Kapitel 5.1
Es war ein wirklich seltsames Gefühl, die Gänge des Knochenschlosses zu durchstreifen und Nemesis zu folgen.
Er hatte angeboten, sie zu unterrichten, was in Sezuna ein angenehmes Kribbeln verursachte. Sie war aufgeregt und neugierig, was alles auf sie zukommen würde. Gleichzeitig machte sie sich aber auch Sorgen. Nicht nur darum, wann sie wieder zurückkehren würde, sondern auch um ihre Freundinnen und die Hunde. Diese waren vermutlich draußen, wussten aber nicht, ob es ihr gut ging. Sie sollte ihnen irgendwie mitteilen, dass sie am Leben und unverletzt war. Allerdings traute sie sich noch nicht, den Höllenfürsten danach zu fragen. Es kam ihr so vor, als würde sie seine Entscheidungen infrage stellen und das wollte sie nicht. Zudem hatte er gesagt, dass er sie hinausgeworfen hatte. Das hieß, dass es ihnen hoffentlich gut ging.
Der Höllenfürst strahlte eine Macht aus, die Sezuna faszinierte, aber auch irgendwie einschüchterte. Je länger sie mit ihm zusammen war, desto deutlicher spürte sie seine Aura. Mit so jemand Mächtigem hatte sie noch nie zu tun gehabt und wusste nicht genau, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Daher war sie vorsichtig und versuchte sich nicht so wohl in seiner Gegenwart zu fühlen, dass sie unachtsam wurde. Er machte es ihr allerdings auch nicht leicht. Die ganze Umgebung lud dazu ein, abzuschalten und die Seele baumeln zu lassen, während jemand anderes auf einen aufpasste.
»Ich muss gestehen, dass du erwachsener wirkst, als ich anfänglich geglaubt habe. Dabei bist du doch noch keine hundert Jahre alt. Ein Kind unter den Itaris«, bemerkte er, während er scheinbar absichtlich langsam lief, damit Sezuna, die viel kleinere Schritte machte, ihm auch folgen konnte.
Zuerst wusste Sezuna nicht, was sie darauf antworten sollte, bevor sie nickte. »Ich bin noch keine hundert«, stimmte sie ihm schließlich zu. Ihr Körper war noch der eines Kindes und würde erst mit ihrem hundertsten Lebensjahr beginnen zu wachsen. So war es bei ihrer Rasse. Allerdings war sie geistig nicht so jung, wie es vielleicht hätte sein sollen, weshalb sie sich fragte, ob vielleicht ihr unbekannter, väterlicher Teil kein Itari gewesen war. Das würde erklären, warum sie geistig sehr viel reifer war.
Sie sah die Dinge oft in einer recht nüchternen Art, die sogar manchmal ihre Mutter verwunderte. Auch wenn sie für diese immer wieder das kleine, unbedarfte Mädchen spielte, das diese sich wünschte. Dabei war es für Sezuna ein Käfig, denn sie wusste, dass ihre Mutter anders nicht mit ihr klarkommen würde. Shioni hatte ein Problem damit, mit Dingen umzugehen, die nicht in ihr Weltbild passte. Vielleicht war es für andere nicht so offensichtlich, aber Sezuna spürte, dass in ihrer Mutter irgendetwas gebrochen war. Irgendetwas, das es ihr nicht möglich machte, Sezuna so zu nehmen, wie sie war.
»Da ich nicht weiß, wie weit Shioni dir bereits die Magie beigebracht hat, werden wir mit den Grundlagen anfangen«, entschied er, was Sezuna leicht die Lippen verziehen ließ. Sie mochte die Grundlagen nicht sonderlich. In der Theorie konnte sie diese durchaus, nur haperte es in der Praxis, was auch der Grund war, warum ihre Mutter ihr keine weiteren Dinge erklärte. Sie sollte erst einmal die einfachen Grundlagen beherrschen. Dabei war sie schon in der Lage viel mehr zu tun als diese. Nur beherrschte sie die Grundlagen nicht sonderlich perfekt. Es war mehr ein Versuchen und Hoffen.
Der Höllenfürst führte sie in einen großen Raum, der etwas sehr Mystisches hatte. In der Mitte war ein Kreis mit den zwölf Elementen aufgemalt und es gab an den Ecken des Elementsterns, der sich im Kreis befand, große Kristalle, die alle in der Farbe ihres Elements schimmerten.
»Lass mich zuerst herausfinden, wie dein Wissenstand ist«, bat Nemesis, als sie den Raum betraten. Er deutete auf die Kristalle. »Was sind die Grundelemente?«, fragte er.
Sezuna holte tief Luft, was fast klang, als würde sie widersprechen wollen, doch das tat sie nicht. Stattdessen begann sie zu mit ruhiger Stimme zu erklären: »Licht, Wasser und Erde gehören zur Klasse des Lebens. Dunkelheit und Feuer zur Klasse des Todes und Wind kann zu beiden gehören.« Sie machte eine kurze Pause, aber nicht unbedingt, um nachzudenken. Stattdessen versuchte sie, nicht alles zu schnell herunterzurasseln. »Das sind die sechs Grundelemente. Aus diesen kann man die sechs Parallelelemente des Sternenstaubs machen. Licht und Wasser werden zu Rauch, der für Illusionen zuständig ist. Erde und Licht zu Blitz. Erde und Feuer wiederum können sich zu Glas verbinden. Wasser und Wind ergeben Eis. Feuer und Dunkelheit Metall und das Element Zeit, das eines der Gefährlichsten und Seltensten ist ergibt sich aus Wind und Dunkelheit«, erklärte sie weiter, während sie sich selbst in diesen Dingen fast verlor. Sie beherrschte die Theorie und irgendwie wollte sie damit auch angeben, was zu wirken schien. Nemesis sah überrascht aus. Wahrscheinlich, weil sie kaum darüber hatte nachdenken müssen. Das Thema Magie faszinierte sie sehr, weshalb sie jedes Detail, das sie fand, in sich aufnahm.
Er fuhr sich über sein Kinn. »Sehr gut«, lobte er sichtlich überrascht. »Du hast die Theorie in dieser Hinsicht sehr gut drauf«, bemerkte er, wobei er sie nachdenklich musterte, was Sezuna gar nicht gefiel. Es wirkte, als würde er nach Fehlern suchen. »Dann erklär mir, wie du einen ... Wasserball erschaffen würdest«, bat er und es schien, als würde er etwas Einfaches als Test wollen.
»Indem ich den Sternenstaub des Wassers aus der Luft ziehe und ihn an der Stelle bündle, wo ich den Wasserball haben möchte«, erklärte Sezuna, denn auch das wusste sie. Was nicht hieß, dass sie es auch schaffte, einen solchen Wasserball ohne Konsequenzen zu erschaffen. Das musste sie ihm aber nicht sagen.
Nemesis machte eine Handbewegung, die ihr wohl deuten sollte, es zu zeigen.
Sezuna verzog den Mund, atmete tief durch und streckte die Hand aus, um den Wassersternenstaub aus der Luft zu ziehen. Dabei war sie sich der violetten Augen bewusst, die sie beobachteten. Darauf konnte sie allerdings nicht achten. Zu groß war die Angst, dass das geschah, was immer geschah.
Der Wassersternenstaub aus der Luft, der hier seltsamerweise viel stärker vorhanden war, als sonst, begann sich zu sammeln und ein kleiner Tropfen Wasser entstand. Allerdings gesellten sich weitere Elemente dazu, ohne dass sie es wirklich wollte und durch den Wind wurde es zu Eis, dann kam das Feuer, schmolz das Eis und mit der Erde zusammen wurde es zu Glas, was Sezuna fast verzweifelt und verärgert aufschreien ließ.
Sie konzentrierte sich nur auf den Wassersternenstaub. Es durfte gar nicht sein, dass der andere Sternenstaub auch in den Zauber kam. Sezuna war fast so, als würde dieser sich aktiv reindrängen wollen, doch das war unmöglich! Sternenstaub hatte keinen eigenen Willen, daher war es ihre Schuld, dass er angezogen wurde. Sie verstand jedoch nicht wieso.
Nemesis hingegen beobachtete sich das Ganze einfach nur stumm und strich sich weiter über seinen nicht vorhandenen Bart oder kratzte sich das Kinn. So genau konnte Sezuna das nicht sagen, denn sie war auf den Ball aus Elementen fokussiert und hoffte ...
Ihre Hoffnung war umsonst, denn der Ball explodierte in ihrer Hand. Schlamm, Eis, Feuer und geschmolzenes Metall verteilten sich im Raum und Sezuna selbst landete auf ihrem Hintern. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie einfach nur auf dem Punkt, wo der Ball einmal gewesen war. Es war sogar noch schlimmer als sonst! Normalerweise richtete kein so großes Chaos an.
Sie erwartete bereits, dass sie Ärger bekam, immerhin hatte sie einen Vorhang in Brand gesteckt und wohl den Schreibtisch mit der Metalllegierung versaut, doch mit einer Handbewegung hatte der Höllenfürst ihr Chaos wieder beseitigt. »Ich verstehe, wo das Problem liegt«, sagte er. Sezuna drehte sich überrascht zu ihm um. Keinen Kommentar, weil sie dermaßen leichte Zauber nicht beherrschte? Yui hatte sich darüber auch immer nur amüsiert, war aber von den anderen Dingen, die Sezuna konnte, fasziniert. »Zeig mir etwas, was du kannst«, bat Nemesis, der scheinbar kein Problem damit hatte, dass sie den Wasserball nicht zustande gebracht hatte. »Etwas, das du gern und viel nutzt und daher fast im Schlaf beherrschst«, konkretisierte er. Scheinbar verfolgte er ein Ziel, das Sezuna bisher noch nicht fassen konnte. Wollte er sehen was sie konnte und was nicht?
Sezuna musste kurz überlegen. Im Grunde gab es da nicht so viel. Das Schweben beherrschte sie immer noch nicht ganz, weshalb das wohl wegfiel. Was konnte sie sonst noch zeigen? Gab es etwas, das sie viel nutzte?
Im Grunde nutzte sie oft den Zauber, der das Haus säuberte und in seinen Urzustand zurückversetzte. Das war nützlich, wenn Yui wieder einmal eines ihrer Experimente durchgeführt hatte. Wobei sich die beiden Frauen in diesem Punkt wohl nicht viel nahmen. Sezuna hatte das Haus der Hexe wohl auch schon oft genug zerstört. Daher hatte sie auch angefangen diesen Zauber zu erschaffen. Sie musste immerhin ihr Chaos auch wieder beseitigen. Es wäre nicht gerecht gewesen, Yui mit dem Schutthaufen des Hauses allein zu lassen. Außerdem war auch Lilith alles andere als begeistert gewesen. Am meisten hatten die kaputten Kochköpfe ihr zugesetzt. Die Küche war ihr Heiligtum. Niemand hatte dort unerlaubt Zutritt.
»Ich habe ihn mir selbst beigebracht«, murmelte Sezuna, nachdem sie sich für einen Zauber entschieden hatte. »Ich weiß also nicht, ob ich es richtig mache«, bemerkte sie, war sich aber gar nicht bewusst, dass es in der Magie kein richtig und falsch gab. Jeder konnte Zauber anders nutzen, um das gleiche Ergebnis zu erzielen, nur ihre Mutter bestand immer darauf, dass es nach ihrem Weg gehen musste.
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