Kapitel 20.3
»Ich«, begann sie, doch sie kam nicht weit, denn vor ihren Augen wurde alles schwarz und ihr Körper sackte zusammen. Er reagierte nicht mehr auf ihren Befehl, obwohl sie etwas sagen wollte. Sie wollte Nemesis erklären, was vorgefallen war und ihn um Rat fragen, doch sie konnte sich nicht rühren. Die Dunkelheit hüllte sie ein. Dennoch hörte sie, wie Yuna besorgt ihren Namen rief.
»Bringen wir sie rein, sie muss völlig erschöpft sein«, meinte Nemesis beunruhigt. Sezuna indes fühlte sich gefangen in ihrem eigenen Körper und schaffte es nicht, auch nur einen einzigen Muskel zu rühren. Sie hasste dieses Gefühl und hätte am liebsten geweint.
Sezuna spürte, wie Nemesis sie auf ein weiches Sofa setzte und sogar ihre Beine auf die Armlehne legte.
Dann schien er sich zu Yuna zu wenden. »Hallo Yuna«, sagte er und klang sanft. Ähnlich, wie er es bei Sezuna immer war. Dass Yuna skeptisch sein musste, ahnte Sezuna, doch sie konnte nichts sehen. Dennoch hörte sie, wie ihre Schwester den Gruß erwiderte und sogar leicht knickste. Das Rascheln ihres Kleides war ein Indiz dafür.
Nemesis stellte sich ihr vor und Sezuna spürte sofort, dass sich Yuna nicht so unwohl fühlte, wie sie angenommen hatte. Allan hatte noch immer dieses Unwohlsein, wenn Nemesis in der Nähe war, Yuna allerdings nicht. Sezuna konnte es deutlich spüren. Sie war mit ihrer Schwester, aber auch mit Allan auf eine Art verbunden, die kaum einer wirklich nachvollziehen konnte. Als würde sie die Gefühle der beiden empfangen. Ob es Yuna auch so ging?
»Was ist da vorgefallen?«, wollte Allan wissen, wurde aber unterbrochen, als die Tür aufgerissen wurde. Hundebellen ertönte und kurz darauf spürte Sezuna mehrere kalte Hundenasen an ihrer Haut und Pfoten auf ihrem Körper. Dann eilten leise Schritte zu ihr. Eve.
»Das erkläre ich, sobald Sezuna wieder ganz bei uns ist«, antwortete der Höllenfürst. Kurz darauf spürte Sezuna, wie Eve ihre Hände auf sie legte und ihre Macht in sie eindringen ließ. Wärme hüllte sie ein und ihr Kopf begann, sich zu klären.
Schließlich schlug Sezuna ihre Augen auf und stöhnte leise, während sie sich aufsetzte und an den Kopf griff. »Was bei allen Schicksalsengeln war das?«, fragte sie, denn ihr Kopf dröhnte heftig. Dabei sollte Eves Behandlung ihr helfen.
Nemesis hielt ihr ein Glas mit Blutwein hin, das Sezuna sofort nahm und in einem Zug austrank. »Du hast deinen Sternenstaub in den Boden geleitet, um dich gegen einen Angriff zu wehren«, erklärte Nemesis und fuhr ihr sanft durch die Haare.
Sezuna blinzelte. »Angriff?«, fragte sie und war nicht halb so entsetzt, wie sie sein sollte. Wahrscheinlich war das eine Art Schockstarre. Sie konnte ihre eigenen Gefühle überhaupt nicht deuten.
Nemesis nickte. »Es tut mir leid, das sollte eigentlich nicht passieren«, meinte er, ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder und verschränkte die Finger ineinander. »Um das zu erklären, muss ich etwas mehr ausholen«, begann er und Sezuna bemerkte, dass nicht nur sie, sondern auch Eve, die sich auf ihrer rechten Seite niederließ und Yuna, die links neben ihr Platz nahm, Nemesis genau beobachteten. Dazu kam Allan, der sich hinter sie stellte und seine Arme hinter ihr auf der Rückenlehne ablegte.
Der Höllenfürst atmete tief durch, bevor er zu erzählen begann. »Als die Hölle erst erschaffen wurde, war ich nicht allein. Ich hatte einen Bruder, der an meiner Seite war und mir dabei half, die Seelen zu reinigen. Er besaß die Gabe, die Seelen zu reinigen, ihre Erinnerungen und ihre Macht aufzunehmen und zu verbrauchen. Doch mit der Zeit, nach vielen Jahrhunderten, wurde es ihm zu viel. Die Dunkelheit der Seelen verdarb sein Gemüt. Seine Macht wuchs ständig und irgendwann war er der Meinung, dass nicht ich es sein sollte, der die Hölle leitete, sondern er. Zu dem Zeitpunkt war er jedoch schon der Dunkelheit verfallen. Xanados griff mich an und versuchte, mich zu vernichten. Das ist nicht so einfach, wie bei den normalen Wesen. Um einen Höllenfürsten zu töten, benötigt man ein besonderes, von den Altdrachen geschaffenes Schwert«, sprach Nemesis und schien damit zu kämpfen, sich nicht seinen Gefühlen hinzugeben. »Es gelang mir, Xanados davon abzuhalten und weil er, ähnlich wie ich, ein wichtiger Bestandteil des Gleichgewichts ist, konnte ich ihn nicht töten. Ich musste ihn einsperren.« Erneut machte Nemesis eine kleine Pause. »Ich schätze, irgendwas hat seinen Käfig geöffnet und seine Dunkelheit beginnt, in der Hölle zu fließen. Das ist das, was du wahrscheinlich gespürt hast.«
Sezuna erschauderte. Diese Geschichte gefiel ihr ganz und gar nicht. »Er ist dabei, auszubrechen?«, fragte sie mit trockenem Mund und bekam Angst. Was, wenn er schon frei war? Ein Wesen, das so stark war, wie der Höllenfürst war eine große Bedrohung.
»Nein, so weit ist es noch nicht. Sein Gefängnis hält noch, aber die Dunkelheit, die ihn ausmacht, tritt aus und richtet Chaos an«, erklärte Nemesis zögerlich, als wüsste er schon länger von diesem Problem.
»Und was genau hat Sezuna jetzt gemacht?«, fragte Allan, der scheinbar genauso überfordert war wie Yuna.
»Sie hat das getan, was Hüterinnen eigentlich instinktiv tun. Sie hat ihre Macht in den Boden geleitet«, informierte der Höllenfürst, was für Yuna scheinbar keinen Sinn ergab, denn Sezuna erkannte die leichten Falten auf ihrer Stirn. Als würde sie nachdenken.
»Hüterinnen?«, fragte sie skeptisch und Nemesis hob eine Augenbraue.
Es schien, als würde ihm erst jetzt klar werden, dass Yuna und Allan die Entstehungsgeschichte gar nicht kannten. Also begann er, diese noch einmal zu erklären. So, wie er sie damals schon Sezuna erzählt hatte.
Sezuna bemerkte, wie es in Yunas Augen zu funkeln begann. Es schien, als hätte sie etwas herausgehört, dass ihr sehr gefiel.
»Oh je!«, rief Sezuna, weil ihr einfiel, dass sie etwas vergessen hatte und sprang auf, bevor sie aus dem Zimmer rannte. Sie hatte durch Yunas Auftauchen völlig vergessen, dass sie sich um ihr Ei kümmern musste. Es war in ihrem Zimmer und mit einem Zauber belegt, der es wärmte, doch dieser Zauber war nur für das Training gedacht und verlor sicherlich bald die Wirkung.
Schnell rannte sie in ihr Zimmer und packte das Ei, das in eine Decke eingehüllt war. Sie band es sich um den Körper, bevor sie wieder zurücklief. Aber langsam, da sie das Ei nicht unnötig schütteln wollte.
Als sie zurückkehrte, wirkte Yuna überrascht, während Allan und Nemesis, sowie Eve dieses Verhalten schon gewohnt waren. Sie war eine schreckliche Eiermutter!
»Was ist denn das?«, fragte Yuna skeptisch, was Sezuna grinsen ließ. Sie wollte antworten, doch Nemesis, der Yuna ein Glas Blut reichte, kam ihr zu vor.
»Ein Seelentier«, sagte er und nahm einen Schluck Blut, bevor er auch Sezuna ein Glas einschenkte.
»Seelentier«, sagte Yuna, als würde sie den Klang testen wollen. »Was genau macht so ein Seelentier?«, wollte sie wissen und blickte zu Sezuna, bevor ihr Blick weiter zu Nemesis wanderte. Wahrscheinlich, weil Sezuna die Schultern gezuckt und ebenfalls zu Nemesis gesehen hatte. Ähnlich wie Sezuna wusste Yuna auch nicht viel über Seelentiere, da Shioni in diesem Bereich eigentlich nichts verriet. Bisher war Sezuna davon ausgegangen, dass es sich einfach um ein Haustier handelte.
»Ein Seelentier hilft einem magiebegabten Wesen, die Kraft optimal zu nutzen. Es ist ein Partner, ein Freund und ein Magiespeicher«, erklärte der Höllenfürst mit ruhiger Stimme. »Seelentiere sind Seelen, die noch etwas zu erledigen haben und wichtig für das Gleichgewicht sind. Sie werden nicht gereinigt, sondern in diesen Eiern gelagert, bis sie ein Wesen finden, das ein ähnliches Ziel und eine ähnliche Moral hat, wie diese. Mit diesen tun sie sich zusammen.«
Yuna runzelte die Stirn. »Das klingt irgendwie seltsam«, gestand sie. Sezuna ging es ähnlich. Sie wusste nicht viel darüber, doch so wie Nemesis darüber sprach, klang es sehr speziell.
Langsam ließ Sezuna ihre Hand sanft über das Ei wandern. »Was wird daraus schlüpfen?«, fragte sie zärtlich. Eigentlich hatte sie sich überraschen lassen wollen, doch sie war einfach zu neugierig.
»Ein Tier. Welches kommt darauf an, was gut zu dir passt«, sagte Nemesis und leerte sein Glas.
»Zurück zum anderen Thema«, sagte Allan plötzlich und klang seltsamerweise ernst. »Was ist mit dem Schwert passiert?«, wollte er wissen und blickte Nemesis direkt an. Dieser hob eine Augenbraue.
»Es wurde versteckt«, sagte er und klang lauernd. Sezuna verstand durchaus wieso. Wenn es ein Schwert gäbe, das sie töten konnte, würde sie auch niemanden verraten, wo es war.
Allan wirkte damit zufrieden. »Sehr gut, das heißt, selbst wenn er freikommen sollte, könnte er Euch nicht gefährlich werden?«, wollte er wissen. Allans Worte sorgten dafür, dass Sezuna Nemesis ebenfalls fragend ansah.
»Nicht so gefährlich«, stimmte der Höllenfürst zu. »Trotzdem ist er noch immer sehr stark.«
»Also sollten wir vorsichtig sein«, schlussfolgerte Allan. Sezuna hatte ein ganz seltsames Gefühl. Hoffentlich hatte ihre Reaktion nicht dazu beigetragen, diese Gefahr zu befreien. So, wie es sonst immer lief, würde sie eigentlich sogar damit rechnen, dass dem genau so war.
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