Die Walshgeschwister
In Hogwarts hatte es bald die Runde gemacht, dass drei Menschen verschwunden waren und unter ihnen auch zwei Schülerinnen.
Am Gryffindor und am Ravenclawtisch war dies das Thema neben den angeregten Unterhaltungen über die dritte und finale Aufgabe des Trimagischen Turniers. Die Schüler hatten bereits mitbekommen, wie einzig allein für dieses Ereignis eine riesige Hecke heran gezüchtet wurde. Maya und Blair sahen sich wie alle anderen Schüler dieses pflanzliche Monstrum an und staunten nicht schlecht.
„Was meinst du? Was ist wohl da drin?", fragte Blair seine Freundin.
Maya zuckte desinteressiert mit den Schultern.
„Drachen werden es nicht sein, Charlie Weasley ist ja bereits abgereist."
Sie entfernte sich von den Schülern. Blair betrachtete die grünen robusten Pflanzen noch kurz, ehe er sich Maya anschloss und mit ihr den Rückweg zum Schloss antrat. Die ganze Zeit starrte die braunhaarige Hexe auf den Boden.
„Was denkst du, Maya?"
„Stimmt es?"
Blair sah sie fragend an. Maya richtete ihren Kopf auf und sah ihn an.
„Das mit June. Stimmt es, dass sie verschwunden ist?"
„Ich denke schon, ich habe sie nicht mehr gesehen. Und Professor Dumbledore klang sehr besorgt bei seiner Ansprache. Warum fragst du?"
Die beiden standen nun im Innenhof. Maya wickelte sich eine Strähne um den Zeigefinger. Ihr lag etwas auf dem Herzen.
„Los spuck's aus.", motivierte Blair sie zum reden. „Dann geht es dir besser."
„Blair...", sie ließ eine dramatische Pause. „Ich habe das Gefühl, dass ich dran Schuld bin, dass June verschwunden ist."
„Du?"
Blair sah einen Augenblick so aus, als würden ihm seine sich immer bewegenden Augenbraunen von der Stirn fallen.
„Ja, ich weiß, das klingt verrückt. Ich kann mich ja selbst kaum erinnern, was die letzten Tage passiert ist. Es ist so ein Gefühl, weißt du?"
Sie gingen weiter. Maya blieb in der Tür stehen und lehnte sich an die steinerne Wand. Nachdenklich sah hinaus in den klaren Himmel und seufzte.
„Ich muss sie ganz schön verletzt haben, oder?"
„Daran kannst du dich also erinnern, dass ist ja schon mal etwas.", grinste Blair sie an. Er konnte seine Sorge aber nicht gut verstecken. Was sie nicht ahnen konnten, war, dass ein paar Räume weiter ihre vermisste ehemalige Freundin auf Hilfe hoffte.
June war von purer Verzweiflung in eine ruhende Haltung eingegangen. Alastor Moodys Anwesenheit beruhigte sie zwar ein bisschen, konnte ihre Gedankengänge aber kaum stoppen. Sie dachte über das nach, was sie vom falschen Moody alles erfahren hatte. Musste mit dem Schmerz klarkommen, den er freigesetzt hatte. Die Trauer um ihren ermordeten Vater war erneut aufgeflammt. Innerlich gab sie sogar sich die Schuld.
Hätte Ariano sich nicht geopfert...
Würde sie, June, doch bloß nicht existieren...
Vermisste man sie in Hogwarts? Suchte Severus bereits nach ihr? Wie lange würde es dauern, bis Dumbledore herausfand, was vor sich ging? June konnte die Worte nicht vergessen. Der dunkle Lord würde auferstehen, und keiner würde es verhindern können. Sie musste fliehen und den Schulleiter warnen. Hogwarts warnen. Harry und die anderen durften nicht an der dritten Aufgabe teilnehmen. Es würde Tote geben, hatte der falsche Moody gesagt.
Tote...
June hatte Angst. Nichts würde mehr sein, wie es vorher war. Sie musste hier raus, auf der Stelle.
„Moreno? Es wird Zeit."
Das Verließ öffnete sich und June wurde erneut durch die Luft nach oben gehoben. Sie hatte kaum geschlafen und fühlte sich erschöpft und ausgelaugt. Der Boden unten war kalt und feucht und die alten Sachen, die sie immer noch trug, waren durchnässt und dreckig. Sie fühlte sich elend. Ihre Haare, die sonst immer so voluminös um ihren Kopf wirbelten wie eine Löwenmähne, waren jetzt verklebt und verknotet.
Der zweite Moody ließ sie diesmal nicht unsanft auf den Boden fallen. Er sorgte dafür, dass sie mit ihren Stiefeln langsam den Boden berührte. Etwas überrascht sah sie ihn an.
Der falsche Moody hatte eine mürrische Miene aufgesetzt.
„Geh dich waschen im Bad. Du stinkst wie ein Frettchen.", wies er sie an.
June bewegte ihren Kopf gefährlich langsam in seine Richtung und funkelte ihn an.
„Was erwarten Sie? Ich sitze ja auch seit Ewigkeiten in diesem Loch fest.", giftete sie und genoss es, ihren Frust endlich loszulassen.
Er konnte sie nicht einfach provozieren. Und June scherte sich keines Wegs darum, wie sie für ihn aussah oder wie sie für ihn roch. Sie würde sich nicht für ihn frisch machen, sondern für sich. Um sich wieder wohl in ihrer Haut zu fühlen.
June wich nicht von der Stelle, als der vorgaukelnde Lehrer ihr wieder nah ans Gesicht trat. Sie sah seine Zunge angeregt hervor schnalzen.
„Du wirst dich jetzt waschen. Der dunkle Lord hat schon genug an Blut und Erde riechen müssen während seiner Abwesenheit. Du tust jetzt auf der Stelle, was ich dir sage, oder ich werde selbst Hand anlegen. Und glaub mir, ich würde dich freiwillig nicht einmal mit einer Kneifzange anfassen wollen, du dreckiges, verlaustes Halbblut."
Den letzten Satz knurrte er. Seine Nasenflügel hoben sich und er sah angewidert zu Boden.
„Von hier riechst du schlimmer als Rattenscheiße.", ächzte er zu sich selbst.
June nahm das Handtuch und ging in die dunkle Kammer. Als sie das Licht anmachte, fiel ihr Blick auf engsten Raum und entdeckte eine Toilette und eine Dusche, welche gerade so zusammengequetscht wurden. Es gab hier kein Fenster. Wahrscheinlich hatte der falsche Mad-Eye dafür gesorgt, damit sie nicht auf die Idee kam, von hier zu fliehen. Über einem kleinen Waschbecken lag ein schwarzes, knielanges Kleid mit einer angenähten Korsage und vielen Fransen an Saum und Kragen. Das Teil fand June grässlich. Sollte sie das wirklich tragen? Es war viel zu lang für ihre Größe und würde definitiv am Boden schleifen. Bestimmt sah sie darin aus wie ein furchtbarer Dementor, es fehlte nur noch eine Kapuze. Wenn sie dann noch die Macht hätte, die anderen mit einem Kuss für immer in die Verdammnis zu schicken, hätte sie sofort ohne Wiederrede eingewilligt. June war nicht mordlustig, sie war nur wahnsinnig, seit sie in dieses Verließ gesperrt wurde. Wer auch immer unter dem magischen Auge steckte, er war sicher zu allem fähig. Er hatte zugegeben, bereits gemordet zu haben.
June hakte, um sicher zu gehen, einen Besen aus der Ecke unter die Türklinke. Dann erst entledigte sie sich schnell ihren Klamotten und schlüpfte unter die Dusche.
"Oh bei Merlins Bart!"
Eiskaltes Wasser sprudelte auf ihren Rücken herab. Sie hätte schreien können, denn die Spritzer waren wie kleine Eiszapfen, die auf ihren bloßen Körper herab rieselten. Am liebsten wäre June sofort aus der Dusche gesprungen. Doch da musste sie jetzt durch....
Das Turnier begann erst nach Einbruch der Abenddämmerung. Die Schüler hatten sich trotz der trüben Ereignisse auf den Sitzbänken versammelt. Sie waren alle in Feierlaune, jubelten und grölten. Einige Schüler hoben selbstgestaltete Plakate oder gestrickte Wollschals hoch, andere wiederum hatten ihre Favoriten mit Farbe auf ihrem Gesicht verewigt. Beauxbatons führte einen Tanz auf, um Fleur Delacour ihren Beistand zu zeigen. Durmstrang brüllte in den lautesten Tönen im Takt den Namen ihres bekannten Kämpfers.
„KRUM! KRUM! KRUM, KRUM, KRUM!!!!"
Maya und Blair standen drei Reihen hinter dem Schulchor, welcher kräftig in die Posaunen blies, dirigiert von Professor Flittwick. Um nicht aufzufallen, klatschten sie ihren Beifall. Aber beide waren neben der Spur. Maya blickte sich, so unauffällig es nur irgendwie ging, in der Menge um.
Nacheinander liefen die Trimagischen Champions ein, angeführt von dem stolzen Amos Diggory. Er strahlte über beide Ohren, als er seinen Sohn Cedric in die Arme schließen konnte vor einer ganzen Schar Zauberschüler. Auch Molly und Bill Wasley, Ronalds Mutter und Ronalds Bruder, waren extra angereist, um Harry Potter beizustehen. Eine wirklich rührende Geste.
Igor Karkaroff hatte eine ernste Miene aufgesetzt. Er schlich gefährlich über das Feld und strahlte eine Ruhe aus, die einem einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Maya musterte ihn von oben bis unten. Sie misstraute dem Leiter von Durmstrang. Er war ihr nicht geheuer.
„Ob er was mit dem Verschwinden von Georgina und June zutun hat?", flüsterte Maya Blair unauffällig ins Ohr. Blair hob seine Augenbrauen, sah zu Igor und wieder zurück zu Maya.
„Könnte gut möglich sein. Aber wir müssen handfeste Beweise finden, um Dumbledore davon zu überzeugen."
„Wir werden Dumbledore nicht überzeugen müssen, der hat schon genug um die Ohren.", raunte Maya. „Wir werden es in unsere eigene Hand nehmen."
Professor Albus Dumbledore schritt an sein Pult, drückte seinen Zauberstab an den Hals und rief: „Sonorus!"
Die Menge verstummte augenblicklich. Die Trompeten machten einen schiefen, schleifenden letzten Ton und die Hände, die bis eben noch in der Luft gewedelt hatten, sanken zurück zu ihren Besitzern. Die Schüler setzten sich zurück auf ihre Plätze.
Maya hatte nun freie Sicht auf den Irrgarten.
„Vorhin hat Professor Moody den Trimagischen Pokal tief im Irrgarten versteckt.", informierte Dumbledore seine immer nervöser werdende Schülerschaft. „Nur er kennt seine genaue Position. Und da Mr. Digorry", einige Hufflepuffs sprangen sofort schreiend auf, „und Mr. Potter", die Gryffindors erhoben sich und klatschten jubelnd, „gleich auf an Platz 1 liegen, dürfen sie den Irrgarten als erstes betreten. Gefolgt von Mr. Krum", Durmstrang brüllte aus Leibeskräften unter der Anfeuerung von Igor Karkaroff, „und Miss Delacour.", die Beauxbatonsschüler waren die ruhigsten von allen. Dennoch klatschten und riefen sie ihren Beifall auf ihre eigene feine Art aus.
Madame Maxime schaute besorgt auf ihren Schützling hinab. Dumbledore erhob wieder das Wort:
„Wer den Pokal als erster berührt, ist der Sieger! Mitglieder des Kollegiums patrouillieren um das Feld herum. Sollte sich jemand entschließen, aus der Aufgabe auszusteigen, genügt es, durch den Zauberstab rote Funken in die Luft zu schicken."
Maya sah sich am Rand des Irrgartens um. Unter den patrouillierenden Wächtern erkannte sie unter anderen Hagrid und Professor Moody. Eine dritte, in Kapuze gefüllte Gestalt war ebenfalls anwesend. Diese Gestalt verhielt sich äußerst verdächtig. Sie verdeckte ihr Gesicht, so gut es ging, und hatte einen leichtfüßigen, fließenden Gang. Maya navigierte Blair unauffällig in diese Richtung:
„Was meinst du, wer ist das?"
Blair zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht jemand aus dem Ministerium."
„Oder jemand von Karkaroffs Mitstreitern, wenn er wirklich damit etwas zutun hat.", flüsterte Maya misstrauisch.
Dumbledore lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich.
„Teilnehmer! Findet euch zusammen!", sprach er mit dem Rücken zum Publikum und ging auf die vier Trimagischen Champions zu. Er sprach nun direkt zu ihnen. So konnte keiner hören, was es zu sagen gab. Schließlich erhob er seine Arme:
„Champions! Macht euch bereit!"
Die dritte Aufgabe startete. Harry, Cedric, Viktor und Fleur wurden nacheinander in der Hecke eingeschlossen. Sie waren verschwunden und nun blickten alle auf ein riesiges, nebliges Labyrinth aus wirren und dichten Pflanzen. Wieder hieß es für alle: Warten! Es vergingen zwanzig Minuten. Dann schossen auf einmal wie aus dem Nichts rote Funken in den Himmel. Ein Raunen und ein Murmeln ging durch die Menge. Alle waren abgelenkt. Außer Maya. Sie sah zu ihrer rechten Seite und sah in ein Gesicht, was ihr nur allzu bekannt vorkam. Ihr stockte der Atem.
„Georgie.", brachte sie nur heraus.
Blair sah sie verdutzt an.
„Wo?", fragte er leise.
„Da - Was? Nein! Moment!", Maya stockte. „Eben war sie doch noch da. Ich schwöre es dir. Genau dort stand sie."
Blair zog die Augenbrauen zusammen.
„Und da bist du dir sicher?"
„Absolut."
Beide sahen sich um. Vielleicht konnten sie unbemerkt durch die Menge verschwinden. Ganz langsam schoben sie sich zwischen den Schülern hindurch. Blair, welcher immer wieder versehentlich jemanden anrempelte, stammelte ständig zahlreiche Entschuldigungen von sich. Am Rand der Tribüne wollte Maya gerade die Stufe passieren, als sie von Blair zurückgezogen wurde.
„Da sitzt Professor Snape.", flüsterte er seiner Freundin zu. „Und er schaut hier rüber."
Tatsächlich. Der Professor mit den schwarzen Haaren blickte in ihre Richtung. Er sah sie nicht direkt an. Aber eine auffällige Bewegung, und er würde sie sicherlich entdecken.
Blair hatte sofort eine rettende Lösung parat. Er drückte Maya hinunter. Sie kletterten zwischen die Bretter und sprangen in das hohle Innere der aufgestellten Tribüne. Sie landeten mit einem dumpfen Aufkommen auf dem weichen, feuchten Rasen. Sie waren nun unterhalb der vielen Menschen, die keine Ahnung davon hatten, was hier vor sich ging.
„Und was jetzt?", fragte Blair seine Freundin, als er aufgestanden war und seine Jeans abgeklopft hatte. Maya sah sich um und horchte. Dann zeigte sie auf einen wehenden Stofffetzen.
„Da geht es raus. Komm."
Sie zog Blair am Arm mit sich. Sie schlüpften durch den Lederfetzen hindurch und kamen hinaus. Sie waren nun außerhalb der Arena. Auf den ersten Blick schienen sie ganz alleine zu sein. Doch dann entdeckte Maya die Gestalt einer jungen Frau.
„Da ist sie. Da ist meine Schwester!"
Maya zeigte in die Richtung, wo einige Bäume standen. Die Frau war dort hineingelaufen. Das hatte auch Blair gesehen. Aber er hielt Maya zurück:
„Das gefällt mir nicht. Da ist irgendetwas faul, Maya.", meinte er misstrauisch.
Maya sah ihn flehend durch ihre haselnussbraunen Augen an:
„Blair. Sie ist meine Schwester!", entgegnete die Felsenfest.
Blair gab schließlich nach und zusammen liefen sie in den verbotenen Wald.
Nachts bei Mondschein war der Wald am gruseligsten. Die Bäume und Äste knacksten unheimlich und der dichte Nebel machte den beiden Schülern das Sichtfeld trübe. Aber Maya und Blair kämpften sich hindurch. Mit gezückten Zauberstäben suchten sie in den Nebelschwaden nach der schemenhaften Gestalt Georginas.
Ihr Weg führte sie zu einem See. Maya erkannte ihn sofort aus den Erzählungen Junes. Dies musste der See sein, an dem sie und Severus gestanden haben, als dieser mächtige Patronus Harry und Sirius vor den Dementoren rettete.
„Pass auf Blair", keuchte Maya und blickte zu ihrem Freund. „Du suchst auf dieser Seite. Ich übernehme das Ufer. Verstanden?"
„Verstanden, Schwesterherz!"
Sie fuhren zusammen und drehten sich um. Die Stimme, die gesprochen hatte, kam von hinten. Maya und Blair stellten sich Rücken an Rücken und suchten mit erhobenen Zauberstäben die Gegend ab.
Georgina trat hinter einem Baum hervor. Sie hatte ein selbstsicheres Grinsen auf den Lippen und sah äußerlich ziemlich gepflegt und gesund aus.
„Georgie."
Maya ließ ihren Zauberstab sinken und lief auf ihre Schwester zu, um sie in die Arme zu nehmen. In diesem Moment schoss eine seltsame Pflanze aus der Erde hervor und umschlang Mayas Körper mit ihren tentakelartigen Fangarmen. Entsetzt wandte sich Maya in den Fängen herum. Doch sie drückten alles zusammen, sodass dem Mädchen das Atmen schwerfiel.
„Georgie. Hilf mir.", presste sie hervor.
Georgina sah genüsslich dabei zu, wie die Pflanze sich am Baum nach oben rankte und Maya von einem Stamm kopfüber hinab hängen ließ. Indem Moment schoss ein Blitz auf Georgina zu. Doch Mayas große Schwester reagierte schnell. Der Blitz wurde durch einen hellblauen Schild abgewehrt und prallte zurück auf den Zauberer, der ihn abgefeuert hatte. Blair verlor den Boden unter den Füßen, viel rücklings auf den sandigen Boden und wurde sogleich von derselben Pflanze gepackt, die Maya vor ein paar Sekunden auf den Baum gezerrt hatte. Sie drückte den Ravenclawjungen an einen dicken Baumstamm und schloss sich um Arme und Beine. Blair schrie schmerzerfüllt auf.
„Georgie! Warum?", japste Maya. Ihr Kopf wurde immer wärmer und sie fühlte, wie das Blut in ihr Gesicht floss.
Georgina sah zu ihrer Schwester empor und ihr Blick ließ Maya erneut keuchen. Er war so eiskalt und voller Hass.
„Warum wohl Schwesterherz?", meinte sie finster und stolzierte unter ihr umher.
„Darum!"
Dann nahm sie den Ärmel ihres schwarzen Umhangs, riss ihn hoch und zeigte Maya ihren Unterarm. Auf der blassen Haut, so deutlich und rabenschwarz wie nie zuvor, war das Mal der Todesser eingebrannt worden. Maya konnte ihren Augen nicht trauen.
„Das kann nicht sein...wie?"
Ihre Augen waren voller Ratlosigkeit. Ihr wurde immer schwindliger.
„Schon seit Beginn des neuen Schuljahres.", beantwortete Georgina die Frage ihrer Schwester. „Nachdem mir klargeworden ist, wieviel Einfluss das Ministerium auf uns Zauberer und Hexen hat."
Sie verdeckte ihr Mal wieder und ihr Blick war wutverzerrt. Doch Maya kannte ihre Schwester. Hinter dieser Maske erkannte sie tiefe Verletzlichkeit.
„Du weißt genau, was Mum und Dad über die Politik gesagt haben, Maya. Sie unterdrücken unsere wahre Macht und bringen diejenigen zum Schweigen, die ihre Untaten aufdecken wollen. Sie sind die wahren Bösen auf dieser Welt."
Georgina ließ den Blick nicht von ihrer hängenden Schwester.
„Vor dem Schuljahr habe ich einen Mann kennengelernt. Er hat mir seine Geschichte erzählt. Wie er von seinem eigenen Vater nach Askaban geschickt wurde. Man hatte ihm keinen Erbarmen geschenkt. Keine Liebe. Das war der letzte Beweis für mich, den ich gebraucht habe, um meine Entscheidung endgültig zu fällen!"
Sie ballte die Fäuste:
„Weißt du wie es ist, ohne Liebe und Anerkennung aufzuwachsen?"
Maya wollte was sagen, doch sie konnte nicht. Sie konnte kaum noch selbstständig atmen. Georgina kümmerte das reichlich wenig. Sie sprach weiter und ihr Gesicht war von Bitterkeit erfüllt.
„Mum und Dad waren schon immer von dir begeistert gewesen. Kein Wunder, du warst ja auch wirklich ein Vorzeigekind. Du hast ihre Ansichten geteilt, hast in allem stets die besten Noten erzielt. Sogar in der Muggelwelt warst du erfolgreich. Du warst im Schwimmverein immer ganz oben und hast sogar schon in jungen Jahren einen Preis gewonnen."
Sie schlug mit der Faust gegen den Baumstamm. Die Äste begannen, sich zu bewegen und Maya schwang unkontrolliert hin und her.
„Selbst die Lehrer sprechen von dir nur in den höchsten Tönen."
Georgina schenkte ihr einen vernichtenden Blick.
„Alle Lehrer. Wirklich alle! Selbst Professor Snape hat dich mit seinen Schikanen verschont."
Ihr Kinn verkantete sich und sie biss die Zähne zusammen:
„Während er mich trotz allen Anstrengungen stets vor allen anderen bloßstellte. Aber was soll's, diese Zeit ist vorbei. Denn ich bin nicht mehr allein. Ich habe jemanden gefunden, für den ich mehr als nur eine von vielen Dummköpfen bin. Ein Junge, für den ich JEMAND bin."
Ihre Brust hob sich und ihre Muskeln spannten sich an.
„Nimm es nicht persönlich, Schwesterchen. Du kannst nichts dafür, dass es so gekommen ist. Aber eines Tages wirst du wissen, wie ich mich gefühlt habe in deinen Schatten. Denn in wenigen Minuten ist es soweit. Dann werde ich mit ihm zu seinem Meister gehen und ihm die kleine Moreno ausliefern. Dann wird er uns reich belohnen. UNS! Aber keine Sorge, der dunkle Lord wird gnädig mit dir sein. Immerhin wäre uns das nicht möglich gewesen ohne deine Unterstützung."
Wieder formte sich ein Grinsen auf Georgina's Lippen.
„Du hast uns ziemlich gute Dienste erwiesen unter dem Imperius-Zauber. Durch dich wissen wir nun, wie wir an Morenos Mutter herankommen. Wie wir sie fangen und nutzen können als Druckmittel, während June den Wünschen des dunklen Lords nachgehen wird."
„Das...wird....sie nie....tuen.", drückte Maya hervor und ihre Sicht verschwamm allmählich.
„In der Tat!"
Georgina drehte sich ruckartig um. Dadurch verlor sie den Blickkontakt zu der Pflanze, die allmählich ihre Schlingen etwas lockerte. Maya japste sofort nach Luft. Die Sicht wurde wieder klarer und ihre Lunge holte sich den nötigen Sauerstoff. Kopfüber, so wie sie hing, sah sie im dunkeln des Waldes die Gestalt vom Irrgarten, die diesen langen dunklen Umhang trug.
Es war eine Frau. Sie hatte sie Kapuze abgenommen. Goldblonde Haare wehten um ihren Kopf herum. Maya erkannte das blasse Gesicht, aus denen zwei kalte blaue Augen hervorstachen.
„Guten Abend, Frau Moreno!", sagte Georgina und blickte auf die Frau, die einen Zauberstab auf die frisch gebackene Todesserin hielt.
„Expelliamus.", rief Kimberley.
Der Zauber verfehlte Georgina geradewegs und prallte gegen den Baum. Georgina sah belustigt zu Junes Mutter, welche ungläubig auf ihren Zauberstab sah.
„Na? Wem haben wir diesen Zauberstab denn gestohlen?"
„Ich habe ihn nicht gestohlen. Ich habe ihn mir geliehen. Ich stehle nicht.", knurrte Kimberley gefährlich scharf und schritt wieder mit dem Zauberstab auf Georgina zu. Diese lächelte immer noch und schritt um die Frau herum.
„Geliehen, soso. Und warum ausgerechnet den Zauberstab von Professor Snape?"
Kimberley antwortete nicht. Stattdessen übernahm Georgina das Wort:
„Verstehe. Du denkst immer noch, er hat das gleiche Ziel wie du. Du denkst, er will June beschützen und daher denkst du, dass der Zauberstab dir dienen wird. Aber er wird dir nicht trauen, wie all die anderen Zauberstäbe zuvor. Vielmehr noch.", sie stockte und ließ eine dramatische Pause. „Er wird sich dir widersetzen. Snape hat nämlich nicht vor, June zu beschützen."
„Für dich heißt es immer noch Professor Snape.", belehrte Kimberley Georgina.
„Nein. Ich bin nicht länger seine Schülerin. Ich habe andere Pläne, als mich Dumbledore zu unterwerfen."
Maya erkannte aus dem Dickicht eine Schlange hervorkriechen. Sie züngelte begierig und kam langsam, still und leise auf Kimberley Moreno zugekrochen.
„Hinter ihnen, Miss!", rief Maya.
Kimberley drehte sich um. In diesem Moment rief Georgina: „Expelliamus."
Snapes schwarzer Zauberstab flog aus Kimberleys Hand und landete fünfzehn Meter weiter auf dem kahlen Waldboden.
Junes Mutter strauchelte herum. Vor Zorn schnippte Georgina mit dem Finger und die Pflanze legte ihre Stränge um Mayas Mund herum. Erschrocken begann sie sich wieder, hin und her zu winden. Mit Entsetzen musste sie zusehen, wie Georgina und die große Schlange Kimberley einkesselten.
„Wenn ich es mir genau überlege, würdest du auch ein gutes Abendessen für meine Freundin Nagini abgeben.", spottete sie.
Kimberleys Blick huschte hin und her. Mit breiten Beinen stand sie angriffsbereit auf dem Waldboden. Aber die Schlange drängte sie immer mehr in die Richtung von Mayas Schwester.
Indem Moment fiel Maya eine Idee ein. Sie hatte ihren Zauberstab in ihrer hinteren Hosentasche. Wenn es ihr gelang, mit den Händen an ihrem Rücken irgendwie daran zu kommen, könnte sie den Zauberstab fallen lassen, sobald Kimberley unter ihr war.
„Georgina, bitte vertrau mir.", sprach Kimberley leise und ruhig. „Professor Dumbledore wird dir vergeben, wenn du dich zur Vernunft bekennst. Das ist nicht dein Weg. Du bist keine Todesserin. Komm, es ist noch nicht zu spät. Wir können das beenden. Gemeinsam."
Sie strecke ihre Hand nach ihr aus:
„Das willst du doch auch, oder Georgina? Komm zu mir, ich werde dir helfen."
„Ich will deine Hilfe nicht, Moreno!", zischte Georgina gehässig. „Warum solltest du mir auch helfen wollen? Mein Freund war es, der dich in einen Wolf verwandelt hat."
„Dein Freund?"
Kimberley hob eine Augenbraue.
„Barty Crouch." flüsterte Georgina. „Junior."
Wie auf Befehl stürzte die Schlange auf Kimberley zu.
„NEEEEIIIIIIN!!!!", rief Maya in Gedanken.
„NEEEEEEIIIIIIN!!!!!!", rief auch eine unbekannte Stimme.
Es gab einen weißen Lichtblitz.
Neben Kimberley sprang ein junger Mann dazu, zog die Frau an sich heran und bildete mit dem Zauberstab um sie herum ein Schutzschild.
Die Schlange prallte daran ab und flog zurück. Wütend zischend kam sie auf die beiden wieder zu. Doch Ivan schleuderte erneut einen Zauber auf sie ab. Es gab einen Knall und die Schlange wurde in den Wald hinein geschleudert.
Georginas Konzentration war wieder unterbrochen worden. Die Schlinge um Mayas Gesicht löste sich.
„Miss, mein Zauberstab.", rief sie aus Leibeskräften, griff mit den Fingern in ihre Hosentasche und ließ ihren heiß geliebten Weißdornzauberstab zu Boden fallen.
Kimberley sprang in die Luft, so elegant es nur ging, und fing den Zaubertab mit ihren Händen. Ivan und auch Georgina staunten nicht schlecht, als Junes Mutter anmutig auf einem Bein wieder zurück auf den Waldboden kam. Sie drehte sich auf der Zehenspitze, ging in die Hocke und feuerte gleich darauf einen Zauber auf Georgina. Mayas Schwester konnte nicht rechtzeitig reagieren. Sie wurde zurückgeschleudert, landete unsanft auf dem Waldboden und richtete sich wieder auf. Inzwischen standen Ivan und Kimberley nebeneinander. Seite an Seite hatten sie ihren Zauberstab auf Georgina erhoben. Georgina lächelte hämisch und plötzlich löste sie sich auf. Zurück blieb eine schwarze, finstere Masse, die geradewegs in den Himmel schoss und über sie hinweg flog.
„Todesser.", kam es von Ivan finster.
Als Georgina verschwunden war, lösten die beiden ihre Starre und entspannten. Schwer atmend lächelten die beiden ungleichen Menschen sich an.
„Vielen Dank, Poliakoff.", sagte Kimberley anerkennend zu dem jungen Mann, der ihr das Leben gerettet hatte..
„De nada!", erwiderte Ivan lächelnd und gab ihr die Hand.
Auf Kimberley erschien ein überraschter Ausdruck. Aber sie nahm die Hand entgegen und nahm den Mann, der etwas größer war als sie, in den Arm und klopfte ihm auf die Schulter.
„Ich wusste gar nicht, dass sie Spanisch sprechen.", erwiderte sie ein wenig gerührt.
Ivan schüttelte den Kopf:
„Nein, ich spreche auch kein Spanisch. Das hat mir Ihre Tochter beigebracht."
Und der Mann bekam eine leichte Röte im Gesicht.
„Ich möchte wirklich nicht unhöflich sein.", erklang eine heisere Stimme. Es war Maya, die immer noch kopfüber am Ast baumelte.
„Aber ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr mich hier runterholen würdet. So langsam wird mir nämlich echt übel."
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