(1/6) Schwarz
Nur langsam kehrte Emmas Denkfähigkeit zurück. Ihre Hand, die das Bild hielt, zitterte. Es musste möglich sein, das Ganze beim zweiten Hinsehen als Zufall ab zu tun. Es war nur Zufall. Es gab viele alte Häuser dieser Art. Es gab sie überall. Sicher auch in England, denn Holly, sie war in England geboren. Und Kinder ... Kinder malten, was sie sahen. Holly sah Geister, behauptete ihre Großmutter. Das Frösteln, das sie bei dem Gedanken überkam, schob sie auf ihre Müdigkeit und die Kälte im Raum. Das Schwimmen und der lange Tag hatten sie müde gemacht. Vielleicht brütete sie eine Erkältung aus.
Es musste eine Erklärung geben, vorzugsweise eine sachliche, eine vernünftige. Eine, die das, was sie wider Willen zu denken begann, zu einem albernen Witz machte, es vom Tisch und direkt in den Müll fegte. Detail um Detail verglich Emma Zeichnung und Traum. Sie wollte sicher sein, dass sie nichts übersah. Sie wollte die Unterschiede finden, die es geben musste.
Aber Holly machte es ihr schwer. Die beiden Schornsteine, die an den Außenmauern des Hauses entlang wuchsen und sich über dem Dach in jeweils drei kleinere Schornsteine aufteilten, da waren sie. Klar gezeichnet, in allen wesentlichen Details. Sogar die Mauersteine, die an ihnen zu sehen waren, hatte sie einzuzeichnen versucht. Die Linien waren schief und krumm, was zu einem guten Teil den klobigen Wachsmalstiften geschuldet war, aber es sollten eindeutig Mauersteine sein. Und rot waren sie ausgemalt. Dunkelrot. Wie die Schornsteine an dem Haus, das in ihrem Traum vorkam.
Ihr Blick wanderte weiter, sie wollte jedes Detail genau unter die Lupe nehmen. Vier Sprossenfenster waren da links neben der doppelflügeligen Eingangstür, und vier auf der anderen Seite. Und darüber, im ersten Stock, vier weitere in derselben Größe. Und da - die kleineren, nur halbhohen Fenster unterhalb des Daches ... und links das Efeu, das bis auf das Dach hinauf wuchs.
Emma setzte sich gerade auf. Sie hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Da war die beidseitig begehbare Treppe. Wie in den Träumen führte sie im Bogen zur Tür hinauf. Und hier vorne war der Brunnen. Er sah aus wie eine Tortenplatte mit Fuß, nur höher. Er stand auf der rechten Seite vor dem Haus, halb überwuchert von Büschen und Bäumen. Im Vordergrund ein wenig Rasen, ringsum dunkle Bäume. Das war der Wald, durch den man zum Haus gelangte. Da die Perspektive schwierig war, hatte Holly ihn bis an die Bildseiten gemalt; die Bäume sahen aus, als lägen sie in Schichten übereinander auf dem Boden, halb transparent, so dass einer durch den anderen hindurch schien. Aber es war deutlich, wie es gemeint war.
Erst jetzt fiel es ihr auf: Das Fenster am Schornstein, auf der linken Seite, es war schwarz übermalt. Sie hielt das Bild näher zum Licht. Da waren dünne Linien unter dem Gekritzel zu sehen. Holly hatte dieses Fenster erst genauso wie die anderen gezeichnet, mit schmalen Rahmen und Längs- und Quersprossen, dann hatte sie es schwarz ausgemalt.
Und noch etwas gab es da, sie entdeckte es, als sie das Bild anhob und das Licht der Nachttischlampe hindurch leuchtete. Beinahe hätte sie es übersehen. Da waren Linien neben dem Brunnen, dünn, nahezu farblos und sehr schwach. An dieser Stelle wies das Papier einige feine Knitter auf.
Erst dachte sie, es sei ein Durchdruck. Vielleicht hatte Holly etwas geschrieben, auf einem anderen Blatt, das über ihrem Bild lag. Oder das Geschriebene war auf das nächste Blatt im Malblock durchgedrückt, und dann hatte sie das Blatt verwendet, um das Bild darauf zu malen. Aber die feinen eingravierten Linien enthielten etwas Farbe, man konnte es erkennen, wenn man genau hinsah. Von einem spitzen Buntstift vielleicht ... ein mittleres Blau war es. Das Blau, das auch Jasper verwendet hatte, als er unten auf dem Brief das Schwert und die Burg malte. Vielleicht hatte er den blauen Buntstift spontan gewählt, weil er auf dem Maltisch lag. Weil Holly damit etwas gezeichnet hatte. Oder noch besser, denn dadurch war das Ganze gleich weniger mysteriös: Er selbst hatte etwas auf Hollys Bild malen wollen und sie hatte es verärgert wieder ausradiert.
Emma stand auf, ohne den Blick von dem Bild zu lassen, ging zum Schreibtisch hinüber, knipste die Lampe an. Sie kramte in ihrer schmalen Blechdose und fischte einen Bleistift heraus. Mit der flach angesetzten Miene strich sie vorsichtig über den rätselhaften Abdruck hinweg, färbte die Stelle blassgrau ein. Mit der zweiten Schicht wurde es deutlicher. Als sie die Tischlampe näher heran rückte und das Blatt schräg zum Licht hielt, erkannte sie Buchstaben. Davy las sie und ihr Mund wurde trocken. Ja, sie war sicher ... Davy. Der Name war eindeutig. Aber wie absurd war das? Es konnte nicht der Name aus ihrem Traum sein!
Es gab so viele Davies auf der Welt, und ganz besonders viele gab es in England. Ja, so musste es sein! Es war ein anderer Davy gemeint, es war purer Zufall. Holly ging in die erste Klasse. Vielleicht gab es da einen Davy. Oder einen David, den sie Davy nannten. Auch Jungen, die David hießen, wurden Davy genannt, das machte den Namen noch gewöhnlicher.
Langsam erholte sie sich von ihrem Schock. Sie seufzte, legte das Bild auf den Schreibtisch. Das konnte bis morgen warten; sie merkte schon, dieser Abend war nicht dafür geschaffen, sich komplizierte Gedanken zu machen. Umständlich schälte sie sich aus ihrem karierten Hemd. Wenn sie heute einmal vor Mitternacht ins Bett kam und sich gründlich ausschlief, war sie dem morgigen Tag wesentlich besser gewachsen. Sie schlief viel zu wenig, und das war ganz klar der angespannten Situation zu verdanken. Fröstelnd streifte sie ihren BH von den Schultern, schlüpfte aus der Jeans und warf beides über die Stuhllehne. Dann lief sie zum Bett, zog das übergroße Shirt unter der Decke hervor und warf es über. Sie hatte sich angewöhnt, in diesen weiten knielangen Shirts zu schlafen. Tante Moni hatte ihr einmal eines geliehen und irgendwie war sie dabei geblieben.
Im Bad hielt sie sich nicht lange auf. Spiegel waren ihr nicht geheuer, zumindest wenn sie übermüdet war - auf jeden Fall brachten sie sie ins Grübeln, so lange sie sich erinnern konnte. Sie wollte jetzt nicht mehr nachdenken, nicht über Mrs. Saunders, nicht über Au Pair Stellen auf den Scilly Islands, nicht über Kinderzeichnungen, Träume oder den Namen Davy.
Da ihr Gehirn nichts mehr aufnehmen konnte, verzichtete sie auf das gewohnte Lesen vor dem Einschlafen. Fröstelnd kroch sie unter die kalte Decke, zog sie bis über die Ohren hoch und streckte vorsichtig den Arm nach dem Knipser der Nachttischlampe aus, um den perfekten Kokon, den die Decke um sie bildete, nicht zu zerstören. Bald wurde ihr warm und sie versank in wohltuende Stille und Dunkelheit.
Es wurde eine traumlose Nacht. Jedenfalls konnte sie sich am nächsten Morgen an keinen Traum erinnern - beinahe so, als hätte er sich zurück gehalten, um nicht mit Hollys Bild in Verbindung gebracht zu werden.
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Die nächsten Tage waren angefüllt mit Arbeit. Mehr als die Hälfte ihrer Zeit verbrachte sie mit Haus- und Gartenarbeiten, die Mrs. Saunders ihr auftrug. Das war nicht in Ordnung. Sie mochte ein billiges Kindermädchen sein, aber sie war keine billige Gärtnerin oder Putzkraft. Selbst Steven hatte seiner Mutter einmal ironisch geantwortet, als diese beim Frühstück ankündigte, Emma würde gleich im Garten das Laub vom Rasen herunter harken und die alten Tontöpfe schrubben, die sich im Schuppen stapelten. Auch im Keller wurde sie eingesetzt und trug zusammen mit Mr. Saunders, der zu alldem von Anfang an bereits keine Meinung gehabt hatte, Kleinmöbel und Kram an die Straße, damit sie entsorgt wurden. Ganz offenbar wusste Mrs. Saunders diese Wochen zu nutzen. Bevor ihr Au Pair Mädchen ging und sich um andere Haushalte und die Kinder anderer Leute kümmerte.
Wenn Stephen ihr einen seiner lass-dir-nicht-alles-gefallen-Blicke zuwarf, lächelte sie nur müde und machte weiter mit. Ihr war es lieb, dass sie kräftig zu tun hatte und in der Nacht erledigt ins Bett fiel. Sie bekam die Tage herum, Zeit verging, nur das zählte. Und sie begrüßte Arbeiten, die draußen im Garten oder im Keller getan werden mussten oder wenn sie einkaufen ging - so hatte sie wenigstens ihre Ruhe und konnte ihren Gedanken nachhängen.
Bis zum zwanzigsten Dezember wollte sie sich gedulden. Wenn Ms. Potts bis dahin keine neue Stelle für sie fand, würde sie kündigen, ihren Urlaub nehmen und Tante Moni bitten, ihr den Flug nach Griechenland auszulegen. Mit ein bisschen Glück konnte sie kurz vor Weihnachten noch einen freien Platz ergattern. Am Gang oder im Gepäckraum, das war egal. Eines war jedenfalls klar: Niemals würde sie mit diesen Leuten ins neue Jahr gehen. Das würde sie mit ihrer Tante beginnen - und sich dann in Griechenland irgendeinen schlecht bezahlten Job suchen. Schlechter als der, den sie bei den Saunders hatte, konnte selbst in Griechenland kein Job sein.
So dachte sie in diesen Wochen - und war völlig überrascht, als die gute Nachricht kam.
Willst du nach Irland", quietschte Ms. Potts ins Telefon. "Sag schon, willst du?"
Emma hielt sich das Handy vom Ohr weg. Die euphorische Stimme der Betreuerin war im ganzen Zimmer zu hören. "Verstehst du, Emma? Grace ... sie hat eine Stelle für dich gefunden."
Hatte sie richtig gehört? Sie musste sich setzen. Ihr linker Arm war noch immer in das langärmelige Shirt hinein gezogen und hatte sich zwischen dem stretchigen Material und dem Pulli verkeilt; sie war in Begriff gewesen sich umzuziehen. Wer war Grace? Das musste die Kollegin sein, die Au Pair Stellen außerhalb von England vermittelte, sie hatte den Namen schon beinahe vergessen.
"Ja. Ja, ich habe verstanden, Ms. Potts. Das... oh, das ist toll. Aber ... wann?" Sie wollte lieber jetzt als gleich den Saunders und London adieu sagen. Es gab eine Stelle für sie! Wie großartig war das! Griechenland wäre sowieso nur eine Notlösung gewesen - es hätte bedeutet, dass sie auswich, aufgab. Ihren eigenen persönlichen Weg, ihren Plan hätte sie verraten, denn Griechenland, das war nie ihr Ziel gewesen. Und auch dort hätte sie nur so vor sich hin gedümpelt, auf der Suche nach immer neuen Jobs, die sie doch niemals auf eigene Füße bringen würden. Und für ein Studium, das sie immer noch nicht abgehakt hatte, wäre Griechenland der falscheste Ort, den sie sich aussuchen konnte. Irgendwann hätte sie sowieso wieder nach Nordeuropa zurück gemusst. Griechenland wäre Zeitverschwendung. In ihrem Elend hatte sie nur Sehnsucht nach Tante Moni gehabt, darum hatte sie es erwogen. Das wurde ihr nun schlagartig klar.
"Du fragst, wann, Mädchen?"
Das Lachen, das folgte, steckte Emma an. Ihr Mund lächelte von ganz allein, sie konnte gar nichts dagegen tun. Die Stelle musste ja sehr vielversprechend sein, wenn Ms. Potts so ins Telefon schmetterte!
"Ja, also ... wie wäre es mit "sofort?"
Emma versagte beinahe die Stimme. "Wie - sofort? Aber ... muss ich mich da nicht erst vorstellen? Wollen sie mich denn vorher garnicht ..."
"Nicht nötig, Emma. Du sollst herkommen, mit Sack und Pack, sie wollen dich haben. Ungesehen sozusagen. Es ist dringend, ein Notfall, wenn du so willst. Deine Unterlagen sind schon unterwegs, Grace hat sie dir zugeschickt. Frag deine Madame mal, ob Post aus Irland für dich angekommen ist. Horn Head, Donegal." Sie lachte wieder. "Du brauchst eine dicke Windjacke und wirst in den nächsten sechs Monaten nur noch deine Pullis tragen. Du gehst an die Nordküste!" Ihre Stimme überschlug sich vor Begeisterung. "Nun sag doch schon! Wie findest du das?"
Irland ... der Norden ... Donegal ... Wie sie das fand?
"Ich muss zugeben, ich habe keine Ahnung" gestand Emma und zuckte die nackte Schulter, zusammen mit der, die immer noch im Kleidungsknäuel steckte. Der Moment, wenn man den wichtigsten Anruf seines Lebens erhält und kopfüber in einem Pullover feststeckt, dachte sie, während sie endlich auf das Lautsprechersymbol tippte und das Handy vor sich auf dem Schreibtisch ablegte. "Aber ... es ist egal, dass ich über Irland nichts weiß", ächzte sie und versuchte den Arm aus dem Pullover zu winden. In ihrem Bauch stellte sich ein freudiges Kribbeln und Blubbern ein.
Der Arm steckte fest, der zwangsweise angewinkelte Ellenbogen war das Problem. Schließlich wurschtelte sie Shirt und Pulli über ihren Kopf, zog den Arm heraus und warf die Kleidungsstücke auf den Sessel. "Ich ... ich werde das mal googeln", zwitscherte sie etwas zu laut. "Aber ...", sie lachte jetzt ebenso wie die Betreuerin, "... aber wissen Sie was, Ms. Potts, das ist gar nicht so wichtig! Hauptsache, ich komme hier weg. Ich kann ganz neu anfangen. Und Irland ... also, ich muss ganz ehrlich sagen, ich kann mir das jetzt gar nicht richtig vorstellen, aber ... doch!" Sie dachte einen Augenblick nach, versuchte ihr breites Grinsen unter Kontrolle zu bekommen. "Doch, das wird bestimmt gut. Nein - es wird super!"
Plötzlich fiel ihr ein, dass die Überfahrt ja gar nicht geklärt war. "Aber wie bezahle ich nun den Flug? Oder fährt da eine Fähre?"
"Darum kümmert sich Grace."
Emma dachte, sie musste träumen. Sie nahm das Handy mit zur Kommode hinüber. Während sie sich ein neues Shirt überzog - und das Shirt, das sie wählte, war pure Provokation, denn Mrs. Saunders hatte sie gebeten, in ihrem Haus kein Schwarz zu tragen - redete Ms. Potts weiter.
"Du wirst fliegen, Grace schickt dir das Flugticket. Mr. Ò Briain bezahlt deinen Flug. Du kannst schon einmal packen, du Glückspilz! Auf dem Ticket steht das Datum, das habe ich jetzt nicht im Kopf."
"Mr. ... dieser Herr zahlt meinen Flug? Aber warum das denn?"
"Er hatte nach deinen Reisekosten gefragt und Grace sagte, es gäbe da einen Topf, aus dem finanzielle Unterstützung für Fälle wie deinen geboten würde. Und dass du dann später in geringen Raten vierzig Prozent davon wieder abzahlen könntest. Er bestand darauf, die Reisekosten ganz zu übernehmen, um die Organisation nicht zu belasten. Und damit du dort keine Schulden hast. Du kannst ja nichts dafür, dass die Familie in Irland wohnt. Und immerhin: Sie sind es, die dich haben wollen." Sie sprach jetzt ruhiger. "So etwas ist uns noch nicht untergekommen, aber es macht die Sache natürlich wunderbar unkompliziert. Wenn Mr. Ò Briain dir genauso sympathisch ist wie er Grace erschien, dann frag ihn einfach, warum er deinen Flug bezahlt." Sie lachte jetzt wieder. "Vergiss auf jeden Fall nicht, dich bei ihm zu bedanken."
"Nein, das werde ich nicht." Emma zögerte. "Die neue Stelle ... ich bin da allein mit diesem Mr. Ò Briain? Es gibt doch sicher eine Mutter für die Kinder?"
"Oh, ich verstehe", beruhigte sie Ms. Potts. "Nein, du bist da selbstverständlich nicht allein. Es gibt eine Haushälterin, die täglich da ist, sie wohnt ebenfalls im Haus. Und ich glaube, da ist auch noch ein Mädchen, das ihr zur Hand geht. Das Haus ist ziemlich groß, sagt Grace. Die Mutter des Jungen ist gestorben. Er ist Halbwaise."
"Gestorben ... dann ist der Junge das einzige Kind?"
"Ja, das ist er. Er ist sieben, sagte Grace. Mensch, Emma! Nun male doch nicht gleich wieder so schwarz! Nicht jeder alleinstehende Mann und Vater ermordet heimlich ein Kindermädchen nach dem anderen und verscharrt sie in seinem Keller. Selbstverständlich hat Grace die Umstände, in denen der Junge lebt, gründlich gecheckt. Und es ist ja nicht so, dass sie sich nicht kümmert. Sie wird dich in Abständen besuchen und fragen, wie es läuft. Und für den Fall, dass etwas nicht in Ordnung sein sollte, bekommst du ihre Nummer. Sie wird sich dort genauso kümmern wie ich es hier getan habe."
Erst jetzt wurde Emma bewusst, dass die Stelle in Irland zugleich auch den Abschied von Ms. Potts bedeutete. Ms. Potts hatte ganz guten Einblick in einige ihrer persönlichen Schwächen erhalten, seit sie miteinander im Gespräch waren. Sie würde sie nun nicht in eine Situation schicken, in der es niemanden scheren würde, wie es ihr dort erging. Nicht nach ihrer Erfahrung bei den Saunders. Und ganz sicher war ihre Freundin Grace eine nette und ebenso fähige Person wie sie selbst es war.
Dass es immer auch schwierig war, sich an eine neue Umgebung zu gewöhnen, sich neu einzuleben und auf die Eigenheiten neuer Menschen zu stoßen, war Emma klar. Für ihre Schüchternheit und Verschlossenheit würde das eine große Herausforderung. Aber nachdem sie die Saunders überlebt hatte, würde sie nun hoffentlich lernen, wie man vertraute und sich neugierig und aufgeschlossen in neue Situationen begab. In solchen Erfahrungen lag so vieles, was sie lernen konnte! Selbstbewusstsein, Vertrauen, Eigenverantwortung. Und Lust auf neue Abenteuer, neue Themen. Vielleicht brauchte es genau das, damit sie endlich ins Lebens zurück fand. Sie seufzte laut und vergaß beinahe, dass am anderen Ende jemand wartete, der sie hören konnte.
"Hallo ...? Ist alles in Ordnung?" Ms. Potts schien besorgt.
"Oh ... ja, alles ist wunderbar", beeilte Emma sich zu sagen. "Ich freue mich riesig, Ms. Potts. Das ist nur alles ein bisschen viel, ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll."
"Das verstehe ich", erklang es aus dem Lautsprecher. "Dann lass es erst einmal sacken. Und melde dich bei Grace, damit sie weiß, dass du kommst. Die Kontaktdaten dürftest du im Briefkopf finden."
Als Ms. Potts sich verabschiedet hatte, warf Emma einen Blick in den Spiegel. Sie sah anders aus. Dynamischer. Erwachsener. Das macht das Schwarz, dachte sie schmunzelnd und zog das Shirt zurecht. Es war ihr Lieblingsshirt, sie hatte es seit Monaten nicht getragen. Auf einmal war es wieder da, es gehörte zu ihr. Sie würde nun nach unten gehen und Mrs. Saunders sehr selbstbewusst und sehr höflich nach der Post aus Irland fragen. Und sich dabei extrem bewusst sein, dass ihre "Madame" das schwarze Shirt sehr ärgern würde.
Ende Teil 6
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