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24

Beverly

Ich wurde von dem pochenden Schmerz an meinem Bein geweckt. Es war bereits hell. Es musste Mittag sein, aber hier im Wald, war das schwer zu sagen. Mein Atem bildete kleine Wölkchen. Ich griff mir an die Nase und merkte wie eingefroren sie schien. Ich hatte mir gestern -nachdem ich bis Einbruch der Dunkelheit im Wald herum geirrt war, und mit Sicherheit eine Blutspur hinterlassen hatte- unter einem niedrigen Baum einen Unterschlupf gesucht, mich hingelegt, und war augenblicklich eingeschlafen, obwohl ich das in meiner Situation wahrscheinlich besser nicht getan hätte. Die Äste bogen sich zwar so weit nach unten, dass ich von außen unentdeckt blieb, aber ich vergaß gelegentlich, dass ein Dämon an meiner Seite, mich ganz und gar nicht unverwundbar machte und er seine Kraft momentan darauf konzentrierte, die Wunde an meinem Bein zu heilen. Ich setzte mich auf, lehnte mich gegen den Stamm des Baumes, stellte mein Bein auf und begutachtete die Wunde. Sie hatte aufgehört zu bluten, sah aber so aus, als würde sie bei der kleinsten Belastung sofort wieder damit anfangen. Mein ganzer Unterschenkel und auch meine Hände waren noch immer blutverklebt. Wahrscheinlich auch mein Gesicht, da ich mit meinen blutverschmierten Händen darüber gerieben hatte und mir auch durch die Haare gefahren war. Déjà-vu. Ich ließ meinen Kopf gegen den Stamm fallen und versuchte nicht daran zu denken, dass ich seit mindestens elf Stunden Dauergänsehaut hatte. Ich spürte meine Hände kaum noch und vergrub sie in meinem Schoß, in der Hoffnung die Taubheit aus ihnen zu vertreiben. Hätte ich gewusst, dass ich mal wieder im Wald landen würde, noch dazu bei solch niedrigen Temperaturen, dann hätte ich mir etwas mehr angezogen, als eine Jeans und ein Langärmliges T-Shirt. Ich linste neben mich und war erleichtert, dass das Buch und meine Mappe immer noch hier lagen. Auf ihnen klebte ebenfalls Blut. Ich blieb einige Minuten sitzen und starrte auf das, vom Schnee aufgeweichte, Laub.

Ich spürte wie meine Augen zu brennen begannen und sich ein Kloß in meinem Hals auftat, der mir leider nicht wegen der Kälte einen Besuch abstattete. Ich biss die Zähne zusammen und gab mir Mühe nicht zu weinen, während ich versuchte herauszufinden, warum ich den Drang zu weinen verspürte. Eigentlich weinte ich nie. Ich war nie traurig. Es gab kaum Dinge, die mich hätten traurig machen können. Ich hatte doch jetzt genau das was ich wollte. Ich war frei. Ich war aus Modoc ausgebrochen. Meine innere Stimme die mir zuflüsterte, dass ich, um genau zu sein auf der Flucht war, ignorierte ich. Ich schniefte und blinzelte ein paar Mal. Sollte ich nicht glücklich sein? Ich hatte so viele Jahre davon geträumt, endlich frei zu sein. Keine vier Wände um mich herum zu haben, die ich nur mit Erlaubnis verlassen durfte, wenn überhaupt. Ich hatte in Modoc fast nur an einen Ausbruch denken können. Jetzt hatte ich es geschafft und saß im Wald unter einem Baum, fror und hätte am liebsten zu weinen begonnen.

Und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Plötzlich wusste ich, dass ich nicht kurz davor war zu weinen, weil ich traurig war, sondern weil ich Angst hatte. Angst davor, was geschehen würde, wenn sie mich finden würden. Angst davor, was ich nun tun und wo ich hin sollte. Angst davor, dass ich für immer in diesem verdammten Wald festsitzen würde, und vielleicht verhungern könnte. Das war immerhin etwas, wovor mein Dämon mich auch nicht hätte beschützen können, es sei denn er würde ein Reh erlegen und für mich über einem Feuer braten.

Ich schüttelte verwundert den Kopf, als mir bewusst wurde, wie verletzbar ich trotz meines Dämons immer noch war. Ich war zwar an meinen Dämon gebunden, war aber nicht mit ihm verbunden. Das machte mich genauso verletzlich, wie jeden anderen Menschen. Ich hatte immer gedacht, dass nur Dämonenglas mich hätte töten können. Ich hätte nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass ich verhungern könnte. Oder ersticken, oder ertrinken, oder verbrennen, oder verbluten. Bis jetzt war es auch nie nötig gewesen, sich darüber Sorgen zu machen. Meine Atmung beschleunigte sich, als mir klar wurde, dass ich ganz und gar nicht unverwundbar war und mich all die Jahre, ungerechtfertigter Weise, sicher gefühlt hatte.

Tot war tot. Er konnte mich nur von Verletzungen heilen, solange ich noch am Leben war. Ich fuhr mir durch die klebrigen, verfilzten Haare, in denen noch immer lose das Haargummi hing.

Ich wunderte mich fast schon, dass die Tränen die mir jetzt doch über die Wange rollten, nicht gefroren und zu kleinen Eiskristallen wurden. Je mehr ich versuchte meinen Tränen zurück zu halten, desto weniger gelang es. Ich wusste nicht wie lange ich unter dem Baum saß, zusammengekauert, mich vor und zurück wiegte, während meine Schluchzer und die Schreie einiger Vögel, das einzige waren, das den Wald mit Geräuschen erfüllte, wobei mir egal war, dass mich wahrscheinlich gerade über ein duzend Menschen suchten. Aber irgendwann beschloss ich mich zusammen zu reißen. Wenn ich nicht bald aufstehen würde, würde ich weder verhungern, noch verbluten, sondern schlicht und ergreifend erfrieren. Es war ja schon lebensmüde gewesen, gestern Nacht einzuschlafen. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht, band meine Haare wieder, so ordentlich es eben ging zurück, nahm das Buch und die Mappe und kroch unter den Zweigen hervor. Ich stand vorsichtig auf und streckte meinen Rücken durch, wobei ich bemerkte, dass mein ganzer Körper wehtat. Ich hatte Kopfschmerzen vom Weinen, Rücken- und Nackenschmerzen von dem unbequemen Liegen und der Kälte, und eine halboffene Fleischwunde an meinem Bein. Ich versuchte mit meinem rechten Bein aufzutreten, aber eine Schmerzenswelle durchzog meinen Körper, sodass ich mein Gewicht augenblicklich wieder auf das linke Bein verlagerte und dabei beinahe umgekippt wäre. Dämonenglas war tückisch. Es brannte wie Feuer, konnte die Haut um die Wunde auflösen -was mir erspart geblieben war- und brauchte ewig zum Heilen. Ich sah mich auf dem Boden nach einem Ast oder Stock um, mit dem ich durch den Wald humpeln konnte. Ich fand einen recht morschen, aber dicken Ast. Ich brach die wegstehenden Äste ab und versuchte mich abzustützen, wobei mir auffiel, dass meine rechte Schulter das voraussichtlich nicht lange mitmachen würde. Ich musste sie mir gestern bei dem Sturz verletzt haben. Ich zog mein T-Shirt an der Schulter herunter und drehte vorsichtig meinen Kopf, um meinen Nacken nicht noch mehr zu beleidigen.

„Na, zum Glück ist blau meine Lieblingsfarbe", murmelte ich, als ich den dicken Bluterguss sah. Blau, lila, grünlich. Ich zog mein T-Shirt wieder über die Schulter und versuchte nicht daran zu denken. Wenigstens hatte ich mir nichts gebrochen, das war doch schon was. Zitternd und vorsichtig humpelte ich, mit meinen Sachen in der einen und dem Stock in der anderen Hand, durch den Wald. Mein einziges Glück war, dass der Wind hier ziemlich milde war, denn bei jedem noch so kleinen Windhauch war es, als würde meine Haut sich zusammenziehen.

Was ich jetzt wirklich gut hätte gebrauchen können, war mein Dämon. Egal ob für ein paar aufmunternde Worte -die in der Regel aus einem Arschtritt bestanden und einem Vortrag, von wegen, ich solle mich nicht so anstellen- oder für eine kleine Heilstunde. Aber er war nicht bei mir. Weit konnte er jedoch nicht sein. Er würde sich nicht weiter als dreihundert Meter von mir wegbewegen, solange ich verletzt war. Er musste in meiner Nähe bleiben, für den Fall, dass etwas passierte. Doch wahrscheinlich durchstreifte er gerade die Wälder, und freute sich, so wie ich, wieder draußen sein zu können. Die letzten Jahre war er mir nämlich nicht einmal von der Seite gewichen. Das war zwar auch oft anstrengend gewesen, aber Dämonen redeten nicht viel, und solange mir keiner das Ohr abkaute, wurde ich nicht unangenehm.

„Komm her!", rief ich durch den Wald und dabei fiel mir auf, wie verschnupft ich klang. Ich wiederholte meine Worte noch einmal und er kam, von Baum zu Baum springend, zu mir. „Du bist nicht Tarzan", grummelte ich missmutig. Er stellte sich vor mich und betrachtete mein Bein. „Du könntest mir ruhig helfen." Er sah mich böse an. „Natürlich ist das deine Aufgabe!" Er knurrte verärgert. „Ich hab mein Leben dafür riskiert, dass wir aus Modoc kommen, damit sie dich nicht töten! Etwas Dankbarkeit." Darauf erwiderte er nichts mehr, sondern versuchte lediglich die Wunde an meinem Bein weiter heilen zu lassen. Er legte seine langen schwarzen Hände auf die Wunde. Ich spürte die kühle Energie, die durch meinen Körper strömte. Doch vergeblich. Als er seine Hände von meinem Bein nahm, hatte sich an der Wunde rein gar nichts verändert. Ich seufzte. Mit so etwas hatte ich schon gerechnet. Wie gesagt, Dämonenglas war eine der widerlichsten Waffen gegen Dämonen. Aber wenigstens tat meine Schulter nach seinem Heilungsversuch nicht mehr so weh, und Nacken und Rücken dankten ihm auch. Wenigstens hatte seine Magie bei den anderen Verletzungen geholfen.

„Was machen wir jetzt?", fragte ich ratlos und humpelte weiter. Er sprang vor mir her. Bei seiner Antwort schüttelte ich den Kopf. „Da werden sie uns als erstes suchen, du Intelligenzbestie."

Mit einem Schlag fiel mir Kober wieder ein. Hatte ich ihn getötet? Nein, er war nur ohnmächtig gewesen. Aber hatte er die Nacht im Wald überlebt, so wie ich? Ich hatte mich unter einem Baum halbwegs vor der Kälte abschirmen können. Ihn hatte ich im Schnee liegen gelassen. Gab es hier wilde Tiere? War er vielleicht erfroren? Oder war er schon wieder auf der Jagd nach mir, rachsüchtig, weil ich ihn hätte sterben lassen? Doch bald fiel mir ein, dass er in Anbetracht der Probleme die ich gerade so hatte, wahrscheinlich meine kleinste Sorge darstellte.

Wir gingen weiterhin durch den Wald und es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich wusste weder die genaue Uhrzeit, noch ob wir in die richtige Richtung liefen. Nachdem ich gestern vor Kober davon gelaufen war, hatte ich völlig die Orientierung verloren. Aber Modoc lag auf einem Hügel. Sobald wir bergab gingen, war doch alles gut, oder? Nach ein paar weiteren Minuten, musste ich anhalten. Ich konnte nicht mehr weiter. Der Schmerz an meinem Bein war einfach zu groß. Also ließ ich mich an einer halbwegs trockenen Stelle nieder, und versuchte nicht daran zu denken, dass mein Bein wieder ein wenig zu bluten begann. Kober hatte mich schlimmer erwischt, als ich gedacht hätte. Wenn die Wunde nicht bald heilen würde, lief ich tatsächlich auf Gefahr zu verbluten. Mein Dämon sagte, ich müsse die Wunde verbinden, woraufhin ich nur die Augen verdrehte. „Danke, das weiß ich selbst. Und womit? Soll ich mir das T-Shirt ums Bein binden, damit ich noch mehr friere?"

Nach ein paar Minuten stemmte ich mich wieder hoch und wir marschierten weiter durch den Wald, bis ich von sehr weit her ein Geräusch wahrnahm. Kein Zwitschern eines Vogels. Kein umfallender Baum. Keine Lawine. Kein Donnergrollen. Es war ein, mir sehr vertrautes Geräusch, ich wusste nur nicht recht, wo ich es zuordnen sollte. Ich konzentrierte mich auf dieses eine rauschende Geräusch und versuchte alle anderen auszublenden.

„Ein Auto!", rief ich aufgeregt. Wenn da ein Auto war, konnte die Straße nicht weit entfernt sein. Und eine Straße führte immer irgendwo zur Zivilisation, oder? Ich bewegte mich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Das Auto fuhr recht schnell und bald konnte ich es nicht mehr hören. Trotzdem änderte ich die Richtung nicht.

Nach zehn Minuten sah ich die Betonstraße zwischen Bäumen und Sträuchern aufblitzen. Erleichtert atmete ich auf. Was mein Pech anging, wurde es immer mit etwas Glück wettgemacht. Wurde ich entführt, konnte ich fliehen. Wurde ich eingewiesen, lernte ich Rose kennen. Kam ich nach Modoc, schaffte ich es auszubrechen. Verlief ich mich im Wald, fand ich eine Straße. Vielleicht war mein Leben nur halb so dramatisch, wie ich es mir immer einredete? Ich schüttelte den Kopf. Unwahrscheinlich. Wahrscheinlich versuchte ich mir nur einzureden, dass mein Leben gar nicht so miserabel war.

Sobald ich bei der Straße angekommen war, hinkte ich auf dem Straßenrand weiter. Kaum Autos waren unterwegs. Praktisch gar keine. Ich hoffte nur, dass ich nicht in Richtung Modoc ging, aber davor hätte mein Dämon mich bestimmt gewarnt. Oder vielleicht auch nicht, schließlich war es seine Schuld, dass ich überhaupt dort gelandet war. Ich fragte mich, ob es in Anbetracht der Tatsache, dass ich gesucht wurde, klug war, an der Straße entlang zu gehen. Im Wald wäre ich wahrscheinlich unentdeckter geblieben. Aber der weiche Waldboden hatte mir das Gehen nicht wirklich leichter gemacht. Die Straße war zwar auch nicht gerade besser, da sie vereist war und ich oft beinahe ausgerutscht und hingefallen wäre, aber das war immer noch besser, als der matschige Untergrund, in dem ich versank und doppelte Anstrengung brauchte, um meine Füße und den Gehstock wieder herauszuziehen.

Und dann hörte ich es. Das vertraute Geräusch eines Wagens, das ich schon zwei Mal gehört hatte. Eigentlich drei Mal, aber das erste Mal zählte ich nicht mit. Als das Auto erst im Schritttempo auf mich zufuhr, umdrehte, als ich nicht stehen blieb und dann neben mir herfuhr, war ich mir nicht sicher, ob dieser Tag nun besser, oder schlimmer werden würde.

~~ ~~

Es war mir wahrscheinlich noch nie in meinem ganzen Leben schwerer gefallen, jemandes Gedanken nicht zu lesen. Die Fähigkeit zu kontrollieren war definitiv leichter, als meiner Neugier standzuhalten. Also versuchte ich mich mit dem Schmerz in meinem Bein abzulenken. Keine gute Ablenkung, aber so hatte ich wenigstens etwas an das ich denken konnte, während ich zum Fenster hinaussah.

„Will ich es wissen?", fragte Aidan irgendwann, als er es augenscheinlich nicht mehr aushielt. Ich starrte weiter zum Fenster hinaus und überlegte, was ihm die Wahrheit bringen würde. Wahrscheinlich nicht viel, außer dass er mich vielleicht wieder aus seinem Auto werfen würde. Es hatte mich ja schon überrascht, dass er mich überhaupt hatte einsteigen lassen. Ich an seiner Stelle, hätte es nicht getan. Aber offenbar fahren immer die hilfsbereitesten (oder naivsten) Menschen auf den verlassenen Straßen, die durch Wälder führen, entlang.

Ich schüttelte den Kopf. „Glaub nicht." Seine Augen waren zwar beinahe permanent auf die Straße geheftet, aber trotzdem warf er mir immer wieder rasche Seitenblicke zu. Anders als erwartet, schien er aber nicht verunsichert zu sein. Anders als die Frau, die mich vor vier Jahren aufgegabelt hatte.

„Du bist verletzt", sagte er dann und seine Stimme war dabei wesentlich ruhiger, als sie das bei anderen Menschen vielleicht gewesen wäre, wenn diese meine Verletzung am Bein gesehen hätten.

„Ich weiß", entgegnete ich nur. Was hätte ich auch sonst sagen sollen?

„Was ist passiert?" Natürlich hielt er es nicht aus, nicht zu fragen. Ich hätte mir vielleicht eine Antwort zurecht legen sollen. Aber ich war zu müde und erschöpft, als dass ich großartig hätte herumlügen können. Die vorbeirauschende Landschaft und die warme Luft im Auto machten mich noch viel müder.

„Ich weiß nicht genau", antwortete ich. „Es ging alles recht schnell. Es war eine Explosion, oder ein Feuer, denke ich. Und da sind alle weggelaufen." Die entscheidenden Details ließ ich lieber weg. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Aidan mir das nicht abkaufte. Aber gut. Wenn ich jemanden blutverschmiert und dreckig auf der Straße aufklauben würde, würde ich auch alles was diese Person mir erzählte, anzweifeln.

„Und die Verletzung?", hakte er nach und nickte mit seinem Kopf zu meinem Bein.

„Bin gestolpert. Hab mich an einem spitzen Stein aufgeschnitten."

„Muss ein verdammt spitzer Stein gewesen sein", bemerkte Aidan mit einem Unterton, der mich erneut wissen ließ, dass er mir nicht glaubte. Ich atmete tief ein und brachte es endlich über mich ihn anzusehen.

„Also", begann ich. „Was hast du jetzt vor?" Er zog verwirrt die Augenbrauen zusammen und warf mir einen flüchtigen Blick zu.

„Was meinst du?"

„Ich meine, was du jetzt vorhast? Willst du mich wieder auf der Straße aussetzen?"

Aidan schien noch verwirrter zu sein, als vorhin.

„Hätte ich einen Grund dazu?" Ich zuckte mit den Schultern.

„Sag du's mir. Ich mache doch grade deine Autositze dreckig."

Ich war mir ziemlich sicher, dass er es nicht wollte, aber er lächelte trotzdem amüsiert.

„Ja, du hast recht. Bei der nächsten Kreuzung schmeiße ich dich raus und lasse dir die Rechnung für die Reinigung zukommen." Bei der Menge Sarkasmus in der Stimme, musste sogar ich mir das Lachen verbeißen, aber in Anbetracht meiner Verletzung, war das nicht besonders schwer. Ich wusste nicht wo wir hinfuhren. Wir fuhren irgendwohin. Auf jeden Fall weg von Modoc.

„Was hast du denn sonst vor?", fragte ich und umklammerte meine Mappe und das Buch. Trotz allem was ich seit gestern mitgemacht hatte, wunderte es mich, dass diese beiden Gegenstände besser aussahen als ich. Sie waren auch herumgeworfen und als Waffen eingesetzt worden. Auch sie waren mit Blut beschmiert worden, hatten im Schnee gelegen und eine Nacht im Wald verbracht.

„Was hast du denn vor?", gab Aidan die Frage zurück. Ich zuckte mit den Schultern. So viele Möglichkeiten gab es nicht. Ich hätte mich von Aidan zu meinem alten Haus fahren lassen können, aber den Vorschlag hatte ich schon von meinem Dämon abgelehnt. Ich hätte in die Waldhütte zurückgehen können, mein Entführungsort, den keiner kannte, aber das war der letzte Ort, an dem ich hätte sein wollen.

„Warum...", begann ich und überlegte wie ich es am besten formulieren sollte. „Warum bringst du mich eigentlich nicht zur Polizei und meldest mich als Nervenheilanstaltsflüchtling?"

Aidan stieß belustigt den Atem aus. „Nervenheilanstaltsflüchtling?" Ich ließ ihn ein paar Sekunden schmunzeln, aber dann wurde er wieder ernst. Sein Blick ging geradeaus, aber er dachte an etwas anderes, als den nicht vorhandenen Verkehr. Das sah ich ihm an. „Ich weiß nicht", sagte er dann nachdenklich. „Ich hab das Gefühl du gehörst da nicht hin."

Es war, als hätte er mir eröffnet, er sei der Präsident. In den letzten Jahren hatten die Menschen immer nur gemeint, dass ich genau da hingehörte. In eine psychiatrische Anstalt. Selbst Rose, weil sie der Meinung gewesen war, ich sei dort sicher. Aber nie hatte jemand gesagt, dass ich nicht da hineinpassen würde. Aidan kannte mich nicht, aber er hatte es mit einer solchen Überzeugung gesagt, als wären wir jahrelange Freunde und er wüsste er genau, wovon er sprach.

„Woher willst du das wissen?", fragte ich, als ich mich wieder gefangen hatte. Nicht, dass ich ihm widersprochen hätte. Ich gehörte definitiv nicht in eine Nervenklinik, aber ich wollte wissen, warum er sich so sicher war, dass ich dort nicht hinpasste.

„Tu ich nicht, aber ich bin sehr risikobereit", sagte er weniger ernst. Ich schmunzelte. War risikobereit nicht ein anderes Wort für verrückt? Für viele zumindest, soviel ich wusste. Es war eine Weile still, aber es war keine unangenehme Stille. Im Gegenteil. Jetzt, da wir wieder weniger verklemmt miteinander sprachen, war es richtiggehend angenehm. Nie hätte ich gedacht, dass sogar Schweigen mit der richtigen Person angenehm sein konnte. Für gewöhnlich schwieg ich eher alleine, oder mit meinem Dämon. Die richtige Person. Meine Gedanken hallten in meinem Kopf nach. Die richtige Person für was? Fürs Schweigen?

„Warum bleibst du nicht bei mir?", fragte Aidan unvermittelt. Ich sah ihn überrascht an und wusste im ersten Moment nicht wie ich reagieren sollte. Warum brachte dieser Junge mich eigentlich immer so schnell aus der Fassung? Konnte ich ihn denn überhaupt als Junge bezeichnen? Er wurde einundzwanzig.

„Du willst, dass ich bei dir bleibe?", fragte ich ein wenig stockend, weil es so überraschend kam. Aidan sah mich an und lächelte leicht. „Egal wo ich dich hinfahren würde, es wäre garantiert am Arsch der Welt und dann würde ich dich ja wieder nicht kennenlernen."

Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Er wollte einfach nicht aufgeben. Dabei lief ich doch praktisch mit einem Warnschild auf der Stirn in der Gegend herum. Ich zog das Chaos ja geradezu an. Ich war aus einer Nervenheilanstalt ausgebrochen, saß blutend und mit matschiger und nasser Kleidung in seinem Auto, und bei ihm läuteten noch immer nicht die Alarmglocken? Nein, er wollte mich bei sich aufnehmen und besser kennenlernen, als ob das was er bisher von mir erlebt hatte, noch nicht genug wäre.

„Du willst, dass ich einfach so bei einem praktisch Fremden unterkomme?", fragte ich nun ein bisschen skeptisch. Ich vertraute Aidan, auch wenn es verrückt war, er hätte mich sonst wohin verschleppen können. Trotzdem war ich neugierig, wie er jetzt reagieren würde.

„Hab ich da was verpasst?", fragte er mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Belustigung. „Du bist diejenige die von oben bis unten mit Blut bedeckt ist und die ich auf der Straße aufgelesen habe und hast Angst ich könnte dir etwas antun?" Ich konnte nicht anders als zu lachen. Ich hatte so lange nicht mehr gelacht, dass ich fast vergessen hatte, wie gut es sich anfühlen konnte. Wenn es nicht erzwungen war. Wenn es nicht von jemandem erzwungen wurde. Wie befreiend Lachen sein konnte und wie es gleich um ein Vielfaches glücklicher machte. Mit der richtigen Person.

„Hast du jetzt etwa Angst vor mir?"

„Hast du Angst vor mir?", fragte er zurück. Ich war mir sicher, dass unsere Antworten dieselben waren. Aber Aidan konnte mich doch nicht einfach bei sich unterkommen lassen.

„Nur für ein paar Tage", sagte er, als hätte er meine Gedanken erraten. „Komm schon, gib mir eine Chance dich kennen zu lernen." Dafür bräuchtest du mehr, als ein paar Tage.

Nicht, dass ich viele andere Optionen gehabt hätte, aber ich war noch immer nicht ganz überzeugt. Trotzdem musste ich mir eingestehen, dass ich neugierig auf sein zu Hause war. Ich wollte wissen wie es aussah und wie er so lebte. Er hatte mir nur erzählt, dass er mit seinen zwei besten Freunden und seiner Schwester in einem Apartment in Fresno wohnte. Ich versank in dem Gedanken, dass ich nie Freunde gehabt hatte, mit denen ich gerne zusammen gewohnt hätte. Meine „Freunde" hätten sich zwar wahrscheinlich alle darum gerissen mit mir zusammen zu ziehen, aber nicht aus den Gründen, aus denen ich einen Mitbewohner gewählt hätte. Wird man in die, für sich falschen Kreise geboren, kommt man eben auch nur mit den, für sich falschen Leuten in Kontakt...

Plötzlich drängte sich mir ein Gedanke auf, bei dem es mich störte, dass dieser sich überhaupt traute in mein Bewusstsein zu dringen. Ich fragte mich, ob Aidan eine Freundin hatte. Eine, die nicht bei ihm wohnte, aber täglich vorbeikam. Ich wusste nicht warum sich dieser Gedanke auf einmal aufgetan hatte, oder warum er keine Lust mehr hatte wegzugehen. Ich wusste auch nicht, warum mich der Gedanke daran, dass er eine Freundin haben könnte, störte. Vielleicht, weil er mich dann niemals so hätte ansehen dürfen, wie er es getan hatte und immer noch tat. Vielleicht, weil er mich dann nicht zu sich nach Hause hätte einladen dürfen. Ich seufzte unmerklich. Es hätte leicht sein können, dass er eine Freundin hatte. Er war gutaussehend, und nett und witzig und irgendwie auch ganz süß. Aber andererseits konnte ich mir einfach nicht vorstellen, warum er mich dann so gerne hätte kennenlernen wollen. Aber würde das nicht heißen, dass er an mir interessiert war? Ich schob den Gedanken beiseite, weil er mir noch unwahrscheinlicher und lächerlicher schien, als der Gedanke daran, dass er eine Freundin haben könnte.

„Okay", nickte ich. „Ich bleibe für ein paar Tage bei dir." Von all den Möglichkeiten, die ich gehabt hätte, war mir diese mit Abstand die liebste. Trotzdem plagten mich drei Fragen. Erstens: Was würden seine Freunde und seine Schwester zu der ganzen Sache sagen? Zweitens: Wie sollte ich sie vor meinem Dämon beschützen, sodass sie nicht in Gefahr waren und auch nicht von ihm erfuhren? Und drittens: Wenn Kober überlebt hatte, Aidan kannte und wusste, dass er und ich einander auch kannten, würde er mich dann nicht auch bei Aidan suchen?

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