28 | I wanne be yours
»The bravest thing
you will ever do
is love again.«
Die Zeit verstrich und doch leerte sich der Club kein bisschen. Die Musik dröhnte, nach wie vor, extrem laut aus den Boxen, der DJ am Mischpult hatte vor einer Weile ein paar alte Lieder ausgepackt, die jeder kannte und bei denen jeder mitsingen konnte. Dadurch schien die Menge auf einem neuen Hoch zu sein. Die Leute auf der Tanzfläche grölten schief den Text mit und bewegten sich, manche besser, manche schlechter, zum Beat.
„Und ihr wurdet jetzt tatsächlich schon unter Vertrag genommen?", die Stimme der Brünetten, die sich vor einigen Minuten zu ihnen gesellt hatte, riss Reece aus seinen Gedanken. Das Mädchen, das Mara hieß, schien wohl eine alte Bekannte von Nathan zu sein. Wenn Reece das richtig verstanden hatte, war sie vor einigen Jahren kurzzeitig in einer Band mit Nathan gewesen. So gesehen war Nathan bereits ein alter Hase, da er vor Serendipity bereits öfter als Bassist in Musikgruppen gearbeitet hatte.
„Ja, keine Ahnung, ging jetzt auch schneller als gedacht", Nathan zuckte mit den Schultern.
Mara gab ein Seufzen von sich. „Du lebst wirklich meinen Traum, Nathan."
„Du hast die Musik doch schon eine Weile an den Nagel gehangen, oder nicht?", erkundigte sich der Bassist.
Die junge Frau nickte, ihre Mine wirkte gequält. „Aber nur weil ich keine andere Wahl hatte! Oder zumindest habe ich das geglaubt. Ich hätte nie gedacht, dass es tatsächlich für einen für uns klappen könnte. Sowas passiert doch nur im Märchen!"
„Du hälst zu viel von uns, glaube ich. Bisher werden unsere Songs ja noch nicht überall gespielt, wir wurden nur unter Vertrag genommen", mischte sich Reece ein. Nathan hatte die beiden bereits einander vorgestellt, doch der Gitarrist hatte sich bis eben kaum am Gespräch beteiligt.
„Naja, trotzdem! Allein das ist schon ein riesiger Schritt", bemerkte Mara.
„Und was machst du jetzt nochmal? BWL studieren oder sowas?", fragte Nathan nach und sie verzog das Gesicht.
„Bitte, erinnere mich nicht daran. Ich habe mir doch extra heute so viele Drinks reingekippt, um mein erbärmliches Schicksal für einen Moment zu vergessen." Wie um ihre Aussage zu unterstreichen, nahm sie einen tiefen Schluck aus ihrem Becher, den sie in der Hand hielt.
„Habt ihr vielleicht noch Platz bei euch? Ich bin jede Sekunde bereit, mein Studium hinzuschmeißen."
„Tut mir leid, aber wir haben schon einen Gitarristen", Nathan klopfte Reece auf die Schulter.
„Ach komm schon! Ich könnte euch, beziehungsweise dich, doch unterstützen, Reece", scherzte Mara und klimperte als Witz mit den Wimpern.
„Danke, kein Bedarf", entgegnete Reece trocken.
Mara verdrehte lachend die Augen. „Du bist ja ein richtiger Sonnenschein", stellte sie fest.
„Dafür steh ich mit meinem Namen." Nathan grinste über Reece Spruch.
Das Gespräch der drei wurde in diesem Moment beendet, da sich Nylah, Brianna und Ewan zu ihnen gesellten. Sie sahen alle absolut verschwitzt aus, Nylahs Wangen waren vor Anstrengung stark gerötet.
„Dafür, dass ihr eigentlich keine Lust hattet, wart ihr ja ganz schön lange weg", bemerkte Nathan.
„Ah, hallo! Ihr müsst der Rest der Band sein?", mischte sich Mara ein, bevor einer von den Zurückgekommenen hatte antworten können.
„Die beiden, ja. Ich bin nur hier, um diese Langweiler dazu zu bringen, zumindest ein bisschen Spaß zu haben", erklärte Brianna, worauf sie sich vorstellte. Nylah und Ewan taten es ihr gleich.
Während die letzten beiden direkt von Mara in ein Gespräch über Musik verwickelt wurden, beugte sich Reece zu Brianna und versuchte möglichst beiläufig zu klingen, als er sie nun fragte, wo sie Ada vergessen hatten.
Das Mädchen mit den lockigen Haaren deutete mit dem Kopf in eine Richtung. „Sie meinte, dass sie kurz frische Luft schnappen will. Es gibt hier ja einen kleinen Außenbereich", erklärte Brianna.
Reece nickte stumm und blickte unschlüssig dorthin, wo das Mädchen soeben hingezeigt hatte. Neben ihm räusperte sich Nathan, weshalb sich Reece zu ihm umwandte.
„Vielleicht solltest du mal nachschauen, ob bei Ada alles in Ordnung ist?", schlug der Bassist beiläufig vor. Auf seinen Lippen lag ein wissendes Grinsen, das er, mehr schlecht als recht, zu verheimlichen versuchte.
Reece blickte Nathan an und versuchte nicht so ertappt auszusehen, wie er sich fühlte. „Jedem anderen hätte ich jetzt eine reingehauen. Sei froh, dass ich dich leiden kann", stellte er klar, woraufhin Nathan lachte und ihm auf die Schulter klopfte.
„Aber na gut, wenn du mir das schon vorschlägst, habe ich wohl keine andere Wahl", sagte Reece unschuldig. Sein Gegenüber nickte gespielt ernst.
Der hochgewachsene, blonde Junge stieß den Atem aus und lief in die Richtung, in die Brianna gedeutet hatte. Irgendwie fühlte er sich seltsam angespannt, als er sich an den Menschen vorbei quetschte.
Nach einigem Herumirren entdeckte er schließlich eine schwarze Tür, auf welcher unverkennbar die Worte „Außenbereich" in großen, weißen Druckbuchstaben prangten. Er drückte die Klinke nach unten und nahm seine Schulter zu Hilfe, um die Tür, die schwerer war, als sie aussah, aufzudrücken.
Ein Schwall kalte Nachtluft stieß ihm entgegen und füllte seine Lungen. Außer den Sternen, die am Himmel um die Wette leuchteten, spendeten Lampen, die an einigen Stellen angebracht waren, Licht.
Der Außenbereich war überraschend voll. Lautstark unterhielten sich die Menschen und das Stimmengewirr erfüllte die Nacht. Die einzigen, die nicht besonders gesprächig waren, waren die Alkoholleichen, die sich vor allem in den Ecken aufhielten.
Reece griff in seine Hosentasche und fischte sich eine Zigarette aus der Schachtel. Nachdem er diese angezündet hatte, zog er daran und blies den Rauch in die Nachtluft.
Langsam setzte er sich in Bewegung und schob sich an den Leuten vorbei. Der Außenbereich war zwar nicht annähernd so voll wie der Club selbst, dennoch voll genug, um die Suche nach einer kleinen, zierlichen Blondine schwerer als nötig zu gestalten.
Suchend glitt sein Blick über die Menschen, aber auf den ersten Blick konnte er Ada nirgends entdeckten. Entschuldigend bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmasse und ignorierte den alkoholisierten Typ, der sich bei Reece beschwerte, weil er ihn dafür verantwortlich machte, dass er sein Getränk verschüttet hatte. Nur gut, dass es nicht daran lag, dass er so stark wankte, als ob er jeden Moment umfallen könnte.
Die Zeit verstrich und Reece war sich so sicher, dass er jede Ecke abgesucht hatte und sich fragte, ob es vielleicht einen zweiten Außenbereich gab, als er Adas blonde Locken entdeckte. Doch nicht nur sie: ein junger Mann mit braunen Haaren und einem breiten Rücken stand bei ihr. Und Ada schien nicht besonders erfreut über dessen Anwesenheit.
Reece runzelte die Stirn und beobachtete das Szenario und war unschlüssig, was er machen sollte. Der Kerl redete unaufhörlich auf Ada ein und gestikulierte wild mit den Armen. Seit Reece das Mädchen mit den blonden Haaren kannte, hatte er sie noch nie so genervt dreinschauen sehen. Er hatte nicht mal gewusst, dass sie dazu in der Lage war.
Der braunhaarige Mann sah Ada noch einmal eindrücklich an, sagte ein paar weitere Worte zu ihr, die Reece von hier aus nicht verstehen konnte und entfernte sich dann von ihr. Ohne zu wissen, dass Reece alles beobachtet hatte, schob er sich an ihm vorbei und ließ eine gequält aussehende Ada zurück.
Reece sah dem Mann hinterher und drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus, bevor seine Beine ihn wie von alleine zu Ada trugen. Sie sah überrascht auf, als sie seine Präsenz bemerkte.
„Hey, ich wollte nur kurz nach dir sehen. Brianna hat mir gesagt, dass du hier bist", erklärte er und lehnte sich neben ihr an das Geländer.
„Oh, ja sorry! Ich war etwas länger weg, als ich es geplant hatte." Ihr Blick glitt in die Richtung, in der der Mann so eben verschwunden war.
„Das habe ich gesehen", setzte Reece sie darüber in Kenntnis, dass er das Aufeinandertreffen mitbekommen hatte. Ada stieß ein Seufzen aus.
„Darf ich fragen wer das war?", fragte er möglichst beiläufig, obwohl er viel neugieriger war, als er zugeben wollte.
Sie schnitt eine Grimasse. „Das war mein Exfreund, Bryce."
„Oh", machte Reece und schob eine Hand in die Hosentasche. „Ich hoffe, dass es nicht zu unangenehm war? Ich wusste nicht, ob ich eingreifen oder euch lieber nicht stören soll."
„Nein, alles gut, er hat nichts Schlimmes getan", beeilte sie sich zu erklären, „Bryce kann nur irgendwie nicht akzeptieren, dass Schluss ist."
Reece nickte langsam. „Dann nehme ich an, dass du dich von ihm getrennt hast?" Obwohl es ihm irgendwie unhöflich vorkam, so privates zu erfragen, purzelten die Worte nur so aus seinem Mund. Seine Neugier hatte ihn übernommen.
„Ja, nachdem ich herausgefunden habe, dass er drei Monate lang parallel zu unserer Beziehung eine Affäre mit einer anderen hatte, war das eine legitime Reaktion, vermute ich."
„Was ein Loser", schnaubte Reece.
„Ja, im Nachhinein sollte ich mich wohl bei ihm bedanken, dass er mir einen Grund zum Schluss machen gegeben hat. Ich war etwa ein Jahr mit ihm zusammen und habe mir unsere Beziehung eigentlich nur schön geredet. Es war kein bisschen so, wie ich es mir vorgestellt hatte", erzählte Ada weiter und zupfte an einem losen Faden von ihrer Tasche.
„Wie genau hast du dir das denn vorgestellt?", fragte Reece interessiert weiter. Er konnte sich selbst nicht ganz erklären, warum er so begierig war zu erfahren, was Ada über Beziehungen dachte, obwohl er selbst nicht wirklich viel für so etwas übrig hatte.
„Keine Ahnung, ich hatte gehofft, dass es sich mehr so anfühlen würde, als wäre ich bei ihm zu Hause?", versuchte sich Ada an einer Erklärung.
Sie grübelte einen Moment, bevor sie schließlich erneut das Wort ergriff: "Ich weiß, dass man in einer Beziehung Kompromisse eingehen muss, aber das, was ich in dem Jahr alles ertragen habe, ging weit darüber hinaus. Jetzt mal abgesehen von dem Betrug, war unsere Beziehung auch allgemein alles andere als harmonisch. Er hat mir immer das Gefühl gegeben, nicht genug zu sein, hat wegen jeder Kleinigkeit einen Streit angefangen, sich gefühlt kaum für mich interessiert... Wenn ich dir das jetzt so erzähle, komme ich mir noch erbärmlicher vor als sowieso schon." Ada lächelte traurig.
„Aber damals war ich bereit, all das zu ertragen. Er war die erste Person, in die ich mich verliebt habe und vielleicht kann man es anhand der Tatsache, dass ich Liebesromane schreibe, erahnen, aber ich war damals eine hoffnungslose Romantikerin. Oder bin es." Sie schnitt eine Grimasse, ihr fiel erst jetzt auf, dass sie unbeabsichtigt viel mehr erzählt hatte, als sie wollte.
In Reece Augen lag nichts als Verständnis. „Ich bin, wie du weißt, etwas anders gestrickt. Aber ich bewundere dich, dass du, obwohl dieser Kerl so mit dir umgesprungen bist, den Glauben an die Liebe noch nicht verloren hast. Und ich hoffe, dass du sie irgendwann findest."
Reece kratzte sich im Nacken. Seit wann sagte er solch kitschigen Sachen?
Ada versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber seine Worten berührten sie. Ein Schauer jagte ihren Rücken hinunter. Und das nicht zum ersten Mal in seiner Gegenwart.
Auch, wenn sie vehement versuchte zu ignorieren, wie schnell ihr Herz schlug, wenn er bei ihr war, fiel ihr das mit jedem Mal schwerer.
„So schnell gebe ich nicht auf", antwortete sie leise und Reece grinste. Für einen Augenblick schwiegen beide und unbewusst hielt sie den Atem an, als sein Arm ihren, da sie beide sich auf dem Geländer abstützen, berührte.
„Und außerdem habe ich dann immer etwas über das ich schreiben und so meinen Herzschmerz überwinden kann, wenn es doch wieder scheitert. Ich wette, ich könnte für euch die kitschigsten Lieder aller Zeiten schreiben", scherzte Ada. Ihr Herz klopfte so unnatürlich laut, dass sie sich sicher war, dass er es hören musste.
„Warum tust du das dann nicht einfach?", antwortete Reece gerade heraus und sie sah ihn überrascht an, bevor sie lachte.
„Das war nur ein Scherz, ich habe noch nie einen Song geschrieben", beeilte sie sich zu sagen.
„Ja und? Das könnten wir ändern. Mein Wissen über Songschreiben hält sich zwar auch in Grenzen, aber ein bisschen was habe ich ja all die Jahre schon mitbekommen. Die Form an sich habe ich einigermaßen drin. Nur, wie du weißt, fallen mir die Worte nicht so leicht. Wir könnten zusammen an einem Song arbeiten, dann hätte ich zumindest auch mal halbwegs etwas für die Band beigetragen."
Ada blinzelte ihn an. „Ist das dein Ernst?", fragte sie nach, immer noch etwas perplex.
„Klar, wieso nicht?", antwortete Reece schulterzuckend.
Obwohl Ada von seiner plötzlichen Spontanität überrascht war, konnte sie nicht anders, als zu lächeln und schließlich bestätigend zu nicken.
„Okay, wie wärs nächste Woche Freitag?", fragte er prompt und Ada suchte in seinen Augen nach einem Anzeichen, dass er einen Scherz machte, konnte aber nichts derartiges sehen.
„Okay", antworte sie.
Sie wusste, dass Reece nichts von Beziehungen und Liebe hielt, das hatte er mittlerweile oft genug erwähnt. Und trotzdem konnte sie nicht anders als sich mehr Hoffnungen zu machen, als sie wahrscheinlich sollte. Sein Blick, seine Worte und seine Berührungen hatten einen Kurzschluss in ihrem Gehirn verursacht und auch, wenn sie sich da vielleicht in etwas verrannte, dass ihr womöglich das Herz brechen würde, konnte sie nicht anders, als sich jetzt schon auf das Treffen mit ihm zu freuen.
„Okay, abgemacht. Aber lass uns jetzt zu den anderen, sie warten sicher schon auf uns", bemerkte er nun mit einem Blick Richtung Tür, die zurück in den Club führte.
„Ja, stimmt. Wir waren eine ganze Weile weg", bestätigte sie und gemeinsam bahnten sie sich einen Weg Richtung Innenbereich.
Zumindest versuchten sie es. Sofern es überhaupt möglich gewesen war, war es hier draußen noch voller geworden, als sowieso schon. Ada gab sich alle Mühe Reece zu folgen, aber immer wieder wurde sie von laut redenden Menschen, die alkoholisiert zur Seite schwankten, weggedrückt, bis sie seinen blonden Haarschopf nirgends mehr entdecken könnte.
Suchend sah sie sich um, manchmal war es echt ein Hindernis, wenn man so klein war. Es war so leicht, in einer großen Menge zu verschwinden.
Entschuldigend quetschte sie sich zwischen den Leuten durch und hielt ihre Tasche fest an ihren Körper gepresst, die Hand auf dem Verschluss. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und entdeckte Reece tatsächlich wenige Meter links von ihr. Erleichtert bahnte sie sich einen Weg zu ihm durch.
„Wo bleibst du denn? Ich wollte gerade zurückgehen", erklärte er besorgt und Ada lachte schulterzuckend.
„Nicht jeder ist so groß wie du. Ich habe dich irgendwann nicht mehr gesehen von hier unten."
Reece grinste.
„Entschuldige, ich bin das nicht gewohnt", sagte er und hielt ihr die Hand hin. „Damit wir uns nicht verlieren."
Ada schluckte und ließ ihre Hand in seine gleiten. Warm schlossen sich seine Finger um ihre und sie spürte die Berührung so deutlich, als ob plötzlich sämtliche Nervenendungen dort platziert wären. Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb.
Sie ließ sich von Reece durch die Masse navigieren, ihr Blick war auf ihre Hände gerichtet.
Je länger sie den Gitarristen kannte, desto mehr hoffte auch sie, dass sie sich nicht verlieren würden.
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