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21

Aidan

Ich denke nicht, dass ich Beverly schon einmal so entspannt gesehen hatte.

Es war ein ausgesprochen warmer Januartag, an dem die Sonne so sehr herunterbrannte, als wolle sie uns daran erinnern, dass sie den Winter überlebt hatte. Beverly saß im Schneidersitz auf der Wiese und war über ein Buch gebeugt. Ihre Schultern waren ganz entspannt und ihr Blick wirkte ungefähr so konzentriert, wie Addies, wenn sie in einem Buch versunken war. Ich hatte nur einmal den Fehler gemacht, meine Schwester anzusprechen, als sie gelesen hatte.

Ich ging langsam auf Beverly zu, aber sie bemerkte mich nicht. Ein Mann mittleren Alters ging an uns vorbei. Er hatte ein blaues Auge und blieb einige Meter von uns entfernt stehen, um verwirrt in der Luft hin und her zu sehen. Ich konnte nicht anders als zu schmunzeln.

„Warst du das?", fragte ich Beverly. Erschrocken klappte sie das Buch zu und sah endlich auf. In ihrem Blick lag Überraschung, die mich irgendwie glücklich machte. Sie hatte definitiv nicht damit gerechnet, mich tatsächlich je wieder zu sehen. Ich sah wieder zu dem Mann und Beverly folgte meinem Blick, noch immer ziemlich perplex. Sie brauchte einen Moment um zu verstehen worauf ich anspielte, und es war das erste Mal, dass ich sie lächeln sah. Sie biss sich auf die Unterlippe, um ihr Lächeln nicht noch breiter werden zu lassen.

„Du warst da", bemerkte sie dann.

„Du hast dich ganz schön was getraut...", entgegnete ich. Sie sah wieder hoch zu mir und kniff die Augen zusammen, weil ich in der Sonne stand.

„Das war nicht mein bester Tag, zugegeben."

„Ach, nein?"

„Aber jetzt da du es erwähnst", begann sie. „Falls ich Dr. Kennedy je wieder sehe, schlage ich ihm nochmal eine rein. Dafür dass ich jetzt hier in Modoc festsitze." Wenn ihre Worte nicht so viel Wahrheit enthalten hätten, hätte ich lachen können. Aber somit begnügte ich mich mit einem Lächeln. Sie legte das Buch auf die Seite.

„Du bist wirklich wiedergekommen", sagte sie und sah mich wieder an. Ich mochte es nicht, dass sie zu mir heraufsehen musste. Also setzte ich mich gegenüber von ihr auf den Boden. Der Boden war nur halb so kühl wie ich erwartet hätte, denn obwohl die Sonne mit ihrer Kraft protzte, war der Wind recht frisch.

„Überrascht dich das so sehr?" Ich war schon um fünf Uhr morgens aus der Wohnung geschlichen, um so früh wie möglich hier zu sein. Diesmal hatte ich mein Telefon lautlos gestellt, damit ich nicht permanent von Addie gestört werden konnte. Wahrscheinlich hätte sie mich ohnehin nicht angerufen, weil sie immer noch sauer auf mich war. Zwischen ihr und Trev hingegen war alles wieder gut, soweit ich das mitbekommen hatte. Das bewies immerhin, dass sie noch immer Addie war.

Beverly zupfte einen Grashalm heraus und riss ihn vorsichtig entzwei. „Ich hab nicht damit gerechnet, dass du nochmal kommst, weil ich an deiner Stelle wahrscheinlich nicht mehr gekommen wäre." Sie sah mich forschend an. Im Sonnenlicht schimmerten ihre Haare golden, aber ich konnte mich immer noch nicht entscheiden, ob Beverly nun blond oder brünett war. „Du wohnst in Fresno, richtig? Es ist verrückt so lange hier her zu fahren."

„Du musst es ja wissen. Du sitzt in einer Irrenanstalt." Ich hatte diese Worte ausgesprochen, noch bevor mir bewusst gewesen war, dass ich es überhaupt getan hatte. Am liebsten hätte ich die Worte unausgesprochen gemacht, aber Beverlys Reaktion war ganz anders, als ich erwartet hätte. Ihr Blick war nicht empört, oder verletzt, sondern amüsiert. Als würde ihr gefallen, dass ich nicht totschwieg, dass sie nun einmal hier war.

„Wie geht es Rose?", fragte sie dann. Ich hatte meine Großmutter vor zwei Tagen besucht und ihr erzählt, was passiert war, was leider nicht sehr viel war, aber ich hatte trotzdem nichts ausgelassen. Keine Kleinigkeit. Das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sie mir danach keine Fragen gestellt hatte. Sie hatte mich auch nicht gebeten noch einmal hier her zu kommen, was vielleicht daran lag, dass sie gewusst hatte, dass ich es ohnehin getan hätte. Heute war ich hier, weil Samstag war und ich den ganzen Tag nichts zu tun hatte. Dafür hatte ich gesorgt.

„Gut", sagte ich und nickte. Beverly riss einen weiteren Grashalm aus. „Sie macht sich Sorgen um dich", fügte ich hinzu um ihr die Chance zu geben, zu antworten.

Beverly streckte ihren Rücken durch und richtete ihr Gesicht mit geschlossenen Augen in die Sonne. Mir fiel auf, dass sie fast so blass war wie ich, aber ich hätte nicht sagen können, wer von uns blasser war. „Mir geht es gut hier", meinte sie und es klang, zu meiner Überraschung, wirklich ehrlich. Dann öffnete sie ein Auge und linste zu mir. Ich lächelte sie einfach nur an. Wahrscheinlich länger, als ich irgendeine Person schon einmal angelächelt hatte, ohne etwas zu sagen. Was war heute anders? Ich hatte das Gefühl, dass Beverly wie ausgewechselt war. Sie schien so sorgenfrei und das färbte richtiggehend auf mich ab. Ich hätte sie gerne noch einmal lächeln gesehen. Ihr Lächeln machte mich glücklicher, als alles andere auf dieser Welt. Ich wünschte mir, dass mein Lächeln bei ihr genau die gleichen Gefühle hervorrufen würde. Was hätte ich alles dafür gegeben, Gedanken lesen zu können?

„Also." Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie die Sonnenstrahlen die auf ihr Gesicht geschienen hatten abschütteln. „Ist dein Leben so langweilig, dass du mich besuchen kommst?"

„Nein, aber ich dachte, vielleicht ist deines so langweilig, dass du gerne etwas Gesellschaft hättest." Ich warf einen Blick auf den Mann mit dem blauen Auge. Er schnappte nach etwas Unsichtbarem in der Luft. „Eine etwas normalere Gesellschaft."

Beverly lächelte mich wieder an, und mit jedem Mal wurde ihr Lächeln schöner und schöner. Ihre Zähne waren so ebenmäßig und weiß, wie die eines Hollywoodstars und ich fragte mich unwillkürlich, wie sie das hinbekam.

Es zog mir fast das Herz zusammen, als ich daran dachte, dass die Stimmung zwischen uns vielleicht bald nicht mehr so gut sein würde. Ich wollte jetzt auf keinen Fall über ernste Themen reden, aber ich hatte mir auch geschworen, dass ich Beverly ein paar Fragen stellen würde, auf die ich zwingend eine Antwort brauchte, sonst würde ich verrückt werden.

„Was ist los?", fragte Beverly und sah mich unsicher an. War mir mein Stimmungswandel so deutlich ins Gesicht geschrieben? Ich musste auf jeden Fall jetzt die Wahrheit sagen, denn ihr stand ins Gesicht geschrieben, dass sie dachte, etwas Falsches getan zu haben. Ich räusperte mich.

„Ich muss dich was fragen." Sie sah mich abwartend an, aber sie wusste genau, was ich vorhatte sie zu fragen. „Warum bist du hier? Und ich meine nicht, warum du in Modoc bist, denn die Geschichte kenne ich von Rose." Ja, sie hatte diese Frage eindeutig erwartet. Zumindest schien sie nicht im Geringsten überrascht. Sie spielte mit dem Grashalm herum und sah dabei auf ihre Hände. Ich wusste, ich hätte diese Frage nicht aussprechen dürfen. Noch nicht. „Tut mir leid."

„Nein, schon okay", sagte sie schnell und sah mir in die Augen, als wolle sie mir versichern, dass es ihr nichts ausmachte. Aber genau das verriet sie. Sie senkte ihren Blick wieder und sagte für einige Sekunden nichts. „Ich würde sagen... Ich hab jemandem vertraut, dem ich nicht hätte vertrauen sollen."

„Das klingt mehr nach Gefängnis, als Nervenklinik."

Beverly stieß halb amüsiert halb traurig den Atem aus. „Sagen wir einfach ich hab dieser Person etwas über mich erzählt. Etwas anvertraut. Und dann hat diese Person mich für verrückt erklärt. Und das eine führte zum anderen. Was ich ihr gesagt habe hat die Runde gemacht. Und schon saß ich in einem Raum mit wirklich psychisch gestörten Menschen." Moment, sollte das heißen, dass sie eigentlich, aus ihrer Sicht, gar nicht krank war? War sie ungerechtfertigt weggesperrt worden? War das der Grund für ihre Obsession für Geheimnisse? Weil jemand sie verraten hatte? Ich hatte das Gefühl, ich wurde aus Beverly nicht schlau. Sie antwortete zwar auf meine Fragen, aber die konkrete Antwort, die zu meinem Verständnis beigetragen hätte, umging sie verdammt gut. Ich wusste also immer noch nicht warum sie hier war. Ihre Antwort hatte lediglich mehr Fragen aufgeworfen.

„Warum macht sich deine Schwester Sorgen um dich?", fragte sie und sah mich an. Ich war kurz verwirrt, wie sie darauf kam, aber recht schnell dämmerte mir, dass sie auf jede Frage die ich ihr stellen würde, auch eine stellen würde. Und da ich das letzte Mal gemeint hatte, dass Addie sich mehr Sorgen um mich machte, als sie sollte, fragte Beverly nun nach. Ich fand es nur fair ihr auch zu antworten. Aber eben genauso, wie sie mir.

„Weil ich einmal etwas Dummes getan habe und sie Angst hat, dass ich diese Dummheit wiederhole." Beverly sah mich lange an, wohl um zu überlegen, ob sie mit dieser Antwort zufrieden sein sollte, bevor sie den Blick wieder senkte. Ich ging davon aus, dass nach unserem Gespräch eine kahle Stelle in der Wiese sein würde.

„Warum seid ihr so gut befreundet? Du und Rose." Das war nicht die Frage die ich eigentlich hatte stellen wollen. Aber ich wusste, dass ich auf die Frage, was in dieser Mappe war, keine Antwort bekommen würde.

„Wir haben vieles gemeinsam", antwortete Beverly. Wenn dieses Mädchen einen Mord begehen würde, würde sie wahrscheinlich die komplette Wahrheit erzählen können, ohne zu gestehen, dass sie den Mord begangen hatte. Mein Blick fiel auf die Halskette die sie trug. Der silberne Adler mit den Smaragdaugen. Ich war überrascht, dass sie diese Kette tatsächlich immer zu tragen schien. Auch das letzte Mal als ich hier gewesen war, hatte sie sie getragen. Und auch, als sie damals auf Dr. Kennedy losgegangen war.

„Warum willst du das alles wissen?" Sie stellte die Frage, auf die ich ihr keine Antwort geben konnte. Aus dem Grund, dass ich noch immer keine Antwort auf diese Frage hatte. Ich hatte zwar akzeptiert, dass ich Beverly nie wieder aus meinem Leben streichen können würde, und dass mich das zu einem ziemlich schrägen Typen machte, weil ich sie nicht kannte, aber die Antwort warum das so war, hatte ich nicht. Trotzdem wollte ich es zu versuchen.

„Ich will mehr über dich erfahren."

„Warum?"

Ich sah sie einige Sekunden schweigend an.

„Was ist das für ein Buch?", fragte ich und zeigte auf das blaue Buch, das sie vorhin so eilig zugeklappt und dann neben sich hingelegt hatte. Eine Frage nach der anderen, Beverly.

„Ein Notizbuch. Es steht nichts drinnen."

„Warum hast du dann vorhin so vertieft hineingesehen?"

„Warum willst du mehr über mich erfahren?"

Sie spielte nicht schlecht und ich war mir nicht sicher ob ich das gut oder schlecht finden sollte, denn plötzlich war sie wieder die Beverly, die ich kennengelernt hatte. Ernst, still, verschlossen. Ein Hauch Misstrauen lag in ihren Blick.

Sie machte mich neugieriger, als ich sein sollte. Jetzt wollte ich nicht nur wissen was in dieser Mappe war, sondern auch wissen, was in diesem Buch stand. Es konnte doch unmöglich nichts drinnen stehen. Wenn dem so wäre, dann wäre ihr Aufenthalt hier wohl nicht einmal unberechtigt, so vertieft wie sie in das Buch gewesen zu sein schien.

Ich ließ meinen Blick über die Wiese schweifen. Ich wollte die Stimmung zwischen uns keineswegs noch mehr zerstören, als sie es ohnehin war. Aber ich wollte immer noch mehr über sie erfahren. Aber das ging auch auf einem anderen Weg. Ich sah ihr wieder in die Augen.

„Was ist dein Sternzeichen?", fragte ich schließlich. Sie sah mich kurz verdutzt an, aber dann schien so etwas wie Erleichterung über ihr Gesicht zu huschen. Ich konnte förmlich beobachten wie sie sich wieder entspannte.

„Steinbock", sagte sie. „Und deines?"

„Widder."

„März oder April?", fragte sie sofort. Ich zog verwundert die Augenbrauen hoch. Ich konnte mich glücklich schätzen, wenn ich den Geburtstag meiner Schwester nicht vergaß, und Trev mich nicht eine Woche vorher daran erinnern musste, und sie wusste in welchem Zeitraum ich geboren sein musste, aufgrund meines Sternzeichens. Aber genau das machte Beverly um so vieles interessanter.

„März", antwortete ich. „22. März 1995."

„Du wirst einundzwanzig", stellte sie überrascht fest. Jetzt konnte sie auch noch in wenigen Sekunden mein Alter berechnen. Klar, warum nicht? Aber jetzt mal ehrlich... sah ich so viel älter oder jünger aus, dass sie mein Alter so überraschte?

„Wann hast du Geburtstag?", fragte ich und lächelte amüsiert. Ich für meinen Teil hatte keine Ahnung wann Steinböcke geboren werden. Ich hätte zwar in meinem Kopf zurück rechnen können, wann ich sie das erste Mal gesehen hatte, dann achtzehn Jahre zurück rechnen, und hoffen dass ich das richtige Jahr nannte, aber in ihrer Gegenwart zu rechnen war wie Unterwasser zu Atmen. Ohne dem richtigen Equipment, eher schwierig.

„17. Jänner 1998." Sollte es mich irgendwie abschrecken mich für ein Mädchen zu interessieren, das nicht nur in einer psychiatrischen Anstalt saß, und über das ich kaum etwas wusste, sondern das auch noch drei Jahre jünger war als ich? Vielleicht. Meine Eltern hatten Addie und mir immer eingetrichtert, dass der Altersunterschied erst ab dreißig eine abnehmende Rolle spielt. Sie waren ja schon mit Trev unglücklich gewesen. Addie und er waren etwas mehr als zwei Jahre auseinander und unsere Eltern hatten ein riesen Drama daraus gemacht, als ihre sechzehnjährige Tochter mit einem achtzehnjährigen Jungen ausgegangen war. Sie hatten noch eine Latte anderer Gründe gehabt, warum sie Trev hassten, aber der Altersunterschied war einer davon gewesen.

Je länger wir uns unterhielten, desto lockerer wurde unsere Unterhaltung. Ich konnte sie sogar noch drei Mal zum Lächeln bringen. Und solange wir einen großen Bogen um alle heiklen Themen machten, war auch alles gut. Mittlerweile hatte ich ein Gespür dafür, welche Themen vermieden werden sollten. Zumindest halbwegs.

„Deine Schwester ist süß", sagte Beverly.

„Süß?", hakte ich ungläubig nach. „Sie ist anstrengend. Besonders in letzter Zeit. Sie hat sich in ihrem ganzen Leben noch nicht so verhalten wie in den letzten Wochen."

„Ja, aber du hast doch gesagt, dass du sie über alles liebst und sie einer der wichtigsten Menschen für dich ist."

„Ist sie auch."

„Dann wird dich das nicht umbringen."

„Nein, aber sie vielleicht." Ich schaffte es ein viertes Mal Beverly zum Lächeln zu bringen, es war schon beinahe ein Lachen. Über uns zogen wieder Wolken auf und verdeckten die Sonne. Ein leichter Wind kam auf und fuhr Beverly durch ihre Haare. Ich ertappte mich dabei, dass ich überlegte wie sich ihre Haare wohl anfühlten.

„Hast du Geschwister?", fragte ich. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich nur minimal, aber ich bemerkte es trotzdem. Sie zupfte wieder an den Grashalmen herum, während sie versuchte ihre gute Laune wie eine Maske aufrechterhalten zu wollen. Das gefiel mir nicht. Ich mochte es nicht, wenn sie versuchte sich zu verstellen. Ich hatte es lieber wenn sie komplett ehrlich war, auch wenn sie Unmengen an Geheimnissen zu haben schien. Schließlich nickte sie und lächelte halbherzig.

„Ja, ich habe eine Schwester." Sie schien kurz mit sich selbst zu ringen. „Hatte", fügte sie dann leise hinzu. Nun war sie auch wieder ehrlich und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie verletzt war. Und obwohl ich mich dafür hasste, sie traurig gemacht zu haben, war ich froh, dass sie nicht noch einmal ihre Laune vorzutäuschen versuchte.

„Was ist passiert?", fragte ich vorsichtig, obwohl mir klar war, dass ich besser nicht hätte fragen sollen.

„Autounfall", sagte Beverly knapp. Ihre Augen wanderten nervös hin und her. Ich konnte ihr das nicht verdenken. Wenn ich Addie bei einem Autounfall verloren hätte... ich hätte wahrscheinlich genauso reagiert wie Beverly.

„Das tut mir leid", sagte ich. Ich hoffte, dass Beverly mich ansah, aber sie tat es nicht mehr. Mir wurde einmal mehr bewusst, dass ich nichts über dieses Mädchen wusste. Sie straffte die Schultern und atmete tief ein.

„Entschuldige." Sie hob den Blick und sah mich wieder an. „Normalerweise reagiere ich nicht so. Ich schätze dich so glücklich über Addie reden zu hören, in Verbindung mit meiner Schwester, war keine allzu gute Kombination..."

Jetzt fühlte ich mich schlecht. „Ich hätte nicht fragen sollen."

„Das konntest du ja nicht wissen." Beverly sah mir lange in die Augen. „Du fragst ja, um mich kennenzulernen."

„Und, was meinst du? Kenne ich dich?", schmunzelte ich, woraufhin sie belustigt den Kopf schüttelte.

„Kein bisschen." Dann wurde sie wieder ernst. „Aber das tun die Wenigsten." Naja, wenn du auch so viel geheim hältst...

Ich zog mein Handy kurz hervor und es wäre mir beinahe aus der Hand gefallen. Wir saßen schon seit fast drei Stunden hier. Wir hatten fast die ganze Zeit über belanglose Dinge geredet. Meistens über mein Leben und Beverly hatte ihre Kommentare dazu abgegeben und mich mehr als einmal zum Lachen gebracht. Und obwohl ich nicht wirklich viel über sie erfahren hatte, machte mir das nichts aus. Alleine bei ihr zu sein und sie so glücklich zu sehen, war genug.

Zu meiner Überraschung hatte ich keinen einzigen verpassten Anruf.

„Ich muss langsam wieder los", sagte ich entschuldigend und sträubte mich innerlich sehr dagegen aufzustehen. Ich wäre viel lieber hier geblieben und hätte weiter mit Beverly Zeit verbracht. Aber ich brauchte immerhin eine Weile nach Hause. Wenn ich Glück haben würde, dann würde ich um zehn zu Hause sein.

Beverly nickte. Sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber sie war enttäuscht darüber, dass ich ging. Irgendwie machte mich das glücklich. Ich konnte ihr nicht egal sein, wenn sie enttäuscht war, dass ich gehen musste, oder?

„Ich schätze...", begann ich daher. „Da ich dich offenbar noch kein bisschen kenne, muss ich wohl wiederkommen."

Beverly unterdrückte ein Lächeln und ich fand es unfassbar süß.

„Ich schätze das musst du wohl", sagte sie.

„Werde ich denn meine Fragen das nächste Mal beantwortet bekommen?"

„Nein", gab sie ohne Umschweife zurück, was mich zum Lachen brachte. Eigentlich hätte es mich stören sollen, dass sie mir nichts von sich erzählen wollte, aber andererseits... Sie kennt dich nicht, Aidan. Wahrscheinlich müsste ich mir Sorgen machen, wenn sie mir sofort jede Kleinigkeit aus ihrem Leben berichtet hätte.

~~ ~~

„Wo warst du heute den ganzen Tag?", fragte Chase, als ich wieder nach Hause kam. Er stand in der Küche und war dabei eine Flasche Bier zu öffnen. Ich hatte keine Lust zu antworten. Die ganze Zeit in der ich mit Beverly zusammen gewesen war, hatte ich mich unendlich gut gefühlt. Ihr Lächeln war wie eine Therapie für meine eigenen Probleme gewesen, obwohl sie höchstwahrscheinlich mehr hatte. Aber kaum hatte ich wieder in meinem Auto gesessen, hatte ich mich von einer Leere erdrückt gefühlt, die ich mir nicht erklären konnte. Ich fühlte mich zu Beverly hingezogen, wie zu keinem anderen Menschen. Es fühlte sich gut und beängstigend zugleich an. Und ich konnte absolut nicht sagen, ob ich gerade dabei war, mich in dieses Mädchen zu verlieben.

„Fang du nicht auch noch so an", seufzte ich abweisend. Jetzt war es endlich so weit, dass Addie mich in Ruhe ließ, da brauchte ich nicht Chase als Stellvertreter. Ich ging in mein Zimmer, erschien aber recht bald wieder in der Küche, weil ich fast den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte.

Chase hatte sich mit seinem Laptop an den Küchentisch gesetzt, während Trev und Addie vor dem Fernseher auf der Couch lagen. Addie schlief in Trevs Armen, was mich erleichterte. Heute Morgen hatte sie alles andere als gut ausgesehen und gemeint, sie habe seit über vierzig Stunden nicht mehr geschlafen. Ob das beabsichtigt gewesen war, hatte sie jedoch nicht erwähnt, und ich hatte nicht gefragt, da sie immer noch nicht mit mir redete. Ich wusste nur, dass sie gestern trotzdem gearbeitet hatte. An Freitagen und Donnerstagen arbeitete sie für gewöhnlich immer, aber Samstage und Sonntage ließ sie manchmal aus, je nachdem wie nötig sie es hatte Geld zu verdienen.

Ich warf einen Blick in den Kühlschrank. „Haben wir überhaupt irgendetwas zu essen hier?", fragte ich kopfschüttelnd. Es wurde definitiv mal wieder Zeit für einen Großeinkauf, um unsere Schränke und den Kühlschrank zu füllen.

„Wir haben Pizza bestellt. Addie hat ihre nicht gegessen", sagte Trev. Da ich so großen Hunger hatte, war mir sogar eine kalte, vegetarische Pizza recht. Ich setzte mich mit dem Karton an den Tisch und öffnete ihn. Im Leben hätte ich nicht gedacht, dass eine Pizza mir so viel Freude bereiten könnte, und das obwohl sie nicht mit Fleisch belegt war.

Addie war schon seit ich denken konnte Vegetarierin. Wahrscheinlich nicht einmal weil ihr Fleisch nicht schmeckte, sondern aus dem Grund, dass sie einfach nichts essen konnte, von dem sie wusste, dass es einmal gelebt hatte. So war sie aber schon, seit sie ein kleines Kind war. Man hätte sie wahrscheinlich eher töten können, als dass sie Fleisch gegessen hätte. Unsere Eltern hatten es immer wieder probiert, aber Addie hatte es immer ausgespuckt und ihr war schlecht geworden. Also hatten unsere Eltern es irgendwann aufgegeben.

„Ich esse keine Leichen", war ihre Standardantwort, wenn sie jemand nach dem Grund fragte. Das genügte dann meistens auch, denn diese Leute fragten nie wieder. Aber anders als manch andere, versuchte Addie auch niemanden zu bekehren.

„Sagst du uns irgendwann auch wie sie heißt?", fragte Chase und sah mich über den Rand seines Laptops an. Ich war mir nicht sicher ob er neugierig oder genervt klang.

„Wer denn?", nuschelte ich und mied es ihn anzusehen.

„Das Mädchen für das du uns immer versetzt", erläuterte Trev. Ich drehte mich zu ihm um.

„Heute habe ich euch nicht versetzt. Wir hatten nämlich nichts vor." Ich stand auf um mir ebenfalls ein Bier zu holen.

„Ich hab kein gutes Gefühl bei der Sache", sagte Chase und tippte auf seinem Laptop herum. Warum schien sich hier jeder gegen mich zu verschwören?

„Was geht dich das an?", fragte ich schnippisch.

„Warum hältst du sie vor uns geheim?", schoss er zurück und drehte seinen Kopf zu mir. Es lag ein Ausdruck in seinen Augen, den ich nicht deuten konnte. Es schien eine Mischung aus Wut und Sorge zu sein.

„Leute!", knurrte Trev und wir sahen zu ihm. Er zeigte auf die schlafende Addie und legte einen Finger auf die Lippen. Ich öffnete die Bierflasche und setzte mich wieder an den Tisch.

„Es geht dich nichts an mit wem ich mich treffe", sagte ich etwas leiser zu Chase. „Keinen von euch, im übrigen."

Chase schüttelte genervt den Kopf und wandte sich wieder seinem Laptop zu. Was war bloß los mit ihm? Warum machte er sich um mich mehr Sorgen, als um Addie? Ich traf mich doch nur ab und zu mit einem Mädchen, während Addie einfach nicht schlafen wollte, oder konnte und von Alpträumen gejagt wurde.

Mein Blick fiel auf seine Schlüssel, die neben seinem Laptop lagen. Ich fragte mich, ob er vorhatte heute noch irgendwo hin zu gehen.

Es fühlte sich an, als würde mein Herz stehen bleiben, als ein Schrei durch die Wohnung hallte. Ich brauchte ein paar Sekunden um mich zu fangen, bevor ich mich umdrehte. Addie saß panisch auf der Couch und war nun hellwach. Ihren Zustand hätte ich mit einem Wort beschreiben können. Orientierungslos. Ihre Augen wanderten umher, als wüsste sie nicht recht, wo sie war und sie zitterte am ganzen Körper. Ich hatte sie in meinem ganzen Leben noch kein einziges Mal so schreckhaft und durch den Wind erlebt und es machte mir Angst sie so zu sehen. Das einzige Geräusch das den Raum erfüllte, war ihr gehetzter Atmen.

„Addie." Trev wollte seinen Arm um sie legen, aber sie stieß ihn von sich.

„Warum habt ihr mich einschlafen lassen?!", rief sie, sprang auf und rannte ins Bad. Die Türe flog mit einem lauten Knall zu und ich zuckte zusammen. Ich war unfähig mich zu bewegen. Mein Gehirn versuchte noch zu verarbeiten, was gerade passiert war.

„Willkommen in meiner Welt", sagte Trev und sah mich und Chase fast anklagend an. Hätte er nicht eher Addies Welt sagen müssen? Er stand ebenfalls auf und ging zum Bad, aber Addie hatte die Türe abgeschlossen. Er klopfte an.

„Addie, mach auf."

„Verschwinde!", schluchzte sie. Trev ließ seinen Kopf gegen die Türe fallen. Ich sah zu Chase, der seinen Blick an die Türe des Badezimmers heftete, und genauso gelähmt schien, wie ich mich fühlte. Ich spürte wieder die altbekannte Schuld in mir aufsteigen, die mir unter die Nase rieb, was für ein schrecklicher großer Bruder ich doch war. Beverly schaffte es zwar, dass ich alles Negative und alle Probleme die ich hatte, aus meinem Kopf verbannte solange ich bei ihr war, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht mehr da waren. Das schien ich gelegentlich zu vergessen und jetzt wurde ich brutal wieder daran erinnert, wie schlecht es Addie in letzter Zeit ging. Ich löste mich mühselig aus meiner Starre, stand langsam auf und ging zu Trev. Aus dem Badezimmer drangen raschelnde und klappernde Geräusche. Ich sah Trev skeptisch an.

„Haben wir irgendetwas Lebensbedrohliches da drinnen?" Trev verdrehte die Augen.

„Falls du damit sowas wie Schlaftabletten meinst, nein. Sie weigert sich schließlich strikt zu schlafen." Um ehrlich zu sein hatte ich eher an Rasierklingen gedacht...

„Addie", versuchte ich es mitfühlend.

„Ich sagte, verschwindet!", kam es zurück, fast schon aggressiv, aber immer noch verzweifelt. Ich seufzte. Mir war klar, dass sie immer noch sauer auf mich war, aber warum wollte sie mit keinem von uns reden? Sie war nicht Beverly, die einen ganzen Stapel von Geheimnissen hatte. Zumindest sollte sie das nicht, denn das würde bedeuten, dass sie keinem von uns vertraute.

„Wir wollen dir helfen", sagte ich.

„Ihr könnt mir nicht helfen!", rief sie verzweifelt. „Niemand kann das!"

„Vielleicht könnten wir es, wenn du uns einfach mal erzählen würdest was los ist!", sagte ich wenig einfühlend, woraufhin Trev sich räusperte und mich warnend ansah. Ich fuhr mir übers Gesicht und entfernte mich von der Türe. Es hatte doch ohnehin keinen Zweck. Addie konnte stur wie ein Esel sein und wenn sie nicht reden wollte, würde sie mich vor dieser Türe versauern lassen.

Ich vermisste meine kleine Schwester. Die, die 24/7 lachen konnte, was ich nicht mal im Traum schaffen würde, mich aber automatisch glücklich machte. Die, die nichts lieber tat, als sich in Gedichten von großen Poeten zu vergraben und diese zu zitieren. Die Addie, die im Kino einen Eimer Popcorn alleine essen konnte und sich trotzdem darüber beschwerte, dass sie noch Hunger hatte.

Ich drehte mich um und bemerkte, dass Chase nicht mehr da war. Ich sah mich um und sah auch durch die geöffnete Türe in sein Zimmer, aber er war nicht da. Sein Laptop stand zugeklappt auf dem Tisch. Seine Schlüssel jedoch waren weg.

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