Kapitel 16.2
Langsam atmete Sezuna ein, bevor sie den Sternenstaub durch ihren Körper wandern ließ und zu einem Windball formte. Dieser schwebte nun zwischen ihr und Allan.
»Versuch es«, wies Nemesis Allan an, der ernst nickte. Er streckte seine Hand aus und Sezuna erkannte, wie er Magie wirkte. Der Sternenstaub der Umgebung reagierte auf ihn. Er machte das gut. Zumindest glaubte Sezuna das, doch Nemesis schüttelte den Kopf. »Nicht den Sternenstaub aus der Luft. Der aus dir«, sagte er, was Sezuna sehr irritierte. Konnten nicht nur Hüterinnen Sternenstaub in sich produzieren? Wieso konnte Allan das jetzt auch? War er vielleicht so etwas wie ein männlicher Hüter? Aber würde das dann nicht dem widersprechen, was sie gelernt hatte? Hüterinnen waren immer weiblich. Das hatte der Höllenfürst sehr deutlich gesagt.
»Wie mache ich das und warum sollte ich das können?«, fragte Allan, der scheinbar genauso überfordert war wie Sezuna.
»Ganz einfach: Du bist ein Speicher. Dein Körper nimmt den Sternenstaub aus der Umgebung auf und speichert ihn. Das tut er unbewusst, auch wenn ich glaube, dass du es bereits gespürt hast«, gab Nemesis an. Sezuna erinnerte sich an das Gespräch zurück, dass sie mit Allan geführt hatte. Dieser hatte gemeint, der Sternenstaub würde in ihn eindringen, was jetzt auf einmal Sinn ergab.
Allan atmete leise und irgendwie ergeben aus. »Gut, ich versuche es«, murmelte er, bevor er erneut die Hand hob und dieses Mal scheinbar versuchte, es richtig zu machen. Allerdings sammelte sich erneut der Sternenstaub aus der Umgebung und nicht der, der wohl in seinem Inneren war.
Nemesis brach die Übung erneut ab, bevor er Allan genau erklärte, was er tun sollte. Er musste den Sternenstaub dazu spüren.
Sezuna wartete geduldig, bis Nemesis alles erklärt hatte. Ihr Windball hing unbewegt in der Luft und sie konzentrierte sich schon lange nicht mehr auf diesen. Zu gebannt war sie von den Worten des Höllenfürsten.
Allan rieb seine Hände, bevor er beide hob, als würde er diese an den Windball legen. Sezuna hatte zuerst Angst, dass er dadurch seine Handflächen kaputt machte, da der Wind sehr schneidend war, doch zum Glück geschah nichts.
Sezuna bemerkte, wie der Sternenstaub aus seinen Handflächen floss, was sie leise nach Luft schnappen ließ. Das sah fantastisch aus. Als würde es unter seiner Haut und in seinen Adern leuchten.
Allan schien zu versuchen, den Windball aufzulösen, denn er schickte den Sternenstaub an die Knotenstellen. Es geschah allerdings nicht das, was wohl alle erwartet hatten. Statt den Windball aufzulösen, schien er ihn zu nähren. Plötzlich wurde er immer größer.
Panisch streckte Sezuna die Hände aus, um die Kontrolle über den Windball zurückzuerlangen. Was tat Allan da? Das war überhaupt nicht das, was er machen sollte und wieso nährte er ihren Zauber?
»I-Ich kann ihn nicht halten!«, rief Sezuna, da der Windball immer größer und somit auch unkontrollierbarer wurde. Gerade, als sie ihn an die Decke werfen wollte, damit er nicht explodierte, löste er sich plötzlich komplett auf. Sofort bemerkte Sezuna, dass Nemesis sich eingemischt hatte. Dass ließ sie erleichtert seufzen. Er war da und würde ihnen helfen.
»Das war doch ein guter Start«, behauptete er schmunzelnd. »Versucht es weiter.«
Obwohl Sezuna nicht wusste, ob es jemals anders sein würde, erschuf sie einen neuen Windball, an dem Allan üben konnte.
Wie lange und wie oft sie es am Ende probierten, konnte sie nicht sagen. Konzentriert schwiegen sie und versuchten es immer und immer wieder, bis es Allan plötzlich gelang, den Windball aufzulösen.
Nemesis lächelte zufrieden und nickte. »Macht eine kurze Pause«, bat er, bevor er sich auf die Tür zu bewegte. Es schien, als hätte er noch andere Dinge zu erledigen.
Keuchend ließ sich Sezuna am Boden nieder. Für sie war es ebenfalls eine anstrengende Übung gewesen, doch sicherlich hatte sie auch etwas davon.
Allan stöhnte und ließ sich zu Boden fallen, als Nemesis den Raum verlassen hatte. »Das ist so anstrengend«, gestand er mit rauer Stimme. Er schien völlig fertig.
Sezuna lächelte schief. »Das sind seine Übungen immer«, behauptete sie. Für sie war es in Ordnung, denn ohne Schweiß und Übung kam man nicht weiter. So war es auch bei den Übungen mit Bel'shamaroth.
»Die Hölle ist echt ein seltsamer Ort«, murmelte Allan, der zu dem Trinkschlauch griff, den der Höllenfürst für sie hiergelassen hatte.
Gierig trank er den Blutwein, bevor er ihn Sezuna hinhielt. Diese nahm ihn und lächelte leicht, bevor sie ebenfalls trank. Erst dann dachte sie über seine Worte nach. »Sie ist viel interessanter, als ich angenommen hatte«, gestand sie. Vor allem, nachdem Eve sie mit zu ihren Müttern genommen hatte.
Nach Avaritia waren sie auch noch Ira und auch Superbia besuchen gegangen. Beide Frauen waren genauso faszinierend gewesen, wie die beiden anderen Herrinnen der Hölle.
»Erzähl mir mehr«, forderte Allan, der genauso neugierig sein konnte, wie sie.
Sezuna atmete durch, bevor sie begann ihrem Bruder von Ira zu erzählen. Sie war, laut Eve, die Sünde des Jähzorns und irgendwie hatte sie auch so gewirkt. Wie eine Kriegerin, die auf einem Schlachtfeld wesentlich besser aufgehoben gewesen wäre als in dem Raum, in dem Sezuna sie getroffen hatte. Angeblich hatte diese Eve das Kämpfen beigebracht und übte sogar regelmäßig mit Bel'shamaroth. Sein Herrschaftsgebiet, wie sie es nannte, war ein riesiges Feld mit unendlich vielen Waffen. Laut den Erzählungen von Ira waren sie aus vergangenen Kriegen.
»Soweit das Auge reichte, waren da nur Waffen«, erzählte Sezuna, die den Anblick noch immer genau vor ihrem inneren Auge hatte. Es war wunderschön und erschreckend zugleich.
»War es ansonsten auch so sandig wie der Rest der Hölle?«, wollte Allan wissen. Sezuna nickte.
»Ich habe bisher nur Eves Garten gesehen, der anders war«, sagte sie nachdenklich. Selbst bei Superbia war es ähnlich gewesen. Sie hatte allerdings Skulpturen aus den Sandstein gehauen.
Anfangs hatte sie Superbia, die den Hochmut symbolisierte, als sehr eingebildet wahrgenommen. Sie war sehr auf sich selbst fixiert gewesen, was Sezuna sehr unruhig und unsicher gemacht hatte. Es war ihr nicht leicht gefallen mit ihr zu reden, aber bald schon hatte sie erfahren, dass diese Frau ihre Ohren überall hatte. Wahrscheinlich traf das allerdings auf alle Herrinnen der Hölle zu. Das war immerhin logisch.
»Nemesis hat mir einmal erzählt, dass die Engel früher Teil der Hölle gewesen sind«, meinte Sezuna, die an das Gespräch zurückdachte. Zudem hoffte sie, dass es Allan interessieren würde. Er selbst schien viel über die Engel zu wissen.
»Das ist interessant. Was haben sie hier denn gemacht?«, fragte er neugierig und definitiv überrascht.
Sezuna lächelte, weil sie ihn mit dem Thema scheinbar locken konnte. »Sie waren Teil der Todesengel, welche die Seelen eingesammelt haben«, sagte sie. Während sie sprach, hatte sie ein gutes Gefühl. Anderen Dinge beizubringen war wirklich schön. »Ganz am Anfang, wo es die Hölle noch nicht gab, hatte jedes Gebiet einen Seelenbaum. Dieser hat nahestehende Seelen aufgenommen und gelagert. Nachdem die Hölle erschaffen wurde, haben die Engel diese Seelen geholt, in ihren Flügeln gespeichert und dann in die Hölle getragen, damit sie hier gereinigt werden konnten.«
Allan blickte sie die ganze Zeit lauschend an, was Sezuna gut gefiel. »Warum ist das heute nicht mehr so?«, fragte er.
Sezuna hatte sich das auch schon gefragt, denn in der Hölle gab es keine Engel. Zumindest hatte Sezuna keine gesehen. Leider hatte sie aber auch keine Antwort darauf. »Darüber hat Nemesis nicht wirklich gesprochen. Er sagte nur, dass sie irgendwann die Hölle verlassen und den Planeten Luth Amar gegründet haben.« Wieso, das wusste wohl nur der Höllenfürst. Vielleicht hatte sie Glück und er würde es irgendwann erzählen.
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