Kapitel 3 ✓
Kapitel 3
Schließlich bemerkten die Hunde, dass Sezuna ihnen nicht folgen konnte und verstummten, um kurz darauf einzeln zu sprechen. Sie erklärten Sezuna, dass sie die junge Frau gefunden hatten. Die Tiere glaubten, sie wäre verletzt und wollten ihr helfen.
Das verwirrte Sezuna sehr, denn es waren nicht die Welpen gewesen, die sie mitgenommen hatten, sondern ihre Mutter oder vielleicht auch der Vater. Sie wusste nicht, wie die Familienstruktur dieses Rudels aufgebaut war. Trotzdem schien es, als wollten sie Sezuna nicht fressen. Das war gut. So war sie doch nicht in Gefahr und konnte auf Yui warten. Allerdings entspannte sich ihr Körper nur langsam. Vielleicht, weil sie diese neuen Informationen erst einmal verarbeiten musste. Noch immer sorgte die unbekannte, gefährliche Umgebung dafür, dass sie in Alarmbereitschaft war.
Während die Tiere erzählten, kam der Hund mit den roten Augen auf ihren Schoß. Er stupste sie immer wieder an, bis Sezuna begann, ihn zu kraulen.
Das Fell der Hunde war seltsam weich und seidig. Es glänzte sogar im leichten Licht, das durch die Höhle fiel. Obwohl es keinen Mond gab, wirkte die Umgebung doch irgendwie wie von Mond beschienen. Wie war das möglich?
Die Welpen waren schlanke Tiere mit riesigen Köpfen und Pfoten. Gleichzeitig hatten sie auch eine sehr lange Schnauze und einen drahtigen, fast schmächtigen Körper.
Sezuna konnte sich nicht daran erinnern, schon einmal einen solchen Hund gesehen zu haben. Sie bemerkte auch, dass die Hunde ihre Krallen scheinbar wie Katzen einziehen konnten.
Obwohl die Tiere noch sehr klein waren, gerade einmal so groß wie ihr Kopf, waren sie sehr schwer und kraftvoll.
„Wo ist eure Mutter?", fragte Sezuna schließlich und sorgte dafür, dass die drei ihren Schwanz und ihre Ohren senkten. Es wirkte, als wären sie sehr traurig. Diese Geste setzte Sezuna überraschenderweise zu. Sie wollte nicht, dass die Hunde traurig waren.
„Sie hat uns allein gelassen", erklärte die Hündin und ihre blauen Augen wirkten traurig, was dafür sorgte, dass Sezuna Mitleid spürte. Gleichzeitig war sie aber auch verwirrt.
„Aber sie war doch gerade noch hier", behauptete Sezuna irritiert und die Hunde blickten sie fragend an. Es schien, als wüssten sie nicht genau, was Sezuna meinte. Hatten sie ihre Wortwahl vielleicht nicht verstanden?
„Sie war schon lange nicht mehr hier", bemerkte der rotäugige Hund und wirkte ernst. Als wäre er ein Kind, das verstand, dass seine Mutter tot war. Das bedrückte Sezuna irgendwie. „Schon seit vielen Monden", fügte er hinzu, ließ sich aber kaum anmerken, dass er traurig darüber war. Ein starker, junger Hund, wie Sezuna sich eingestehen musste. Vielleicht sogar stärker als sie.
Die Wortwahl irritierte Sezuna. Gab es hier doch einen Mond? Dann war es vielleicht gerade Tag? Sie wusste es nicht und versuchte, nicht abzuschweifen. Sie sollte sich auf die Welpen und das Phänomen des riesigen Hundes konzentrieren.
Sezuna runzelte die Stirn, weil sie nicht genau verstand, wer der große Hund gewesen war. War es vielleicht ihr Vater? Kümmerten sich die Väter um ihre Jungen? Das konnte gut sein. Sezuna wusste immerhin nicht einmal, was für eine Rasse sie vor sich hatte.
„Ich versteh nicht ganz", brachte Sezuna nachdenklich hervor und streichelte den rotäugigen Hund, dem das sehr gefiel, weiter. Sie unterschieden sich wirklich nur an ihren Augenfarben, was es schwierig machte, sie auseinanderzuhalten. Ihre Stimmen klangen zwar unterschiedlich, doch diese konnte Sezuna nicht einmal richtig zuordnen.
„Musst du nicht", behauptete der grünäugige Hund, dessen Stimme etwas träger und dunkler war als die seines Bruders. Sie erkannte nur, dass er gesprochen hatte, weil er sein Maul ein kleines Stück öffnete. Als würde er ihre Mundbewegungen nachahmen.
Sezuna ließ das erst einmal so stehen. Es brachte nichts, wenn sie weiter fragte. Wahrscheinlich würde sie sowieso keine hilfreiche Antwort erhalten.
„Danke, dass ihr euch um mich gekümmert habt, aber ich muss zurück", erklärte sie mit unsicherer Stimme. Hier in der Höhle würde Yui sie wohl nicht finden.
Das veranlasste die Hündin dazu, ihre Pfoten auf ihr Bein zu stellen. Als würde sie Sezuna nicht gehenlassen wollen.
„Wohin zurück?", fragte sie und wedelte wild mit dem Schwanz. Ihre Körperhaltung zeigte, dass sie sehr aufgeregt war.
„Ich bin durch ein Portal hierhergekommen", erklärte Sezuna kurz angebunden, die sofort bemerkte, dass die Hunde damit wohl nicht viel anfangen konnten.
„Portal?", fragte die träge Stimme des grünäugigen Hundes neugierig. Sezuna nickte langsam. Wie sollte sie ihnen erklären, was sie meinte?
Portale verbannten Kontinente und sogar ganze Planeten. Es gab feste und solche, wie Yui sie genutzt hatte. Magisch erzeugte.
„Ja, es verbindet Welten miteinander", versuchte sie zu erklären. Es war jedoch schwerer als erwartet. Sie konnte ihnen kaum die Funktionsweise beschreiben. Das würde die Tiere nur noch mehr verwirren. Zudem wusste sie überhaupt nicht so genau, wie das alles funktionierte.
Diese Erklärung schien den Hunden nicht weiter zu helfen, was Sezuna seufzen ließ. „Eine Freundin holt mich dort ab, damit sie mich nach Hause bringen kann", sagte sie stattdessen und hoffte, dass die Hunde wenigstens das verstanden. Ob sie so etwas wie Freunde kannten? Es wirkte irgendwie, als wären sie hier allein.
„Freundin?", fragte die junge Hündin aufgeregt. Es klang so, als wüsste sie, was dieses Wort bedeutet. Das beruhigte Sezuna. Irgendwie fände sie es nicht gut, wenn diese drei kleinen Welpen keine Freunde hätten.
„Dürfen wir mitkommen?", wollte der rotäugige Hund wissen und sprang aufgeregt auf ihrem Schoß herum, was Sezuna leise stöhnen ließ. Er war so schwer, wenn er das tat, dass sie jede seiner Bewegungen deutlich spürte und wohl an den Stellen blaue Flecken bekommen würde. Wahrscheinlich war er sogar so schwer wie sie. Dabei war sie viel größer.
„Schon gut, ihr könnt ja mitkommen", murmelte sie ergeben, damit die Hunde Ruhe gaben. Sie wusste jedoch nicht genau, was sie mit den Tieren machen sollte. Komplett mitnehmen kam wohl nicht in Frage. Wie sollte sie Yui erklären, dass diese sich plötzlich um Haustiere kümmern musste, denn zu ihrer Mutter würde sie die Hunde definitiv nicht mitnehmen können. Wobei sich die grünhaarige Hexe wohl sogar darüber freuen würde. Sie liebte seltsame Tiere, doch Sezuna wusste nicht, ob die Hunde in ihrer Welt überhaupt leben konnten.
Alle drei Hunde wirkten glücklich darüber und sprangen von ihr, um sie förmlich zu schupsen, damit sie aufstehen und losgehen konnten. Dabei waren sie vorher diejenigen gewesen, die am liebsten weiter sitzengeblieben wären. Ob sie wohl neugierig auf Sezunas Freundin waren? Das war möglich.
Der plötzliche Umschwung ihrer Gefühle irritierte Sezuna, aber sie erhob sich, um mit den Hunden aus der Höhle zu gehen. Dort wurde es etwas heller, aber nicht sonderlich stark. Das Zwielicht hatte sich nicht geändert und beim genaueren Hinsehen entdeckte sie noch immer keinen Mond am Himmel.
„Du kannst auf uns reiten", bemerkte der rotäugige Hund plötzlich, als sie schon ein Stück gegangen waren, was Sezuna nur noch verwirrter werden ließ.
Sie wollte gerade fragen, wie sie sich das vorstellten, als sie bemerkte, dass die drei Hunde sich gegenseitig ansprangen und verschmolzen.
Mit weit aufgerissenen Augen sah Sezuna zu, wie aus den drei Hunden ein Knäul entstand, das immer größer wurde und schließlich zu genau dem dreiköpfigen Hund wurde, der sie aufgehoben hatte.
Vor Überraschung gaben Sezunas Beine nach und sie landete auf ihrem Hintern im Sand. Mit aufgerissenen Augen und nach Luft schnappend, betrachtete sie das große Wesen. Das hatte sie nicht erwartet! Von wegen Mutter oder Vater! Es waren die Welpen gewesen! Irgendwie gelang es ihr aber nicht, das Bild der drei kleinen Hunde mit dem des großen, dreiköpfigen in Einklang zu bringen.
Es dauerte etwas, bis Sezuna sich wieder gefangen hatte. In dieser Zeit blickten drei Augenpaare sie abwartend an.
Langsam erhob sie sich, bevor sie den Sand von ihrem Kleid putzte. Dabei waren ihre Bewegungen abgehakt und zittrig, weil sie noch immer den Schreck in ihren Gliedern spürte. Daher ließ sie sich auch ungewöhnlich viel Zeit, denn sie hatte die Hoffnung, so ihren Körper zu beruhigen.
„Habt ihr mich erschreckt", tadelte sie mit brüchiger Stimme. Sie konnte ihnen nicht einmal wirklich böse sein. Dazu waren sie viel zu niedlich.
Sezuna sah zu, wie einer der Hundeköpfe ihr näher kam. Es war der Kopf mit den grünen Augen. Das Einzige, was ihr half, die drei Köpfe irgendwie zuzuordnen.
Seine Zunge leckte einmal über ihr Gesicht und sabberte sie voll, bevor sich der Hund vor sie setzte, als würde er auf ihre Anweisungen warten.
Sezuna durchfuhr ein Schaudern und sie wischte sich den Hundespeichel aus dem Gesicht. Dabei ermahnte sie sich, nicht wieder in Panik auszubrechen. Der Hund mochte groß und mächtig sein, war ihr aber nicht feindlich gesonnen. Immerhin waren es die Welpen. Diese hatten sie gut behandelt und sogar füttern wollen. Es war also unwahrscheinlich, dass sie Sezuna etwas taten.
Jetzt verstand sie zumindest, wie sie auf den Hunden reiten konnte, auch wenn ihr noch schleierhaft war, wie sie auf diesen aufsteigen sollte.
Es fühlte sich alles irgendwie seltsam an. Dabei war es nicht das Seltsamste, was sie je erlebt hatte. Eigentlich war es sogar recht normal, wenn man die anderen Male, in denen Yui sie durch irgendwelche Portale geschickt hatte, mitzählte. Dort war sie fleischfressenden Blumen, singenden Meerestieren und sogar Riesen begegnet. Eigentlich reihte sich dieser Hund, der aus drei kleinen Welpen bestand, in die Liste der seltsamen Tiere ein.
„Könnt ihr in dieser Form auch sprechen?", fragte Sezuna, um sich selbst abzulenken. Seine bloße Gegenwart beunruhigte sie etwas. Es würde noch mindestens eine Stunde dauern, bis sie sich an ihn gewöhnt hatte. Dann würde sie sich hoffentlich in seiner Gegenwart sicherer fühlen.
Sie sah allerdings auch die Vorteile: Mit ihm an ihrer Seite würden sich die anderen Wesen hier hoffentlich zweimal überlegen, sie anzugreifen.
„Ja, können wir", drang eine weibliche, aber viel älter klingende Stimme an Sezunas Ohren. Diese starrte den Hund überrascht an, bis ihr klar wurde, dass das wohl die blauäugige Hündin gewesen war. Warum klang sie jetzt so viel älter?
„Habt ihr eigentlich Namen?", fragte sie, weil ihr einfiel, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatten. Was wohl der Situation geschuldet war. Sezuna hatte einfach nicht mehr daran gedacht. Jetzt fiel ihr jedoch sehr deutlich auf, dass sie nicht wusste, wie sie die drei oder im jetzigen Falle den einen, ansprechen sollte.
„Wir haben keine Namen, aber viele Dämonen nennen uns Cerberos", erklärte der rotäugige Hund und Sezuna runzelte die Stirn. Dämonen? Hier gab es Dämonen? Nicht, dass es seltsam war, immerhin lebten auf Yama ebenfalls Dämonen, aber wahrscheinlich unterschieden sich die Bezeichnungen.
Der Begriff Dämon schloss schon in ihrer Sprache sehr viele Unterarten mit ein. An sich so gut wie alles, was sich vom Sternenstaub der Lebenden ernährte. Zudem waren sie langlebig, was hieß, dass sie über hundert Jahre und viel älter wurden. Auch waren Dämonen dämonentot, wie es allgemein hieß. Wesen, die kein funktionierendes Herz brauchten, um zu leben. Sie konnten daher auch nicht so leicht getötet werden.
Irgendwie gehörten also auch Itaris und Vampire zu den Dämonen. Das war jedoch nicht in jeder Region so. Die Bezeichnung Dämon war also sehr vielschichtig und konnte so ziemlich alles bedeuten. Solange Sezuna nicht wusste, um welche Dämonenart es sich handelte, musste sie sich erst einmal keine Sorgen machen. Dämon war nicht gleich Dämon.
Langsam nickte Sezuna. „Wie wäre es dann, wenn ich dich Cer nenne", sagte sie und deutete auf den Kopf der Hündin. „Dich Ber und dich Ros", sagte sie, wobei sie zuerst auf den Hund mit den grünen Augen und dann auf den mit den roten Augen deutete. Das war die einzige Möglichkeit, sie auseinanderzuhalten. „Ich bin Sezuna", stellte sie auch sich vor.
Zuerst wirkten die Hunde etwas verwirrt, bis sie ihren Namen förmlich bellten, auch wenn die Aussprache nicht sonderlich korrekt war. Sie bellten sie dennoch in einem erfreuten Tonfall, was Sezuna lächeln ließ. Sie schienen die Namen zu mögen. Das war gut.
Dieser Hund sah gefährlich aus und war sicherlich auch stark, dennoch waren darin immer noch die kleinen, tollpatschigen und wirklich zuckersüßen Welpen.
Die Hündin, die Sezuna Cer getauft hatte, leckte sie noch einmal ab und verteilte noch mehr Sabber auf ihr, was Sezuna nicht gerade erfreute. Dennoch war sie erleichtert, dass die Hunde ihr nichts tun wollten. So langsam kam es auch bei ihrem Körper an, der ruhiger wurde. Es war sogar irgendwie schön, den Hund so nah bei sich zu spüren und an sein Fell gekuschelt zu sein. Ein Drang, der sie schon die ganze Zeit plagte und dem sie sofort nachging. Sie schmiegte sich förmlich in sein Fell und seufzte erleichtert. Es war genau so weich, wie sie es erwartet hatte.
„Wir bringen dich dorthin, wo du hinmusst", sagte Ros entschieden. Das ließ Sezuna in sein Fell lächeln, bevor sie sich etwas davon löste, aber noch nicht ganz zurücktrat.
Wie hatte sie nur glauben können, dass dieser riesige Hund die Mutter war? Jetzt, wo sie sprachen, wirkte es so klar, dass es lustig war.
Langsam trat sie wieder zurück und lief um den Hund herum, während sie überlegte, wie sie hoch auf seinen Rücken kommen sollte. Er lag auf dem Boden und trotzdem war er noch immer riesig und ihr Ziel somit weit entfernt.
Schließlich versuchte sie es einfach. Sie kletterte über die Pfote des Tieres auf den Oberschenkel und dann schließlich hinauf auf den Rücken. Das letzte Stückchen war sehr schwierig, obwohl sie sich am Fell hochzog. Ihre Beine fanden keinen Halt und so strampelte sie, wie ein verunglückter Käfer, bevor sie es schaffte, sich ganz nach oben zu ziehen. Dort seufzte sie erleichtert, bevor sie sich richtig hinsetzte. Ihre kleinen Hände vergruben sich im Fell, damit sie Halt fand.
Als der Cerberos sich bewegte, japste sie erschrocken nach Luft und hielt sich krampfhaft an seinem Fell fest. In Sezunas Bauch begann es zu kribbeln und sie spürte Aufregung in sich aufsteigen. Es wackelte schrecklich und sie gab einen überraschten, erschrockenen Laut von sich, als sie fast vornüberfiel, weil sich Cerberos erhob. Es war ganz anders, als auf einem Wolf zu reiten.
Dann stand der Hund, was Sezuna dazu brachte, erneut erleichtert auszuatmen und sich wieder richtig hinzusetzen. „Bin bereit", sagte sie gefasst.
Das nahm der Hund als Zeichen, sich in Bewegung zu setzen. Nicht langsam, wie sie es erhofft hatte, sondern recht schnell. Er rannte noch nicht, doch sein Tempo reichte, um Sezuna durchzuschütteln.
Keuchend versuchte sie, sich festzuhalten und irgendwie zu sitzen, damit sie nicht fiel. Es dauerte lange, bis sie sich an seine Art zu Laufen gewöhnt hatte, doch als dem endlich so war, konnte sie es auch genießen.
Der Wind fuhr ihr durch die Haare, bewegte ihr Kleid und raubte ihr den Atem. Sie stieß ein Lachen aus, als Cerberos über einen kleinen Spalt am Boden sprang und somit das Kribbeln in Sezunas Bauch verstärkte.
Auf Cerberos Rücken fühlte sie sich sicher und hatte einen wunderbaren Blick über die scheinbar trostlose, wenn auch irgendwie faszinierende Landschaft aus rotem Sandstein.
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Danke fürs lesen. Ich würde mich sehr über eure Meinungen freuen.
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