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(1/1) Rauchquarz

Dieser Roman ist hier kostenfrei zu lesen und wird es auch bleiben.
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                SHADOW HALL - gewidmet meiner Tochter Sophia

 >IT IS NOT THE DEAD YOU SHOULD BE AFRAID OF - IT IS THE LIVING.<

 London, 22. Oktober 2017

Liebe Tante Moni!

Ich weiß, ich sollte Dir schreiben, es war so abgemacht. Aber mein Laptop war nicht in Ordnung. Und ich mochte Mrs. Saunders nicht bitten mir auszuhelfen. Nach meinen unerfreulichen Berichten von hier kannst Du Dir das sicher vorstellen. Und Du weißt, wie ungern ich auf dem Handy schreibe!

Was ich Dir zuletzt schrieb, klang nicht gut, ich weiß. Die beiden Mädchen gehen über Kopf bei der Mutter und ich bin keine Psychologin. Das ist alles sehr viel für mich, ich hatte mir das so nicht vorgestellt. Drei Monate bin ich jetzt hier, und schon ist alles gegen die Wand gefahren! Es entwickelt sich irgendwie zu einer dieser Horrorgeschichten, die man über Au Pair hört: Ein Mädchen aus Deutschland kommt in eine schwierige Familie mit noch schwierigeren Kindern, die Eltern haben ihre Konflikte miteinander und mit sich selbst und ihr Kindermädchen kehrt ständig die Scherben weg und fängt auf, was nicht funktioniert ... bis sie selbst am Ende ist. Und das bin ich mittlerweile, das kann ich Dir sagen!

So wie ich Dich kenne, würdest Du hier jetzt gern Mäuschen spielen, willst sehen, wie es mir geht. Aber Du lässt mich in Ruhe, rufst mich nicht einmal übers Handy an. Ich danke Dir dafür. Das macht, dass ich mich einigermaßen erwachsen fühle ... weil ich weiß, Du traust mir zu, das hier allein zu überstehen.

Dass Du meintest, ich könnte zu Dir nach Griechenland kommen, wenn ich es nicht mehr aushalte, hat mich wirklich erleichtert. Ich wollte mich durchbeißen, auf eigene Füße kommen, ich wollte es hier in London schaffen, vielleicht hier bleiben, einen anderen Job finden, ein Studium beginnen. Archäologie! In London oder Birmingham, das wäre es! Wenn Mama noch leben würde, sie hätte mich lieber in einem langweiligen Büro gesehen, bevor sie mich nach Keramikscherben und alten Knochen graben ließe. Ein "totes" Fach nannte sie die Archäologie immer. Ein Beruf ohne Zukunft. Die Welt beginnt sich immer schneller zu drehen, die Menschheit sieht immer weniger zurück und strebt immer schneller vorwärts ... Sie meinte, da gäbe es nichts mehr zu entdecken, alles wäre bereits gefunden. Als ob ich davon träume, eine x-te Pyramide aus dem Wüstensand zu graben! Ich glaube, sie hat nie verstanden, warum ich meine Nase immer schon mehr auf dem Boden als in der Luft hatte.

Aber ich schweife ab! Ich wollte Dir sagen, ich gebe nicht leichtfertig auf, nur weil da jemand unfreundlich zu mir ist oder ich mich einsam und isoliert fühle. Und: Ich habe Neuigkeiten! Mach dir also keine Sorgen um mich, denn was ich Dir zuletzt geschrieben hatte, gilt im Grunde schon jetzt nicht mehr! Mir geht es besser, vor allem nach der Nachricht, die ich heute Abend von Ms. Potts erhielt. Ich hatte ihr alles erzählt, wie Du es mir geraten hattest.

Stell Dir vor, ich kann meine Au Pair Familie wechseln! Sie hat eine neue Familie für mich gefunden, so schnell! Ist das nicht wunderbar? In Brentwood! Das liegt ungefähr 35 km von hier, nordöstlich von London. Es ist ein kleines Städtchen, in dem sicher nicht viel los ist, ich habe es mir schon im Netz angesehen ... Aber es ist grüner als hier! Und wenn die Familie nett ist, und mir ein wenig mehr Luft und Freiheit lässt als Mrs. Saunders und ihre super anstrengenden Töchter, werde ich mich ganz bestimmt schnell einleben und bald erste Kontakte knüpfen. Sie haben ebenfalls zwei Kinder, einen vierjährigen Jungen und ein siebenjähriges Mädchen. Die Großmutter lebt mit im Haus und sieht ebenfalls nach den Kindern, beide Eltern sind berufstätig. Die Mutter ist Lehrerin für Geschichte und Kunst. Klingt das nicht gut? Du musst mir fest die Daumen drücken, dass es klappt!

Ja, Du hast Recht, ich fühle mich hier sehr allein. Man bezahlt mich so knapp, dass ich mir nicht einmal den Bus leisten könnte, um zur nächsten Bibliothek zu kommen. Wie soll ich da am Wochenende ausgehen, Leute kennenlernen, eine Freundschaft aufbauen? Du weißt ja, es war noch nie mein Ding, schnell Kontakte zu knüpfen und Freunde zu finden.

Die Sprache ist hier nicht das Handicap, denke ich. Es ist nur so, dass Mrs. Saunders mir mit ihrer Art das wenige Selbstbewusstsein aus den Knochen zieht, das ich ohnehin nur habe. Von Tag zu Tag wird es schlimmer. Ich bin gerade einfach nicht mehr in dem stabilen Zustand, den ich bräuchte, um auf fremde Leute zuzugehen. Das ist eine Katastrophe! Das muss ganz schnell anders werden.

Ich bin eher der verschlossene Typ. Es dauert, bis ich jemandem vertraue und mich aus meinem Schneckenhaus heraus wage. Das hat sicher auch mit Mamas Tod zu tun, Du hast schon Recht. Ich hatte mich danach ja sehr zurück gezogen. Aber damals war ich dreizehnJahre alt, jetzt bin ich neunzehn! Meine Unsicherheit und fehlende Erfahrung gehen mir inzwischen selbst auf den Keks, darum wollte ich ja nach England! Sonst hätte ich auch gleich mit Dir nach Griechenland kommen können. Aber wer konnte wissen, dass das hier jetzt so nach hinten losgeht ... Ich hatte mir tatsächlich vorgestellt, ich schaffe das besser. Und dass Dinge, wie ich sie gerade erlebe, nur in klischeehaften Romanen vorkommen. Ich war so naiv, aber nun wird hoffentlich alles besser.

So gesehen hat mir das Problem mit der Familie nur Gutes gebracht, es hat mir letztlich genau das geliefert, was ich ja lernen möchte: Dass ich nicht gleich aufgebe und mutlos werde, wenn die Dinge schief laufen, sondern mir Wege suche, die mich weiter bringen. Probleme müssen gelöst werden, Dein Spruch! Und ich muss sagen, ich bin einigermaßen stolz auf mich, dass ich mich getraut habe, Ms. Potts zu erzählen, was hier schief läuft. Es war richtig gut, mich ihr anzuvertrauen. Sie hat mir erklärt, dass es vielen Mädchen so geht; sie glauben, sie selbst seien irgendwie Schuld, wenn sie sich nicht wohl fühlen, sich nicht gut einleben. Die Familien haben die Aufgabe ihren Au Pairs zu helfen, ihnen auch ein wenig entgegen zu kommen in der Eingewöhnungszeit!

Es hat mich sehr erleichtert zu erfahren, dass ich also wohl nicht allein Schuld habe. Du weißt schon ... weil ich den Mund nicht auf bekomme und mich schnell zurück ziehe. Oder besser gesagt: weil ich meine Bedingungen brauche, um zeigen zu können, dass ich eben nicht "die mit dem Stock im Arsch" bin. Ich möchte nur ein bisschen Sicherheit! Mich wohl fühlen und vertrauen können. Sie haben mich ausgenutzt und mir nicht geholfen, in London einen guten Start zu haben.

Ms. Potts wird mich am Samstag abholen und mit mir zu den Chapmans fahren, damit wir einander kennenlernen. Wenn alles gut läuft und sie mich haben wollen, könnte ich nach Absprache mit Mrs. Saunders sogar schon in einer Woche wechseln. Oh, sie wird ausrasten! Oder sie wird diesen furchtbaren Strichmund machen und mich wortlos ziehen lassen, ohne mich auch nur zu verabschieden.

Ms. Potts will, dass ich es ihr sage. Bis spätestens morgen Nachmittag sollte das erledigt sein, denn in zwei Tagen ist schon Samstag. Damit sie sich darauf einstellen kann, dass ich gehe. Es ist nicht möglich, die Sache mit den Chapmans hinter ihrem Rücken schon einmal zu besprechen und mich dann bereits sicherer und selbstbewusster zu fühlen, wenn ich kündige. Ich muss da jetzt durch. Sicher wird es für mich sehr unangenehm bei den Saunders, falls ich nach dem Treffen in Brentwood am Samstag erfahre, dass Familie Chapman mich für die Stelle nicht passend findet. Dann sitze ich hier erst einmal fest und werde wohl noch mehr zu spüren bekommen, dass ich nur geduldet bin. Bis Ms. Potts für mich eine andere Familie gefunden hat.

Die Chapmans in Brentwood, also, aus dem Bauch heraus würde ich sagen, das klingt toll! Aber du kennst mich: Dieser Bauch spricht oft viel zu laut! Mir fehlt da die Sachlichkeit. Ich will mich vorsichtshalber nicht schon zu sehr freuen. Wenn es nicht sein soll, dann ist das eben so. Ich stehe das durch; das Schlimmste ist doch im Grunde jetzt schon vorbei.

Du siehst also, liebe Tante Moni: Ich lebe noch und mache mich hier trotz allem gar nicht so schlecht! Du musst Dir wirklich keine Gedanken machen. Und ich bleibe in England - Auch wenn es natürlich sehr beruhigend ist zu wissen, dass ich jederzeit zu Dir nach Griechenland kommen kann. Wer weiß, wann ich hier genug habe.

Du bist sehr weit weg. Ich bin es durch die letzten Jahre so gewohnt, Dich täglich um mich zu haben. Du bist eine Art Mutter für mich geworden, und das, wo ich es im ersten Moment als ein großes Unglück empfunden hatte, bei Euch leben zu müssen. Du bist anders als Deine Schwester.

Klar bist Du anders! Meine Mama ist nicht zu ersetzen, dachte ich damals - bis ich verstand, dass es darum gar nicht ging. Niemand ersetzt uns die Menschen, die wir verlieren. Ebenso wenig wie Dir jemand Onkel Ben ersetzen kann. Aber dass wir beide sie verloren haben, und Du nun im letzten Jahr auch noch Deinen Mann, das hat uns noch viel mehr zueinander gebracht, findest Du nicht auch? Ich konnte sehen, wie Du mit Onkel Bens Tod umgingst, wie Du Dein Leben nicht aus der Hand gelegt, sondern es gerade deshalb angepackt hast... Wir hatten viel darüber geredet. Dass er es immer genau so gewollt hatte, hattest Du mal gesagt. Und wenn ich mit Mama mehr Zeit gehabt hätte, wenn es nicht so plötzlich gekommen wäre ... Sie hätte wahrscheinlich dasselbe von mir gewollt: Dass ich mein Leben lebe.

Weißt Du noch, als wir uns vor drei Monaten in Bremen verabschiedeten? Als wir draußen standen und hinter uns die Möbelpacker Deinen rot gebeizten Eichenschrank zum Laster trugen? Du hast ihnen noch zugerufen, sie sollen ihn nicht fallen lassen, er sei alt... Da hast Du mir Dein Armband um das Handgelenk gestreift. Das mit den Rauchquarz-Perlen. Gegen Traurigkeit und Einsamkeit, hattest Du gemeint. Und gezwinkert und mir die Haare aus dem Gesicht gestrichen.

Du wusstest, dass ich Angst hatte in diesem Moment... vor England. Vor diesem Jahr. Und davor, wie weit weg ich von Dir sein würde. Als Du mich zum Flughafen fuhrst, machte ich wahrscheinlich einen lockeren Eindruck, aber das war ich ganz und gar nicht! Mir ist klar geworden, wie sehr Euer Haus mein Zuhause geworden war. Dass Du es verkauft hast und dass ich also nach England nie wieder dahin zurück kehren würde, wurde mir erst auf der Fahrt zum Flughafen klar.

Ich will nicht auf Dauer in Griechenland leben. Über all die Jahre bei euch hatte ich mir vorgestellt: Was immer ich mit meinem Leben anfangen würde, Du wärst in diesem Haus. Ich würde dich immer dort finden. Nie hätte ich gedacht, dass ich in Deutschland einmal allein sein würde. Nun habe ich dort keinen Ort mehr, an den ich zurück kehren kann.

Auch das ist ein Grund, warum ich nun umso ernsthafter sehen muss, ob ich nicht in England mein Zuhause finden kann. Alles hängt an meiner Ausbildung, meinem Studium, ich weiß. Das hat aber Zeit bis zum nächsten Herbst - Zeit genug, mir darüber konkretere Gedanken zu machen. Dazu nehme ich dieses Jahr nun mit: Es ist ein Test für mich, wie heimisch ich in England werden kann, verkorkst wie ich bin. Weißt Du was? Ich finde, die Engländer haben eine Macke, irgendwie. Genau wie ich! Ich mag das! Mrs. Saunders zähle ich nicht, sie konnte zum Glück mein freundliches Bild von England und den Leuten hier nicht zerstören. Schwierige Menschen gibt es überall.

Dein Armband ... Ich glaube nicht an sowas, konnte mir noch nie vorstellen, dass diese Steine etwas bringen. Aber gerade heute Morgen, als es mir beim Suchen in meinem Koffer auf einmal in die Hände fiel, hatte ich spontan den Gedanken, Du könntest es in diesem Moment gewusst haben. Dass ich es brauchen würde. Ich trage es gerade! Das freut Dich sicher. Wer weiß, vielleicht kann es mir jetzt helfen? Ich nehme es als Glücksbringer - für Samstag! Es ist immer gut zu wissen, dass Hilfe da ist. Du bist da. Dein Armband erinnert mich daran. Umso mehr weiß ich, dass alles gut werden wird. Und wenn nicht so, dann eben auf andere Weise.

Ich muss nun nach der Kleinen sehen, sie schläft unruhig und steht neuerdings mitten in der Nacht auf, macht das Licht an und spielt. Kein Wunder! Sie spürt, wie wenig diese Familie im Lot ist. Alle hier sind aus dem Lot. Ich auch.

Also: Du weißt, ich denke an Dich! Ich hoffe, dass Du an Deinem Haus gut vorwärts kommst und dass Deine Handwerker da etwas Gutes zaubern! Den Garten stelle ich mir fantastisch vor! Nach Deiner Beschreibung muss er wunderschön sein. Schick mir ein Foto von dem alten Olivenbaum! Und von den Katzen, wenn Du dran denkst! Und vom Meer! Ich möchte ein Foto vom Meer haben. So wie man es von der Gartenmauer aus sieht.

Ich glaube ganz fest, dass ich es schaffen werde, Dich innerhalb des Jahres irgendwann einmal zu besuchen! Vielleicht kann ich ja im nächsten Frühsommer für eine Woche zu Dir nach Griechenland fliegen - wenn es noch nicht so heiß ist! Da ich nun bald eine neue Stelle habe, werde ich anfangen etwas beiseite zu legen. Ich möchte nicht, dass Du mir dann den Flug allein bezahlst. Du kannst das Geld besser ins Häuschen investieren. Bleib gesund und genieß das Wetter! Und lass es Dir zwischendurch gut gehen, arbeite nicht so viel! Ich schreibe Dir wieder, sobald sich hier Neues ergibt. Versprochen.

Bis dahin liebe Grüße von hier,

Deine Emma


Ende Teil 1



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