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i n e x o r a b l e
märz 2015
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Allison || Während Helen mir von ihrem neuesten Datingdesaster erzählt, wird mir wieder einmal bewusst, wie viel Glück ich mit Harry habe. Wenn wir uns nicht gerade streiten, ist er der perfekt Freund.
Er schickt mir andauernd Blumen, einfach um mir eine Freude zu machen. Er hört mir zu und gibt mir die Freiheit, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Er akzeptiert mich, auf jede Art und Weise.
Und was am Wichtigsten ist, er liebt mich genauso wie ich bin.
Was man von Helens momentanem Mann nicht gerade behaupten kann.
„Joey hat was genau gemacht?", frage ich ungläubig nach, weil ich die Worte meiner Mitbewohnerin einfach nicht verarbeiten kann.
„Du hast dich nicht verhört", entgegnet sie seufzend. „Er hat mir wirklich knallhart einen Termin bei der Brustvergrößerung gemacht und es mir als Geburtstagsgeschenk überreicht. Als wäre etwas mit meinem Busen nicht in Ordnung. Sie sind vielleicht keine Melonen, aber ich bin zufrieden mit ihnen."
„Das kann er nicht gemacht haben", murmele ich entsetzt. „Bitte sag mir, dass das ein Scherz ist."
„Kein Scherz, obwohl ich wünschte, es wäre einer. Er hat mir sogar die Quittung gegeben für den Arzttermin."
Helen zieht einen zerknitterten Zettel aus ihrer Hosentasche und legt ihn vor sich auf unseren Küchentisch. Mein Stuhl quietscht leicht, als ich mich in seine Richtung beuge. Doch nie im Leben wäre ich das rote Möbelstück freiwillig losgeworden, denn es hat schon so viele unserer Krisensitzungen miterlebt. Die gerade ablaufende nur eine davon.
„Was für ein Arschloch", stoße ich aus und zerknülle die Quittung wütend zwischen meinen Fäusten, bevor ich sie durch unsere Küche pfeffere. Sie landet auf unserer Arbeitsplatte und rollt ein paar Zentimeter, bevor sie dann schließlich still liegen bleibt. „Mit deinen Brüsten ist alles in Ordnung, Hel. Sie sind perfekt genauso wie sie sind."
„Weiß ich doch", meint sie überzeugt und kneift dann die Augen zusammen. Ich sehe sie nicht oft so niedergeschlagen, deswegen tut es umso mehr weh. „Ich dachte einfach nur, dass das mit Joey wirklich endlich mal was Ernstes werden könnte. So wie Harry und du das habt. Du weißt schon, mit wirklicher Liebe und Vertrauen und einer gemeinsamen Zukunft."
„Genau das wirst du auch noch finden. Aber garantiert nicht in diesem Arschloch", meine ich voller Überzeugung.
Das entlockt Helen endlich ein Lachen. „Da hast du Recht. Dieser Idiot verdient nichts, außer einem Eintrag in unserem Datingbuch."
Mit diesen Worten springt sie auf und eilt aus unserer Küche, wobei sie beinahe über den leeren Wasserkasten stolpert, der sich halb in der Tür befindet. Dort steht er schon seit einigen Wochen, doch bisher hat noch keiner von uns Lust gehabt, ihn zu entsorgen. Stattdessen stapeln sich nun ein Haufen Zeitungen sowie ein paar Äpfel auf ihm.
Es dauert nicht lange, bevor Helen wieder zurückkommt und triumphierend mit dem Notizbuch in meine Richtung wedelt, in dem wir alle schlechten Dates verewigen. Seit Eröffnung des Buches haben sich einige neue Namen dazu gesellt, denn leider hat meine Mitbewohnerin wirklich Pech in der Liebe.
„Auch einen Apfel?", fragt sie mich und hebt einen fragend vom Wasserkasten hoch. Eigentlich wollten wir sie von dort noch wegräumen, aber wir sind noch nicht dazu gekommen.
Ich nicke, woraufhin sie mir zwei zuwirft und sich dann wieder auf dem Stuhl neben meinen an den Tisch fallen lässt. Auch ihre Sitzgelegenheit quietscht leicht, denn selbst der Anstrich, den wir den Stühlen verpasst haben, kann nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass sie eigentlich für den Sperrmüll gedacht waren.
„Also, wo genau hat sich Joey seinen Eintrag verdient?", fragt Helen, nachdem sie feierlich das Buch aufgeschlagen hat.
Ich nehme es ihr aus der Hand und blättere suchend durch die Kategorien, bis ich die Liste der Grabschperfektionisten gefunden habe.
„Wahrscheinlich passt er am besten hier", merke ich an.
Helen sieht mir neugierig über die Seite, während sie krachend von ihrem Apfel abbeißt. Ich tue es ihr gleich.
„Aber ich dachte, die Grabschperfektionisten wären nur diejenigen, die einen andauernd befummeln wollen?", meint sie nachdenklich.
Achselzuckend kaue ich ein weiteres Stück Apfel, bevor ich ihr antworte. „Sind sie auch, aber im weiteren Sinne gehört Joey bestimmt auch dazu. Ich meine, wenn er so bescheuert ist und Melonen haben will, wird er sie dann sicherlich auch direkt befummeln."
Helens Mundwinkel heben sich an. „Das ist wahrscheinlich wahr, aber ich glaube, dass diese Ausprägung von Idiot eine eigene Kategorie benötigt."
Ich blättere weiter durch das Notizbuch, bis ich auf die erste freie Seite stoße und lasse dann die Miene des Kugelschreibers klicken. Eigentlich gehört er in meinen Unirucksack, aber ich habe ihn irgendwann hier in der Küche vergessen und bis jetzt noch nicht wieder zurückgeräumt. Wenn meine Mutter das wüsste, würde sie die Hände über dem Kopf zerschlagen, aber sie ist nun einmal nicht hier, sondern in Manchester.
Ich vermisse meine Eltern und Brüder sehr, aber manchmal hat Freiheit auch etwas Gutes. Zum Beispiel dass ich nicht andauernd aufräumen muss oder gleich einfach zu Harry fliegen kann, um ihn zu überraschen, ohne das mit ihnen absprechen zu müssen.
„Also?" Fragend sehe ich Helen an. „Welchen Kategorienamen schlägst du vor?"
Sie runzelt die Stirn und lehnt sich nachdenklich auf ihrem Stuhl zurück, wobei ihre Haare durch die Luft wippen.
„Busenhirn?", schlägt sie schließlich vor. „Oder doch lieber künstlicher Melonenfanatiker?"
Ich lache. „Gefällt mir beides. Wie wäre es mit einer Kombination? Künstlicher Melonenfanatiker mit Busenhirn?"
Helen klaut mir den Kugelschreiber und schreibt die Bezeichnung fein säuberlich in unser Buch voller Datingdesaster. Dieses hier ist eindeutig eines, was mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Nachdem sie Joeys Namen unter der Kategorie eingetragen hat, schlägt sie das Buch so heftig zu, dass es einen leichten Knall von sich gibt und schiebt es dann vorsichtig an die Seite.
„Weißt du, irgendwie ist dieses Buch ein wenig wie eine Therapie", meint sie, während sie nachdenklich auf das Buch hinuntersieht. „Es hilft einem dabei, die schlechten Erinnerungen zu verarbeiten. Und das reden mit dir natürlich auch."
Ich schlinge ihr einen Arm um die Schulter und drücke sie an mich. „Jederzeit. Und du hast wirklich was Besseres verdient."
„Kann ja nicht jeder Harry Styles haben", erwidert sie mit einem Grinsen auf den Lippen. „Aber falls sein verschollener Zwillingsbruder doch noch auftaucht, schick ihn zu mir."
„Du bist die erste Adresse, an den ich ihn schicken sollte", erwidere ich lachend. „Aber jetzt mal im Ernst. Der Richtige kommt schon noch."
Helen hat ein leichtes Lächeln im Gesicht, während sie mich mustert. Es ist ihr Röntgenblick, der immer alles ans Licht zaubern kann. Unbehaglich winde ich mich auf meinem Stuhl und sehe auf den geflisten Fußboden unserer Küche, um ihrem Blick ausweichen zu können.
„Was ist?", frage ich schließlich, als sie immer noch nicht damit aufhört.
„Glaubst du, dass Harry der Richtige für dich ist?"
Ich beiße mir auf die Unterlippe. „Du meinst, so im Sinne für ‚Sie lebten bis ans Lebensende'?"
„Jep", entgegnet Helen, wobei sie das Wort am Ende knallen lässt. Es ist einer dieser Eigenarten, die ich an ihr liebe.
Kurz bleibe ich stumm, während meine Gedanken fliegen.
„Vielleicht. Ich könnte es mir schon vorstellen", murmele ich dann mit roten Wangen.
„Solange ich auf eurer Hochzeit eingeladen werde, ist alles super", scherzt Helen.
Lachend nicke ich. „Natürlich wirst du eingeladen. Du wärst momentan sogar sehr weit vorne im Rennen für die Trauzeugin. Aber wir werden sowieso lange noch nicht heiraten. Wir ziehen gerade erst einmal zusammen und das braucht seine Zeit."
Helen wirft den Apfelstiel durch die Küche und steht seufzend auf, als er den Mülleimer verfehlt, um ihn per Hand in der Tonne zu verstauen.
„Ich glaube, dass Harry da andere Pläne haben könnte", meint sie so beiläufig, dass ich kurz husten muss.
„Das ist vollkommener Schwachsinn", entgegne ich augenverdrehend. „Wie bitte kommst du darauf?"
Grinsend zuckt sie mit den Achseln. „Ich schweige wie ein Grab."
„Manchmal lebst du echt neben der Realität", murmele ich.
Mit einem Lächeln zieht Helen mich vom Stuhl hoch, ohne weiter auf diese Diskussion einzugehen. Mir ist es Recht, denn sie setzt mir Ideen in den Kopf, über die ich gerade gar nicht weiter nachdenken will.
„Du musst los, Ally."
Ich werfe einen Blick auf die Uhr und stelle fest, dass sie Recht hat. „Ja, das sollte ich wohl."
„Viel Spaß in Hongkong mit Harry. Jeglicher Art wohlgemerkt", meint Helen mit einem eindeutigen Grinsen, das mir die Röte in die Wangen treibt. „Und denk bloß an Verhütung, denn ich habe keine Lust, in zehn Monaten kleine Allys und Harrys betreuen zu müssen."
„Du wärst wahrscheinlich auch ein ganz furchtbarer Babysitter", kontere ich.
Sie verschränkt grinsend die Arme. „Ich tue jetzt so, als hätte ich das nicht gehört. Denn ich wäre ein brillanter Babysitter."
Lachend strecke ich ihr die Zunge heraus, ziehe sie zur Verabschiedung noch einmal in eine feste Umarmung und verlasse dann samt meinem Reisegepäck unsere Wohnung. Wie immer in letzter Zeit fühlt es sich merkwürdig an, von der Haustür nach draußen zu treten, denn es dauert nicht mehr allzu lange, bis ich es offiziell das letzte Mal tun werde. Der Gedanke macht mich immer kurzzeitig traurig, doch sobald ich daran denke, dass ich stattdessen mit Harry zusammenleben werde, ist es mehr als in Ordnung.
Der Knall der zufallenden Haustür reißt mich schließlich wieder zurück in die Realität und erinnert mich daran, dass ich langsam wirklich aufbrechen sollte, wenn ich rechtzeitig ins Flugzeug steigen will.
Ächzend setzt sich mein Reisekoffer auf seinen Rollen in Bewegung, als hätte er etwas dagegen, überhaupt noch einmal für einen Trip missbraucht zu werden. Doch der schwarze Rollkoffer ist meine einzige Möglichkeit, denn mehr kann ich mir nicht leisten. So gut wie alle meine Ersparnisse sind bereits für das Flugticket nach Hongkong draufgegangen, doch ich bereue es nicht, denn Harry deswegen überraschen zu können, ist all das wert.
Während ich meinen Koffer über den Gehweg ziehe und schließlich die Treppen der U-Bahnstation heruntertrage, die sich am nächsten zu meiner Wohnung befindet, beneide ich alle, die sich eine Taxifahrt zum Flughafen leisten können, denn immer wieder rutscht mir mein Rucksack von den Schultern oder ich ramme mir die Rollen des Koffers in die Hacken. Mein einziger Trost ist es, dass ich den Airport London Heathrow schneller erreiche, als wenn ich mit einem Auto gefahren wäre.
Dort angekommen, herrscht wie immer reges Treiben in allen Hallen und ich brauche ein wenig, bis ich den richtigen Schalter gefunden habe. Glücklicherweise laufen Einchecken und Sicherheitscheck ohne Probleme, sodass ich schließlich mit allen anderen Fluggästen das Transportmittel betrete, dass uns nach Hongkong bringen wird.
Im Flugzeug angekommen, verstaue ich mein Gepäck und schenke den beiden älteren Damen, die bereits in meiner Reihe sitzen, ein unsicheres Lächeln. „Sorry, könnten sie mich bitte durchlassen? Ich müsste auf den Fensterplatz."
„Aber sicher doch, Schätzchen", strahlen beide und bewegen sich sofort, um mich zu meinem Sitzplatz zu lassen.
„Was treibt dich denn nach Hongkong?", fragt mich die Dame auf dem Mittelsitz, nachdem ich mich angeschnallt und meinen Sicherheitsgurt zwei Mal überprüft habe.
„Ich besuche meinen Freund."
Sie zwinkert mir zu. „Da hat er ja wirklich Glück."
„Ich mit ihm aber auch", lächele ich, während mein Herz ein wenig schneller denkt, sobald ich an Harry denke. In spätestens vierzehn Stunden würde ich ihn endlich wiedersehen.
„Wir haben eine Rundreise gebucht", plaudert die Dame fröhlich. „Mein Herbert weigert sich immer, mit mir zu reisen und da habe ich mir dann irgendwann gedacht, dass ich einfach mit Gretchen fliege. Soll mein Mann doch sehen wie er die beiden Wochen ohne mich überlebt."
Ihre Freundin Gretchen stimmt ihr euphorisch zu, ein wenig lauter als nötig, was wohl an ihrem Hörgerät liegt, wie mir Sybille vom Mittelplatz geheimnisvoll zuflüstert. Grinsend lausche ich den beiden, während sie mir alles über ihre geplante Reise erzählen, ohne dass ich überhaupt danach gefragt habe. Aber es interessiert mich wirklich, weil meine Fernweh sich immer nach neuen Geschichten sehnt und ich höre gerne zu.
Nachdem wir das Abendessen bekommen haben, schließe ich die Augen und versuche so viel möglich zu schlafen, damit die Zeit schneller herumgeht. Glücklicherweise haben wir einen Nachtflug, was es einfacher macht, denn die meisten Lichter werden während des Fluges ausgeschaltet, bloß die Sicherheitsstreifen senden blaues Leuchten aus.
Ich tue mich nie leicht damit, in dem Land der Träume zu versinken, doch als ich aufwache, stelle ich fest, dass ich wirklich fast den ganzen Flug geschlafen habe.
Wir bekommen ein kleines Frühstück gereicht, das ich esse, weil sich mein Magen langsam meldet und ein wenig später landen wir bereits in Hong Kong. Wir verlassen das Flugzeug, wo ich mich von den beiden Damen verabschiede und dann so schnell es geht in Richtung Einreisehalle eile, weil ich meinen Freund nicht schnell genug wiedersehen kann.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich alleine fliege, denn ich habe Harry immer mal wieder für ein paar Tage auf Tour besucht, wenn es irgendwie ging. Trotzdem habe ich ein nervöses Kribbeln im Bauch, als ich schließlich aus dem Flugzeug einsteige. Es ist etwas anderes, ob man in Europa unterwegs ist oder auf dem Weg in ein Land, das mir vollkommen fremd ist.
China ist nach Harrys Erzählungen wunderbar anders, doch ich habe großen Respekt davor, mich alleine mit der Einreise rumschlagen zu müssen. Ich habe gestern Abend noch stundenlang recherchiert, was genau ich alles zu erwarten habe. Dabei habe ich mich durch offizielle Website gelesen sowie Blogs studiert und einige YouTube-Videos geschaut, in der Hoffnung, nicht ganz unvorbereitet in Hongkong zu landen.
Trotzdem klopft mein Herz nun vor Panik schneller als sonst, während ich mich mit allen anderen Fluggästen in Richtung der Immigration schiebe. Kurz checke ich mein Handy und sehe, dass Harry mir einige Nachrichten auf die Mailbox gesprochen hat. Da in der Empfangshalle jedoch Mobiltelefonverbot herrscht, stecke ich es weg, mit dem Vorsatz, mir die Nachrichten gleich direkt im Taxi anzuhören.
„Entschuldigung? Sie sind dran", meint der Geschäftsmann hinter mir in der Warteschleife lächelnd in meine Richtung.
Das ist der Augenblick, in dem ich realisiere, dass es für mich nun wirklich ernst wird und ich zu dem Offiziellen herübergehe, der meine Einreise kontrolliert. Meine Schritte sind klein, doch irgendwann komme ich nicht mehr drum herum und lande wirklich vor dem Schalter.
Mit einem kleinen Lächeln, das hoffentlich nicht zur Grimasse mutiert, reiche ich dem Mann meinen Reisepass.
Da ich nur einige Tage bleiben werde, komme ich ohne Visum aus und darf schließlich die Halle wieder verlassen, nachdem ich meine Aufenthaltsadresse sowie einen Nachweis über ausreichende Geldmittel für meinen Aufenthalt vorgelegt habe.
Ich brauche kurz, bis ich die Taxistände finde und bedauere das verlorene Geld bereits jetzt. Aber Zugfahren sowie Busreisen sind mir einfach zu unsicher, aus Angst, dass ich auf dem Weg ins Hotel verloren gehe. Deswegen habe ich die einfachste Option gewählt, auch wenn ich dafür noch einmal tief in meinen Geldbeutel greifen muss.
Vor dem Terminal angekommen, suche ich nach den roten Taxiwagen, die sich in Richtung Innenstadt bewegen. Alle andersfarbigen Taxis sind in andere Gebiete unterwegs und ich will nirgendwo stranden, weswegen ich mich zweimal versichere, dass ich in der richtigen Warteschleife stehe.
„Tag, Miss", begrüßt mich der Taxifahrer in gebrochenem Englisch, sobald ich an der Reihe bin und verstaut meinen Koffer im Auto.
Als wir beide eingestiegen sind, versuche ich die Adresse des Hotels auszusprechen, in dem One Direction während ihres Aufenthalts in Hongkong untergebracht sind. Da jedoch einige Verständigungsschwierigkeiten vorliegen, bin ich erleichtert, dass ich glücklicherweise die Adresse noch einmal auf einem Blatt notiert habe und diese nun einfach dem Fahrer überreichen kann.
Seine Augen erhellen sich, als er die Adresse versteht und er nickt mir zu.
Sobald wir losgefahren sind, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und höre die Nachrichten ab, die Harry mir aufs Band gesprochen hat.
„Hey, Al. Ruf mich an, wenn du das hier hörst. Bitte. Ich brauche dich", murmelt Harry gebrochen ins Telefon, so leise, dass ich seine Worte kaum verstehen kann. „Ich brauche dich gerade so verdammt sehr und muss mit jemandem reden. Alles zerbricht und ich... Ich ersticke. Also ruf mich an. Bitte."
Die Nachricht lässt mein Herz vor Sorge schneller schlagen und auch die weiteren helfen nicht, mich zu beruhigen. Stattdessen stürzen mich seine Worte, die immer hoffnungsloser und gelallter klingen, immer weiter in die Tiefe.
Schließlich bricht eine Nachricht mitten im Satz ab, weil meine Mailbox voll ist.
Einen Augenblick starre ich auf mein Handy, in der Überlegung, ob ich Harry direkt zurückrufen soll. Doch er klingt so verzweifelt in seinen Nachrichten, dass es mir besser erscheint, wenn ich ihn persönlich sprechen kann.
Als ich nach weiteren zehn Minuten endlich vor dem Hotel ankomme, habe ich solche Sorgen um Harry, dass ich nahezu aus dem Auto stürze. Eilig zücke ich mein Portemonnaie, um das Geld herauszusuchen.
Ich brauche ein paar Augenblicke, bis ich die richtige Summe an Hongkong-Dollar herausgesucht habe, denn die Währung ist mir vollkommen fremd. Schließlich überreiche ich dem Taxifahrer die Scheine, der sich bei mir bedankt und mir dann noch einen schönen Nachmittag wünscht.
Mit langen Schritten renne ich in die Hotelhalle und lehne ab, als einer der Pagen anbietet, mir mein Gepäck abzunehmen. Suchend sehe ich mich in der Lobby um, bis mein Blick schließlich an Preston hängen bleibt. Als er mich erkennt, nickt er mir zu und kommt in meine Richtung, woraus ich schließe, dass er von Niall, der als einziger von meinem Überraschungsbesuch weiß, beauftragt wurde, mich in Empfang zu nehmen.
„Da bist du ja, Ally", begrüßt er mich lächelnd und schließt mich in eine kurze Umarmung, die ich erwidere. „Hier ist deine Zimmerkarte."
Er streckt mir die Keycard entgegen für die Suite, die ich mir im Laufe der nächsten Tage mit meinem Freund teilen werde. So ist zumindest der Plan, den ich mit Niall und Helen gemeinsam ausgetüftelt habe.
„Weiß Harry, dass ich komme?", erkundige ich mich bei dem Bodyguard, der eigentlich hauptsächlich für Louis zuständig ist. Doch auch ich bin bereits einige Mal mit ihm unterwegs gewesen.
„Nein, ich glaube nicht, dass er etwas ahnt", meint Preston und schiebt dann hinterher: „Es ist gut, dass du da bist, Ally. Er kann dich gerade bestimmt gebrauchen."
Das ungute Gefühl in meinem Bauch wird größer. „Was genau ist passiert? Er hat mich mehrmals angerufen, aber nur die Mailbox erreicht und klingt immer verzweifelter in den Nachrichten."
„Die Jungs hatten einen Streit. Warum genau sollte Harry dir lieber selbst erzählen."
Dem trüben Blick nach zu urteilen, den Preston aufsetzt, ist der Streit alles andere als eine Kleinigkeit und meine Angst um meinen Freund wird stetig größer.
„Wo finde ich Harry denn? Dann gehe ich jetzt direkt zu ihm."
„Versuch es in eurem Hotelzimmer. Ich habe ihn seit einigen Stunden nicht gesehen, aber dort hast du wahrscheinlich die größten Chancen, ihn zu finden", entgegnet Preston. „Findest du den Weg alleine oder soll ich dich begleiten?"
„Das schaffe ich schon alleine", meine ich, denn ich will einfach so schnell wie möglich zu Harry.
„Dann kümmere ich mich solange um dein Gepäck und schicke es später hoch. Oder willst du das mitnehmen?"
„Nein, das klingt super. Vielen Dank."
Preston schenkt mir ein Lächeln. „Gern geschehen. Wenn sonst irgendwas ist, frag einfach mich oder eines der anderen Guards. Einer von uns sollte sich eigentlich immer in der Lobby aufhalten. Ansonsten lass dir einfach meine Handynummer von Harry geben."
Ich bedanke mich erneut, lasse meinen Koffer sowie die Reisetasche in seinen Händen zurück und eile dann in Richtung der Aufzüge, wo ich gerade noch in einen hineinspringen kann, bevor er losfährt. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, bis dieser endlich in der vierten Etage hält, während in Wirklichkeit sicherlich nicht mehr als einige Sekunden vergangen sind. Doch ich mache mir zu große Sorgen um Harry.
Im vierten Stock laufe ich schnellen Schrittes den Gang entlang, ohne einen Blick für all den Luxus übrig zu haben. Gerade zählt nichts mehr, als möglichst schnell zu meinem Freund zu kommen.
Vor Zimmer 405 angekommen, sperre ich die Tür in meiner Keycard auf und bleibe stirnrunzelnd im Rahmen stehen, als ich merkwürdige Geräusche höre. Doch sie sind zu leise, als dass ich wirklich etwas verstehen kann.
„Harry?", murmele ich, während ich einen Schritt in den Wohnraum mache.
Suchend sehe ich mich um, doch mein Freund ist nirgends zu sehen, weswegen ich zu dem angeschlossenen Schlafzimmer herübergehe. Doch was ich dort sehe, presst mir die Luft aus den Lungen.
Wie erstarrt bleibe ich stehen, mitten in der geöffneten Tür, während ich nicht anders kann, als auf das Bett zu starren. In ihm liegt Harry. Und neben ihm ein Mädchen.
Seine Hand befindet sich in ihren Haaren, ihre Finger unter seinem T-Shirt. Seine Lippen auf ihren, während sie beide die Augen geschlossen haben. Er merkt nicht einmal, dass ich mich hier befinde, nur zwei Meter von ihm entfernt.
Es ist eindeutig, so eindeutig, dennoch versuche ich mir, alles irgendwie schön zu reden. Dann jedoch stöhnt Harry, ein Geräusch, das ich nur zu gut kenne und das ich eigentlich als einzige zu hören bekommen sollte. Damit ist meine Schutzmauer der Lügen endgültig zerstört.
Keuchend mache ich einen Schritt zurück, während mir ein Schluchzen entweicht, so sehr ich den Laut auch zurückzudrängen versuche. Das erweckt die Aufmerksamkeit der beiden und Harry richtet sich eilig auf, als er mich in der Tür stehen sieht.
„Al", flüstert Harry mit aufgerissenen Augen.
Ich weiß nicht, ob er noch mehr zu sagen hat und will es auch gar nicht hören. Denn eigentlich ist jedes Wort auch zu viel. Ich habe ihm die Pistole gegeben und er hat den Abzug gedrückt.
Ohne mich noch einmal zu ihm umzudrehen, beginne ich zu rennen.
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Ihr Lieben,
Hiermit sind wir beim letzten Kapitel.
Hättet ihr erwartet, dass Harry das tut?
Könnt ihr verstehen, dass Ally wegrennt?
Diejenigen, die Promise bereits kennen, wussten ja, dass es irgendwann so enden musste. Nun wissen es wohl alle.
Es folgt in den nächsten Tagen noch der Epilog 😉
Bis zum nächsten Mal.
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