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Mütter.
Musste sie eigentlich immer wissen, wenn etwas nicht mit mir stimmte?
„Sicher“, winkte ich ab, „Warum fragst du?“
„Weil du mir komisch vorkommst“, wiederholte sie und warf mir wieder diesen seltsamen misstrauischen Ich-weiß-dass-du-lügst-Blick zu. Noch ehe ich antworten konnte, fuhr sie selbst fort. „Du trinkst Wasser anstatt Sekt, obwohl du damit nie ein Problem hattest. Außerdem kommst du mir auch körperlich ziemlich verändert vor“, sie deutete auf meinen Bauch. „Ist da vielleicht etwas unterwegs?“
Ich warf ihr einen fassungslosen Blick zu. Manchmal war sie mir wirklich unheimlich. Ich sagte nichts, weil ich zum Einen wusste, dass Lügen keinen Sinn hatte und zum Anderen konnte ich nicht nicken, weil sie dadurch die Wahrheit erfahren würde, obwohl sie sie längst kannte.
„Rose“, meine Mutter sah mich mit einem sehr sanften, deshalb allerdings nicht weniger durchdringenden Blick an. „Bist du schwanger?“
Ich wusste nicht weshalb, aber plötzlich begann ich aus heiterem Himmel zu weinen – eigentlich war ich gar nicht traurig, ich musste nur einfach weinen und hatte das Gefühl, nicht mehr damit auhören zu können.
Vorsichtig rückte meine Mutter etwas näher und bot mir ein Taschentuch an, das ich dankend annahm. Ich wusste nicht, was ich hätte sagen sollen, denn im Grunde genommen würde ich es ihr irgendwann sagen müssen.
Meine Mutter würde auf gar keinen Fall streng reagieren, das wusste ich. Sie würde mir niemals Vorwürfe machen, aber das war auch gar nicht meine größte Sorge. Ich hatte viel mehr Angst davor ihr zu sagen, dass ich den Vater praktisch gar nicht kannte und davor, dass sie mir nicht glauben würde, wenn ich ihr erklärte, dass er ein weltberühmter Sänger ist. Sie wusste ja noch nicht einmal, dass ich in diesem Escort-Dienst gearbeitet hatte.
Ich weinte bestimmt eine halbe Stunde, ohne mich beruhigen zu können. Meine Wangen fühlten sich danach unerträglich klebrig an, und normalerweise fühlte man sich nach dem Weinen doch irgendwie erleichtert, oder nicht?
Ich fühlte mich keineswegs erleichtert, ganz im Gegenteil. Ich fühlte mich noch genauso schlecht wie davor, und die Angst war noch stärker.
Ich atmete tief durch und vermied es, meiner Mutter in die Augen zu sehen. Ich konnte es einfach nicht. „Ja“, antwortete ich schließlich. „Ja, ich bin schwanger.“
„Das ist doch großartig“, meiner Mutter war die Entzückung förmlich anzusehen, aber ich schüttelte nur meinen Kopf. „Das ist gar nicht großartig. Ich wollte mein Studium abschließen und Ärztin werden.“
„Das kannst du doch noch immer“, ein aufmunterndes Lächeln lag auf ihren Lippen, auch wenn sie vermutlich genauso gut wie ich wusste, dass das niemals funktionieren konnte.
„Wie sollte das denn gehen?“, verständnislos zuckte ich beide Schultern und war um ehrlich zu sein ziemlich gespannt auf ihre Antwort.
„Es gibt Tagesmütter, Kindergärten oder-“
„Nein“, schnitt ich ihr ungeduldig das Wort ab. „Ich will nicht, dass es so aufwächst.“
Stille. Eine ganze Minute lang.
„Du hast mir gar nicht erzählt, dass du einen Freund hast“, nun wurde ihr Blick etwas ernster.
Ich senkte meinen Blick. „Hab' ich auch nicht“, murmelte ich und schüttelte zerknirscht meinen Kopf.
Wieder kullerten Tränen meine Wangen nach unten. Diese Verzweiflung überkam mich einfach aus dem Nichts, sie war zuvor nicht wirklich da gewesen. Zumindest nicht so intensiv.
„Wie konntest du dann schwanger werden?“, sie blickte mich zum Teil überrascht, zum Teil ziemlich schockiert an.
„Das ist eine lange Geschichte“, antwortete ich, und am liebsten hätte ich sie ihr nie erzählt.
„Ich habe Zeit“, sie tippte demonstrativ auf ihre Armbanduhr.
Prima., dachte ich, während ich begann, diese äußerst unangenehme Geschichte zu erzählen.
Ich begann ganz am Anfang. Damit, dass ich am Anfang meines Studiums angefangen hatte, bei einem Escort-Dienst zu arbeiten, stellte jedoch auch klar, dass ich eigentlich nie Sex mit Klienten gehabt hatte – nur dieses eine Mal.
Schließlich berichtete ich ihr von dem Abend mit Niall und wie wir beide völlig betrunken in einem Hotel gelandet waren und dass ich mich an den Rest nicht mehr erinnern konnte, kurze Zeit später allerdings eine Schwangerschaft festgestellt hatte.
Ich erzählte ihr von meinem Anruf bei Niall und der Kündigung bei dem Escort-Dienst und von meinem Besuch bei der Times.
„Nun ja, und schließlich wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen und habe der Presse davon erzählt“, schloss ich meinen Bericht, während ich zu Boden blickte.
„Um ehrlich zu sein weiß ich nicht, was ich sagen soll“, gestand sie und zuckte ratlos beide Schultern. „Der Vater deines Kindes ist ein Rockstar.“
„Du glaubst mir?“, überrascht blickte ich sie an, denn um ehrlich zu sein hätte ich wirklich etwas Anderes erwartet.
„Natürlich glaube ich dir, Rose“, sie schüttelte verständnislos ihren Kopf. „Du bist meine Tochter und ich gehe davon aus, dass du mich nicht anlügst. Sprachlos macht mich die Geschichte aber trotzdem.“
Ich nickte. „Verständlicherweise.“
Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Wasser. Sie ließ sich eine Menge Zeit mit ihrer Antwort, man konnte allerdings erkennen, dass sie über Eine nachdachte. „Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob es so eine gute Idee war, die Presse zu informieren.“
Ich stockte. „Warum nicht?“
Nicht, dass ich mir nicht vorstellen konnte, was für ein Feuer das entfachen würde, aber ich wollte trotzdem ihre Gründe hören.
„Nun ja“, sie stieß einen Seufzer aus, ihr Gesicht war schneeweiß. „Du hast keine Ahnung, wie herzlos Journalisten und vor allem das Management einer Band sein können.“
„Was meinst du damit?“, ich zog beide Augenbrauen nach oben, in mir machten sich die ersten dunklen Vorahnungen breit.
„Ich meine damit, dass du noch nicht ahnst, auf was du dich gefasst machen kannst.“
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