Veritaserum
Das Ereignis mit dem Schwanenküken hinterließ deutliche Spuren. June hatte mitbekommen, dass nicht nur der Vogel eine seltsame Begebenheit gewesen war. Jemand war schon vor ihr in Snapes Büro eingebrochen und hatte Baumschlangenhaut und Florfliegen gestohlen.
Snape hatte nicht June verdächtigt. Am Wochenende, kurz vor der zweiten Aufgabe, war sie von ihm in ihr Büro gerufen worden. Dort hatte der Meister der Zaubertränke unter Wut erklärt, dass er neben den anderen gestohlenen Zutaten nun auch das Kiemenkraut vermisste. Und wen er verdächtigte, konnte man sich denken, wenn man Snape gut genug kannte.
Harry Potter.
Er war der festen Überzeugung, dass er, Hermine und Ron irgendwo in der Schule sich wieder gemeinsam versteckten, um Vielsafttrank zu brauen. Wer allerdings das Küken in sein Büro aufgehängt hatte, das wusste Professor Snape nicht. Harry dafür zu beschuldigen war unmöglich. Er und Kimberley waren sich nie über den Weg gelaufen. Und das dieses Schwanenküken auf Kimberleys Animagus hindeutete, war ein Hinweis, den keiner bestreiten konnte.
June hatte es den Magen verknotet. Sie fühlte sich schlecht, nachdem Snape im Büro so ausgeflippt war. Er hatte ihr abermals untersagt, Kontakt zu Harry zu pflegen. Mit der Begründung, dass er genauso kriminell und gewissenlos wurde, wie sein Pate Sirius Black. An den erinnerte sich June nur zu gut. Und sie hatte schon damals in der heulenden Hütte festgestellt, dass die beiden sich auf den Tod nicht ausstehen konnten.
Snapes Misstrauen gegenüber Harry wog nicht ab. Besonders bestärkt wurde es am Wochenende bei der zweiten Aufgabe. Die Trimagischen Champions mussten auf ihrer Mission im schwarzen See eine Stunde lang unter Wasser überleben. Kein leichtes Verfangen. Hierfür war ausgesprochen fortgeschrittene Magie notwenig.
June verstand auch, warum Dobby scheinbar so gedrängelt hatte mit dem Kiemenkraut. Harry, der erst vierzehn Jahre war (um einiges jünger als seine Mitstreiter), hatte noch nicht soviel Schulstoff durchgenommen, wie z.B. der weitaus ältere Cedric. Und da er auch nicht gerade so ein wissensdurstiger Bücherwurm war, wie Hermine, war es natürlich nicht so einfach für ihn gewesen.
Professor Snape war hingegen einer ihrer klügsten und intelligentesten Lehrer. Er konnte sich sofort zusammenreimen, dass Harry das Kiemenkraut genutzt hatte, um die Aufgabe zu bestreiten. Das Kraut hatte die Eigenschaft, nach dem Schlucken einem Zauberer oder einer Hexe Kiemen und Flossen wachsen zu lassen. So war es möglich, auch unter Wasser atmen zu können.
June hatte Severus pulsierende Ader über den Schläfen gesehen. Das würde schlimme Folgen haben. Da war June sich sicher.
June stand mit Neville zwischen den anderen Schülern, um das Geschehen beobachten zu können. Und sie musste zugeben, dass es nicht gerade spektakulär war, eine Stunde lang auf die Oberfläche eines Sees zu starren.
Ein Drachenkampf war da schon interessanter, wenn man es unterhaltungsgemäß einordnen würde. Doch darum sollte es nicht gehen. Dieses Turnier war gefährlich und sie sollte hoffen, dass sie vier Champions unverletzt zurück an die Oberfläche kommen würden.
Percy Weasley, welcher Bartemius Crouch wegen seiner Krankheit vertrat, moderierte den Wettstreit. June hielt nicht viel von Percy Weasley. Aber da war sie nicht die einzige. Dem ehemaligen Vertrauensschüler von Gryffindor waren die meisten nicht sonderlich gut gesonnen.
Die erste, die wieder auftauchte, war Fleur Delacour. Sie hatte es nicht geschafft, den sogenannten „Schatz" vom Grund des Meeres zu holen. Madame Maxime und Professor Dumbledore zogen sie an Land und wickelten sie in mehrere Handtücher. Die hübsche Französin war im Gesicht von Kratzern übersät und trug zerrissene Kleidung. June konnte hören, wie Professor Moody etwas von Grindelohs murmelte.
Der nächste, der auftauchte, war Cedric mit seiner Freundin Cho Chang. Damit erzielte er den ersten Platz. Cho wurde an Land von mehreren Schülerinnen und Schülern umrundet. Unter anderem war auch Maya dabei. Maya, welche vom Aussehen nur noch einem Geist glich.
Der Vorletzte, der kurz vorm Ablaufen der Zeit an die Oberfläche kam, war Viktor mit Hermine in den Armen. Ein großer Haikopf war das erste, was hinausragte, welcher sich schnell zurückverwandelte in die Gestalt des berühmten Quidditchspielers. Igor Karkaroff zog seinen Lieblingsschüler an Land und jubelte lauthals. Dabei war auch Ivan. June durchzuckte es das Herz, als sie ihn sah. Wie er Krum in die Arme nahm und laut in das Gejubel der anderen Durmstrangschüler mit einstimmte.
Von Harry jedoch fehlte lange Zeit jede Spur. Das Murmeln und Geraune ging abermals durch die Menge. Auch Neville wurde neben June nervös. Schließlich tauchten die Köpfe von Ron und einem Mädchen auf. Und kurze Zeit später kam auch Harry an die Oberfläche. Harry hatte von Fleurs Niederlage gewusst und so hatte er neben Ron auch ihre kleine Schwester Gabrielle vom Meeresgrund geholt. Professor Dumbledore nannte ihn ein „Moralisches Vorbild". Harry belegte somit den zweiten Platz. Die Schüler rundherum waren gemischter Meinung. Besonders Durmstrang schien dagegen zu protestieren. Doch das Ergebnis war eindeutig und die Aufgabe war damit beendet.
Sie schlugen allesamt den Rückweg an. June und Neville überschritten gerade die letzten Meter des Stegs, als eine Hand die von June griff. Sie drehte sich um und sah in das hübsche Gesicht von Ivan:
„June, könnte ich kurz mit dir sprechen?"
Er sah unsicher zwischen Neville und June hin und her. June wollte nicht mit ihm sprechen. Ihr wäre es am liebsten gewesen, ihre Ruhe zu haben und mit Neville zurück zum Schloss zu spazieren. Aber sie wusste, dass sie Ivan nicht ewig ausweichen konnte.
June gab nach und sagte Neville, dass er schon einmal vorlaufen konnte. Sie würde bald nachkommen.
Ivan zog sie etwas abseits der Wege, was June gar nicht gefiel. Unter den Bäumen blieb er schließlich stehen. Er sah zu ihr herab:
„June, ich wollte mich bei dir entschuldigen", erklärte er seiner ehemaligen Ballbegleitung.
June hob die Augenbraue:
„Wofür? Dafür, dass du mich gegen meinen Willen küssen wolltest oder dafür, dass du mit Parvati Patil auf dem Ball getanzt hast."
Ivan schloss für einen kurzen Moment die Augen und stöhnte.
„Ihr Frauen seit so unglaublich kompliziert.", murrte er verständnislos.
„Also wenn du dich über das weibliche Geschlecht beschweren willst, solltest du vielleicht deinen Gesprächspartner wechseln. Ich habe keine Lust, mich mit noch mehr negativen Energie zu belasten. Und jetzt entschuldige mich."
June wollte sich gerade losreißen, doch Ivan hielt sie zurück:
„Nein, nein. Tut mir leid, das wollte ich nicht. Ich bin der letzte, der sich eigentlich über so etwas das Maul zerreißen würde. Das entspricht nicht meine Art.", meinte er ernst und entschlossen.
June blieb also stehen und sah ihn genervt an:
„Dann rück raus damit. Was willst du von mir?"
Ivan schluckte:
„Erstmal will ich wissen, ob du meine Entschuldigung annimmst. Sonst führt das ja nur nichts."
„Gut, Entschuldigung angenommen.", brummte June unbeeindruckt.
„Komm mir bloß nicht so.", schimpfte Ivan. „Ich will schon, dass du es ernst meinst, wenn du es sagst."
„Ich meine es ernst, Ivan. Was erwartest du denn von mir? Dass ich dir um den Hals falle und deine Füße küsse?"
June wurde immer gereizter. Und umso mehr wunderte sie es, als in Ivans Gesicht ein verschmitztes Lächeln erschien:
„Das zweite kannst du von mir aus lassen. Aber über das erste würde ich mich wirklich freuen."
„Du bist so ein Idiot.", maulte June ihn an.
Aber sie machte, was er sagte und nahm ihn in den Arm.
„Würdest du mir eine Chance geben, das alles wieder gutzumachen?", flüsterte ihr Ivan ins Ohr.
June überlegte kurz. Gab es etwas, was er wieder gutmachen müsste? Das mit Parvati Patil vielleicht. Kurzerhand nickte sie entschlossen. Ivan grinste und umschlang ihre Taille:
„Dann lass mich so frei sein und dich auf ein Date einladen. Wann und wo werde ich dir noch schreiben, also erwarte meine Eule.", säuselte er geheimnisvoll.
June wurde nun doch ein Lächeln entlockt.
„Einverstanden.", schmunzelte sie.
Ivan ließ sie los, strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr und sah sie sichtlich zufrieden an.
„Ich freue mich auf dich."
Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, der June erröten ließ, und rannte dann zu Krum. Viktor legte Ivan brüderlich einen Arm um die Schulter.
June beobachtete, wie sie miteinander sprachen. Dann sah Viktor zurück zu ihr. Ihre Augen trafen sich. Viktor lächelte und winkte ihr zu. Und dann setzte er seinen Weg mit seinem Kumpel fort. Irgendwie gefiel June das. Ivan hatte bestimmt von ihr erzählt. Der Gedanke, dass Ivan von ihr sprach, gefiel ihr außerordentlich gut. Glücklich und mit einem deutlichen Kribbeln im Bauch machte sie sich auf zum Schloss, wo Neville schon sehnsüchtig auf seine Freundin wartete.
Der Anfang der nächsten Woche begann ziemlich nervenaufreibend. Beim Frühstück kam wie üblich die Eulenpost. Die Zeitungen und Briefe rieselten über ihre Köpfe. Eine Zeitung landete direkt in Junes morgendlichem Porridge. Angewidert fischte sie die Zeitung aus dem Haferschleim heraus.
Seamus Finnigan und Dean Thomas, die ihr gegenüber saßen, fingen an zu lachen.
„Hier, Neville. Die muss für dich sein."
Neville bedankte sich bei ihr und rollte die Zeitung auf. Nach einiger Zeit stieß er einen entsetzten Laut aus. June, wie auch Seamus und Dean, schauten auf den aufgeschlagenen Tagespropheten. Neville hatte die Hexenwoche aufgeschlagen. Über einem Farbfoto von Harry prangte die große Überschrift:
Harry Potters stummes Herzeleid
„Wer hat den Artikel denn geschrieben?", fragte Seamus Neville.
Neville schluckte und stotterte dann: „R-Rita Kimmkorn."
Rita? Rita Kimmkorn? Der Name war in letzter Zeit öfter gefallen. June packte die Neugier. Ron hatte von dieser mehr oder weniger charmanten Dame erzählt.
„Kann ich die mal kurz ausleihen?", fragte sie Neville.
Er nickte. June nahm die Zeitung in die Hand und las den Artikel im Stillen für sich durch:
Ein Junge wie kein anderer, könnte man meinen. Doch auch ein Junge, der die ganz gewöhnlichen Qualen des Heranwachsens durchleidet.
Seit dem tragischen Ableben seiner Eltern, der Liebe beraubt, glaubte der vierzehnjährige Harry Potter endlich Trost bei seiner festen Freundin in Hogwarts, der muggelstämmigen Hermine Granger, gefunden zu haben. Doch er ahnte nicht, dass seine Seele in diesem ohnehin von persönlichen Verlusten geprägten Leben, bald erneut einen schweren Schlag erleiden würde.
Mrs. Granger, ein äußerlich unscheinbares aber ehrgeiziges Mädchen, hegt offenbar eine Vorliebe für berühmte Zauberer, die Harry allein nicht befriedigen kann. Seit Viktor Krum, der bulgarische Sucher und Held der letzten Quidditch-Weltmeisterschaft in Hogwarts weilt, spielt Mrs. Granger mit den Gefühlen beider Jungs. Krum, der von der tückischen Mrs. Granger offensichtlich hingerissen ist, hat sie bereits eingeladen, ihn während der Sommerferien in Bulgarien zu besuchen und versichert, er habe solche Gefühle noch nie für ein anderes Mädchen empfunden. Allerdings sind es wohl nicht die zweifelhaften Reize Grangers, denen diese beiden unglücklichen Jungs verfallen sind.
„Die ist echt hässlich!", meinte Pansy Parkinson, eine hübsche und lebhafte Viertklässlern. „Aber dass sie einen Liebestrank braut, traue ich ihr durchaus zu. Sie hat ja ziemlich viel Grips. Ich bin sicher, damit schafft sie es."
Natürlich sind Liebestränke in Hogwarts verboten und zweifellos sollte Albus Dumbledore diesen Behauptungen nachgehen, denn in der Zwischenzeit können alle, die sich um das Wohlergehen Harry Potters sorgen, nur hoffen, dass er sein Herz das nächste Mal einer würdigeren Kandidatin schenkt.
- Rita Kimmkorn
„Diese Frau schreibt echt verdammt viel Müll.", entgegnete June sichtlich abgeneigt.
Sie gab Neville die Zeitung zurück und wandte sich ihrem Haferschleim wieder zu.
Seamus, Dean und Neville beschäftigen sich noch eine ganze Weile mit dem Artikel. Für June allerdings gab es keinen Anlass, sich über so etwas den Kopf zu zermatern. Erst dieser skandalöse Artikel über Hagrid, jetzt dieser kitschige und dramatische Abschnitt über Harry, Hermine und Krum. Sie fragte sich allen ernstes, wer so einem Blödsinn Glauben schenkte.Das machte von vorne bis hinten keinen Sinn.
June schaute indem Moment zum Ravenclawtisch herüber. Dort saßen Blair und Maya. Sie hatten die Zeitung bereits zu einem Knäuel zusammengefaltet. Kokelnd schwebte sie über ihren Köpfen, während die beiden miteinander Händchen haltend tuschelten.
Der Nachmittag schenkte ihnen zudem eine ganze Doppelstunde Zaubertränke.
Im Kerker vor dem Klassenraum warteten die Gryffindors und Slytherins darauf, dass sie von Professor Snape in den Raum gelassen wurden. Pansy Parkinson und ein paar andere Schülerinnen aus Slytherin kicherten über einer Zeitung gebeugt. Kimmkorns Artikel.
June lehnte an der kühlen Steinwand und starrte unmotiviert an die Decke. Sie war müde und hatte so keine Lust auf eine ganze Doppelstunde Zaubertränke. Die ganze Zeit in diesem dunklen Zimmer zu hocken, während der Schwefel einem um die Nase kreiste.
Die Tür ging letztendlich auf und Snape ließ die Schüler mit einem griesgrämigen Blick ins Klassenzimmer hereingehen.
June begleitete Neville. Da sie nicht schnell genug waren, um sich einen Platz zu ergattern, mussten sie das nehmen, was übrig blieb. Rechts vor Snapes Pult war noch ein einziger Doppeltisch frei.
Bevor Neville protestieren konnte, zog June den Jungen nach vorne, platzierte ihr Zeug auf den Tisch und drückte Neville auf den Platz, der am weitesten von dem Lehrerpult entfernt war.
„Komm jetzt mach schon, Neville. Er wird eh durch die Reihen geistern. Da ist es völlig egal, wo wir letztendlich sitzen."
Doch Neville sah sie immer noch ängstlich an. June seufzte:
„Wenn er was sagt, werde ich dich beschützen. Versprochen.", ermutigte sie ihn.
Und tatsächlich: Nevilles Miene entspannte sich. Wenn auch nur ein wenig. Snape knallte die Kerkertür zu und ging zur Tafel.
June und Neville bereiteten ihre Kessel vor und holten ihre Zutaten raus. Unter anderem waren ihre heutigen Zutaten wieder zermahlende Skarabäuskäfer. June hatte Snape mittlerweile weich bekommen. Er akzeptierte kommentarlos, dass sie Neville beim zubereiten der Zutaten half. Wie er aber den Trank mischte und zusammenbraute, das musste der junge Longbottom selbst erledigen. Des weiteren war es ihnen strengstens untersagt, in der Stunde zu quatschten. Professor Snape hatte dabei ein besonderes wachsamen Auge auf die beiden geworfen. Doch June ließ sich davon nicht beunruhigen und arbeitete geschickt mit dem Mörser, um die kleinen Krabbeltierchen in feinen Staub zu verarbeiten.
Snape schenkte den beiden nur einen abschätzenden Blick. Er ging durch die Reihen und June beobachtete über ihre Schulter, wie er sich still und leise zur letzten Sitzreihe begab. Dorthin, wo sich Harry, Hermine und Ron befanden. Hinter Hermine blieb er stehen. Seine Lippen kräuselten sich:
„So faszinierend ihr gesellschaftliches Leben zweifellos auch ist, Miss Granger, so muss ich Sie dennoch ermahnen, es nicht weiterhin in meinem Unterricht zu erörtern.", fauchte er mit seiner düsteren Stimme. „Zehn Punkte Abzug für Gryffindor."
Die Slytherins verfielen in fieses Gelächter. Die Gryffindorschüler hingegen blieben still. Nur ein Mucks und Snape würde ihnen satte weitere zehn Hauspunkte abziehen. Snape griff unter Hermines Tisch und riss ihr eine Zeitung aus der Hand.
„Ah, und man liest auch noch Heftchen unter dem Tisch? Noch einmal zehn Punkte Abzug für Gryffindor."
Hermine und Harry wurden beide gleichzeitig weiß um die Nasen. Snape blickte in die Zeitung. Sein Gesicht verzog sich vor Hohn und sein süffisantes, fieses Lächeln erschien auf seinen Lippen.
Mittlerweile hatte sich nicht nur June, sondern auch Neville umgedreht.
„Oh verstehe.... Potter muss natürlich erfahren, was die Presse über ihn schreibt.", bemerkte Snape schnippisch und blickte dabei abgeneigt zu Harry hinüber. Dann las er laut vor:
„Harry Potters stummes Herzeleid. Meine Güte, Potter, was haben Sie nun schon wieder für ein Wehwehchen? Ein Junge wie kein anderer, könnte man meinen..."
Und June musste mitleidig dabei zuschauen, wie Snape den gesamten Artikel aus der Hexenwoche vor der ganzen Klasse vorlas und Harry auf seinem Stuhl immer kleiner wurde.
Zwischen den Sätzen ließ Snape immer eine kleine Pause, um den Slytherins einen fiesen Lachern zu gönnen.
Es war furchtbar und gemein. June ballte unter dem Tisch die Fäuste zusammen. Bald nahm die Tortur ein ende, als der Professor den letzten Satz erreichte:
„...können alle die, die sich um das Wohl des Harry Potters sorgen, nur hoffen, dass er sein Herz das nächste Mal einer würdigeren Kandidatin schenkt. Wie unglaublich rührend."
Er schmiss die Zeitung auf Hermines Tisch.
"Es ist wohl besser, wenn ich sie drei voneinander trenne, damit sie sich lieber Gedanken über Zaubertränke anstatt über ihr Liebesleben zu machen."
Er knurrte die drei an. Harry, der vor Wut beinahe zu platzen schien, sah seinem Lehrer verhasst in die Augen und setzte an, etwas zu sagen. Doch bevor ihn Ron aufhalten konnte, polterte es schon aus dem Schwarzhaarigen heraus:
„Über ein aufregendes Liebesleben scheinen Sie ja neuerdings am besten Bescheid zu wissen, Sir."
Die Klasse verstummte. Über Snapes Augenbraue bildete sich die allbekannte pulsierende Ader.
„Weasley, Sie bleiben hier. Granger, dort rüber neben Miss Parkinson. Potter, an den Tisch vor meinem Pult. Los, bewegen sie sich, sofort.", knurrte er so bedrohlich wie schon lange nicht mehr.
Harry schmiss seine Sachen in den Kessel und setzte sich neben June an den Einzeltisch, den Snape extra dort aufgestellt hatte, um besonders ungehorsame Schüler während dem Unterricht im Auge zu behalten. Der Potterjunge bereute seine Aussage wohl. Denn er starrte verbohrt auf seine Skarabäuskäfer und seine Ingwerwurzeln, welche er sofort begann, wütend zu verarbeiten.
In June klopfte das Herz so wild wie nie. Die Aussage, die Harry in der Wut getroffen hatte, machte ihr angst. Aufregendes Liebesleben hatte er gesagt. Was meinte Harry damit? Wusste er von ihrer Mutter? Nicht dass Kimberley etwas mit Severus hätte. Das wüsste June doch. Nein, das musste Harry sich zusammengereimt haben. Oder er schenkte den albernen Gerüchten Glauben, die Lavender und Parvati in die Welt gesetzt hatten.
Professor Snape setzte sich ans Pult. June wandte sich sofort wieder ihren eigenen Käfern zu. Trotzdem lauschte sie, was ihr Ziehvater nun an Harrys Kopf werfen würde. Snape sprach so leise, dass es schwer war, ihn zu verstehen. Offensichtlich wollte er, dass nur Potter hörte, was er zu sagen hatte. Aber Junes Gehör war ziemlich gut. Besonders, wenn sie sich konzentrierte.
„Dieser ganze Presserummel scheint Ihnen ohnehin schon übergroßen Kopf noch mehr aufgeblasen zu haben, Potter. Sie leiden vielleicht unter der Wahnvorstellung, dass die ganze Zaubererwelt von Ihnen beeindruckt ist. Aber mir ist es völlig gleich, wie oft ihr Bild in der Zeitung erscheint. Für mich, Potter, sind sie nichts weiter als ein kleiner ungezogener Bengel, der Vorschriften für unter seiner Würde hält.
Also lassen Sie sich sagen, Potter: winzige Berühmtheit oder nicht, wenn ich Sie noch einmal dabei erwische, wie sie in mein Büro einbrechen-„
„Ich war nicht mal in der Nähe ihres Büros.", zischte Harry sichtlich lauter.
"Lügen Sie mich nicht an.", knurrte Snape. „Baumschlangenhaut, Kiemenkraut...beide stammen aus meinen persönlichen Vorräten. Und ich weiß, wer sie gestohlen hat."
"Ich weiß nicht wovon Sie reden.", meinte Harry zornig.
„Sie haben sich gerade selbst verraten, Potter. Sie sind im Schloss umhergeschlichen in der Nacht, als bei mir eingebrochen wurde. Machen Sie mir nichts vor."
„Also geben sie zu, dass sie eine Frau in ihrem Büro gefangen halten.", grummelte Harry.
June erstarrte in ihrer Bewegung. Harry wusste von Kimberley. Er wusste von ihrer Mutter.
„Das geht sie nicht das geringste an, Potter.", mahnte Snape und klang dabei so bedrohlich wie ein bösartiger Hund.
„Schön, Mad-Eye hat sich wohl ihrem Fanclub angeschlossen. Ich aber werde diese Untriebe nicht dulden. Wenn Sie sich noch einmal in mein Büro schleichen, Potter, dann bezahlen sie dafür."
„In Ordnung. Ich erinnere mich daran, falls ich je wieder den Drang verspüren sollte, da rein zugehen.", meinte Harry vollkommen gleichgültig.
June hoffte innerlich, Snape würde es dabei belassen. Aber sie kannte den Hass, der zwischen den beiden stand. Und sie wusste, dass Snape nicht locker lassen würde.
Aus dem Augenwinkel beobachtete June ihren Ziehvater dabei, wie er in seine Hand in seinen Umhang steckte. Für einen Moment überkam sie der Gedanke, dass Severus seinen Zauberstab ziehen würde. Doch was er herausholte, war ein kleines Fläschchen.Er hielt es Harry vor die Nase.
„Wissen Sie was das ist, Potter?", forderte Snape Harry heraus.
„Blubbersaft, Sir?", entgegnete Harry unwirsch.
„Das ist ein Veritaserum. Ein paar Tropfen und selbst du-weißt-schon-wer spuckt seine dunkelsten Geheimnisse aus."
Veritaserum. Der Spaß war vorbei. June kannte diese Drohung genau. Severus hatte im zweiten Jahr schon einmal damit gedroht. Er hatte ihr selbst das Serum unter die Nase gehalten und sie ermahnt, es ihr einzuflößen, sollte sie nicht die Wahrheit sagen.
June musste ihn davon abhalten. Ihre Hände verkrampften sich um den Griff ihres Messers. Ihr ganzer Körper spannte sich an. Sogar Neville sah völlig hilflos umher, als er ihre plötzliche Anspannung bemerkte.
„Allerdings unterliegt der Gebrauch dieses Serums sehr strengen Richtlinien. Doch wenn Sie sich nicht vorsehen, könnte es passieren, dass meine Hand versehentlich ein paar Tröpfchen über ihren morgendlichen Kürbissaft versch-„
„Harry war es nicht, Professor Snape. Ich war in ihrem Büro. Ich habe das Kiemenkraut gestohlen."
June hatte nicht überlegt. Sie war einfach dem Impuls gefolgt, hatte den Stuhl lauthals nach hinten geschoben und war aufgestanden.
Alle Schüler sahen völlig überrascht zu ihr hinüber.
Die sonst so stille, unscheinbare June stand dort vor dem wohl furchteinflößendsten Lehrer Hogwarts und bot ihm die Stirn.
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