Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

(3/1) Honigfarbiges Glas

... Davy  ... muss ihn finden.


Sie öffnete die Augen. Durch den Stoff der bodenlangen Gardine drang fahles Licht; benommen starrte sie darauf. Unfähig, sich aus den Eindrücken ihres bildreichen Schlafes zu lösen, lag sie still da und blinzelte nur.
Davy ... die Stimme aus ihrem Traum. An ein konkretes Geschehen konnte sie sich diesmal nicht erinnern, alles war verwirrend und verschwommen. Irgendetwas hatte sich mit den altvertrauten Szenen und Abfolgen gemischt. Etwas war neu. Aber das hatte es öfters gegeben, der Traum war nie ganz derselbe.
Sie atmete tief ein und wieder aus, die Augen fielen ihr zu, sie wollte wieder in Schlaf zurück sinken. Einmal geweckt, ließen ihre Gedanken sie jedoch nicht los, sie begannen einen Teil ihres trägen Geistes zu beschäftigen.
Come all ye maidens young and fair ...
Die Stimme im Traum, die Frau, die Davy suchte, sie hatte es gesungen. Es war nicht, was sie sonst sang. Fetzen der Melodie webten durch Emmas Erinnerung. Einen Moment lang war sie versucht, die wenigen Töne zu summen, bevor sie sich in Vergessenheit auflösen würden. Come all ye maidens ... young ... and fair ...

Im Nu saß sie aufrecht im Bett. Der Spruch über dem Kamin. In der Halle.

Shadow Hall.

Sie war in Irland! Und es wurde schon hell. Wie spät war es? Warum hatte man sie nicht geweckt?
Gestern Nacht musste sie so müde gewesen sein, dass sie sich kaum erinnerte, den Weg hier hinauf und ins Bett gefunden zu haben. Nur wenige Eindrücke gab  es da ... Mr. Ò Briain - Hagan - hatte ihr das Zimmer und das angrenzende kleine Bad gezeigt. Bei elektrischem Licht hatte alles ganz anders ausgesehen als jetzt.
Verwundert sah sie sich um. Ihr Zimmer war gemütlich eingerichtet, mit alten, dunkel gebeizten Möbeln. Ein zweitüriger Kleiderschrank war da im Dämmerlicht zu sehen, dazu zwei große Kommoden. Und etwas, das wie eine altmodische Konsole mit Spiegel aussah. Sie hatte tatsächlich eines dieser alten Dinger, an denen früher die Damen des Hauses gesessen und sich frisieren lassen hatten, in ihrem Raum stehen! Schon als sie sechs oder sieben war, hatte sie sich immer gewünscht, in einem Schloss zu leben. Nicht wegen des guten Essens, der schönen Kleider oder irgendeines anderen Luxus, sie wäre auch gerne eine Bedienstete gewesen. Es war ihr um die Atmosphäre gegangen, um die spürbare Geschichte in den alten Räumen und Gängen. Zwischen all den Möbeln und Gegenständen sein zu dürfen, sich vorzustellen, wie Menschen die Zimmer und Säle über die Jahrhunderte bewohnten, wie sie dort lebten und Freude und Leid erfuhren, bis sie im Nebel der Zeit verschwanden und andere und neue Bewohner die alten Mauern bevölkerten ... das war es, was sie schon als Kind fasziniert hatte.

Wo waren eigentlich ihre Sachen? Als sie sich über die Bettkante beugte, entdeckte sie erleichtert ihren roten Koffer. Er stand dort ordentlich an die Wand gerückt und wartete darauf, ausgepackt zu werden. Ihr Handy lag auf der dunklen Kommode auf der anderen Seite des Bettes. Sie musste es gestern Nacht reflexartig ans Ladegerät angeschossen haben. Eine der beiden Steckdosen über der Kommode war frei gewesen, die andere war durch den Stecker einer hübschen Tischlampe besetzt.

Entzückt streckte sie den Arm aus und zog probeweise an dem kurzen Band, das unter der gläsernen Kuppel hervor sah. Wie schön sie war, wenn das Licht durch den wachsgelb getönten Schirm hindurch strahlte! Mit dem Finger fuhr sie durch die dichten Reihen feiner Perlenfransen, die die untere Kante umsäumten. Sie schimmerten honigfarbig und seegrün gegen das warme Licht. Und sie wogten schwer hin und her, bis ihr Gewicht sie wieder zum Stillstand brachte.
In der letzten Zeit war sie von so wenig Schönem umgeben gewesen, da erschien ihr diese alte Lampe nun wie ein Geschenk. Ihr Anblick fütterte ihre ausgehungerte Seele; zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte sie ein Gefühl von Erleichterung und Dankbarkeit. Oh, sie liebte farbiges Glas! Auch, wenn das niemand wissen konnte und wenn ganz sicher alles, was sie hier vorfand, wohl kaum extra für sie eingerichtet worden war: Man hatte ihr dieses Zimmer mit Aufmerksamkeit und Bedacht ausgesucht. Mit einem Lächeln knipste sie die Lampe wieder aus.

Auf der Fensterbank schien es eine zweite derselben Art zu geben; der schattenhafte Umriss und ein mattes Leuchten milchig getönten Glases zeichneten sich durch die weich fallende Gardine ab. Dahinter ging eine blasse, spätherbstliche Sonne auf. Durfte sie nach all dem Regen und der endlosen Reihe grauer Tage heute vielleicht auf ein wenig Sonnenschein hoffen?

Mit einem Sprung war sie aus dem Bett. Über die knarrenden Dielen tapste sie zum Fenster hinüber, schob die Vorhänge beiseite und sah durch die fleckige Scheibe nach draußen. Sie hatte es gehofft: Ihr Zimmer ging nach hinten hinaus. Die Vorstellung, dass man jederzeit beobachten konnte, wann sie in ihrem Zimmer war, wann das Licht brannte oder wann sie schlief, hatte ihr Unbehagen verursacht. Diese Sorge löste sich nun in Luft auf. Im abgewandten Teil des Hauses fühlte sie sich wesentlich privater. Es gab keine Schrägen in diesem Raum und das einzige Fenster hatte hohe Maße; sie musste also in der oberen Etage untergebracht worden sein, aber nicht unter dem Dach. Das war in Ordnung - auch wenn sie sich mit mehr Abstand zum familiären Geschehen noch um einiges wohler gefühlt hätte, zumindest in ihren freien Stunden.

Aber dies war ein altes Haus; wer wusste schon, in welchem Zustand sich das Dach befand. Vielleicht war es feucht und zugig dort oben oder die Wärme staute sich im Sommer. Und ob das Dach überhaupt ausgebaut war, wer konnte das sagen? Dass es dort Fenster gab, hieß noch lange nicht, dass der Dachboden auch zum Wohnen taugte. Viel wahrscheinlicher war wohl, dass man dort eine Menge alter Sachen und Gerümpel aufbewahrte. In einem Haus mit einer so weit zurück reichenden Geschichte war das zu erwarten - da gab es sicher viele Ecken und Winkel, die voll standen mit Dingen, die zu schade zum Wegwerfen waren, für die man aber auch keine Verwendung mehr hatte.

Ein stumpfer Fleck in der Mitte der Scheibe vernebelte ihr die Sicht; neugierig neigte sie sich zur Seite, wo das Glas klarer war. Gelbe und braune Blätter wirbelten durch die Luft; wie auf einer unsichtbaren Bahn segelten sie kreisförmig über dem mit moosigen Polstern bewachsenen Platz. Die alten Bäume da vorne, wie sie im Wind wogten und rauschten! Es war sogar durch das geschlossene Fenster zu hören. Nein, das waren nicht die Bäume. Es war das Meer. Sie konnte nicht sehen, wo die Bäume und Büsche endeten, es mochte ein Wäldchen sein. Oder nur ein kleines Dickicht, das das Grundstück zum Wasser hin abgrenzte. Aber keine Küste war von ihrem Fenster aus zu sehen, kein Meer, das wäre ja auch zu schön gewesen. Und doch war sie ganz sicher es zu hören, wie es gegen die Klippen brauste. Der Traum hatte ihr den Klang der Brandung über die Jahre tief eingeprägt.

Sie wollte mehr sehen. Vorsichtig schob sie die Lampe aus dem Weg und beugte sich vor. Auf der linken Seite, direkt vor den Bäumen, war ein Teil eines niedrigen Gebäudes zu erkennen, ein alter Stall vielleicht. Von dort, wo sie stand, hätte sie eine Kastanie auf das baufällige Dach hinüber werfen können. Da war eine schmale Doppeltür aus wettergegerbtem Holz und es gab einige in die Außenwand eingelassene Ringe. Auf dem ehemals weißen Putz hatte der Rost senkrechte Spuren hinterlassen. Dunkles Moos wucherte die bröckeligen Wände hinauf und in der Dachrinne wuchs struppiges, braunes Farnkraut.

In ihrer Fantasie malte sie sich aus, wie dort unten die Pferde an der Wand standen und gesattelt wurden. Von diesem Zimmer aus musste man sie gehört haben, wenn sie im Stall unruhig wurden. Sie drückte die Stirn an die kalte Scheibe. Rechts gab es wenig zu sehen. Eine mächtige Eibe wuchs dort dicht an einem schattigen Mauervorsprung entlang. Wenn das der Schacht war, der zu dem riesigen Kamin in der Halle gehörte, befand sich ihr Zimmer also links davon - oder das Haus war nur an der Vorderfront symmetrisch und eben angelegt und hier hinten gab es eine Ausweitung der Mauer, einen Vorsprung, der vielleicht einem Treppenhaus gedient haben mochte... Hagan hatte ihr gestern irgendetwas von der Verlegung einer Treppe erzählt. Aber dass es hier hinten eine Treppe zur oberen Etage gab, sollte vor 1820 gewesen sein... Für Jahreszahlen, die sich auf Architektur bezogen, hatte sie immer schon ein gutes Gedächtnis gehabt.

Oh, sie wollte das Haus erkunden! Und Hagans kleinen Sohn kennenlernen, Shay... sie flüsterte den Namen gegen die Scheibe, zwei, drei Mal. Das machte sie oft mit neuen Namen. Um sich hinein zu fühlen. Das alte Glas beschlug und nahm ihr die Sicht. Ohne den Jungen bereits zu kennen hatte sie das Gefühl, sein Name könnte passend sein; Shay... das erinnerte sie an "shy"... schüchtern. Ob es schwierig war, mit ihm in Kontakt zu kommen? Das würde sich bald zeigen. Mit einem Ruck löste sie sich von der Scheibe und wandte sich in den Raum zurück, der nun, da die Vorhänge offen waren, ausgesprochen freundlich wirkte. Das Haus, es war so still. Ob Hagan noch schlief? Und die Haushälterin, vielleicht war sie unterwegs. So sehr Emma auch lauschte, kein geschäftiges Geräusch, keine Stimme verriet die wache Anwesenheit der Bewohner von Shadow Hall. Es war ihr recht, sie hatte gerne noch ein wenig Zeit für sich allein. Um Mut zu sammeln und ihre Gedanken zu ordnen.

Auf kalten Füßen lief sie zu ihrem Koffer hinüber, wuchtete ihn auf das hohe Bett und begann den Inhalt in den alten Schrank zu räumen. Da gab es nicht viel, alles passte mühelos hinein und einige Kleiderbügel und zwei geräumige Fächer blieben sogar frei. Ihren Laptop, das Schreibzeug, ihr Tagebuch und eine Karte von Irland, die sie am Flughafen günstig erstanden hatte, packte sie erst einmal in die leere Kommode am Kopfende des Bettes. Auch Tante Monis Armband mit den Rauchquarzperlen fand dort seinen Platz. Die in einem Secondhand Shop in London gekauften Bücher machten sich wunderbar neben der nostalgischen Lampe; sie verwandelten das fremde Zimmer in etwas Privates, Bewohntes. Hier lebt ab heute eine junge Frau mit einer zu großen Fantasie und mit ausgeprägtem Sinn für Schönes und Altes, dachte Emma und ertappte sich dabei, wie sie sich ernsthaft wohl zu fühlen begann. Beinahe empfand sie so etwas wie Glück - aber mit Eindrücken dieser Sorte musste man vorsichtig sein. Wahrscheinlich täuschte sie ihr Gefühl, da sie gerade aus einer sehr unglücklichen Situation kam, die ihr noch immer ein wenig im Nacken lag. Wer solche Dinge hinter sich hatte, fand ganz sicher alles wunderbar, das nicht so aussah wie das zuletzt Erlebte.
Aber sie konnte hier nicht herum stehen und denken und träumen. Ihr erster Tag in ihrem neuen Job begann. Sie musste sich bald unten sehen lassen.

Entschlossen griff sie nach den Sachen, die sie neben dem Koffer aufs Bett geworfen hatte, und schlüpfte durch die schmale Tür ins Bad. Es war klein, aber es hatte ein Fenster, das zur selben Seite hinaus ging wie das Fenster in ihrem Zimmer. Das Wichtigste an diesem Bad war jedoch, dass sie es mit niemandem teilen musste, hier konnte sie sich ausbreiten. Wenn es auch nur zwei schmale Borde neben dem romantisch verzierten Spiegel gab, so genügten diese für ihre Siebensachen. Zahnbürste und Becher, Deo, Kamm und Haarbänder, auch das wenige Make-up, das sie verwendete, alles fand schnell seinen Platz. Die Toilette hatte einen rustikalen und schweren Holzdeckel. Es gab eine altmodische Strippe mit einer Troddel daran für die Spülung - aber als sie den Deckel anhob, um den Zustand des Klos zu begutachten, befand sie, dass zumindest die Kloschüssel relativ neu sein musste. Sauber war sie und modern in der Form, was ein wenig überraschte bei dem alten Klodeckel. Wahrscheinlich wollte man den altertümlichen Stil des Hauses nicht zerstören und hatte daher nur das Nötigste modernisiert.

Sie fand das charmant. Es wäre schade gewesen, wenn man im und am Haus zu viele Details in einen der aktuellen Zeit entsprechenden Stand versetzt hätte. Es gab warmes Wasser und ein sauberes Klo, dazu ein kleines, bauchiges Waschbecken. Der Spiegel und die verschnörkelten Handtuchhaken waren schwer in die Jahre gekommen, aber auch sie hatte man geputzt, und sie taten ihren Dienst. Das schmale Fenster in der Seitenwand, das sie probeweise öffnete und wieder schloss, war in keinem schlechteren Zustand als die Scheiben und Rahmen in ihrem Zimmer.

Es gab auch eine Dusche, aber die würde sie erst am Abend ausprobieren; jetzt wusch sie sich nur schnell, putzte die Zähne, ging mit dem grob gezinkten Kamm ein paar Male durch ihre Haare und entschied sich spontan, sie offen zu lassen. Ein Zopf würde strenger wirken - und wenn sie ehrlich war, fühlte sie sich mit zurück gekämmten und gebundenen Haaren immer ein wenig schutzlos und nackt. So diente ihre Entscheidung, auf einen Zopf zu verzichten, sozusagen der Entspannung beider Seiten.

Sie hatte wohl kaum mehr als zehn Minuten gebraucht. Einen Augenblick lang nahm sie innerlich Anlauf und sprach sich selbst Mut zu, dann drückte sie die quietschende Klinke herunter, öffnete die Zimmertür und trat hinaus. Ihr Refugium lag an einem winzigen quadratischen Flur, in dem es nichts außer einen Einbauschrank zu sehen gab. Da dieser mit einem metallenen Knauf zu öffnen war und die Tür in etwa dieselbe Größe wie ihre Zimmertür aufwies, hielt sie ihn im ersten Moment für einen Durchgang. Dann jedoch entdeckte sie, dass sich gleich um die Ecke ein langer Gang anschloss. Beherzt folgte sie diesem über knarrende Dielen und gelangte an eine Treppe, die über abgetretene Stufen um mehrere Ecken nach unten führte.


Die Übelkeit überfiel sie so plötzlich, dass sie sich am Geländer festhalten musste. Schweiß bildete sich auf ihrer Nase, ihr war auf einmal sehr kalt. Ihre Sehfähigkeit trübte sich auf eigenartige Weise, die steinernen Stufen schwankten und waberten unter ihren Füßen.
Hatte sie gestern Abend etwas Falsches gegessen? Oder wurde sie krank? Zu wenig Schlaf, zu viel Aufregung? Ein niedriger Zuckerspiegel, entschied sie, presste die Lippen zusammen und atmete durch die Nase ein und wieder aus. Die Stufen ... ihre feste Beschaffenheit schien sich aufzulösen. Es sah aus, als ob sie flossen: wie Wellen bewegten sie sich auf und ab, wurden kürzer und streckten sich wieder, rollten vorwärts, hoben sich ihr entgegen und senkten sich steil ab, während sie ihre Füße Schritt für Schritt weiter hinab zwang. Nur diese Treppe, dann würde es geschafft sein ... Sie hätte oben im Bad wenigstens einen Becher Wasser trinken sollen.

Normalerweise frühstückte sie morgens nicht sofort, sondern trank aus Gewohnheit nur einen Kakao, wenn sie einen bekommen konnte. Es war gut, wenn sie diese Eigenheit heute vernachlässigte und etwas Ordentliches aß. Vorausgesetzt, sie wurde hier auf der Treppe nicht bewusstlos, denn sie fühlte sich von Sekunde zu Sekunde schlechter. Ihre Sicht verschwamm eigenartig, es war, als würden sich Schablonen verschiedener Orte oder Szenarien übereinander schieben. Der Anblick verschmolz zu etwas, das Zeit, Raum und Perspektive spottete, sie ins Absurde führte, und das machte die entsetzliche Übelkeit noch schlimmer.

In ihrer konfusen Wahrnehmung schien das Geländer die einzige Konstante zu sein, darum klammerte sie sich daran, während sie sich eisern Stufe um Stufe hinunter tastete - bis sich auch der Handlauf irgendwie auflöste, in schlangenhafte Bewegungen geriet und ihr Arm, den sie Halt suchend gegen die Wand ausstreckte, für einen kurzen Moment in dieser verschwand. Sie gab einen erschrockenen Laut von sich, beinahe musste sie weinen. Was war nur los mit ihr! Der Rücken war nass von kaltem Schweiß, der ihr bereits in den Bund ihrer Jeans lief, die Hände fühlten sich schwach und eiskalt an. In der grauen Dämmerung des engen Treppenhauses konnte sie kaum den nächsten Meter vor ihren Füßen erkennen, aber irgendetwas sagte ihr, dass sie verloren war, wenn sie jetzt stehen blieb und sich in ihre Hilflosigkeit ergab ... bis es plötzlich besser wurde und sie einen letzten Schritt hinunter und auf festen Boden machte.

Als sie erkannte, dass sie in einer Küche angekommen war, atmete sie erleichtert auf. Das flaue Gefühl in ihrem Magen war noch da, aber ihre Sicht hatte sich wieder normalisiert. Auch der Schwindel, der sie eben noch beinahe nach vorne wegstürzen lassen hatte, war so schnell verschwunden, wie er gekommen war.
Der rautenförmig gemusterte Boden erinnerte sie entfernt an die schachbrettartigen Fliesen in der Halle, nur dass diese hier nicht mehr als die Größe ihres Handtellers hatten. Das strenge Schwarzweiß mit seinen harten Kontrasten brachte ihr einen weiteren Moment dumpfer Übelkeit ein. Wenn sie nicht ganz sicher gewesen wäre, dass sie ihren Kopf nirgends angestoßen hatte, sie hätte auf eine starke Gehirnerschütterung getippt. 

Tief atmend sah sie sich um, konzentrierte sich auf die schönen alten Möbel in der Hoffnung, sich auf diese Weise vielleicht schnell beruhigen zu können. Da gab es mächtige Borde und Einbauschränke, dazu einen gewaltigen Herd, der wohl noch mit Holz befeuert wurde. Wenn man diese Küche überhaupt nutzte. Nach ergebnislosem Herumsuchen in ihren Hosentaschen nahm sie ihren Ärmel, um sich das schweißnasse Gesicht trocken zu wischen. Alles war gut. Sie musste nur einen Augenblick verschnaufen. Nur, bis die Beine zu zittern aufhörten. Dann wollte sie hinaus gehen und nachsehen, ob es hier unten irgendjemand gab, der bereits wach war.

Sie hatte noch den Ärmel ihres Pullis im Gesicht, da erschien ein Schatten in der halb offen stehenden Tür.

"Oh. Guten Morgen, Emma." Hagan wirkte frisch rasiert und ausgeschlafen. "Ich hatte in der Halle gesessen und mit dem Frühstück auf Sie gewartet." Er trat ans Fenster und prüfte die Verriegelung. Die Haut seiner Hand reflektierte das rosige Morgenlicht. Als er sich ihr wieder zuwandte, wirkte er besorgt. "Sie haben nicht so gut geschlafen?"

Ein gekrächztes "doch ..." war alles, was Emma heraus brachte. Ihr "Guten Morgen" konnte sie nirgends unterbringen, dazu fehlten ihr noch Luft und Stimme. Auch war der Moment vorbei, sie hatte es verpatzt. Jetzt hatte sie einen unhöflichen Eindruck hinterlassen. Sie schluckte trocken, riss sich zusammen. Nur nicht heulen, dachte sie und hustete entschuldigend in ihren langen Ärmel.

 Er sah sie prüfend an. Wenn sie auch nur halb so matschig aussah, wie sie sich fühlte, musste ihm das jetzt auffallen.

"Sind Sie erkältet? Ich habe heißen Tee. Drüben in der Halle."

"Oh, das ... ja, den kann ich gebrauchen, vielen Dank." Sie zwang sich ihm ins Gesicht zu sehen, damit er sie nicht für völlig verstockt hielt. "Ein rauer Hals. Seit gestern. Ist aber nicht schlimm, das geht wieder weg."

Unter den zusammen gezogenen Brauen wirkte sein Blick skeptisch. "Eigenartig, dass ich Sie gar nicht herunter kommen gesehen habe."

Sie fühlte sich unwohl. Sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte und war froh, als er weitersprach, ohne ihre Antwort abzuwarten.

"Ich saß dort schon eine knappe Stunde. Bis ich Sie hier hörte und nachsehen ging." Auf einmal glättete sich seine Stirn und er lächelte entschuldigend. "Oh, aber fühlen Sie sich bitte nicht getadelt, so meine ich das nicht. Ich stehe gerne früh auf, aber ich esse später, ich kann warten. Und es ist in Ordnung, dass Sie sich schon einmal umsehen. Das Haus interessiert Sie." Er nickte ihr zu, seine Augen zwinkerten freundlich. "Das freut mich."

"Ich ... ich hatte mich noch gar nicht umgesehen." Das dringende Bedürfnis, sich irgendwo hinzusetzen, überwältigte sie beinahe. "Ich war gerade erst von oben ..." Sie wandte sich um, wollte auf den Treppenaufgang weisen.

Aber da war nichts. Nichts außer einer blanken Wand.

Ende Teil 13


Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro