Kapitel 3, Egoismus
Der Samstag begann mit Sonne. Es war ein warmer Tag im September und da niemand wusste, ob es vielleicht der letzte schöne Tag des Jahres war, gingen viele noch einmal raus und trafen sich mit ihren Freunden. Und ausgerechnet Sunny musste mit ihrer neuen Halbschwester und ihrem kleinen nervigen Bruder einen Stadtbummel in London machen. Astrid wusste, dass Sunny das dachte, denn es war wohl kaum möglich, Sunnys schlechte Laune nicht zu bemerken oder ihr grimmiges Gesicht zu übersehen. Sie war zu lesen wie ein offenes Buch und Astrid fragte sich, ob sie selbst auf andere auch so wirken mochte. Wahrscheinlich nicht.
Aber es machte ihr auch nicht sonderlich viel aus, dass Sunny mal wieder kein Wort mit ihr wechselte, sie genoss einfach den Anblick Londons vom London Eye, besichtigte voller Staunen den Big Ben und die Tower Bridge.
Nach einigen Einkäufen, die natürlich alle zugunsten Fire waren, wie ein T-Shirt seiner Lieblings-Footballmannschaft, ging das Trio noch in den Hyde Park. Als sie an einem kleinen Imbissstand vorbeiliefen, wollte sich Fire noch ein Eis holen und bestellte für Astrid und Sunny gleich eins mit.
„Interessant, dass dein Lieblingsgeschmack Vanille ist, Rain", meinte Fire, während sie auf einer Wiese hockten und die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut genossen.
„Ach wirklich? Was soll denn daran so interessant sein?", entgegnete Astrid und sah ein paar Vögeln dabei zu, wie sie sich von einer alten Dame füttern ließen.
„Du magst doch auch Vanille, nicht wahr Sunny?", fragte Fire seine Schwester mit einem vorwurfsvollen Unterton. Es war unmöglich nicht zu bemerken, dass Fire die Beziehung zwischen Sunny und Astrid verbessern wollte.
„Halt die Klappe, Fire", murrte Sunny und warf ihren Bruder einen vernichteten Blick zu.
Doch anstatt klein bei zu geben stand dieser auf und versuchte es weiter.
„Du bist so gemein Sunny. Ich verstehe nicht, wieso du Astrid so sehr hasst. Sie ist doch vollkommen in Ordnung."
„Ich kann mögen, wen ich will."
„Ja, und du magst Vanille und Rain mag Vanille. Es gibt keinen Grund, sie nicht zu mögen. Sie ist doch wie jeder andere auch."
Es war Astrid peinlich, bei diesem Streit dabei zu sein, sie sah auf das Gras und zupfte die Stängel aus dem Boden. Sie wusste nicht, ob sie irgendetwas sagen sollte, deswegen blieb sie stumm. Am liebsten hätte sie sich jetzt in Luft aufgelöst, wenn sie dass denn gekonnt hätte. Kurz dachte sie daran, dass sie diese colle Superkraft viel lieber hätte, als ihre komischen Kraftausbrüche.
„Ich möchte aber nichts mit ihr zu tun haben, akzeptiere das Fire", setzte Sunny den Streit mit ihrem Bruder fort.
„Sei doch nicht so egoistisch", meckerte Fire.
Jetzt schien der Geduldsfaden von Sunny zu reißen.
„Ich bin überhaupt nicht egoistisch! Wenn, dann ist es unsere Mutter, die diesen... Freak erst in unsere Familie gebracht hat! Du bist genauso schlimm wie Mom, du dummer, kleiner, unerfahrener Wicht."
Und der Geduldsfaden von Astrid riss.
„Wie bitte?!"
Und der Geduldsfaden von Fire riss.
„Du blöde Kuh! Ich mag Astrid und ich will nicht, dass du oder Dad sie aus unserem Haus rausekeln mit eurer Griesgrämigkeit und Ungerechtigkeit! Ich hasse dich!"
Damit rannte Fire weg. Sein Eis hatte er ungeachtet fallengelassen, was besonders die Vögel freute.
„Fire!", riefen Sunny und Astrid, die Leute starrten sie mit einem abwerteten Blick an oder schüttelten den Kopf, aber das war Astrid im Moment egal.
„So ein Dummkopf!", verfluchte Sunny ihren Bruder.
„Hör auf damit", sagte Astrid, die sich aufmachte, um Fire zurückzuholen, mit der Hoffnung, sich nicht zu verirren. Sunny lief ihr hinterher.
Doch Minuten vergingen, und Fire war nicht mehr auffindbar. Sowohl Sunny als auch Astrid beschlich ein ungutes Gefühl, was sich mit jedem Schritt verschlimmerte, bis es sich gänzlich zu Angst umgewandelt hatte.
„Astrid."
Astrid drehte sich um und blickte wie in einen Spiegel, denn Sunny hatte wohl das gleiche bedrückte Gesichte aufgesetzt wie Astrid selbst.
„Was?"
„Es tut mir leid."
„Ich weiß. Aber erst einmal müssen wir Fire finden."
„Es tut mir ja so leid. Mom wird mich umbringen."
„Jetzt halt die Klappe und denk nach. Wo könnte er denn hingelaufen sein?"
„Ich weiß nicht. Er mag eigentlich das Sherlock Holmes Museum, ist aber auch gerne auf der Tower Bridge..."
„Dann lass uns erst in die Baker Street."
„Okay."
Die zwei Mädchen machten sich auf den Weg. Bitte sei da, dachte Astrid, Bitte. Sie erreichten die Straße, doch kein Anzeichen von Fire.
„Lass uns ein wenig vor dem Museum warten", schlug Astrid vor und Sunny nickte. Sie wollten die Straße überqueren, als sie Fire auf der anderen Straßenseite entdeckten.
„Fire!", rief Sunny, Astrid bemerkte die Tränen in ihren Augen, aber auch ihr fiel ein Stein vom Herzen.
Fire sah zu den beiden und wollte zu ihnen laufen, da passierte es.
Wahrscheinlich lag es daran, dass auch er die beiden Mädchen verloren und vermisst hatte, oder dass es ihm auch leidtat, dass er so gemeine Sachen zu Sunny gesagt hatte, oder dass er einfach weggerannt war, obwohl Astrid noch bei Sunny war, oder vielleicht war auch alles zusammen der Grund, dass Fire nicht auf den Verkehr achtete. Doch plötzlich fuhr ein Auto auf ihn zu und Fire erstarrte mitten auf der Straße.
Astrid sah alles nur in Zeitlupe. Und letztendlich wusste sie selbst nicht, wie es passiert war. Bestimmt lag es am Adrenalin und daran, dass Astrid den ersten Menschen, den sie mochte, nicht verlieren wollte, aber sie sah es kommen und ihre Reflexe waren so schnell, dass sie es selbst nicht für möglich gehalten hätte, was als Nächstes geschah. Sie rannte auf die Straße, sie hörte die Luft an ihren Ohren pfeifen, schmiss sich gegen Fire und rette sie beide keine Millisekunde zu spät auf den Bürgersteig.
Sie spürte Fires Körper, sie spürte genau seinen Atem, und nachdem sie ihn atmen hörte, traute sie es sich, die Augen zu öffnen.
Der Wagen hatte eine Vollbremsung hingelegt. Tausend Augenpaare gafften, viele kamen auf Astrid und Fire zu gerannt, die immer noch zusammengedrückt auf dem Gehweg lagen, darunter auch Sunny.
„Fire! Oh Gott Fire! Geht es dir gut?"
Astrid richtete sich und Fire auf, der eindeutig einen Shock erlitten hatte. Astrid hielt ihn im Arm, während er sich an ihr festklammerte und Astrid war mehr als nur froh, einen warmen und lebenden Körper halten zu können.
„Ich... ich denke schon...", brachte Fire hervor.
Irgendjemand hatte wohl den Krankenwaagen gerufen, den ein paar Minuten später, sowohl Fire als auch Sunny und Astrid hatten sich größtenteils von dem Schock erholt, ertönte die allbekannte Sirene der Ambulanz, welche die drei mitnahm. Obwohl Astrid den Ärzten versicherte, ihr fehle nichts und sie sollten ihre Konzentration Fire zu widmen, kam sie nicht davon, von irgendeiner Ärztin, die sich Dr. Miller nannte, untersucht zu werden. Nicht nur das, sie durfte sich auch einen Vortrag über die Sicherheit im Verkehr anhören.
„Ihr beide hattet sehr viel Glück, dass ihr nur ein paar Schrammen von diesem Vorfall abbekommen habt", sagte gerade die Ärztin, die Astrid noch kurz durchgecheckt hatte.
„Ich hoffe, du weißt, warum es sehr gefährlich und dumm von dir war, aber nichts desto trotz sehr mutig und heldenhaft."
Astrid nickte. Das einzige, was sie von diesem Unfall mitgenommen hatte war eine kleine Platzwunde auf den Hinterkopf, mit dem sie auf den Bordstein aufgeprallt war. Sie musste sich anscheinend noch so gedreht haben, dass sie für Fire als Polsterung gedient hatte, aber sie konnte sich einfach nicht mehr daran erinnern, es getan zu hab, es war wahrscheinlich ein Reflex. Sie musste die Geschehnisse erst einmal selbst verarbeiten. Wie hatte sie es geschafft, so schnell zu sein? Oder war es nur ihre Wahrnehmung, die verrückt gespielt hatte? Sie weiß, dass sie losgerannt war, Fire mit sich gezogen und auf den Gehweg gefallen war, das war alles. Das Adrenalin ließ jedoch langsam nach und sie spürte einen dumpfen Schmerz am Rücken und Kopf.
Astrid wurde jedoch gleich, nachdem die Platzwunde versorgt war, entlassen und durfte gehen. Vor ihrer Tür stand schon Sunny und die beiden gingen zu Fires Zimmer, in dem er untersucht wurde. Keiner der beiden sprach ein Wort. Sie saßen in dem Flur vor der Tür des Krankenzimmers, in dem gerade Fire sitzen musste, als Mr. und Mrs Walsers herbeigerauscht kamen, mit Gesichtern, in denen sich bei Astrids und Sunnys Anblick Erleichterung, Wut und Dankbarkeit gleichzeitig widerspiegelten.
„Sunny, Astrid, um Himmels willen! Ich bin ja so froh, dass es euch gut geht!"
Mrs Walsers umarmte die beiden Mädchen stürmisch, während Mr. Walsers nur daneben stand und seine Tochter beachtete, nicht Astrid. Doch alle vier drehten sich blitzartig um, als hinter ihnen die Tür aufging und ein Doktor heraustrat, auf dessen Namensschild Dr. Travers stand.
„Wie geht es Fire? Ist er verletzt?", fragte Mrs Walsers etwas ruhiger, als sie aussah und wie sie sich wohl fühlten musste.
„Keine Sorge, ihm fehlt nichts. Nicht nur, dass dieses Mädchen ihm vielleicht vor dem Tod bewahrt hat, sie hat es tatsächlich geschafft, dass der Junge keinen Kratzer abbekommen hat", erklärte der Doktor und sah Astrid bedeutungsvoll an.
„Was genau ist denn passiert? Wir wurden zwar benachrichtigt, dass Fire in einem Unfall verwickelt war, aber gerade noch gerettet wurde, aber da fehlen ja anscheinend jede Menge Details", meinte Mr. Walsers und sah seine Tochter an, scheinbar hatte niemand den Blickaustausch von Astrid und dem Doktor mitbekommen.
Sunny fühlte sich sichtlich unwohl und hielt Augenkontakt zum Boden, während sie schwieg.
„Astrid?", forderte Mrs Walsers Astrid auf, die Geschichte zu erzählen, doch Astrid würde keinen Ton von sich geben. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Sunny sich gerade fühlte. Doch da kam ihr ein anderer Gedanke in den Sinn.
„Nun... es war meine Schuld", fing Astrid an.
Bei dieser Aussage hob Sunny den Kopf, vier Augenpaare starrten sie fassungslos an. Astrid schluckte, ihre Hände zitterten leicht, weswegen sie sie zu Fäusten ballte.
„Ja, richtig. Es war meine Schuld. Ich habe ihn verärgert, als ich ihm gesagt hatte, dass er mir langsam auf die Nerven geht und er mich nicht so zuquatschen soll, weil ich das nicht leiden kann. Und dann haben wir uns gestritten und er ist weggerannt. Wir haben ihn gesucht und Sunny hatte den genialen Einfall, in der Baker Street nachzusehen, wo wir ihn dann auch gefunden haben. Allerdings sah Fire beim Straßenwechsel nicht das sich nähernde Auto, doch...ähm... Sunny konnte ihn noch warnen, sodass er einfach nur nach hinten gestolpert, ein wenig unschön gefallen ist und einen Schock erlitten hatte."
Es war totenstill in dem Flur. Oscarreife Lüge, lobte sich Astrid sarkastisch, jeder Volltrottel wird erkennen, dass die Geschichte nur ausgedacht war. Trotzdem hoffte sie einfach darauf, dass Dr. Travers nichts ausplaudern und Fire sich nicht mehr daran erinnern würde, alle die Geschichte schlucken würden und Astrid rausgeschmissen wurde. In einer Familie, in der sie sowieso nicht willkommen war, musste sie nicht bleiben. Sie versuchte sich einzureden, dass sie sich die Unfreundlichkeit von Sunny und Mr. Walsers auch einfach nicht mehr gefallen lassen wollte und verdrängte den Aspekt, dass sie Fire auf eine gewisse Art und Weise zu mögen gelernt hatte. Dass Mr. Walsers ihre Lüge sofort glauben würde, war jedoch auch für Astrid überraschend. Scheinbar ein Volltrottel vom besonderen Kaliber.
„Gut. Du kannst deinen Koffer wieder packen Astrid. Dann können sie dir ein neues Zuhause suchen, wo du wüten kannst", sagte er mit beunruhigend ruhiger Stimme, dass Astrid Gänsehaut bekam und ihr das Herz in die Hose rutschte. Sie nickte und ging, da sie es keine Sekunde mehr bei den anderen wohl ausgehalten hätte. Die Walsers jedoch blieben noch etwas im Krankenhaus, da sie noch ein paar Sachen mit der Polizei und dem Arzt klären mussten. Astrid fühlte sich elendig, aber sie hatte sich ja auch aus freien Stücken hierzu entschieden. Doch warum fühlte sie sich so schrecklich? So etwas hatte sie doch nun schon mehrmals durchmachen müssen. Warum hatte sie einen Kloß im Hals, warum traten ihr Tränen in die Augen, als sie versuchte, den Heimweg zu finden? Ich bin halt doch im Inneren immer noch sehr weich, dachte sie und unterdrückte ihre Gefühle, indem sie sich einredete, dass es okay war, keine Familie zu haben. Sie versuchte nochmals eine weitere Schale um sich herum und um ihr Herz zu bauen, um einfacher ihre neueste Familie verlassen zu können.
Zum Glück ließ sie ihr Orientierungssinn nicht im Stich, sodass sie zu einer Bushaltestelle kam und einen Bus zurück in den Vorort nahm. Im blauen Haus an der Ecke der Rosenstraße angelangt ging sie in ihr Zimmer, dass schon bald nicht mehr ihres sein würde, aber das war nicht schlimm. Jetzt musste sich niemand mehr wegen Astrid streiten, sie würde wie jedes Mal aufs Neue eine neue Familie kennenlernen, wieder für eine Woche bleiben und dann wieder zu einer neuen ziehen. Das war nun mal ihr Leben, ihr Schicksal.
Die Abendsonne leuchtete rot in Astrids Bald-nicht-mehr-Zimmer, während sie ihr einziges aufgehängtes Bild in den noch nicht einmal ausgeräumten Koffer legte. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass es sich nicht gelohnt hätte, sich hier auszubreiten.
Sie stellte ihren Koffer in der Mitte des Raumes auf und sah aus dem Fenster zu den verhassten roten Rosen im Vorgarten, als ein Auto vorfuhr und Familie Walsers ausstieg. Sunny war als erste an der Tür, während Mrs und Mr. Walsers den Arm um ihren Sohn gelegt hatten und ihn zum Haus führten.
Die Tür des Zimmers wurde aufgeschmissen und Sunny stampfte herein.
„Warum zum Teufel hast du sie angelogen?"
„Warum stört dich das? Ich wollte euer schönes Familienbild nicht zerstören. Außerdem hat es dich doch sowieso gestört das ich da war. Ich dachte, du würdest dich freuen, denn so wurden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Du kannst beruhigt dein friedlich schönes Familienleben fortsetzten und bist mich sogar ein für alle Mal los."
Astrid war diese Sätze tausendmal durchgegangen, damit ihr Handeln nur zu perfekt zu begründen war.
„Es freut mich überhaupt nicht."
„Das überrascht mich."
„Astrid?", Mr. Walsers Ruf drang vom Flur her.
Astrid wandte sich noch ein letztes Mal Sunny zu.
„Ich wollte nie eine Familie zerstören. Also denke ich, dass es gut und besser ist, wenn ich gehe und den Ärger auf mich nehme."
Dann nahm sie ihren Koffer und lief mit ihm zu Mr. Walsers. Mrs Walsers hatte Fire anscheinend nach oben gebracht, damit er sich ausruhen konnte.
Ein äußerst finsterer Blick starrte Astrid an, die sich lieber wünschte, wieder ignoriert zu werden, denn dies hier war viel schlimmer.
„Ich habe bereits einen Fahrer organisiert, der dich zu einem Waisenhaus bringen wird. Das Auto wartet draußen. Ich gebe dir eine Minute, um aus meinem Haus zu verschwinden."
Astrid nickte und ging, als Fire plötzlich auftauchte.
„Rain, nein! Geh nicht!"
„Fire, zurück ins Bett mit dir. Du bist sicher noch verwirrt", versuchte Mr. Walsers seinen Sohn zu beruhigen.
„Nein! Rain hat mich doch gerettet! Sunny, sag doch ihnen die Wahrheit!"
Doch Sunny schwieg. Und Astrid drehte sich nicht um. Sie war nun schon über die Türschwelle getreten, als Fire sie an der Hand zurückhielt.
„Ich weiß nicht, was mit euch allen los ist, aber ich bin mir sicher, dass du nicht schuldig bist, und selbst wenn, ich will nicht, dass du gehst."
Astrid fragte sich, wie man sie nach einer Woche nur so sehr mögen konnte. Doch sie riss sich los, ohne sich nochmal umzudrehen, nur mit den Worten: „Danke nochmal für das Bild."
Ein schwarzes Auto fuhr vor und Astrid öffnete die hintere Tür. Doch gerade, als sie einsteigen wollte, rief wieder jemand: „Warte!"
Diesmal war es Sunny. Astrid hörte genau, was sie ihren Eltern erzählte, Mrs Walsers war nun auch dazu gekommen.
„Astrid hat Fire gerettet, es war meine Schuld, dass er weggerannt und auf die Straße gelaufen ist. Fragt Dr. Travers. Der hat ja nur geschwiegen, weil er dachte, Astrid wöllte es so und hat das respektiert. Ich respektiere das aber nicht. Astrid hat eine Platzwunde am Kopf, weil sie Fire vom Auto weggestoßen und sich selbst als sein Aufprallpolster ausgegeben hat, sodass er nicht verletzt wurde. Sie ist unschuldig. Vollkommen unschuldig."
Es herrschte Stille, bis Mr. Walsers das Wort ergriff.
„Ist das wahr, Astrid?"
Astrid sagte kein Wort. Sie wollte diese Familie nicht noch mehr in den Zwiespalt drängen.
„Ja, Dad es ist wahr! Glaub uns doch bitte! Astrid wird ja sowieso nichts erzählen."
„Astrid, ich bitte dich. Komm zurück, ja? Lass uns das klären", bat Mrs Walsers mit sanfter Stimme, aus der man eine Spur Erleichterung heraushören konnte.
Doch Astrid bewegte sich kein Stück.
„Es tut mir leid, dass ich euch alle belästigt habe", war alles, war sie hervorbrachte, ehe sie sich ins Auto setzte.
„Ich werde dich nirgendwo hinfahren."
Astrid schreckte auf, als ihr Fahrer sie vom Rückspiegel aus ansah. Astrid hatte noch nie zuvor mit auch nur einem von ihnen geredet, außer wenn sie ihre Fahrer darum gebeten hatte, sie einfach irgendwo auszusetzen.
Fire erschien neben ihr, nahm sie bei der Hand.
„Komm. Bitte. Sei nicht so egoistisch."
Obwohl Astrid gerne egoistisch gewesen wäre, kam ihr plötzlich ein Gedanke. Wollte sie für immer so leben? Nie eine Familie oder Freunde haben, immer neue Eltern, eine neue Schule? Nie glücklich werden? Dies hier war endlich eine Chance, bleiben zu können, denn es gab Menschen, die Astrid scheinbar um sich haben wollten. Dies könnte vielleicht endlich eine Familie für Astrid werden. Doch konnte sie das wirklich sagen? War es denn das Risiko wehrt, sich so sehr zu binden, nur um dann noch mehr verletzt zu werden?
Plötzlich sagte Fire etwas, was das Beste war, dass er hätte sagen können: „Keine Sorge Rain. Ich verspreche dir, dich nie zurückzulassen, okay?"
Und Astrid ließ sich, von diesem Versprechen gerührt, vorbei an den gehassten roten Rosen, zurück ins Haus führen.
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