(6/3) Auf dem Feld
3. August 1849
Oh, Johnny ... er ist eine so harte Nuss! Aber ich werde sie knacken, denn eine bessere Partie finde ich in ganz Mayo nicht!
Er war tatsächlich da. Ein wenig verspätet, aber wahrscheinlich hatte er abgewartet, bis Moira und Beth zu den anderen zurück gegangen waren. Ich hatte mich absichtlich auf die Sonnenseite des Erntewagens gesetzt, weil ich wusste, die anderen, die dort ebenfalls ihre Pause verbrachten, würden den Schatten nutzen. Nur gesellten sich Moira und Beth zu mir, um ein wenig zu reden, und ich dachte schon, er würde gar nicht mehr kommen. Über den Morgen hatte ich ihn manchmal ganz hinten am Rand des Feldes gesehen und gehofft, er würde zu mir hinüber schauen. Wenn er es getan hat, dann habe ich es nicht bemerkt, ich konnte ja nicht die ganze Zeit hinsehen. Die meisten hier kennen mich. Und ihn sowieso. Morgen noch einmal, dann ist das Feld geschafft. Dann müssen wir uns einen anderen Treffpunkt überlegen.
"Nur morgen noch, dann ist das Feld geschafft." Ich wischte mir den Schweiß über der Oberlippe weg und verscheuchte die Fliegen aus meinem Gesicht. "Ich kann es kaum erwarten, dass wir hier fertig werden. Es scheint, als würde das Feld von Ernte zu Ernte größer."
"Hast du eine Ahnung, was ein großes Feld ist."
Er lachte sein tiefes Lachen und ich stellte mir vor, wie es sein würde, seine Frau zu sein. Es jeden Tag um mich zu haben.
"Aber ist es denn nicht furchtbar groß? Wo gibt es größere Felder als dieses?"
"In Amerika." Er streckte den Arm Richtung Horizont aus. "Da geht jedes einzelne Feld bis an den Himmel heran."
Er wusste so viel! Er reckte stolz die Schultern und ich kicherte über ihn.
"Du redest! Das klingt ja, als wärst du schon dort gewesen!"
"War ich auch. Beinahe jedenfalls."
Ich musste noch mehr lachen. So wie immer, wenn er mit mir sprach. Wahrscheinlich war es die Aufregung. Er war so groß und erwachsen. Ich bewunderte ihn unendlich. Manchmal konnte ich kaum glauben, dass er sich tatsächlich für mich interessierte.
"Du spinnst! Wer beinahe in Amerika war, geht ganz hin. Und bleibt fürs Leben! Du aber bist hier, wie ich sehe."
"Mein Cousin ist dort. Seit dem letzten Jahr schon." Er sagte es so ernst, dass seine braunen Augen noch dunkler wurden. "Er schreibt Briefe nach Hause. Er schreibt von wunderbaren Dingen. Das liest sich, als wäre man selbst dort." Er nickte. "Ich weiß tatsächlich alles über Amerika. Amerika ... das ist das Paradies, Mairi."
Er sprach meinen Namen irisch aus. Wie er es immer tat. Es war verboten! Das würde Stockschläge für uns beide geben. Ängstlich sah ich mich um, aber niemand schien es gehört zu haben. Auf der Schattenseite des Wagens begannen die Arbeiter ein Lied zu singen. "Lass das", flüsterte ich streng. "Ich heiße Mary. Vergiss das Irische."
"Mairi", raunte er dicht an meinem Ohr. "Wenn wir verheiratet sind, nenne ich dich, wie ich will."
Meine Augen mussten sehr groß sein, als ich ihn ansah. So deutlich hatte er es vorher nie gesagt. Mein Herz klopfte bis in meinen Hals hinein und ich wusste nicht, was ich ihm antworten sollte. Stattdessen wurde ich rot, ich spürte es trotz der Hitze.
"Es wäre besser, wenn du etwas dazu sagst, Mairi. Ein Mann kann nicht ewig warten, bis eine Frau sich entscheidet. Ich sage so etwas nicht andauernd zu einem Mädchen. Sie muss schon wissen, was sie will. Ich habe es nicht nötig, mich so anzubieten."
"Aber ich will dich ja heiraten, Johnny. Ich bin nur ... erst fünfzehn. Da weiß man noch nicht so recht, was man zu einem Mann sagen soll."
"Sag einfach ... ja."
Ich musste wieder lachen. Sein Gesicht war ein wenig zu nahe an meinem. Nicht, dass die Leute uns beobachteten ... "Ja", zischte ich halblaut, damit er Ruhe gab. Und noch einmal: "Ja. Ich möchte dich heiraten." Ich rückte von ihm ab und tat, als würde ich mir den Dreck unter den Fingernägeln weg kratzen.
Er sah mich an. Glaubte er mir etwa nicht? Seinen Blick spürte ich wie die stoppeligen Halme unter meinen nackten Waden.
"Du willst - tatsächlich? Nun sag schon. Wie ernst kann ein Mann das Wort eines Mädchens nehmen?"
Ich sah von meinen Fingern auf. "Absolut ernst." Mein Herz klopfte noch wilder als zuvor. Heute kam ich endlich weiter mit ihm.
"Beweise es mir." Er neigte sich zu mir herüber.
"... Nicht hier." Ich wich seinem Mund aus. "Die Leute sehen uns. Ich bin erst fünfzehn."
Er lachte leise. "Das sagst du dauernd. Ich weiß, wie alt du bist. Also wo? Und wann?"
In meinem Kopf ging alles durcheinander. Wenn er mich so drängte, machte es mir beinahe Angst. Aber ich würde ihn lieben, wenn wir erst vertrauter miteinander waren, das wusste ich. Jetzt mochte ich ihn. Ich mochte ihn leiden, seine Schultern, sein Gesicht, die Augen, wie klug er war. Und das er sich so um mich bemühte. Er war ein guter Mann, einer, den sich ein Mädchen nur wünschen konnte, ganz besonders in diesen Zeiten. Er würde für mich, für Mutter, für Maggie sorgen. Nur seine Art war manchmal ein wenig zu viel für mich, aber das lag ganz sicher an mir. Bald würde ich älter werden und da hinein wachsen. Ich durfte nur keinen Fehler machen, ihn nicht verärgern. Er konnte andere Mädchen haben, Ältere. Erfahrenere als mich. Und er sagte ja, er würde nicht allzu lange auf mich warten.
"Am Strand", schlug ich vor, bevor er weiter fragen konnte. Die kleine Bucht war abgeerntet, in nächster Zeit würde es dort keinen Seetang mehr zu sammeln geben. Wir würden allein sein. "Donnerstag Abend. In der Bucht."
Er lächelte breit. "Und wenn du nicht da bist?"
Ich zuckte die Schultern. "Ich werde aber da sein."
Seine Augen verengten sich vor der tief stehenden Sonne. "Und wenn nicht", fragte er noch einmal, nahm seinen Finger und hakte ihn in den Ausschnitt meines Kleides ein. Er zog ihn nach unten, bis es im Nacken zu drücken begann. "Immerhin ... du bist fünfzehn. Wie weiß ich da ..."
"Na und", gab ich zurück und wischte seine Hand weg. "Ich werde auch sechzehn werden. Und siebzehn und achtzehn. Ich werde da sein."
Jemand schlug die alte Bratpfanne. Wir sprangen so schnell vom Boden hoch, dass mir schwindelig wurde. Ich hatte vergessen, meinen leeren Magen mit Wasser zu füllen. "An die Arbeit, ihr Faulpelze", schrie der Aufseher zwischen den Schlägen. Ich glättete meine Röcke mit der einen Hand und stürzte mit der anderen eilig etwas von dem abgestandenen Wasser hinunter, das ich in meiner Flasche mit aufs Feld gebracht hatte. Der harte Ton, mit dem die Kelle auf die Bratpfanne schlug, knallte in meinen Ohren. Es war blanker Hohn, dass unsere Mittagspause, in der wir nichts als Wasser und etwas Schatten genossen, ausgerechnet mit dem Scheppern von rostigem Kochgeschirr eingeläutet und beendet wurde. Aber es war wohl das, worauf tatsächlich jeder reagierte. Und es erreichte auch die entferntesten Ohren.
"Donnerstag in der Bucht", erinnerte Jonathan mich und zwinkerte mir zu. Dann wandte er sich ab. Unauffällig sah ich ihm nach, wie er Richtung Feldrand zu seiner Einsatzgruppe zurück trabte. Der Staub, den er dabei aufwirbelte, verwehte hinter ihm in der heißen Luft.
Ende Teil 34
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