Kapitel 34.
Sayurie
Die Tür schwang endgültig auf, das morsche Holz ächzte unter der Bewegung und gab uns den Blick auf eine riesige Unterirdische Höhle frei. Stimmen und Gelächter drangen an unsere Ohren und ein aufgeregtes Treiben fand unter uns statt. Viele natürliche Brücken aus Stein und menschengemachte aus Holz verbanden die verschiedenen Etagen. Ich versuchte von unter dem Vorsprung unter dem wir noch standen auf die Decke zu starren, doch hinderte mich das viele Gestein daran auch nur das Ausmaß der Höhle zu sehen. Neben uns in einem regelmäßigen Abstand befanden sich Laternen mit kühlem grünlichem Licht, welches gespenstige Schatten von uns warf. Doch die Höhle an sich war nicht das was mich am meisten beeindruckte. Nein etwas was wirklich meine Kinnlade nach unten klappen ließ waren drei große Flottenschiffe, die im Inneren der Höhle ruhten. Ihre großen Ballons auf denen noch immer nicht das Wappen von Awerina entfernt war von wo sie ganz ein deutlich gestohlen wurden, hingen ohne heiße Luft schlapp auf dem Boden, damit sie nicht wegflogen.
Hinter mir konnte ich aufgeregtes Murmeln hören, welches deutlich von meiner Crew aus kam. Ein Paar von ihnen schienen froh zu sein, endlich beim Wiederstand angekommen zu sein. Andere wiederum beäugten die große Höhle und die Leute darin missmutig. Ich kannte nur die wenigsten von ihnen beim Namen, aber ich war mir sicher, dass mindestens ein Paar aus Awerina stammten. Ob diese Leute noch unter uns waren konnte ich jedoch nicht sagen, ich hatte mir nie die Mühe gemacht ihre Gesichter zu merken. Ein Fehler, wenn ich jetzt daran zurückdenke. „Schick." Hörte ich Sturmhund neben mir pfeifen, als er weiter in die Höhle schlenderte, so als ob er den Ort schon hundert Mal betreten hätte. Ich beobachtete ihn währenddessen und konnte mir nicht helfen, als an unser Gespräch zurückzudenken. Als ich seine Hände anfassen wollte schien in seinen Augen eine Panik ausgebrochen zu sein, die ich von ihm nicht kannte. Ob das wohl der richtige Sturmhund gewesen war? Ob dieser arrogante Mann, der vor nichts und Niemanden Angst zu haben schien wohl nur eine seiner vielen Masken war? Kannte ich den richtigen Sturmhund überhaupt?
„Willkommen im Loch!" Rief die Schützin aus. Ich konnte mir einen kleinen belustigten Glugser nicht zurückhalten, als ich den Namen der Höhle hörte. Auch Sturmhund grinste amüsiert über den Namen. „Sehr charmant." Betitelte er es. Die Frau, deren Namen wir noch immer nicht kannten gesellte sich neben ihm. Schulterzuckend antwortete sie. „Warum diese Grotte mit einem extravaganten Namen ausschmücken? Wir mögen es hier, wenn man die Dinge einfach beim Namen nennt." Ein Glitzern in Sturmhunds Augen leuchtete auf, etwas was ich über die vielen Jahre über gelernt habe, nur Ärger bedeuten konnte. „Dann werden sie es doch bestimmt auch mögen liebe Freundin, wenn ich ihnen sage, dass sie mit ihren drei mickrigen Schiffen nicht mal genug anrichten werden, dass jemand in der Hauptstadt auch nur Notiz davon nimmt." Wenn die Frau von Sturmhunds Worten gekränkt war, so zeigte sie es nicht. Sie lächelte lediglich mit ihren vollen Lippen und sagte. „Sie wären überrascht mein Freund." Dann drehte sie sich zu mir und einen kurzen Moment konnte ich in ihre schönen Augen blicken. „Habt ihr nicht von einer Überraschung gesprochen? Wer weiß, vielleicht wird die ja unseren drei mickrigen Schiffen zur Hilfe kommen."
War es möglich, dass wir soeben die weibliche Version von Sturmhund gefunden hatten? Wenn dem so ist, würde ich diese Höhle sehr gerne wieder verlassen, denn ich denke nicht, dass meine Nerven dies ertragen würden. Sturmhund stimmte in ihr Spiel mit ein, so wie er es immer tat und winkte mich nach vorne. „Meine liebe Sayurie." Fing er an. „Wärst du so nett unseren Gast zu holen? Diese bezaubernde Dame möchte ihn gerne kennenlernen." Ich blickte ihm finster entgegen, auch wenn ich nicht so recht wusste wieso. Ich hatte schließlich geahnt, dass er Alrik benutzen würde, ich hatte es ihm sogar vorgeschlagen. Doch irgendwie hatte ein kleiner Teil von mir gehofft er würde es nicht tun. Der kleine Teil in mir, der noch immer die unendlichen Tiefen des Luftmeeres hinabstürzte und dessen Leben von dem verpeilten Jungen mit den roten Haaren gerettet wurde, hoffte die Dinge würden für den Prinzen gut ausgehen. Hätte man mir vor ein Paar Wochen erzählt, dass ich den Kronprinzen von Awerina retten würde, vermutlich hätte ich der Person ein blaues Auge geschlagen. Aber jetzt wann immer ich einen Blick auf seine gekrümmte Form erhaschte, konnte ich ihn einfach nicht als Prinzen erkennen. Für mich war er einfach Alrik, der junge Magier der keine Ahnung vom echten Leben hatte.
Auch jetzt lehnte er niedergeschlagen an der Ecke des schmalen Ganges. Sein Haar war etwas länger als an dem Tag an dem wir uns das erste Mal begegnet waren und er selbst war mit einer dicken Schicht von Dreck überzogen. Selbst seine Augen, die davor noch mit Tatendrang geleuchtet hatten wurden nun von einem getrübten Schleier umgeben. Er hatte mein Leben gerettet, ich im Gegenzug das seine, wir waren quitt. Jedoch fühlte ich noch immer den Wünsch ihm zu helfen, es hatte nichts mit einer Schuld zu tun. Vielleicht in einem anderen Leben wo ich nicht ich gewesen wäre und er nicht ein Prinz, vielleicht hätten wir so etwas wie Freunde werden können. Doch ich war nun mal Sayurie, eine ehemalige schweigende Schwester, die nicht vergeben konnte und er war nun mal der Prinz des Landes, welches mein ganzes Leid verursacht hatte. Es war unfair von mir, das war mir schon klar. Als man meine Familie abschlachtete und mich fortbrachte, da musste er genauso alt wie ich gewesen sein. Ihn befiel keine Schuld und trotzdem konnte ich dieses Bild nicht aus meinem Schädel verbannen. Es war wie eine Zecke, welche sich fest an mich gesaugt hatte und alle guten Erinnerungen und Vernunft aus mir heraussog.
(Komm mit.) Wies ich ihn an. Er sah für einen kurzen Moment auf meine Hände und ich befürchtete schon, dass er nicht wusste was ich von ihm wollte. Schließlich hatte er nur einige Tage geübt, doch er überraschte mich. Nickend stieß er sich von der Wand ab, seine Hände waren noch immer hinter seinem Rücken zusammengebunden. Dort wo die Schlingen befestigt waren konnte ich rote Kreise erkennen die durch das Reiben entstanden waren, sie sahen schmerzhaft aus, doch ich konnte sie ihm nicht abnehmen.
Stillschweigend schob ich ihn nach vorne, hier und da spürte ich seinen Blick auf mir, als wolle er sicher gehen ich wäre noch hinter ihm. Zögerlich hob ich meinen Kopf um seinen Blick zu begegnen, seine grünen Augen brannten sich in die meinen. Angst leuchtete darin wie eine Laterne in der tiefsten Nacht. Ich nickte ihm zu, ob ihm Mut zugeben oder mich von ihm zu verabschieden war ich mir nicht sicher. Doch egal was es war, es veranlasste ihn dazu mich zu mustern als ob er sich jede Kontur und noch so jede Unebenheit meines Gesichtes zu merken. „Da ist er ja!" Riss mich Sturmhunds Stimme aus meinen Gedanken. Unsere Blicke lösten sich voneinander und der Moment war vorbei. Die Anführerin des Wiederstands lief ein paar Schritte auf Alrik zu, ihre Gesichtszüge verzogen sich dabei und ließen einen fragenden Blick zurück. „Wer ist er?" Ihre Hand legte sich auf Alriks Gesicht um dieses genauer unter die Lupe zu nehmen. Doch ihre Augen zeigten keinen Funken der Erkenntnis. Es überraschte mich nicht, nur die wenigsten wussten wie der Kronprinz aussah. Sogar so wenige, dass er einfach durch dir Unterstadt seines eigenen Kapitols laufen konnte um nach einer Überfahrt zum Wiederstand zu fragen. Jetzt wo er an seinem Ziel angekommen war erkannte ihn Niemand. Ich wusste nicht ob es etwas zum lachen oder weinen war. „Nun, wie wäre es, wenn wir uns in einen etwas privateren Raum zurückziehen und ich stelle euch zwei vor." Schlug Sturmhund vor und zog Alrik etwas grob in seine Richtung. Dieser sah ihn mit mörderischen Augen an. Die Frau sah die zwei komischen Vögel genau an. Misstrauen funkelte in ihrem Blick, doch ihre Neugierde schien größer zu sein. Sie wand sich an den Mann der bis vorhin neben mir marschiert war. „Sollte Hotaru zurückkommen, sag ihr ich bin im Z." Hotaru? Ein allgemeiner Name in Katerin, ob wohl einer meiner Landsmänner sich hier befand? Ich ließ meinen Blick durch die Menge schweifen. Jeder dieser Leute sah anders aus und schien aus verschiedenen Teilen des Kontinents zu stammen, jedoch konnte ich Niemanden erkennen der auch nur aus der Nähe von Katerin stammen könnte. Es war auch ein Land welches etwas abgelegen war. Es war sehr groß, doch bewegten sich viele noch immer mit Karawanen durch seine Felder und die Städte, wenn es überhaupt welche gab waren sie sehr weit verteilt. Hier und dort gab es mal ein Dorf oder zwei aber sonst war Katerin eine weite Fläche von Land. Es war ein Land bei welchem Awerina nicht viele Gefangene gemacht hatte, dies hatte ich mit eigenen Augen miterlebt.
„Nun sollen wir gehen? Eure Crew kann sich derweilen ja in einem unserer Räume ausruhen." Mein Geist kam wieder im hier und jetzt an, als ich einen Arm spürte, der mich weg von Alrik und Sturmhund zog. Den anderen ging es genauso. Dies war keine freundliche Bitte gewesen, sondern eher ein gutgemeinter Befehl. „Halt, sie nicht." Schnitt Sturmhunds Stimme durch die Höhle. „Ich würde die Sache aber lieber privat besprechen." Meldete sich die Schützin. „Glaubt mir, sie wird kein Wort über unserer Konversation verlieren." Der Griff um meinen Arm wurde lockerer, als die Frau dem Soldaten zu nickte und dieser mich daraufhin gehen ließ. Mit schnellen Schritten eilte ich zu meinem Captain. „Nun denn, folgt mir."
Während des ganzen Weges über konnte ich nicht anders, als immer wieder erstaunt die Höhle zu mustern. Sie musste unglaubliche Ausmaße haben. Es war ein Wunder, dass sie noch nicht entdeckt worden war. Alrik neben mir starrte den ganzen Weg über auf seine Füße, während ich Sturmhunds amüsierten Blick auf mir spürte. Er hatte wohl gesehen wie ich mit großen Augen die Umgebung um uns herum aufgenommen hatte. „Hier wären wir." Verkündete die Frau und schob uns in einen Höhlenspalt vor dem Jemand ein Brett angebracht hatte, welches wohl als Tür dienen sollte.
Jetzt verstand ich warum man diesen Ort Z nannte. Der ganze Raum ging gezackt in die Länge, was ihm das Aussehen eines Z gab. Es war ein skurriler Ort für eine skurrile Unterhalter zweier skurriler Leute. „Also?" Fragte die Frau, die Ungeduld in ihrer Stimme ließ sie etwas höher sprechen. „Wer ist er." Sturmhund breitete die Arme aus und gab eine einladende Bewegung in Richtung von Alrik. „Nun meine gute Dame darf ich vorstellen-„ Doch er kam nicht dazu seinen Satz auszusprechen und so die große Enthüllung preiszugeben. Die Tür oder das Brett, wie man es nahm wurde laut geöffnet. Eine zierliche Frau mit schwarzen Haaren kam wütend wie ein Rammbock in den Raum hineingestürmt. „Zoyla!" Rief sie wutentbrannt und meinte damit wohl die Schützin. „Hotaru!" Rief diese freudig aus, als ob die Augen der schwarzhaarigen Frau nicht nach einem Mord schrien. „Was fällt dir ein ohne mit uns irgendetwas abzusprechen Fremde einzulassen." „Nun-„ Begann Zoyla, doch hörte die furiose Frau ihr schon garnichtmehr zu. Sie drehte sich zu uns um und öffnete ihren schmalen Mund um uns eine Predig zu geben, da trafen sich unsere zwei Augenpaare, die so ziemlich identisch waren. Was auch immer Hotaru sagen wollte, bei meinem Anblick blieben ihr die Worte im Hals stecken. Ich hatte recht behalten, sie sah tatsächlich aus wie jemand der aus Katerin stammte, sogar wie jemand der aus dem südlichen Teil kommen könnte wie ich. Ja sie hatte jedenfalls etwas Vertrautes an sich. Auch sie musterte mich und ich sah wie ihr Gesicht weiß wie Schnee wurde. „Sayurie?" Fragte sie in einer Stimme, die auch nur ein Hauch hätte sein könnte. Ich knitterte meine Brauen zusammen. Woher kannte diese Frau mich? „Ich bins Hotaru!" Hotaru? Vielleicht lag es daran, dass ich sie schon zwölf Jahre nicht gesehen hatte, vielleicht hatte ich aber auch schon jegliche Hoffnung aufgegeben jemals jemanden aus meiner Familie lebend wieder zu sehen, doch brauchte mein Geist einige Sekunden, bevor er die Puzzleteile zusammengeführt hatte. „Taru?"
Öffnete sich mein Mund mit einem Namen einer Person, von der ich dachte ich würde sie erst wieder im Tod wiedersehen.
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