Kapitel 8.
Alrik
"Du bist Sayurie nicht?"
Ihr Kopf schoss zu mir. Der Schal der leicht um ihre Schulter hing und etwas von ihrem Gesicht verbarg verrutschte und gab mir einen noch besseren Blick auf ihre sanften Gesichtszüge, die zu einer genervten Grimasse verzogen waren.
Ich lehnte noch immer leicht an der Wand des Schiffes an und versuchte verzweifelt mich ruhig zu geben. Ich hatte noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass wenn ich mich locker gab sie mich nicht einfach ignorieren würden.
Sie lief zu mir rüber und lehnte sich ebenfalls gegen die Wand. Ein erschöpfter Seufzer verließ ihre Lippen als sie ihren Kopf gegen die Wand sinken ließ, ihre Wangen waren leicht gerötet und noch immer befand sich eine kleine Falte über ihrer Stirn die von ihrem verzogenen Gesicht herrührte.
Das Gespräch mit Sturmhund schien wohl nicht gut gelaufen zu sein. Eine unangenehme Stille breitete sich über uns aus die genauso angenehm war, wie das Kratzen einer Tafel. „Ich bin übrigens Alrik." Meine Stimme klang sehr schmal und es wunderte mich, dass es überhaupt jemand gehört hatte, doch sie drehten ihren Kopf zu mir rüber und gab mir einen belustigten Blick der wohl so viel bedeutete wie „Ich weiß". Innerlich klatschte ich mir gegen die Stirn, natürlich wusste sie das. Ich räusperte mich und versuchte einfach ein Gespräch ins Rollen zu bringen. „Du sollst mich also zu meiner Kabine bringen?" Selbst in meinen Ohren hörte ich mich nervig an.
Ihre Augen glitzerten mit Schalk als sie höflich nickte und mich mit einer Handbewegung bat weiter zu gehen. Etwas was mir auch vorher aufgefallen war, als ich mit ihr durch die dunklen Gassen gelaufen war, ihre Füße machten keinerlei Geräusche unter den Holzdielen des Schiffes, es war fast als ob sie über die Luft laufen würde. Als ich noch klein war hatte mir mein Vater viel vorgelesen, eine dieser Geschichten handelten von einem wunderschönen Waldgeist der nur über Nebelschwaden tanzte. Sollte sie jemals den echten Boden berühren würde sie zu tausenden von abertausenden Regentropfen verrinnen. Eines Tages verliebte sich der Geist in einen Jäger und folgte ihm durch den Sumpf den sie ihre Heimat nannte. Sie war so im Bann des jungen Mannes gefangen gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte wie sie aus dem Nebel getreten war. In dem Moment in dem ihr Fuß festen Boden berührte verflüssigte sie sich zu einer kleinen Pfütze.
Vielleicht war ja auch Sayurie ein solcher Geist und in dem Moment in dem sie den Boden berührte würde sie sich vor meinen Augen auflösen. Das Aussehen für solch eine mystische Kreatur hatte sie ja schonmal.
Ein kühler Wind riss mich aus meiner albernen Überlegung und automatisch zog ich mir meinen durchlöcherten Mantel enger um die Schultern, auch Sayurie richtete ihren Schal wieder, der locker um ihre Form lag. Die Luft hier oben war sehr dünn und kalt, ich konnte mir gar nicht richtig vorstellen Monate auf solch einem Schiff zu verbringen.
Ich folgte Sayurie in Richtung Reling, wo sie ihren Kopf auf eben jene legte und keine Eile der Welt zeigte mich zu meiner Kabine zu bringen. Ruhig stellte ich mich neben sie und sah nach unten auf die dunklen tobenden Wellen, die so hoch wie Häuser waren und die Seefahrt unmöglich machten.
Ein Schnarchen war über unseren Köpfen zu hören von einem Crewmitglied welches wohl auf seiner Wache eingeschlafen war. „Sollte der nicht wach sein?" Wand ich mich an sie und blickt auf den hohen Ausguck. Ohne ihren Blick von dem schwarzen Nachthimmel zu nehmen bewegten sich ihre Hände und machten komische Gesten. Nervös versuchte ich diese zu deuten, konnte sie jedoch einfach nicht mit irgendetwas in Verbindung bringen.
„Kannst du das nochmal wiederholen?"
Ich sah wie ihr zuvor entspannter Körper sofort gerade wie Draht wurde und eine pinke Röte ihren Hals hinauf wanderte. Ihre Augen wanderten zu ihren Händen bevor sie beschämt auf den Boden blickte. Sie kramte verlegen etwas aus ihrer Tasche heraus was ich als einen Stift und einen Fetzen Papier erkannte. Kratzend flog der Stift über das Pergament von schlechter Qualität.
(Ich nehme an du kannst keine Zeichensprache?) Stand feinsäuberlich darauf geschrieben. Meine Gouvernante hätte wohl ihre ewige Seele als Opfer gegeben, hätte ich in solch feiner Schrift schreiben können.
Das war also Zeichensprache? Ich fragte mich ob sie wohl oft vergaß, dass die Leute sie nicht verstehen konnten. Ich schüttelte darüber nur verlegen meinen Kopf. „Ich fürchte nicht." Stammelte ich hervor. Sie nickte nur und ruhte ihren Kopf wieder auf das Holz der Reling, während ich sie verhalten von der Seite aus musterte. Wo sie wohl her kam? Noch immer konnte ich ihr Aussehen mit keines der mir bekannten Länder in Verbindung bringen. Um jedoch fair zu bleiben war ich noch nie in einem anderen Land außer Awerina und das letzte Mal, als ich aus dem Schloss kam das musste vor zwölf Jahren gewesen sein. Nach diesem einem Tag, war es mir nichtmehr erlaubt gewesen......
Ich schüttelte meinen Kopf, als wolle ich die Erinnerungen somit vertreiben und mich wieder ins hier und jetzt katapultieren. Das schwarze Haar meiner Begleiterin wehte derweilen sanft in der kühlen Brise. „Aber ich könnte es ja lernen." In dem Moment in dem meine Worte meine Lippen verließen wünschte ich, ich könnte sie mit einem Netz oder einem Kescher wieder einfangen. Doch es war zu spät die Worte waren in der Nachtluft und hingen schwer zwischen uns. (Du möchtest Zeichensprache lernen?) Kratzte ihr Stift über das morsche Papier. Ich sollte einfach nein sagen. Ich sage ihr nein, das war nur ein Scherz. „Ja klar wieso nicht." Nein hör auf zu sprechen oder ich schneide dir ebenfalls die Zunge raus! Dann kannst du meinetwegen Zeichensprache lernen! Schrie mich meine Innerestimme an. „Es wäre schön jemand andern kennen zu lernen und sich zu unterhalten." Sei endlich still!
Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. Sie machte sich bestimmt über mich lustig, verdammt ich würde mich über mich lustig machen. (Wer sagt denn, dass ich es dir beibringen möchte?) Ich beobachteter sie mit meinen grünen Augen. War es möglich sarkastisch zu schreiben? Denn wenn ja, ich denke ich habe so eben den Meister gefunden. „Nun ja dein Verlust, man hat mir gesagt ich wäre ein sehr angenehmer Schüler." Sie hob keck eine ihrer fein geschwungenen Augenbrauen und sah mich mit ihrem Bernstein Blick an.
(Ach ja und wer hat dir das gesagt?) Ja definitiv die Meisterin. „Meine Lehrer." (Hat ihnen vielleicht jemand Geld zu geschoben?) Ich lachte gespielt empört auf. „Nicht das ich wüsste." Mit ihrem Finger schnippend, als ob sie soeben die Antwort auf alles heraus gefunden hätte lehnte sie sich mit der Hüfte an. (Na da haben wir ja die Antwort.) Ob es ihr wohl Spaß machte mich zu necken? Vielleicht fand sie unser Gespräch ja genauso ansprechend wie ich. „Wärst du trotzdem so freundlich?" (Nun gut, ich kann dir versuchen die Grundlagen beizubringen, aber ich verspreche nichts.) Ich versuchte mich genauso locker wie sie an die Reling anzulehnen, bezweifelte jedoch, dass es einigermaßen lässig aussah. „Mehr verlange ich auch nicht." (Hoffen wir nur mal, dass ich dich nicht aus Frust das Schiff hinunterwerfe.) Ich folgte ihrem Blick den langen Weg nach unten und lauschte dem lauten Brechen der Wellen. Dies war kein Platz für Leute mit Höhenangst, es wunderte mich also, dass ich noch immer stehen konnte ohne in Ohnmacht zu fallen. Vielleicht half aber auch die Präsenz des hübschen Mädchens, vor dem ich mich nicht noch mehr zum Affen machen wollte, als ohnehin schon. „Das würde mich vermutlich mehr schmerzen zubereiten, als eine schlechte Beurteilung." Sie lachte oder wie auch immer man das komische Geräusch aus ihrer Kehle nennen konnte. Konnten Menschen ohne Zunge überhaupt richtig lachen? (Schlafe beruhigt, sollte ich dich hinunter werfen würde mich Sturmhund gleich mit schiecken. Er hängt sehr an seinen Münzen.) Wenn meine Laune Minute zuvor noch auf einer Höhe war, so sank sie nun bei der Erwähnung dieses Diebes in den Keller. „Darf dir eine Frage stellen?" (Tust du das nicht schon?) „Nun gut, darf ich dir noch eine Frage stellen?" Sie musterte mich neugierig und ich kam nicht umhin zu beobachten, dass sie einfach nicht aussah als ob sie eine schlechte Ader an sich hätte. Sie sah nicht aus wie jemand der Schiffe überfiel und illegale Ware schmuggelte. Sie sah eher aus wie die Tochter einer Näherin, oder vielleicht eines Fischers. „Was tut ein Mädchen wie du, bei so einem wie ihm?" Sie hob eine Augenbraue, der Schalk war ihr ständiger Begleiter. (Ein Mädchen wie ich?) „Na du weißt schon...nun gut vermutlich weißt du s nicht ansonsten würdest du nicht fragen. Du scheinst mir nicht die Art Mensch zu sein, die Freude und Profit am Leid der anderen zieht." Brabbelte ich vor mich hin und hoffte sie konnte irgendwas von meinem Unsinn verstehen.
(Danke.) Schrieb sie auf das Blatt. Das Wort welches mit einem schwarzen Stift geschrieben worden war hob sich von seinem blassen Hintergrund ab. Danke, doch wofür? (Die Wahrheit jedoch ist, dass ich froh bin hier zu sein.) Überrascht sah ich auf die junge Frau, die ich wohl ziemlich falsch eingeschätzt hatte. „Oh" ( Denn die Alternative wäre viel schlimmer.) Das Blatt war nun fast vollständig überfüllt und ihre Augen, die zuvor noch amüsiert geleuchtet haben sahen glasig aus und starrten weit in die Ferne, als ob sie etwas sehen könnten, was nur für sie bestimmt war. „Was wäre die Alternative?" Fragte ich vorsichtig nach. Doch ich hätte auch flüstern können. Augenblicklich blinzelte sie einige Male, als ob sie gerade aus einem Traum erwachte und blickte zu Boden. ( Ich habe genug für heute, sagen wir es so, ich bin dankbar, dass ich diesem ekelhaften Land mit seinen verächtlichen Bürgern entkommen bin.) Damit drückte sie sich von der Reling weg. Dieses ekelhafte Land mit seinen verächtlichen Bürgern. Was sie wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass ich der Prinz dieses Landes war. Ob sie mich dann wirklich die Reling hinunterwerfen würde?
(Komm es wird spät ich führe dich zu deiner Kabine.) Sie drückte mir beim vorbeilaufen das Blatt in meine Hand und führte mich in einen schmalen Gang mit vielen Türen. Vor einer dieser Türen blieb sie stehen und wartete bis ich mit ihr aufgeschlossen hatte. Als ich neben ihr zum Stehen kam, lief sie einfach an mir vorbei ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Es war beinahe so, als ob das ganze Gespräch zwischen uns nie stattgefunden hätte und alles nur eine Einbildung meines verwirrten Geistes war. Ich sah ihrer Gestalt hinter her bis sie auf dem finsteren Deck verschwunden war. Sie sah in dem fahlen Mondschein wirklich aus wie eine Erscheinung oder ein Geist
„Gute Nacht Sayurie." Murmelte ich, doch Geister gaben nun mal keine Antwort.
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