In den falschen Händen
Das Drama des Weihnachtsballs war ein Kapitel in ihrem Schuljahr, was des einen Freud und des anderen Leid bedeutete.
Maya hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Viktor Krum eines Tages in die Bibliothek kommen würde, um sie mit einem Handkuss charmant zu seiner Begleiterin zu machen. Bis heute.
Beim Frühstück vor dem Unterricht mussten Blair und June sich ihr enttäuschtes Gesicht ansehen.
Missmutig zerpflückte Maya ihr Toast mit ihrem Besteck, ohne einen Bissen davon zu nehmen.
Dass Malfoy beim vorbeigehen ein spöttisches „Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass man mit dem Essen nicht spielt, Walsh?" von sich gab, ignorierte sie einfach.
Provokationen durchstießen nicht ihre Mauer, die Maya um sich aufgebaut hatte. Nein, gnadenlos verunstaltete sie die übrigen Fetzen auf ihrem Teller.
Blair konnte diesen Anblick nicht länger ertragen:
„Maya, es gibt so viele nette Jungs hier in Hogwarts. Krum hat doch sowieso nur Augen für seine Muskeln. In ein paar Monaten ist er sowieso weg. Du wirst ihn vergessen."
Maya schenkte ihm ein vernichtenden Blick.
„Krum geht schon mit jemandem zum Ball. Das hat Georgina mit erzählt. Weißt du, wie sich sowas anfühlt?"
Blair stöhnte auf.
„Du hast nie ein Wort mit ihm gewechselt, Maya. Hättest du ihn eher gefragt, dann wäre vielleicht eine Chance gewesen. Jetzt ist es zu spät. Finde dich damit ab."
Maya würde sich nicht damit anfinden. Geräuschvoll schob sie ihren Teller in die Mitte.
June, die genüsslich ihr Porridge genoss, erntete von Maya böse Blicke:
„Schmeckt es?", murrte sie ihre Freundin an.
June blickte auf. Maya sah sie an, als wäre sie die Schuldige für ihre schlechte Laune.
„Was ist dein Problem? Ich habe Hunger."
Maya sagte nichts. June wollte sich gerade wieder einen Löffel in den Mund schieben, als Maya erneut ansetzte:
„Georgina weiß von den Durmstrangschülern, dass June bei Ivan übernachtet hat. Was wohl Professor Snape sagen würde, wenn er das wüsste."
June verschluckte sich und hustete. Als sie sich wieder beruhigt hatte, konterte sie:
„Hörst du bitte auf, so über mich zu reden, als sei ich nicht da?"
June machte das ziemlich wütend. Sie spürte hier böse Schwingungen am Tisch. Und es wurde nicht besser. Sie hatte Maya noch nie so zickig gesehen.
„Menschen, die so grantig und ungehalten sind, wie du, haben oft etwas zu verbergen.", nörgelte die sonst so anständige Ravenclaw in einem hochnäsigem Tonfall. „Los, gib es schon zu. Sag doch, dass wir dir nicht das Wasser reichen können."
„Maya, was ist eigentlich mit dir los?"
Blair mischte sich in das Gespräch mit ein.
„Halt dich daraus, das ist ein Gespräch unter Mädchen."
June schaute zwischen den beiden ungläubig hin und her. Sie warf den Löffel in ihre leere Schale und gab ihrem Entsetzen ein Gesicht.
„Ich weiß wirklich nicht, was dein Problem ist. Ich dachte, du wärest so vernünftig und erwachsen, um zu verstehen, dass Krum nicht an uns interessiert ist und es zukünftig auch nicht sein wird. Du existierst für ihn nicht."
„Und dafür hast du gesorgt.", schrie Maya in ihren Satz.
Das machte die junge Moreno fassungslos. Was zum Teufel war hier los? Was war bitte in Maya gefahren? Ihre beste Freundin hatte noch nie so mit ihnen gesprochen. Was war das für ein alberner Grund? Sie führte sich auf, wie die anderen Teenager in ihrem Alter. Obwohl sie sonst so reif erschien.
June öffnete den Mund, um was zu sagen. Es kam aber kein Ton heraus. Erst beim dritten Versuch bekam sie sich selbst zum sprechen:
„D-Das meinst du doch jetzt nicht im ernst..."
Maya meinte es ernst. So richtig ernst. Todernst!
„Du bist nicht meine Freundin. Fahr zur Hölle, Snape.", knurrte sie.
Es reichte June. Auf diesen unnötigen Streit ging sie nicht ein. Sie nahm ihre Tasche, pfefferte ihre Schale in die Mitte des Tisches, sprang lärmend auf und verließ mit wehenden Locken in schnellen Schritten die Halle.
Als sie gerade zehn Schritte von der Hallentür entfernt war, rief jemand ihren Namen:
„Hey, June."
Ivan lief hinter ihr her. June wollte nicht mit ihm sprechen. Sie wollte ihre Ruhe.
„Das ist jetzt gerade etwas ungünstig.", rief sie im Gehen nach hinten.
Ivan hielt nicht an.
„Jetzt warte doch mal, June."
Verflixte Alraune! Konnte der Zeitpunkt je schlechter sein? Es war, als wäre er ihren Gedanken gefolgt.
„Lass mich alleine. Hau ab!"
„June, jetzt..."
Ivan erreichte sie und griff nach ihrem Arm. June fuhr herum:
„WAS?!", keifte sie ihn an.
Ivan zuckte zurück und sah völlig überrascht auf ihr Gesicht hinab.
Ein paar Schüler, die an ihnen vorbeigehen wollten, hielten inne und gafften sie an.
Eine Weile geschah nichts und es sah aus, als wollte Ivan wieder gehen. Aber er holte tief Luft:
„Es ist wichtig. Es geht um die...!"
„Poliakoff!", donnerte eine finstere Stimme die Stufen hinab.
Professor Snape! Das hatte gerade noch gefehlt.
Mit wehendem Umhang kam er auf Ivan und June zu. Wie eine riesige Fledermaus stellte er sich zwischen die beiden und funkelte den jungen Durmstrangschüler an:
„Du kleiner Verräter.", fauchte er ihn an. „Mich kannst du nicht so leicht täuschen. Umgarnst meine Tochter auf Schritt und Tritt. Versuchst mit allen Mitteln, ihr Vertrauen zu gewinnen, nur um deinem verehrten Schulleiter aus der Patsche zu helfen. Was könnte schandhafter sein?"
„Snape.", stotterte Ivan.
„Für dich immer noch Professor Snape.", bellte er den Jungen an.
Junes Wut war augenblicklich verschwunden. Schützend stellte sie sich vor Ivan:
„Bitte! Er hat nichts getan. Wir sind uns hier durch Zufall begegnet."
Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte Snape zu ihr herunter. Seine Lippen kräuselten sich:
„Wie immer sind Sie eine schlechte Lügnerin, Moreno!"
„Das ist die Wahrheit.", entgegnete sie prompt.
Doch Snape beachtete sie nicht. Er schubste June unsanft zur Seite, ging auf Ivan zu und packte ihn am Kragen.
„Jetzt hör mir mal genau zu, du kleine Ratte. Ich habe Dumbledore von eurem hinterhältigen Plan erzählt. Wenn du nicht willst, dass ich ein paar Tropfen Acromantula-Gift über deinen Mittagstee träufle, wirst du ab sofort deine schmierigen Finger von unseren Schülern lassen. Du wirst nicht mehr mit Moreno sprechen, Sie nicht mehr ansehen, Sie umgehen und in Ruhe lassen. Wenn nicht schwöre ich dir bei meinem Leben dass ich dich und deine kleinen Freunde persönlich das Fürchten lehre. Habe ich mich klar ausgedrückt?"
Ivan nickte ängstlich.
„Gut"
Snape ließ ihn los. Mit gezeigten, beleckten Zähnen blickte er dem Jungen hinterher, wie er davonlief.
Dann blickte er auf June. Sie erwiderte seinen Blick ohne viel Begeisterung.
„Er war meine Ballbegleitung.", murrte sie.
„Jetzt nicht mehr."
Es regte sich nichts in Severus Gesicht. Nicht einmal seine Zähne. Er hatte sie zusammengepresst.
„Sie waren wohl noch nie mit einem Mädchen aus, Professor.", schnaufte sie wütend.
Sie lieferten sich ein Starr-Duell. June beherrschte mittlerweile den Blickkontakt wirklich gut. In diesem Moment lief Draco an ihnen vorbei:
„Hallo, Professor Snape.", sagte er hochachtungsvoll und lächelte.
June verdrehte die Augen. Schleimer!
„Malfoy, bleiben sie stehen.", sagte Snape ohne ihn anzusehen.
Draco kam zögerlich zu ihnen geschlendert. Verwunderung war in seinem Gesicht.
„Was gibt's?", fragte er und schulterte seine Umhängetasche. Er hob das Kinn, ignorierte June und schenkte Snape seine volle Aufmerksamkeit.
„Haben Sie schon eine Begleitung für den Weihnachtsball?", fragte ihn Snape mit rauer Stimme.
„Nein, Sir. Warum, Sir?"
„Nun, ich möchte, dass Sie mit Moreno gehen. Sie ist gerade frei geworden und ich möchte, dass Sie nicht in falsche Hände gerät."
„Was???", schrie June empört.
„Was???", rief auch Draco entsetzt.
Sie sahen den Professor aus großen Froschaugen an. June war die erste, die etwas sagte:
„Das können Sie nicht machen! Ich kann wohl selbst entscheiden, mit wem ich diesen Abend verbringe. Ich hasse diesen schmierigen Typen."
Draco nickte zustimmend zu jedem ihrer Sätze, nicht erfreut mit June einer Meinung zu sein. Bei dem Wort „schmieriger Typ" hielt er jedoch inne.
Langsam in Zeitlupe drehte sich sein Kopf zu June. Wütend blickte er sie an:
„Wie kannst du es wagen.", fauchte er sie an.
„Ruhe!", bellte Professor Snape.
„Entweder Sie tuen was ich sage oder Sie sitzen beide zusammen bis zum Ende des Schuljahres bei mir nach."
Nur aus diesem Grund hätte June Draco am Ballabend liebend gerne sitzen gelassen. Um ihm Nachsitzen einzuhandeln. Sie verabscheute diesen Jungen.
Und Draco erging es da nicht anders.
„So, das hätten wir nun geklärt. Ich sehe Sie beide im Unterricht."
Und schon machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand.
Unglaublich! Er hatte es geschafft, dieser verdammte, elende....June konnte es nicht glauben.
„Wenn das mein Vater erfährt.", grummelte Draco.
„Oh, das Vatersöhnchen ist wieder am Start.", spottete June zu ihm hoch und sah ihn abfällig an.
„Halt den Mund. Neben Granger bist du die letzte, mit der ich freiwillig ausgehen würde."
„Geht mir genauso, du aufgeblasener Trottel."
„Ziege."
„Mistkerl."
„Wertloses Halbblut."
Wenn Blicke töten könnten, wäre Draco jetzt reif für den Krankenflügel.
"Scher dich weg, du Schrumpfhirn."
"Wie hast du mich gerade genannt?"
"Schrumpfhirn."
"Seid wann bist du überhaupt so frech und aufmüpfig geworden?"
Das fragte sich June auch. Sie hatte die Gryffindorschüler immer dafür verurteilt, wenn sie sich mit den anderen Slytherins in die Haare bekamen.
"Stimmt, ich habe es nicht nötig, mich mit so einem gehirnlosen verwöhnten Bengel herumzustreiten. Jetzt entschuldige mich, ich habe wichtigeres zutun."
Diesmal fühlte es sich gut an. June drehte ihm den Rücken zu und ließ ihn dort einfach stehen.
"Das wird dir noch leid tuen, Moreno!", rief er ihr wütend hinterher.
Doch June beachtete ihn schon gar nicht mehr.
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