
Chapter 16
Es war ein ganz gewöhnlicher Herbsttag, der dritte Oktober um genau zu sein, an dem ich in einer Zeitung las, dass Niall und der Rest der Band sich wohl in London befanden.
Seufzend nippte ich an meiner Tasse Tee, die ich vor zehn Minuten aufgesetzt hatte. In den letzten Tagen hatte ich mit unendlich starken Schmerzen zu kämpfen gehabt. Vermutlich lag das daran, dass ich nur noch zehn Tage vor dem errechneten Geburtstermin am 13. Oktober stand.
Eigentlich hatte ich auch vorgehabt, mich in der nächsten halben Stunde schlafen zu legen, allerdings hatte ich in den letzten Tagen oft Probleme mit dem Einschlafen gehabt. Ich wusste gar nicht, wie ich mich am besten hinlegen sollte, ohne entweder Schmerzen zu haben oder mich extrem unwohl zu fühlen.
Seit Tagen hatte ich ein unerträgliches Völlegefühl, obwohl ich nicht übermäßig viel gegessen hatte und mir wurde zunehmend oft richtig übel, ohne dass ich mich übergeben musste.
Während ich meine Tasse Tee wieder auf meinem Sofatisch abstellte, setzten mit einem Mal Bauchkrämpfe ein, die sich anfühlten wie leichte Menstruationsschmerzen. Ich seufzte erneut auf – wann würde das alles endlich aufhören?
Dieses Ziehen im Unterleib verfolgte mich bereits seit gestern Abend, nur seit etwa einer Stunde kam es in regelmäßigen Abständen.
Anfangs waren diese Schmerzen auch gar nicht weiter schlimm, immerhin hatte ich in meiner Schwangerschaft Einiges an Bauchschmerzen zu spüren bekommen.
Richtig schmerzhaft wurde dieses Ziehen dann nur, als die Abstände immer kürzer wurden. Mittlerweile kamen zu den Bauchkrämpfen noch Rückenschmerzen – und dieses Ziehen im Unterleib fühlte sich nun an, wie richtig starke Menstruationsschmerzen.
Meine Ärztin hatte mir in den letzten Tagen bereits geraten, eine Tasche mit den wichtigsten Dingen zu packen, die ich im Krankenhaus benötigen würde, damit ich im Ernstfall nicht gänzlich unvorbereitet war.
Als diese Schübe unerträglicher Bauchschmerzen nur noch Abstände von etwa fünf bis zehn Minuten voneinander hatten, bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich wusste nicht, ob alles in Ordnung war, und diese Schmerzen waren mit nichts zu vergleichen, noch nicht einmal mit starken Menstruationsschmerzen. Es war eine Art Ziehen im Unterleib, das immer stärker nach unten zu drücken schien.
Vorsichtig machte ich mich auf dem Weg zu meinem Telefon und wählte die Nummer meiner Hebamme, die schneller am Hörer war als erwartet.
„Tut mir leid wenn ich sie so spät noch störe“, begann ich, mein Herzschlag wurde immer schneller, „Aber ich habe im Moment wirklich seltsame Bauchkrämpfe, von denen ich nicht weiß woher sie kommen.“
„Kannst du die Schmerzen näher beschreiben?“
Ich stützte mich auf meiner Kommode ab und stieß einen leisen Seufzer aus. „Ich weiß es nicht“, antwortete ich, „Sie fühlen sich an wie starke Menstruationskrämpfe, nur irgendwie schlimmer“, beschrieb ich, obwohl ich mich kaum mehr konzentrieren konnte, weil die Schmerzen immer stärker wurden.
„Hast du diese Krämpfe schubweise oder durchgehend?“
„Schubweise.“
„Kannst du den Abstand ungefähr einschätzen?“
„Fünf bis zehn Minuten“, keuchte ich, während ich mich wieder setzte, „Das tut so weh.“
„Okay“, gab sie zurück, „Bist du zu Hause?“
„Ja.“
„Dann bleib wo du bist“, wies sie mich an, „Ich bin in fünfzehn Minuten bei dir. Pack am besten das Wichtigste in eine Tasche und komm mit dem Aufzug nach unten. Ich glaube du hast Wehen.“
„Aber es sind doch noch fast zwei Wochen bis zum errechneten Geburtstermin“, erwiderte ich, „Das kann doch nicht sein.“
„Doch“, widersprach sie, „Es ist dein erstes Kind. Die kommen meistens etwas früher.“
„Verdammt“, fluchte ich, während ich etwas lauter wurde, und presste eine Hand gegen meinen Unterleib.
„Ich bin gleich da“, sicherte sie mir zu, „Bleib wo du bist.“
„Okay“, mehr brachte ich nicht heraus, da der nächste Schub sich ankündigte. Er baute sich auf wie eine Welle: Der Anfang war halb so wild, doch innerhalb von kürzester Zeit wurden die Krämpfe immer schlimmer, bis ich das Gefühl hatte, mein Bauch würde gleich in tausend Teile zerspringen.
Während ich mein Telefon zurück zur Ladestation brachte, suchte ich im Schlafzimmer nach der Tasche, die ich vor zwei Tagen gepackt hatte, schlüpfte in die einfachsten Schuhe die ich besaß und zog mir einen Mantel über.
Schließlich machte ich mich auf den Weg nach unten – mit dem Aufzug, wie meine Hebamme es mir empfohlen hatte.
Keine zehn Minuten später stolperte sie auch schon durch den Regen in die Lobby auf mich zu. „Alles in Ordnung?“
„Nein“, gab ich kurz angebunden zurück, „Nicht wirklich.“
„Gib mir deine Tasche“, sie lächelte mich aufmunternd an und deutete zur Tür. „Ich hab schon ein Taxi gerufen.“
„Danke“, ich konnte vor Schmerzen nur noch gekrümmt gehen. Irgendetwas in mir drückte ununterbrochen nach unten.
Als wir in das Taxi einstiegen, stützte ich meinen Unterleib mit beiden Händen, während Anne, meine Hebamme, mein Gepäck im Kofferraum verstaute.
„London Bridge Hospital“, war alles, was ich herausbrachte, und der Fahrer nickte. Sobald Anne neben mir saß, brachte er den Wagen in Gang und steuerte das Krankenhaus an, das ich ihm genannt hatte.
Eigentlich hätte die Fahrt nicht sonderlich lange gedauert, wenn in London nicht immer so viel Verkehr gewesen wäre.
„Wir hätten die Bahn nehmen sollen“, keuchte ich, doch Anne schüttelte den Kopf.
„Wir sind gleich da.“
Im Nachhinein konnte ich gar nicht mehr sagen, wie lange die Fahrt tatsächlich gedauert hatte, aber das war für mich auch nicht wirklich entscheidend wichtig gewesen, als Anne den Taxifahrer bezahlte und wir schließlich das Krankenhaus betraten.
Schnellstmöglich brachte sie mich daraufhin zu meiner Ärztin, die mich anwies, mich auf einer Liege niederzulassen, damit sie sich das Ganze ansehen konnte.
„Was soll ich sagen?“, sie lächelte mich an, als wären diese Schmerzen etwas Gutes. „Sie haben Wehen.“
„Was sie nicht sagen“, der Sarkasmus in meiner Stimme war deutlich zu erkennen, „Du dieser Erkenntnis bin ich auch schon gekommen.“
Sie ignorierte meine Unfreundlichkeit und lächelte mich weiterhin an.
„Möchten sie sich in eine Badewanne legen?“
„Nein“, gab ich bissig zurück, während der nächste Schub Wehen kam, obwohl der letzte erst ein paar Minuten her war.
„In Ordnung“, sie schaltete den Bildschirm wieder aus und zeigte mit ihrem Daumen auf die Tür. „Können sie aufstehen?“
„Ich glaube schon.“
„Dann bringe ich sie jetzt in den Kreissaal.“
Ich nickte ihr zu und folgte ihr zwei Räume weiter. Ich erinnerte mich daran, diesen Raum bei meiner Besichtigung der Entbindungsstation bereits gesehen zu haben. Er hatte sich nicht wirklich verändert, mit der Ausnahme, dass es nun mitten in der Nacht war, und nicht Vormittag.
„Bis die Geburt richtig beginnt können sie sich mit gespreizten Knien auf einen Stapel Kissen lehnen“, schlug sie vor, doch ich schüttelte nur wortlos meinen Kopf. Ich konnte nicht mehr sprechen, da die nächste Wehe sich schon ankündigte.
Ich stützte mich auf einem kleinen Schrank ab und schrie kurz auf, während ich versuchte meinen Bauch zu stützten.
„Legen sie sich hin, Anne kommt sofort zurück“, geduldig wies meine Ärztin mich zu der Liege, die in dem Raum stand. „Soll ich ein Fenster öffnen?“
Ich nickte nur kurz, weil ich glaubte, dass frische Luft mir vielleicht gut tun würde. „Das kam alles so plötzlich.“
„Das kann passieren“, ihre Stimme wirkte sehr beruhigend auf mich. „Das ist von Frau zu Frau unterschiedlich.“
„Mir ist so übel“, langsam fühlte ich, die die Wehe ihren Höhepunkt erreichte. Es war kaum auszuhalten – diese Schmerzen waren mit nichts Anderem zu vergleichen.
„Müssen sie sich übergeben?“
„Ich weiß es nicht“, presste ich hervor, während Anne den Raum betrat.
Schließlich brachte meine Ärztin mir einige Schalen, die aus Pappe bestanden. „Wenn sie sich übergeben müssen, versuchen sie die Schale zu treffen.“
Ich nickte, zum Zeichen, dass ich verstanden hatte. Sprechen fiel mir allerdings immer schwerer, dafür waren diese Schmerzen viel zu stark.
„Das tut so weh“, schrie ich auf, ohne es wirklich kontrollieren zu können.
„Möchtest du ein Schmerzmittel verabreicht bekommen? Das kann die Schmerzen während der Wehen lindern“, ich öffnete meine Augen nicht, aber ich glaubte, dass sie lächelte.
Trotz allem schüttelte ich meinen Kopf. Obwohl diese Schmerzen kaum auszuhalten waren, wollte ich mir dieses Erlebnis nicht entgehen lassen. Ich wollte mein Kind so bekommen, wie ich es ohne irgendwelche Zusätze auch tun würde.
In den nächsten zwei Stunden wurden die Abstände zwischen den Wehen so kurz, dass ich dazwischen kaum noch Zeit zum Atmen hatte. Da war dieses Gefühl, ganz dringend zur Toilette zu müssen, so dringend, dass man gar keine andere Wahl hatte als zu pressen – aber da kam einfach nichts.
Dieser Pressdrang war allerdings nicht zu unterdrücken. Es war einfach unmöglich, ihn zu unterdrücken.
„Du machst das wirklich gut“, hörte ich Anne's beruhigende Stimme neben mir, doch ich beachtete sie gar nicht.
Hitze stieg in mir auf, von den Fußsohlen bis zum Kopf.
Tränen flossen über meine Wangen, ich atmete nicht mehr. Mein ganzer Körper zitterte.
Ich war so sehr damit beschäftigt, den Anforderungen meiner Hebamme zu folgen, dass ich gar nicht bemerkte, dass jemand zur Tür hereinkam.
Mir war so unendlich übel, dass ich reflexartig nach einer Brechschale griff und mich übergeben musste, während ich spürte, wie der Schweiß förmlich durch alle Poren nach außen drang.
„Ich kann nicht mehr“, keuchte ich, woraufhin Anne mir mit einem Handtuch die Stirn abtupfte.
Kurze Zeit später hörte ich, wie noch jemand neben die Liege trat. Zuerst glaubte ich, es wäre meine Ärztin gewesen, als ich meinen Kopf jedoch nach links drehte, traute ich meinen Augen nicht.
Nein, das musste ich mir doch einbilden.
Und genau weil das nicht sein konnte, nahm ich diese Erscheinung nicht ernst.
Ich spürte ganz deutlich, dass der Kopf sich den weg nach draußen bahnte.
„Ich kann den Kopf sehen!“, Anne griff beruhigend nach meiner Hand, während jemand anders mir mit dem Handtuch die Stirn abtupfte.
Während die Wehe abklang, wurde mir erneut so übel, dass ich mich übergeben musste – kurz danach allerdings setzte die nächste Wehe bereits ein.
Ich drehte meinen Kopf nach links, nach rechts, und wieder nach links – und öffnete meine Augen.
Verdammt, er stand da noch immer. Und er war es, der mir mit dem Handtuch die Stirn abtupfte.
Ich bildete mir das doch nur ein – oder?
Er stand nicht wirklich neben mir.
Aber es sah so real aus, so wirklich.
Als stünde er tatsächlich dort.
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