Dem Wahnsinn verfallen
Könnten Blicke verletzen, so würde June jetzt am Kerkerboden liegen.
Snapes schwarze Augen bohrten sich tief in ihre eigenen.
June spürte seine aufkeimende Wut bis an ihren Tisch. Sogar Neville sank auf seinem Stuhl noch tiefer. Er hätte beinahe unter dem Tisch verschwinden können.
June ballte die Fäuste. Nichts würde sie jetzt dazu bringen, ihre Standhaftigkeit aufzugeben. Dann sollte Severus abermals sauer auf sie sein. Dann sollte er ihr eine Strafe aufbrummen. Harry hatte genug auf seinen Schultern zu tragen. June wusste, Snape würde das Veritaserum einsetzen. Sie traute ihm mittlerweile vieles zu. Er war unberechenbar.
Ehrlich gesagt hatte sie das Gefühl, dass sie Snape nie wirklich gekannt hatte. Nach all den Ereignissen hatte sie sich nicht nur betrogen gefühlt, sondern auch unendlich traurig. Sie hatte Snape immer in einem guten Licht gesehen. Er war ihr Held gewesen. June wollte als kleines Kind immer so werden, wie Severus Snape. Und jetzt konnte sie ihre Enttäuschung nicht länger verbergen. Über das, was sie von ihm all die Jahre gesehen hatte. Und besonders über die Seite, die sie dieses Jahr von ihm kennengelernt hatte. Die Wahrheit über ihn.
Snape war aufgestanden. Mit langsamen, bedrohlichen Schritten kam er auf den Doppeltisch der beiden Gryffindorschüler zu. Sein schwarzer Mantel wehte hinter ihm wie eine bedrohliche dunkle Masse. Von oben sah er auf June herab. Seine Lippen öffneten sich einen Spalt. Er wollte etwas sagen. Doch indem Moment schlug die Kerkertür mit voller Wucht gegen die Wand.
Der Raum bebte, die Schüler sahen sich erschrocken um, damit sie sahen, was vor sich ging.
Es war Igor Karkaroff.
Mit schnellem Schritt eilte er auf Snape zu. Er zwirbelte seinen Ziegenbart immer wieder um seinen Zeigefinger. Etwas, was er immer tat, wenn er beunruhigt war.
„Ich muss Sie sprechen!", rief er mit seiner dunklen Stimme durch den Kerker.
Die Schüler sahen sich allesamt irritiert an. Kein Lehrer würde es wagen, bei Snape ohne Ankündigung in den Unterricht zu platzen. Einige konnten ihren Augen kaum trauen. Die Ereignisse, die sich hier anzuhäufen schienen, waren für alle ein völlig unerwartetes Spektakel, mit dem keiner in seinen Träumen gerechnet hätte.
Snape wandte sich von seiner Ziehtochter ab und ging herüber zu Karkaroff.
„Ich spreche nach dem Unterricht mit Ihnen, Karkaroff.", entgegnete er schroff.
„Ich will JETZT mit dir sprechen! Von hier kannst du nicht einfach verschwinden, Severus. Du bist mir in letzter Zeit dauernd aus dem Weg gegangen."
Igor wurde immer nervöser. Er trat von einem Fuß auf den anderen. Snape sah aus, als würde er vor Wut gleich platzen.
„Nach der Stunde.", zischte er erneut.
Der Unterricht wurde fortgesetzt. Und während dem Rest der Zeit ging Karkaroff unruhig hinter Snapes Pult hin und her. Er weigerte sich strikt, vor die Tür zu gehen.
June fragte sich, ob er sicher gehen wollte, dass Snape ihm nicht wieder entwischte. Wenn Severus, wie Igor am Ballabend gesagt hatte, ihm beistand - warum um alles in der Welt sollte er Igor aus dem Weg gehen? Snape wirkte so feindselig ihm gegenüber, wie noch nie. Es lag sicherlich nicht an der Situation. Und es war auch nichts neues, dass Snape der Welt seine hasserfülltesten Blicke schenkte. Es war nur ein Gefühl, was June im Innern hatte. Nach all den Jahren, die sie mit ihm unter einem Dach gelebt hatte, konnte sie schon die kleinste Veränderung in seinem Wesen bemerken. Dazu musste sie ihn innerlich nicht in und auswendig kennen.
Als die Stunde rum war, kramten die Schüler schnell ihr gesamtes Zeug zusammen. Eilig füllten sie ihr Gebräu in Reagenzgläser und brachten sie vorne ans Pult. Auch June und Neville brachten ihre Flüssigkeiten nach vorne. Dabei erhaschte June einen Blick auf Harry. Er warf mit dem Arm seine Gürteltiergalle um. Der Inhalt verteilte sich auf dem ganzen Boden und der Junge machte sich eilig daran, die Galle mit einem Tuch aufzuwischen.
Snape war zu beschäftigt, sodass er Harrys Missgeschick nicht wahrnahm. Stattdessen griff er Junes Arm, als sie mit Neville den Klassenraum verlassen wollte.
„Du bleibst hier.", zischte er und zog sie mit einem Schwung nach oben zu sich hinter das Pult.
June taumelte und musste sich auf der Platte abstützen, um nicht in die Gürteltiergalle zu fallen, die Harry zuvor verschüttet hatte.
„Was ist denn so dringend?", murrte Snape gereizt.
Karkaroff ließ sich davon nicht so leicht einschüchtern:
"Das da!"
Er krempelte seinen weißen Mantel hoch und hielt Snape seinen linken Unterarm unter die Nase.
"Nun? Siehst du, es war noch nie so deutlich. Noch nie seit..."
„Weg damit!", bellte Snape und schlug Igors Arm zur Seite.
„Aber du musst doch bemerkt haben, dass-„
„Wir können später darüber sprechen, Karkaroff! Ich muss mich erst um meine Tochter kümmern.", knurrte Snape ungehalten und funkelte den Schulleiter mit seinen schwarzen Augen an.
Igor hielt inne. Seine Augen wichen zu June und in seinem Gesicht erschien ein widerliches Lächeln.
„Deine Tochter, soso...."
June zitterte im Innern.
Sie erinnerte sich zurück, wie grob er sie angepackt hatte. Dieser Kerl war unberechenbar. Er war brutal. Er war gnadenlos. Und das, was er auf dem Arm hatte, das wusste sie ganz genau. Der Beweis für seinen unsittlichen Umgang mit den anderen. Igor machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte aus dem Klassenzimmer heraus.
Nun bemerkte Snape Harry, der immer noch auf dem Boden saß, um sein Missgeschick zu entfernen.
„Potter, was machen Sie hier?", giftete er den Jungen von oben herab an.
„Ich wische meine Gürteltiergalle auf, Professor."
Harry hielt dem Professor seinen nassen Lappen hin. Sein Blick traf den von June.
Auf Snapes Gesicht erschien die zornige Miene:
„Verschwinden Sie auf der Stelle aus meinem Klassenraum!"
Das ließ sich Harry nicht zweimal sagen. Er packte seinen ganzen Kram so schnell es ging zusammen, schulterte seine Tasche und stürmte hinaus. Hauptsache ganz weit weg von Professor Snape. Wie gerne wäre June ihm gefolgt. Karkaroffs Eintritt hatte sie zwar vor einer öffentlichen Standpauke vor ihrer Klasse gerettet. Aber das hieß nicht, dass Snape sie damit durchkommen ließ. Er hätte sie so oder so in sein Büro bestellt, um ihr die Leviten zu lesen.
Keiner kam bei ihm mit so etwas durch. Keiner. Nicht ein einziger Schüler auf Hogwarts.
„So und nun zu dir...."
Snape beugte sich zu June herunter.
„Es tut mir leid. Ok?", fuhr sie ihn an. „Ich wollte nur Harry helfen. Er hätte ohne das Kiemenkraut nie die zweite Aufgabe bewältigen können."
Snapes Augenbraue zuckte gefährlich.
„Potter hatte genügend Zeit, um selbst eine Lösung zu finden. Er ist ein arroganter, fauler und ignoranter Schwachkopf. Genau wie sein Vater."
„Aber immerhin hat sein Vater versucht, gegen das Böse zu kämpfen.", schrie June aufgebracht. „Im Gegensatz zu dir. Du wartest ja nur darauf, Mum und mich auszuliefern. Du tust so, als würdest du uns beschützen. Dabei schmiedest du hinter unserem Rücken Pläne, wie du zusammen mit Karkaroff deine Schuld bei du-weißt-schon-wem begleichen kannst."
June musste tief Luft holen, bevor sie weitersprechen konnte. Snape machte nicht den Anschein, etwas zu erwidern. Er stand einfach nur ungerührt an Ort und Stelle und starrte sie an.
„Igor hat mir alles erzählt.", wisperte June etwas leiser. „Er hat gesagt, es gibt einen Grund, warum du mich aufgezogen hast. Und dieser Grund habe nichts mit meiner Mutter zutun. Du hast mich aufgezogen, weil du derjenige warst, der vor Jahren den Auftrag bekam, mich an Voldemort auszuliefern. Stimmt's?"
Snape antwortete nicht. Das machte June sauer.
„Stimmt es?", schrie sie ihn wieder an.
In ihren Augen sammelten sich Tränen der Wut. Warum tat er nichts? Warum wehrte er sich nicht? Sonst reagierte Severus doch immer. Wo war seine kolerische Ader? June beruhigte sich langsam wieder. Erschöpft ließ sie sich auf den Stuhl fallen und starrte auf den Boden. Ihre Hände ballten sich abwechselnd zu Fäusten und entspannten sich danach wieder. Sie sah einen Schatten, der sich über sie hinweg bewegte. Severus hatte sich hinter sie gestellt und legte ihr seine Hand auf die Schulter.
„Warum glaubst du Igor Karkaroff?", fragte er sie monoton.
June schluckte. Darauf wusste sie keine Antwort.
„Warum sollte ich es nicht tuen? Warum sollte ich dir noch glauben nach allem, was du getan hast?"
Snape holte sich einen Stuhl und setzte sich vor June. Dann gab er ihr ein Taschentuch. Sie nahm es ihm aus der Hand und tupfte sich über die Wangen.
„June, ich weiß das es nicht leicht für dich ist. Aber bitte vertrau mir einfach.", erklärte er etwas sanfter.
„Severus?", wisperte sie tonlos. „Könntest du mich in den Arm nehmen?"
June sehnte sich nach seiner Nähe. Sie wollte ihm wieder so nah sein, wie früher. Wenn sie ihm vertrauen sollte, musste sie sich seiner absolut sicher sein.
Sie sah Severus flehend an. Snapes Gesicht hatte nicht mehr dieses monotone eiskalte in der Mimik. Viel eher glich es einer Besorgnis.
Er stand langsam auf, nahm Junes Hände und zog sie an seinen Körper. Mit den Händen umschloss er ihren Rücken und legte seine Wange auf ihren Kopf. June erwiderte es. Sie umfasste ebenfalls seinen Rücken und drückte ihr Gesicht in seine Weste.
„Ich kann deinen Vater nicht ersetzen, das weißt du hoffentlich.", wisperte Snape in ihre Haare.
June fragte sich indem Moment, was Ariano in diesem Moment gesagt oder getan hätte. Wie wäre er mit den Situationen umgegangen? Hätte er sich retten können, wäre er der magischen Fähigkeiten fähig gewesen?
„Kanntest du meinen Dad gut?", fragte sie Severus.
„Ja....", entgegnete er nachdenklich.
„Hättest du ihn getötet?"
Stille legte sich für kurze Zeit in den Raum. Dann sagte Snape:
„Nein, das hätte ich nicht."
„Warum?", setzte June dahinter, um mehr aus ihm herauszubekommen.
„Weil ich kein Mörder bin.", meinte Snape nur emotionslos.
Er hatte sich June für einen Moment geöffnet. Aber jetzt hatte er seine Mauer um sich wieder aufgestellt. Snape löste langsam die Umarmung.
June rieb sich über die Augen. Dann sah sie zu ihm hoch.
„June, ich möchte das du ehrlich bist und mich nicht belügst.", meinte Snape mit ernster Miene. „Was hast du noch aus meinem Vorratsschrank gestohlen?"
„Nichts.", antwortete June ehrlich. „Ich habe nur das Kiemenkraut mitgenommen."
„Schwörst du es?"
„Ich schwöre es."
Sie hielt Snapes Blick stand. Nach einer Weile nickte er ihr zu:
„Nun gut, du darfst gehen."
Verwundert sah June dem Professor hinterher. Keine Bestrafung?
„Du lässt mich einfach so gehen?"
Snape drehte sich um und ein süffisantes Grinsen erschien auf seinen Lippen:
„Bilde dir bloß nicht ein, dass ich deine Tat gutheiße. Wenn du noch einmal von meinen persönlichen Vorräten stiehlst, dann wirst du Malfoy beim Nachsitzen Gesellschaft leisten."
June konnte es nicht verhindern, aber sie grinste für einen Moment. Da war er wieder. Der mehr oder wenige gute alte Snape. Und er ließ sie für dieses Mal damit durchkommen.
June schnappte sich ihre Sachen und machte sich auf zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum.
Die Tage vergingen mit milden Wetterumschwüngen. Kalte Winde überflogen weiterhin die Ländereien.
Das Rätsel um Georginas Verschwinden und Crouchs mysteriöser Krankheit blieb unbeantwortet. June war seit der Aussprache mit Professor Snape zwar ein wenig entspannter, doch Unbehagen nagte weiterhin an ihrem Gewissen. Sie zog sich immer mehr zurück. Irgendwie brauchte sie Zeit für sich. Neville war der einzige, den sie nach wie vor an sich heranließ. Doch das war auch nur während der Schulstunden möglich. Nicht einmal Kimberley besuchte June unten in den Kerkern. Ihre soziale Isolation änderte sich erst mit dem beinahe schon vergessenden Brief von Ivan Poliakoff.
Eines späten Abends, eine wirklich ungewöhnliche Zeit für Post, klopfte eine goldene Schleiereule an das Fenster der Gryffindors. Der Vogel hatte einen scharlachroten Brief mit einem goldenen Siegel im Schnabel.
June Moreno
June lächelte über Ivans Handschrift. Sie war ziemlich unordentlich und kaum lesbar. Der Brief selbst hatte lauter kleine Rechtschreibfehler. Aber das konnte man verzeihen, immerhin war Englisch nicht Ivans Muttersprache. Umso niedlicher, dass er sich trotzdem bemüht hatte, ihr auf einer Fremdsprache einen Brief zuzuschicken. So sah es June zumindest und verfiel in ein liebevolles Lächeln, während sie Zeile für Zeile überflog.
Ivan wollte sich am nächsten Tag mit ihr auf einen Spaziergang im verbotenen Wald treffen. June freute sich schon darauf, ihn wiederzusehen und ihn für sich ganz alleine zu haben. Sie machte sich diesmal auch genau Gedanken darüber, was sie anziehen würde. Sie entschied sich für einen lilafarbenen Pullover und einem blauen Baumwollmantel mit taillierter Einarbeitung. Um ihren Hals trug sie einen weichen beigen Wollschal. Die dunkle Jeans und die schwarzen Stiefel schmiegten sich um ihre Beine, als sie die steinigen Treppen glücklich hinabsprang.
Das Wetter war schön. Die Sonne schien und spendete eine sanfte Brise voller Wärme auf ihren noch etwas kühlen Wangen. June konnte in der Luft sogar ihren Atem erkennen. Er zog wie Rauchschwaden in den Himmel und löste sich dort langsam auf.
Ivan erwartete sie bereits am Waldrand. Er war wie üblich in seinen großen braunen Pelzmantel gehüllt. Ivan nahm June in eine kurze Umarmung. Dann gingen sie nebeneinander zwischen den Baumwipfeln spazieren.
„Schön hier nicht?", meinte Ivan nach einer Weile
„Ja, das stimmt. Es ist sehr schön.", stimmte June ihm zu. „Ich habe Wälder schon als Kind gemocht. Sie haben etwas geheimnisvolles und beruhigendes an sich. Wenn man sich alleine fühlt, können sie einem Trost spenden."
„Ich finde ja eher, dass sie etwas Bedrohliches an sich haben.", entgegnete Ivan. „Hinter jedem Baum könnte sich ein gefährliches Wesen verstecken. Oder aber auch eine unanständige Hexe, welche andere Zauberer mit ihrer einzigartigen Schönheit um den Verstand bringt."
Er stupste Junes Nase neckend an. June musste lachen:
„Übertreib nicht. Es gibt viele schöne Mädchen auf der Welt."
„Und für mich bist du die schönste von allen.", lächelte Ivan sie an.
June erwiderte das Lächeln. Es war total nett, was Ivan zu ihr sagte. Es bedeutete ihr sehr viel. Es war dennoch unerklärlich schwer für sie, solche Komplimente anzunehmen.
June fand sich nicht hässlich. Aber es fühlte sich seltsam an, wenn jemand anderes einen so individualisierte. Dieses seltsame Gefühl hatte eine abstoßende Energie an sich.
„Erzähl mir lieber etwas über dich und deinen Meister Karkaroff.", lenkte June vom Thema ab.
„Karkaroff? Warum Karkaroff?"
Ivan drückte seine Irritation aus. Ihm gefiel die Wendung des Gespräches nicht. June suchte nach einer Erklärung.
„Er hat mich am Abend des Balls angegriffen."
„Er hat was?"
Ivan war entsetzt. June machte ihre Haare hoch:
„Deswegen."
Sie zeigte ihm ihren Nacken.
„Ich verstehe nicht...", meinte Ivan immer noch ratlos.
„Er hat dort nach einem Muttermal gesucht."
Ivan trat näher an sie heran. Sie fühlte seinen Finger, der über ihren Hals strich. Es fühlte sich angenehm an und jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
Sie setzten ihren Weg wieder fort. Ivan erzählte June alles, was er über Igor Karkaroff wusste:
„Ja es stimmt.", begann er. „Igor Karkaroff war einst ein Todesser und wurde von Mad-Eye Moody nach Askaban gebracht. Deswegen hat er auch so einen Hass auf den ehemaligen Auror. Askaban kennst du sicherlich. Es ist ein furchtbarer Ort, der einen in den Wahnsinn treibt. Deswegen tat Meister Karkaroff auch alles dafür, um seine Haft im Gefängnis zu verkürzen."
June hörte Ivan aufmerksam dabei zu. Sie merkte, wie schwer es dem Durmstrangschüler fiel, darüber zu sprechen. Offenbar stand ihm Igor Karkaroff wohl ziemlich nah. Sie nahm seine Hand in ihre, um ihm zu zeigen, dass sie für ihn da war.
„Bartemius Crouch holte Igor vor Jahren auf seinen eigenen Wunsch aus Askaban in den Gerichtssaal. Er verriet ein paar Namen, die ihm bekannt waren, als er noch für du-weißt-schon-wem gedient hatte. Laut dem, was ich gehört habe, verriet er Evan Rosier, Augustus Rookwood und Severus Snape."
Als der Name von Severus fiel, zuckte June zusammen. Ivan bemerkte es.
„Professor Dumbledore hat in seinem und dem Namen deiner Familie bei der Anhörung für Severus gebürgt. Er hat damals die Seite gewechselt und für Dumbledore spioniert. Karkaroff bezweifelt das. Er ist der Meinung, dass Severus in Wirklichkeit immer noch den Todessern treu ist."
June sagte nichts dazu. Sie lauschte Ivans Stimme, die sie auf eine seltsame Weise zu beruhigen schien.
„Severus war nicht der Name, mit dem sich Meister Karkaroff freikaufte. Er nannte den Namen von Bartys Sohn."
„Bartemius Crouch hat einen Sohn?", stieß June hervor.
„Er hatte.", verbesserte Ivan sie. „Er schickte seinen Sohn nach Askaban. Dort ist er auch ums Leben gekommen. Bartemius Crouch hat ein Herz aus Stein."
„Das kann ich wohl glauben.", fügte June hinzu. „Ich könnte mir niemals vorstellen, mein eigenes Kind nach Askaban zu schicken."
Ihr fielen die schrecklichen Erinnerungen an die Dementoren wieder ein. Nicht weit von hier war der See, an welchem sich vor noch nicht allzu langer Zeit die schwarzen Gespenster tummelten, um Sirius Black hinzurichten. Ihr Magen knotete sich bei diesen Gedanken zusammen.
„Was passierte dann?"
„Karkaroff wurde freigelassen. Er wurde Schulleiter von Durmstrang, blieb aber weiterhin unter Beobachtung des Ministeriums."
Ivan legte einen Arm um June.
„Meister Karkaroff war immer ein Mann gewesen, zudem ich aufgesehen habe. Ich konnte es nie nachvollziehen, dass die Auroren des Ministeriums ihm nachstellten und ihn in unserer Schule häufig unangenehme Besuche abstatteten."
Als Ivan das erzählte, musste June unweigerlich an die Beziehung zwischen ihr und Severus denken. Ivan und sie waren sich ähnlicher, als sie gedacht hatte.
„Seit wir hier sind, verhält er sich allerdings irgendwie merkwürdig.", gab Ivan dann schließlich zu. „Er ist viel ungehaltener als sonst und verliert oft die Kontrolle über sich. Karkaroff war schon immer ein temperamentvoller Mann. Er ist der festen Überzeugung, dass du-weißt-schon-wer zurückkehrt. Und davor fürchtet er sich."
„Er fürchtet sich, dass sie sich für den Verrat rächen. Nicht wahr?", fügte June dazu.
Ivan nickte.
„Ja, so ist es. Ich habe gehört, wie er Viktor dazu bringen wollte, dass er dich in unser Schiff lockt. Doch Viktor hat sich geweigert. Er hat gesagt, er wolle Hermine und ihren Freunden keinen Schaden zufügen."
„Ach das hat er gesagt?", grinste June und schenkte Ivan einen frechen Seitenblick.
„Viktor ist echt nicht übel. Du würdest ihn mögen, wenn du ihn besser kennenlernen würdest.", versicherte ihr Ivan.
„Jedenfalls ist Karkaroff ganz versessen darauf, dich auszuliefern. Er hofft, dass du-weißt-schon-wer ihm dann verzeiht. Angeblich wegen irgendeiner Legende. Ich nehme mal an, dass sie irgendetwas mit dem Muttermal zutun hat, was er auf deinem Hals gesucht hat."
„Und du? Glaubst du an Legenden?", forderte June ihn heraus.
Ivan blieb stehen und grinste:
„Sag du es mir. Sollte ich dran glauben?"
„Vielleicht."
Sie strich Ivan über die Stirn.
„Vielleicht bin ich in Wirklichkeit ein gefährliches Monster, was dich verletzen könnte. Wie du vorhin gesagt hast.", sprach June weiter und spielte mit Ivans Haaren.
„Ich habe nur Witze gemacht. Du würdest nie jemanden verletzen. Dafür hast du ein viel zu gutes Herz.", flüsterte Ivan liebevoll. „Der Grund, warum ich mich in dich verliebt habe."
„Was macht dich da so sicher?"
„Ich weiß es einfach. Ich habe schon viele Mädchen in meinem Leben getroffen. Aber keine war je annähernd so, wie du."
Es entstand eine Stille zwischen den beiden. Schließlich geschah, was geschehen musste. Ivan beugte sich zu June herunter und ihre Lippen verschmolzen miteinander.
Es war wie Fliegen und Fallen zu gleich. June war überglücklich und wusste, dass es der richtige Moment dafür gewesen war. Der Kuss war einer der schönsten Dinge, die June bis jetzt erlebt hatte. Sie hoffte, der Moment würde nie zu Ende gehen. Doch eine Stimme holte sie und Ivan in die Gegenwart zurück.
„Was war das?", wisperte June.
„Was meinst du?"
Ivan hielt inne. Er sah sich um. Da war es schon wieder. Irgendjemand rief etwas. Es war eine dunkle männliche Stimme.
„Da.", rief Ivan und zeigte in die Richtung einer umgefallenden Fichte. „Das ist Viktor."
Jetzt beim genauen hinsehen erkannte June die schemenhafte, muskulöse Gestalt des Quidditchspielers. Er winkte ihnen zu. June winkte zurück. Aber Viktor Krum hörte nicht auf mit dem Winken. Im Gegenteil, er wurde immer hektischer und begann in die Luft zu springen.
„Ich glaube er will uns etwas mitteilen. Komm."
Ivan lief sofort los und June folgte ihm. Auf der Lichtung angekommen entdeckten sie den Grund für Viktors Rufe.
Am Boden lag ein zusammengekauerter Mann. June erkannte ihn auf den ersten Blick nicht. Doch beim genaueren Hinsehen zogen sich ihre Eingeweide zusammen.
„Ist das Mr. Crouch?", platzte es aus ihr heraus.
Viktor nickte. Ivan und Viktor begannen, sich aufgebracht auf Bulgarisch zu unterhalten. June verstand leider kein Wort. Sie kümmerte sich währenddessen um Mr. Crouch.
Der Ministeriumsangestellte sah fürchterlich aus. Crouch hatte überall Schrammen im Gesicht. Sein aschgrauer Bart war ungepflegt und völlig zerzaust. Ihm quollen die Augen aus dem Gesicht und er roch fürchterlich.
„Mr. Crouch, geht es ihnen gut?", fragte June ihn und versuchte, mit ihm zu kommunizieren.
„Dumbledore....ich muss es Dumbledore sagen....alles meine Schuld.", murmelte Crouch und umfasste Junes Hand, „...entkommen....Berta tot.....alles meine Schuld....Harry Potter.....Voldemort wird stärker."
„Vorsicht, er ist wahnsinnig."
Viktor Krum kam auf June zu und zog sie von Mr. Crouch weg. Zumindest versuchte er es, denn Crouch hatte seinen Griff um Junes Hand verstärkt und wurde ein paar Meter über den Waldboden mitgeschleift.
„Warten Sie....muss Dumbledore warnen....Familie Moreno....Harry Potter....er ist hier.....er ist hinter ihr her...."
„Wovon redet er?"
June bekam es mit der Angst zutun und sah Viktor und Ivan an. Krum und Poliakoff tauschten einen flüchtigen Blick miteinander aus.
„Harry war hier, er holt Professor Dumbledore.", sagte Krum in seinem brüchigen Akzent.
In diesem Moment ließ Crouch plötzlich Junes Hand los. Ängstlich schrie er auf und kroch rücklings an Poliakoff heran.
„Was ist mit ihm los?", stieß Ivan völlig verwirrt hervor und versuchte, Mr. Crouch zu beruhigen.
Es schoss ein Lichtblitz aus dem Dickicht links von ihnen und traf Krum. Krum flog auf den Boden und rührte sich nicht.
„Vik!", rief Ivan entsetzt und stürzte zu seinem Freund auf den kühlen Waldboden.
Der nächste Blitz traf auf Ivan. Auch er verlor den Halt unter den Füßen. June zog alarmiert ihren Zauberstab und rannte zu Ivan.
„Ivan, was ist mit dir? Ivan!"
Ivan hatte die Augen weit aufgerissen und rührte sich nicht. June ergriff die Panik. Und ehe sie sich versah, schoss ein grüner Lichtblitz auf den Körper von Mr. Crouch. Der Ministeriumsangestellte wurde durch die Luft gewirbelt und landete direkt neben June. Reglos lag er da mit bleichem Gesicht und weit aufgerissenen Augen. Doch sie waren im Gegensatz zu denen von Ivan leer. Leer ohne ein Fünkchen Leben.
June hielt sich die Hand vor den Mund und musste einen Schrei unterdrücken. Sie stand auf und hielt den Zauberstab vor sich.
„Wer ist da?", schrie sie völlig verzweifelt in den dunklen Wald hinein.
Der verbotene Wald hieß nicht umsonst der verbotene Wald. Hinter den Bäumen dieses Waldes konnte alles, was dahinter lauerte, zu einer großen Gefahr werden. Doch was war gefährlicher, als ein Tierwesen, was nur seinen Instinkten folgte?
Richtig. Ein Mensch.
Ängstlich umklammerte June ihren Zauberstab und drehte sich nach allen Seiten um. Ihr Puls raste und ihr Atem wurde immer schneller.
Bitte lass Harry mit Dumbledore kommen. Bitte lass Harry schnell Dumbledore holen. Bitte lass sie kommen. Bitte, bitte, bitte.
Hinter ihr im Gebüsch raschelte es. June drehte sich sofort um.
„Wer ist da?", schrie sie völlig außer sich. „Hallo? Harry bist du es?"
Doch da war kein Harry. Dort war niemand. Keine Menschenseele.
„Wer ist da? Komm raus, hör auf dich zu verstecken.", stammelte June und versuchte mit ganzer Kraft, Ruhe zu bewahren.
Wieder ein Rascheln. Diesmal kam es von rechts. Und dann eins von links. Und hinter ihr. Nach einer Weile konnte June gar nicht mehr sagen, aus welcher Richtung das Rascheln kam. Ihre Sinne spielten verrückt. Sie hatte Angst um ihr Leben. Soviel Angst, wie sie noch nie in ihrem Leben gehabt hatte.
Und dann passierte es.
Ehe June reagieren konnte, schoss ein roter Pfeil auf sie zu. Er traf.
Die Junge Hexe flog vom Boden ein paar Meter weiter, stieß mit dem Kopf gegen etwas hartes und blieb dort liegen, wo sie aufgekommen war. Ihre Gedanken verabschiedeten sich, alles wurde schwarz um sie herum. Und ehe sie sich versah, hatte June schon ihr Bewusstsein verloren.
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