Verantwortung
„Wie Sie alle der Tafel entnehmen können, werden sich Ihre ZAGs über zwei Wochen erstrecken!"
Professor McGonagalls Stimme hallte durch die Klasse. June und ihre Mitschüler saßen in ihrer nächsten Verwandlungsstunde. Es war eine düstere Stimmung, unter anderem auch, weil das letzte Wochenende für Gryffindor im besonderen nicht sehr erfolgreich war. Sie hatten im Quidditch gegen Ravenclaw verloren.
Wenn ihre ZAGs also wie im Schulsport laufen würden, könnte das Haus der Löwen die Koffer packen und sich von Hogwarts verabschieden. Umbridge gebe diesem Ereignis sicherlich ihren Segen. June konnte gedanklich ihre breite, krötenartige Fratze sehen. Wie sie triumphierend ihr zum verrecken hässliches Lachen aus ihrer Kehle glucksen würde und sich dabei ihre Tasse Tee schmecken ließ.
Professor McGonagall hatte ihren Zauberstab in der Hand und zeigte auf einige weiße Stichpunkte, die sie für ihre Schüler an die Tafel geschrieben hatte.
„Es gibt die theoretische und die praktische Prüfung. Ihre theoretischen Examina werden sie morgens absolvieren, während sie in der Praxis erst am Nachmittag getestet werden. Ausgeschlossen davon ist Astronomie, dieses Fach kann selbstverständlich nur in der Nacht praktisch geprüft werden."
Mit einem Wink ihres Zauberstabs flog der große Papierstapel in die Luft. Er schwebte in die Mitte der Tischreihen und verteilte sich selbstständig auf die Schülerschaft.
„Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ihre Prüfungsblätter allesamt mit einem Anti-Schummel-Zauber belegt sind. Versuchen Sie also erst gar nicht, selbstverantwortende Schreibfedern oder Erinnermichs mit in die ZAG Prüfung zu schmuggeln", fuhr sie fort und ihre Katzenaugen verengten sich zu Schlitzen. „Die Schulleiterin hat mich darum gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass das Schummeln und Betrügen schwer bestraft werden wird. Ich rate Ihnen deswegen auch aus eigenem Interesse, den Versuch zu unterlassen."
Ein schweres Schlucken ging durch Junes Kehle. Sie und auch die anderen Schüler der DA sahen unvermittelt auf ihre Handrücken.
Eine halbe Stunde sich die alten Wunden aufschlitzen, während sich diese furchtbare Hexe daran ergötzte? Nein, danke. Da zog June Moreno es lieber vor, ein Troll zu kassieren und gegebenenfalls von dieser Schule zu fliegen. Bildung hin oder her: überall war es besser, als unter der Leitung dieser furchterregenden Hexe.
„Die Ergebnisse der ZAGs sagt auch einiges über den neuen Sachverhalt der Schule aus. Im Juli werden Sie ihnen per Eule zugesendet. Denken Sie daran: geben Sie ihr allerbestes. Es ist auch in Ihrem Interesse, denn immerhin geht es um Ihre Zukunft!"
Auf dem Weg zu Zaubertränke kam ihr Neville entgegen.
„Und? Wie ist dein Gefühl, wenn es um die ZAGs geht?"
June zuckte mit den Schultern.
„Irgendwie ist momentan alles noch so fern. Als hätte ich Nebel auf meinen Augen. Ich denke, ich werde es erst noch realisieren müssen und dann...ja, dann wird mir sicher ein wenig mulmig zumute", grinste sie breit und schulterte ihre Tasche nach.
Im Kerker vor der großen Tür hörte man wieder Draco herum prahlen.
„Im Grunde kommt es immer darauf an, wen du kennst und wie deinen Beziehungen stehen. Mein Vater zum Beispiel ist mit der Vorsitzenden Prüfungskommission Professor Griselda Marchbanks sehr gut befreundet. Ich rechne mir daher ziemlich gute Chancen aus, was meine ZAGs betrifft."
„Was für ein Angeber!", murrte June unverhohlen und rollte mit den Augen. „Da kommt einem doch die Galle hoch. Wenn das stimmt, gibt das System ja zu, dass Menschen mit einem scheinheiligen Betrug durchkommen. Und ich will nicht wissen, was dadurch noch für Idioten an die Machtposition kommen."
„Ich glaube ja nicht, dass das stimmt", stammelte Neville und starrte eingeknickt zu Boden. „Griselda Marchbanks ist eine Freundin von meiner Oma und sie hat nie etwas von den Malfoys erwähnt."
„Dann müsstest du ja eigentlich ganz gute Chancen haben, Neville!", ertönte die Stimme des Weasleyjungens.
Ron, Hermine und Harry hatten ihrem Gespräch gelauscht und waren dazu getreten. Neville errötete um die Nase herum und agierte weiter so, als würde das Anstarren des Bodens ihm in irgendeiner Form aus der Situation heraushelfen.
„Naja, ich denke nicht. Meine Oma sagt immer, dass ich nicht so gut in der Schule bin, wie mein Vater. Ihr wisst ja, wie sie ist..."
June legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Wenn deine Oma wüsste, was du in der letzten Zeit in der DA geleistet hast, würde sie sicherlich anders von dir sprechen", entgegnete sie warmherzig und ein aufmunterndes Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Ich weiß nicht..."
Neville knetete mit den Händen und war nervös. June verstärkte den Griff auf seiner Schulter.
„Ich bin nicht die einzige, die das denkt. Oder Harry?"
Harry war erst etwas irritiert, bekam aber einen fordernden Blick von June zu spüren.
„Ja, natürlich. Du warst ganz große Klasse, Neville. Ich bin richtig stolz auf dich!"
Und das war der Moment, wo Neville wieder anfing, aufrichtig zu lächeln.
Am Nachmittag wollten June, Lacey und Claire in die Bibliothek gehen. Die Zwillinge waren ebenfalls in der fünften Klasse. Das hieß, dass auch sie ihre Examina ablegen mussten.
Sie verglichen gerade gemeinsam die Anatomie der Mondkälber und des südamerikanischen Alpakas (wobei June eher zuhörte, da sie sich nicht im geringsten mit der Anatomie von Tierwesen beschäftigt hatte), als sie auf dem Weg drei ziemlich bekannten Gestalten begegneten.
Vor der Bibliothek bot sich ein sehr seltsames Bild: Die kleine Professor Umbridge stand vor dem großen Professor Snape und schimpfte in einer extremen Lautstärke, was ziemlich ohrenbetäubend war. Hinter dem Zaubertrankmeister versteckte sich eine Frau mit goldblondem Haar.
„Mum?"
June kam dazu und sah völlig verwundert zu ihrer Mutter, die von Snape zurückgehalten wurde. Keiner schenkte June eine Beachtung.
„Ich sage es Ihnen nur noch einmal, Mrs. Moreno. Ihnen ist es nicht gestattet, dieses Schulgelände zu betreten. Zudem ist es den Jungen und Mädchen in Hogwarts nicht erlaubt, sich näher als 20 Zentimeter anzunähern."
June sah belustigt zu, wie Snape die Augen verdrehte.
„Wie ungemein großzügig von Ihnen, Frau Schulleiterin. Ich habe nicht darum gebeten, diesen Plagegeist von Ihnen fernzuhalten. Aber wenn Sie wünschen, werde ich Ihnen natürlich diese Aufgabe gerne überlassen."
Er machte Anstalten, zur Seite zu treten, doch Professor Umbridge winkte ab.
„Sein, das ist schon so in Ordnung, Professor Snape. Mir wäre es nur lieber, wenn sie die Dame mit einem Fesselzauber belegen könnten."
„Wie bitte?", klagte Kimberley hinter dem schwarzen Umhang und wurde prompt mit einem Kniff bestraft. Snape trat zudem absichtlich nach hinten auf ihren Fuß, um sie zur Vernunft zu bringen. June sah, wie ihre Mutter schmerzverzerrt ihr Gesicht verzog.
„Ich meine...ja, natürlich. Gerne, beleg mich mit einem Fesselzauber. -Obwohl nein! Ich....Es sei denn, ich.... Ich meine....ähm......"
„Silencio!", knurrte Snape zornig.
Kimberley brachte nur noch ein gequältes, stimmloses Quieken hervor. Ihre Augen rollten irritiert hin und her, während sie sich an die Lippen fasste.
„Verzeihen Sie, Frau Schulleiterin", sagte Snape in einem sanften, noch beherrschtem Tonfall. „aber das Ministerium hat, soweit ich das weiß, die Ausbildungserlasse nur auf Schüler und Lehrer übertragen. Da Mrs. Moreno zweifellos beiden Standarten nicht entsprechen kann, aufgrund ihres Alters und ihres Bildungstandes, ist es mir und auch Ihnen nicht gestattet, weitgehende Zauber an ihr auszuführen. Bitte entschuldigen Sie mich, aber ich habe meine eigene Art, wie ich mit solchen Störenfrieden fertig werde"
Damit packte er Kimberley am Handgelenk und zog sie mit sich. Dabei fiel sein Blick auf June und er verfinsterte sich.
„Moreno!", blaffte er sie in einem Tonfall an, der June nicht geheuer war. „Was stehen Sie hier noch so rum? Ich sagte, dass Sie und ihre abnormen Freunde in die Bibliothek gehen sollen, um Nachhilfe für Ihre ZAGs zu nehmen"
June verstand sofort, dass Snape nur versuchte, sie aus der Situation zu retten. Deswegen spielte sie mit.
„Verstanden, Sir. Ich bin auf dem Weg!"
„Hmmm-Hmmmm-Hmmm!", warf Kimberley in das Gespräch mit ein.
Ihre blauen Augen suchten hilflos die ihrer Tochter. Doch June konnte nichts machen. Snape zerrte Kimberley wutentbrannt hinter sich her.
Lacey und Claire sahen den beiden hinterher und warfen belustigte Blicke miteinander aus.
Professor Umbridge war die erste, die sich regte. Tief atmete sie in ihre Brust und legte es gerade darauf an, June eine gewaltige Zurechtweisung entgegenzubringen, doch June zeigte nur deutlich auf die Narben ihres Handrückens.
„Verzeihen Sie, Professor, aber Sie haben mir ja bereits gesagt: ich soll keine Lehrer unterbrechen. Und ich denke, ich soll Ihren Befehlen auch nicht wider-sprechen! Deswegen werde ich mich jetzt in die Bibliothek gehen. Einen schönen Nachmittag!"
Damit machte sie sich auf den Weg. Lacey und Claire folgten ihr, wie zwei Küken ihrer Gänsemutter, und schenkten Umbridge ein süffisantes Grinsen.
Umbridge selbst kochte vor Wut. Doch was sollte sie dagegen schon sagen? June hatte die Karten der Schulleiterin gegen sie ausgespielt. Genauso, wie Professor Snape. Langsam kam ihr Misstrauen entgegen. Der Zaubertranklehrer war also nicht unbedingt auf ihrer Seite. Er ließ sich, wie all die anderen Lehrer, nicht unter ihre Fittiche bringen. Das würde sich rächen. Nur Umbridge musste sich noch deutlich überlegen, wie. Es sah immerhin nicht wirklich gut für sie aus.....
„Wie oft habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass du nicht in der Schule herumlungern sollst?", fauchte Snape, als er Kimberley in sein Büro hineinstieß.
Sie landete unsanft auf dem Boden und sah ihn verängstigt an. Dann zog sie ihren Zauberstab und wendete ihn auf Professor Snape. Severus lächelte verschmitzt.
„Ohhhhhh ja, natürlich", hauchte er spöttisch. „Kimberley Moreno ist immer noch davon überzeugt, nonverbale Zauber kontrollieren und auf mich abwälzen zu können!"
„Hmmm-hmmm-hmmmm!!!!!", machte sie verärgert. Ihr Gesicht war zornig verzerrt und ihre Lippen bebten, bewegten sich aber immer noch nicht auseinander. Sie waren immer noch wie zugenäht.
Snape konnte es nicht unterlassen, sie zu ärgern. Er ging mit langsamen Schritt um sie herum und blickte auf sie herab. Kimberley richtete sich auf und kam mit ihrem Zauberstab auf ihn zu.
Mit den Fingern zeigte sie auf ihre Lippen. Snape hob fragend die Augenbraue:
„Tut mir leid, aber ich verstehe nicht, was du mir sagen willst."
„hmmm-hmmm-hmmm!!!!!!!"
Wild gestikulierte sie und zeigte immer wieder auf ihren Mund. Ihre Fäuste ballten sich zusammen und ihre hellblauen Augen funkelten vor Ärgernis.
Snape liebte es, sie zu provozieren. Gemein, wie er war, setzte er noch eine Schippe drauf. Als Kimberley wieder auf ihre Lippen zeigte, kam er ihr näher.
„Willst du wirklich, dass ich das tue?", fragte er spöttisch.
Kimberley nickte eifrig. Ihr Blick war aber skeptisch.
„Und da bist du dir ganz sicher?"
Wieder nickte sie. Diesmal energischer und immer noch mit ihrem Zeigefinger, der auf ihre Lippen zeigte. Er kam ihr provozierend nahe ans Gesicht. Kurz, bevor sich ihre Lippen berührt hätten, zog er sich zurück. Auf Kimberleys Wangen hatte sich eine rosa Färbung abgelegt. Es war ihr peinlich. Aber Severus schnippte mit seinem Zauberstab. Die Frau vor ihm begann das, was Frauen am besten konnten. Sie plapperte unaufhörlich los:
„Du solltest mich nicht küssen, du Idiot!!! Ich wollte, dass du diesen fürchterlichen Zauber von mir nimmst!!! Bist du noch bei Sinnen???"
„Oh, und frech sind wir also jetzt auch noch"
Er schaute auf sie herab. Kimberley schnaufte verächtlich und ging zur anderen Seite des Raumes. Snape wollte ihr folgen, doch sie zog ihren Zauberstab abermals und richtete ihn direkt auf seine Brust.
„Du bleibst da, wo du bist! Sonst lernst du mich noch richtig kennen, Sev!"
Er blieb dort stehen. Aber nicht, weil er sie triumphieren lassen wollte. Snape hatte keine Lust, sich auf einen unsinnigen Zank mit ihr einzulassen. Augen rollend wendete er sich ab und setzte sich an seinen Schreibtisch.
„Du würdest mir sowieso nichts tuen. Sei nicht töricht, Kimberley. Sag mir einfach, was du willst, damit du auch schnell wieder verschwinden kannst. Ich habe keinen Nerv dafür, deine Gesellschaft einen Tag länger zu ertragen."
Er sah, wie Kimberleys Brust sich hob und senkte. Er war ihr schon immer überlegen gewesen und heute war wieder so ein Moment, wo er das ziemlich genoss.
„Ich warte, Winterflügel."
„Ich bin hier, um dir zu sagen, dass du Harry wieder in Okklumentik unterrichten sollst-„
„Spar dir das! Der Zug ist abgefahren!"
Kimberley wollte etwas erwidern, aber Snape hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Er hatte genug gehört. Sie mischte sich in ein Thema ein, was sie nichts anging. Aber eine Frage stellte der Tränkemeister sich innerlich: wie hatte Kimberley das herausbekommen? Was wusste sie noch? Hatte Harry zu ihr Kontakt aufgenommen? Er hatte es erzählt. Natürlich hatte er seine Drohung überhört. In Snapes Kehle gurgelte es. In ihm kam die Wut hoch und vernebelte seine Sinne. Dieser Junge! Wenn er ihn in die Finger kriegen würde, könnte er was erleben.
„Severus?"
Kimberley war an ihn herangetreten. Sie schaute mit schief gelegtem Kopf zu ihm herunter. Snape schnaufte und seine Nasenflügel weiteten sich.
„Verschwinde, Kimberley!", knurrte er.
„Nein. Nicht, ehe du mir dein Wort gibst, dass du Harry weiterhin in Okklumentik unterrichtest."
Ein lauter Knall ertönte. Severus hatte seinen Stuhl an die Wand gepfeffert. Einige Gläser in den Regalen wackelten gefährlich. Der Zaubertrankmeister kam um den Tisch herum. Wie ein Tiger kam er auf Kimberley zu und funkelte sie böse an.
„Du mischst dich hier in Sachen ein, die dich überhaupt nichts angehen. Hörst du? Ich werde diesen arroganten Bengel nicht noch einmal in mein Büro lassen. Selbst dann nicht, wenn ihr alle auf dem Boden angekrochen kommt und bettelt. Und jetzt verschwinde. RAUS!"
Doch Kimberley bewegte sich nicht. Sie war zu einer Salzsäule erstarrt. Ihre Finger spreizten und verspannten sich. Sie verspannte ihren Nacken und drehte den Kopf nach links und rechts.
Snape kannte diese Haltung von ihr. Das machte Kimberley immer, wenn sie stark verunsichert war und sich fürchtete. Er hatte ihr Angst eingejagt. Das war ihm gerade zu recht.
„Nein...ich kann nicht gehen...", flüsterte sie beinahe tonlos. „Nicht, solange du nicht mit deiner Vergangenheit abschließt."
Jetzt fuhr Snape richtig aus der Haut. Er nahm ein Glas und warf es an die Wand. Es zersprang und die Flüssigkeit verteilte sich auf dem Boden. Kimberley schreckte zusammen und ging sofort ein paar Schritte zurück, ohne den ängstlichen Blick von dem Mann abzuwenden. Ihre blauen Augen huschten nervös an seinem ganzen Körper entlang.
„Erzähle mir nichts vom Abschließen der Vergangenheit, Kimberley!", zischte er und kam einen Schritt auf sie zu. Er konnte seine Emotionen nicht mehr kontrollieren und wenn er ehrlich war, tat es ihm nicht einmal leid, dass er Kimberley nun all die Sachen an den Kopf warf, die sie unweigerlich verletzen würden.
„Du wagst es, so etwas zu mir zu sagen? Gerade du? Die Frau, die ihrem eigenen Kind die Wahrheit verschweigt, weil sie sich immer noch dessen schämt? Ich habe June erzählt, was du mit Stuart zusammen verzapft hast. Vielleicht solltest du einmal die Verantwortung besitzen und deiner eigenen Tochter die Beweggründe erklären. Aber nein, das kannst du nicht. Weil du selbst nach so vielen Jahren nicht einmal zu deinen eigenen Fehlern stehen kannst."
Kimberley zitterte am ganzen Leib. Sie sank auf die Knie. In ihrem Gesicht war das Entsetzen eingeschrieben. Snape hatte kein Fünkchen Mitleid mit ihr.
„Ich weiß, dass June deine Tochter ist. Aber ich habe sie großgezogen und sie ist ein Teil von mir. Ich sorge mich um sie. Ich sehe nicht weiterhin tatenlos dabei zu, wie du dem Mädchen eine heile Welt vorgaukelst. Du magst auf gewisse Weise ihr Vorbild sein. Aber dazu gehören auch deine Fehler. Sie sind ein Teil von dir. Ich stehe auch dazu, dass ich einst ein Todesser war. Ich stehe dazu, dass es meine Schuld ist, dass Lily gestorben ist. Aber du..."
Snape spürte, wie ihn die Kräfte verließen. Schwer atmend krallte er sich mit den Händen an seinem Schreibtisch fest. Seine schwarzen Haare hingen ihm strähnig über die Augen. Wie ein finsterer Vorhang, der das Licht seiner Augen verstecken wollte.
„Weiß June davon, dass du einen Muggel umgebracht hast? Weiß sie auch davon, warum du das getan hast? Und warum du deswegen Ariano nie zu nah an dich ranlassen konntest? Wenn June mich danach fragen sollte, werde ich es ihr erzählen. Ich werde ihr diese Sachen nicht mehr verschweigen. Vielleicht aber solltest du den Anstand besitzen und es selbst tuen. Und dann, wenn du das getan hast und damit abgeschlossen hast, dann können wir vielleicht nochmal über Potter sprechen. Aber so...."
Er schritt langsam auf sie zu und sah auf sie herab. Kimberley starrte nur mit leeren Augen zu Boden. Er konnte nicht in ihre Gedanken eindringen. Aber er vermutete, dass sie damit erst einmal umgehen musste. Er hatte nie vorgehabt, sie so zu konfrontieren. Doch sie hatte ihn wütend gemacht.
„Steh auf!", blaffte er sie an.
Doch Kimberley bewegte sich nicht. Ihm kam nur noch ein Gedanke. Es war vielleicht hart, aber er musste sie irgendwie wach rütteln. Snape atmete tief ein. Dann hob er seinen Arm und tat so, als würde er ausholen. In diesem Moment sah Kimberley zu ihm hoch, sprang auf und lief zur Tür. Schwer atmend drückte sie sich auf die Türklinge und stolperte hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen. Snape hatte in ihr das Trauma geweckt, um sie aus seinem Büro zu vertreiben. Vielleicht hätte er zu anderen Mitteln greifen sollen. Vielleicht würde er es morgen sogar wieder bereuen. Aber jetzt war es an der Zeit, Kimberley auch zu zeigen, dass sie sich ändern musste.
Sie hatte eine Tochter und sie hatte Verantwortung. June Moreno war ein Mensch mit Gefühlen und einer Seele. Sie war schon genug verletzt worden. Die Zeit wurde knapp und wenn Kimberley sich weiterhin so verhalten würde, wie jetzt, würde June sich eines Tages von ihr entfernen. Und Snape wusste: wenn June nicht mehr in Kimberleys Leben war, dann würde seine ehemalige Schulkameradin ihrem Leben ein Ende bereiten. Kimberley mochte in einigen Bereichen stark sein.
Aber ihre Emotionalität, mit der sie nie umgehen konnte, war die gefährlichste Waffe, der sie nicht gewachsen war.
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