Belladonna
In Hogwarts herrschte große Aufruhr. Dieses Jahr waren sie nicht die einzigen Schüler. Zwei berühmte Zauberschulen kamen sie besuchen. Durmstrang und Beauxbatons.
Durmstrang war ein Institut, das in Skandinavien lag. Im nördlichen Teil. Beauxbatons war eine hoch angesehene Akademie aus der Region Frankreich.
June wusste das alles von Maya. Ihre Freundin hatte einige interessante Randinformationen aus Büchern gesammelt. Sie teilte sie June und Blair mit, als sie mit den anderen Schülern auf die Einreise der Schulen warteten.
„Wusstet ihr, dass der Name Beauxbatons „schöne Zauberstäbe" bedeutet? Deswegen hat das Wappen auch zwei gekreuzte Zauberstäbe. Und Durmstrang sagt man nach, dass sie sich an der dunklen Magie orientieren. Also halten wir uns lieber von denen fern."
„Und das hast du alles aus Büchern? Sicher, dass vieles nicht irgendwelche Gerüchte sind, die du beim Nachsitzen bei McGonnagall aufgeschnappt hast?", triezte Blair seine Freundin und stach ihr mit dem Ellbogen in die Seite.
„Ich musste ein einziges Mal bei ihr nachsitzen. Und du redest immer so, als würde ich jede Woche mindestens einmal bei ihr hocken und irgendwelche Aufsätze schreiben. Also hör damit auf."
Maya war empört. Sie war eine sehr ehrgeizige und kluge Schülerin. Und darauf war sie sehr stolz. Was Maya überhaupt nicht mochte war, wenn man ihre Leistungen in Frage stellte.
„Außerdem", fuhr sie fort, „habe ich die Hausaufgaben wegen dir vergessen, Blair. Weißt du noch, wie du mich den ganzen Abend davon abgehalten hast, weil du unbedingt dein lebendiges Lebkuchenhäuschen für deine Eltern fertigbekommen wolltest?"
Sie waren so vertieft in ihr Gespräch, dass sie erst gar nicht mitbekamen, dass die Zauberschulen bereits eingekehrt waren.
Die Schüler von Hogwarts zeigten mit „A" und „O" in den Himmel, wo eine Kutsche mit geflügelten Pferden hinabstieg.
Auf dem See war ein riesiges Schiff aufgetaucht. June fand, dass es etwas von einer Seeräuberbande hatte. Die Segel waren dunkel und unheimlich.
Leider konnten sie keinen Blick mehr auf die Schüler erhaschen. Professor Dumbledore rief sie alle in die große Halle zum jährlichen Begrüßungsessen. Es war eigentlich fast wie immer. Aber nur fast.
Dieses Jahr fand das Trimagische Turnier in Hogwarts statt. June hatte schon davon gehört. Drei Schüler aus verschiedenen Schulen traten in drei Disziplinen gegeneinander an. Ein Wettstreit, der ihr Können und Wissen unter Beweis stellen sollte. Auch absolut gefährlich, deswegen war ein Mann aus dem Ministerium gekommen, um ein Auge auf die Spiele zu haben. Die Schüler unter 17 waren von der Teilnahme ausgeschlossen.
Am Gryffindortisch war helle Aufruhr nach dieser Nachricht. Und wieder einmal verdrehte June die Augen und wünschte sich, sie würde man gesitteten Ravenclawtisch sitzen. Da gab es zwar auch einige Schüler, die meckerten, aber sie waren wirklich die ruhigsten hier im Saal.
June selbst hätte sowieso kein Interesse gehabt. Nie endender Ruhm - das Bedürfnis hatte sie nicht. Was sie wollte war endlich Klarheit über das gesamte Umfeld in ihrem Leben.
Spannend wurde es für sie erst, als die Schüler der anderen Schulen eintrafen. Als erstes traten die Schüler von Beauxbatons auf. Mit ihrer blauen Uniform und ihren Hüten waren sie sehr bezaubernd. Sie rochen auch ziemlich gut. Als sie an June vorbei liefen, zog ein starker Geruch von Lavendel in ihre Nase.
Das war aber nicht das einzigste, was die junge Moreno bewunderte. Vor allem waren die artistischen Leistungen der Schülerinnen wirklich bemerkenswert. Hatten die eine Körperbeherrschung. Und dabei waren sie noch so elegant und grazil.
Wie Balletttänzerinnen. June konnte ein schmunzeln nicht unterdrücken.
Die Söhne von Durmstrang, so nannte sie Dumbledore, waren das komplette Gegenteil. Sie waren unheimlich und ziemlich düster gekleidet.
Ihre Darbietung bestand aus einer Art Showeinlage mit Stab und Körpereinsatz. Auch sie hatten eine wahnsinnig gute Körperbeherrschung.
June stockte der Atem, als einer von ihnen Feuer spuckte und ein anderer einen Salto machte.
Durch die Tür schritt der Schulleiter von Durmstrang. Igor Karkaroff. Ein großer Mann mit silbernen Haaren und einem spitzen Bart. Er hatte eine ernste Miene. Fast so finster und ernst, wie Severus. Doch wenn June die beiden verglich stellte sie fest, dass der Schulleiter nicht ganz so sicher wirkte in seinem Auftreten. Er hatte eine starre, zerknirschte Körperhaltung.
Hinter ihnen liefen zwei Männer in braunen Pelzmänteln. Den einen kannte June vom sehen. Es war der Mann, den Maya ihr im Zug gezeigt hatte.
Der Quidditchspieler Viktor Krum. Der andere war ein wenig schmaler und jünger. Er hatte ein freundlicheres Gesicht und markante Gesichtszüge.
Ihm sagte June nichts. Er und ihre Blicke trafen sich. Nur kurz, aber der Blick war intensiv. Sie mochte seine Augen. Sie waren so tief und geheimnisvoll.
Nach dem Essen wurden sie entlassen. Bis zum morgigen Tag konnten sich die älteren Schüler für das Turnier bewerben. Sie mussten nur ihren Namen in den Feuerkelch werfen. Dieser wurde in der großen Halle aufgestellt.
In der Halle traf sie auf Harry und Ron:
„Hey June, wie waren deine Ferien?", fragte Harry sie freundlich.
„Ganz gut", antwortete sie nur knapp aber mit einem Lächeln. Sie mochte Harry gerne. Aber sie mochte diese sinnlosen Gespräche nach den Ferien nicht. June war kein Fan von belanglosem Smalltalk.
Da gab es einen Jungen aus dem Haus, mit dem sie viel interessantere Gespräche führen konnte. Neville Longbottom:
„Hey Neville", begrüßte sie ihren Hausgenossen mit einem Strahlen.
Er saß gerade auf einer Bank und las ein Buch. Als er Junes Stimme hörte, blickte er auf und winkte ihr zu.
„Darf ich mich setzen?"
Neville nickte eifrig. Sie setzte sich und lugte in sein Buch.
Belladonna
„Ach, ist das nicht diese schwarze Tollkirsche? Die hat doch auch diese Beeren, die wir für Zaubertränke brauchen.", stellte June begeistert fest.
„Ja, das stimmt. Aber das total interessante kommt erst noch: ihre Geschichte reicht bis in die Zeit der frühen Antike."
„Ach echt? Wofür wurde sie genutzt?"
Sie unterhielten sich angeregt. Neville war Feuer und Flamme:
„Es war im Mittelalter üblich, dass Frauen sich mit den Tropfen des Belladonnabeerensaft die Augen verschönert haben. Die Flüssigkeit hat die Pupillen vergrößert und verlieh so einen tieferen Blick. Allerdings....", er wog mit dem Kopf hin und her, „...kam es dabei zu Sehstörungen. Kein schöner Nebeneffekt."
„Wahnsinn, was Menschen alles für ihre äußere Erscheinung tuen.", gab June nachdenklich zu.
Sie hatte schon festgestellt, wie sich alles im letzten Jahr verändert hatte. Das hatte jetzt nichts mit der Belladonna Pflanze zu tun. Aber es erinnerte sie an Maya, die mal an ihrem Körper rummäkelte und sich eine andere Nase wünschte. June konnte das immer nicht so ganz nachvollziehen. Klar, es gab Menschen, die fand sie graziler als andere. Aber sie konnte nicht wirklich sagen, was wirklich „Schönheit" für sie ausmachte. Jeder Mensch war irgendwie auf seine eigene Art schön.
Wenn sie sich im Spiegel ansah, hatte sie schon festgestellt, dass auch ihr Körper anders geworden war. Dass sie gewachsen war, ihr Gesicht eine andere Form bekommen hatte. Dass ihre Brust größer wurde und sie auch an der Hüfte etwas zugelegte. Sie nahm das eben so hin. Es war kein Problem für sie. Und sie verstand die Aufruhr nicht. Warum sich Mädchen stundenlang damit beschäftigten, sich ihre Wimpern zu kämmen oder zu färben. Oder ihre Haare zu verwirrenden Kränzen flechteten. June war ja schon froh, wenn sie mit der Bürste durch ihr Lockenwirrwarr kam, ohne Schmerzen beim entknoten zu erleiden.
Mit Neville vergaß sie schnell die Zeit. Aber sie hatte heute beschlossen, sich früher hinzulegen.
So verabschiedete sie sich von ihm und ging aus der großen Halle.
Fred und George kamen ihr noch entgegen. Mit zwei Phiolen.
„Gerade frisch zusammengebraut."
Fred hielt ihr die Flüssigkeit unter die Nase. June hob die Augenbrauen:
„Ja, und was soll das sein?"
„Rate doch mal.", sagte George.
„Als Tochter des Tränkemeisters..."
„....müsstest du doch über jedes Gebräu bestens Bescheid wissen."
Na super! Das hatte sich ja schnell rumgesprochen.
„Entschuldigung, aber ich habe mich leider nie für Zaubertränke interessiert.", brummte sie und quetschte sich an den beiden vorbei.
Als sie gerade am Korridor abbog, hörte sie Fred noch rufen:
„Das ist Alterungstrank, solltest du vielleicht auch mal benutzen."
Wie bitte? Sie sollte Alterungstrank benutzen? Wow!
Was hatte sie denn verpasst?
Und seit wann waren Fred und George ihr gegenüber so frech geworden? Sie hatte sonst nichts mit der Familie Weasley zu tun, nur mit Ginny gelegentlich.
Kopfschüttelnd setzte sie ihren Weg fort. Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster. Die Luft war frisch und abgekühlt. Gerade bog June durch eine Tür, als sich ihr eine große Gestalt in den Weg stellte.
„Oh Pardon, Miss.", entschuldigte sich der junge Mann höflich.
June sah überrascht in sein Gesicht. Es war der Durmstrangschüler, der mit Viktor Krum und Igor Karkaroff in die Halle gekommen war. Sie wollte an ihm vorbeigehen. Und er an ihr. An der selben Richtung. Sie tänzelten voreinander herum. Peinlich berührt errötete June und sie lachten.
„Ich bin Ivan. Ivan Poliakoff", sagte der Mann schließlich und gab ihr seine Hand.
„June. June Moreno.", erwiderte sie freundlich den Handschlag.
„Du bist nicht von hier oder?"
Er musterte sie. Ihr war das unangenehm:
„Ehm....wie meinen sie das?", fragte sie verwirrt.
„Nun ja ich meine, du bist keine Engländerin. Oder?"
„Nein. Also doch schon. Ich bin Halbspanierin. Mein Vater kam aus San Pietro."
„Kam?"
Ivan hob eine Augenbraue. June überlegte, ob sie mit einem fremden darüber sprechen konnte.
„Er ist tot. Aber ich möchte darüber nicht so gerne reden."
Sie wollte wieder an ihm vorbeigehen. Doch er hielt sie auf:
„Entschuldigung, ich wollte nicht so taktlos sein. Das tut mir leid."
Ivan sah sie schuldbewusst an.
„Schon gut.", lächelte June traurig.
Er hatte sie damit nicht verletzt. Aber sie fühlte sich in letzter Zeit nicht so gut, wenn es um Familie ging.
„Ich werde jetzt gehen, es ist schon spät. Uns ist es nicht erlaubt so spät noch auf den Gängen herumzuspazieren."
„Dann wünsche ich dir eine gute Nacht."
Ivan machte eine leichte Verbeugung. June fand das merkwürdig. Aber auch irgendwie süß.
„Ja gute Nacht", entgegnete sie freundlich.
Auf der dritten Stufe hörte sie ihren Namen:
„June."
Sie drehte sich um:
„Ja?"
„Ich würde dich gerne wiedersehen. Ist das möglich?"
Erst druckste sie. Dann aber gab sie nach:
„N-Natürlich, wir sehen uns bestimmt nochmal. Ist ja noch ein langes Jahr."
Mit diesen Worten verabschiedeten sie sich. Oben im Gemeinschaftsraum musste June lächeln. Ivan war nicht nur höflich, er war auch außerordentlich hübsch für einen jungen Mann. Irgendwie mochte sie ihn. Seine Stimme war so samtig weich. Und er hat so warme Hände gehabt. Grinsend kuschelte sie sich in die Kissen und freute sich schon auf den Tag, der ihr bevorstehen würde.
Ihre Gedanken schweiften nach Spinner's End.
Was wohl Kimberley gerade machte?
So ganz alleine...
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