Kapitel 19, Gefühle
„Hey Robby", begrüßte Ca den Jungen im Krankenbett beim Hereinkommen. Dieser setzte sich bei der Ankunft der beiden Mädchen auf, nur um schmerzhaft das Gesicht zu verziehen.
„Hey Leute", presste er hervor und Astrid eilte schnell zu seiner Seite, um ihn beim Sitzen etwas behilflich zu sein. Eine Sekunde zu lang verharrten sich ihre Blicke. Dabei fiel Astrid auf, dass seine dunklen Augen ein tiefes Blau hatten, in welches sie versinken konnte.
„Wow, ein Einzelzimmer, wie privilegiert", meinte Ca durch die Zähne pfeifend und holte Astrid dadurch wieder in die Realität zurück. Sie blickte zu ihrer Freundin und bemerkte, dass sie sich nun auch mit einem Lächeln zu Robin wandte.
„Wie geht's dir? Wir haben sogar ganz wie es sich gehört einen Blumenstrauß mitgebracht", flötete sie fröhlich wie immer und wedelte mit dem Strauß, welchen sie und Astrid auf dem Weg ins Krankenhaus noch schnell gekauft hatten, vor seiner Nase herum. Auf Robins Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.
„Danke, dass ihr da seid. Mir geht's gut, wenn man die Umstände bedenkt. Die Heiler machen ihre Aufgabe wirklich gut", beantwortete er Cas Frage.
„Na komm, du musst nicht den Harten spielen", tadelte Ca und stemmte die Arme in die Hüfte.
„Du solltest aufpassen, dass du den Blumenstrauß nicht zu Tode malträtierst", lachte er.
„Und ich spiele nicht den Harten. Es geht schon. Ja, die Wunde schmerzt noch etwas, aber es ist wirklich nicht schlimm."
„Sag mal, was ist mit deinen Eltern? Sind sie nicht bei dir?", wechselte Astrid das Thema und setzte sich ans Ende des Bettes, nachdem Robin auf ihren fragenden Blick hin kurz genickt hatte. Sie hatte ihn seiner Gegenwart plötzlich das Gefühl, nicht mehr allzu lange stehen zu können.
Robins Blick verdüsterte sich schlagartig und er sah weg. Innerlich seufzte Astrid. Sie trat wohl heute von einem Fettnäpfchen in das nächste. Super Job, Astrid, dachte sie und verfluchte sich selbst.
„Es tut mir leid, ich wollte nicht...", begann sie, doch Robin winkte ab.
„Schon gut. Mein Vater war den halben Tag schon hier, aber nach dem Mittag ist er nach Hause."
Dann studierte er Astrid eindringlich und runzelte die Stirn.
„Aber wie ich sehe, sollte ich mal lieber euch fragen, wie es euch geht. Astrid, du siehst ziemlich fertig aus aus. Also nicht furchtbar, aber naja, du weißt schon. Schlimmer als sonst, also nie, dass du schlimm aussehen würdest, du siehst toll aus..."
„Robin, wir wissen, was du meinst", lachte Ca, während Astrid rot wurde. Schnell ließ sie ihre wirren Locken ein wenig ins Gesicht fallen. Allerdings wich ihr fast alle Farbe wieder, wenn sie an das sensible Thema dachte.
„Es ist Sunny, sie..." Astrid schluckte. Es hatte sich schon wieder ein Kloß in ihrem Hals gebildet und sie musste feststellen, was für ein Sensibelchen sie doch geworden war.
Als sie aufsah, bemerkte sie Robins besorgten Blick und sah weg. Was, wenn er der gleichen Meinung wie Sunny war? Dass sie verantwortlich für Mr. Walsers' Tod war? Sie fühlte sich wie die Verräterin, die sie alle zu Beginn des Trainings beschimpft hatten.
„Sunny hat sich vom Tod ihres Vaters noch nicht wieder erholt und verbietet deswegen Astrid jedwede Aktivitäten, die Spaß machen. Beziehungsweise verübelt sie es ihr, dass sie schon weiter vorwärtsblickt, wo der Tod nicht einmal eine ganze Woche zurückliegt", sprach nun Ca für Astrid und verdrehte dabei die Augen.
„Ich weiß nicht, was das von ihr soll, ehrlich gesagt, wir sind doch Freunde", schimpfte sie und lief im Krankenzimmer auf und ab.
„Sie ist nur traurig, bestimmt meint sie es nicht so", versuchte Robin ein wenig die Stimmung zu erhellen, aber Astrid schüttelte den Kopf.
„Nein, ich glaube, wenn es das wäre, hätte sie mich von Anfang an als Mörderin betitelt. Je mehr Zeit sie zum Nachdenken hat, desto mehr ist sie sich ihrer Sache sicher."
„Sie braucht einen Sündenbock..."
„Ja, aber doch nicht ihre Freundin", stieß Ca empört aus und fuchtelte mit den Armen herum.
„Egal, wir müssen da ja jetzt nicht weiter drüber reden, es gibt wichtigere Sachen, die noch nervenzerreißender sind", winkte Astrid das Thema ab, bevor Ca sich noch so sehr in Rage redete, dass die Wand dabei zu Schaden kommen könnte. Angespannt rieb sie sich die Schläfen.
„Ich werde jetzt erst einmal eine Vase holen, sonst sind die Blumen schneller tot als ich Engel sagen kann", sagte Ca und riss die Zimmertür auf.
In einer Sekunde stürmte Ca aus dem Zimmer, in der nächsten Sekunde war Astrid klar, dass sie gerade mit Robin allein war. Ihre Haut begann unangenehm zu kribbeln und ihr Herz begann auf für sie unerklärlicher Weise schneller zu schlagen. Sie wusste diese Gefühle nicht ganz zuzuordnen, wünschte sich aber gerade nichts sehnlicher, als dass sie verschwinden würden. Während sie ihre schwitzenden Hände in ihrem Schneidersitz zusammenfaltete und sich so drehte, dass sie Robin gegenübersaß, versuchte sie, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen.
„Wann wirst du entlassen?", presste sie die erstbeste Frage hervor, die ihr in den Sinn kam.
Meine Güte, bleib relaxt, wies sie sich selbst zurecht, ist ja peinlich.
„Ich schätze, heute Abend schon, unsere Regenerationsphase dauert ja zum Glück nicht lang", erklärte er und lächelte sie an, was dazu führte, dass ihr Herzschlag für eine Sekunde aussetzte.
„Da bin ich froh, dass es dir wieder besser geht, ich habe mir gestern wirklich Sorgen gemacht."
„Ja, es war eine ziemlich anstrengende Nacht, aber ich habe gehört, dass du ja noch einmal kämpfen musstest."
Astrid nickte und dachte an das kleine Mädchen, welches ihre Eltern verloren hatte. Ihre Stimmung verdüsterte sich schlagartig. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass ihre Probleme so unbedeutend waren und sie kein Recht hatte, sich zu beschweren. Sunny hatte ihren Vater verloren, Paula war nun Vollwaise und hatte ihre Eltern beim Sterben zugesehen, und sie? Sie konnte nur sich selbst bemitleiden. Robin musste ihren Stimmungswechsel mitbekommen haben.
„Hey, alles okay? Falls dich das mit Sunny so sehr mitnimmt..."
„Nein, das ist es nicht, also nicht nur", unterbrach sie ihn und seufzte. Sie konnte Robin nicht erklären, was in ihr vorging. Zum einen, weil sie selbst bemerken würde, wie unbedeutend ihre Probleme eigentlich waren, zum anderen, weil sie nicht wollte, dass er sie für schwach hielt. Was gäbe sie für ein Bild ab, wenn sie schon bei kleinsten Problemen auf höchstem Niveau jammerte? Als Robin sie weiterhin geduldig ansah, als erwarte er eine Erklärung, schüttelte sie mit dem Kopf.
„Die letzte Nacht war einfach ein wenig ermüdend. Ich hatte vorher noch nie Menschen verletzen müssen."
Das war tatsächlich nicht mal gelogen. Gestern war es ihr erstaunlich leichtgefallen, einfach auf andere Menschen zu schießen, und irgendwie machte ihr das Angst. Sie hatte zwar niemanden umgebracht und hatte aus Selbstverteidigung gehandelt, aber nie hatte sie daran gedacht, andere so leichtfertig wehtun zu können. Würde es dir dann nicht auch genauso leichtfallen, andere Menschen leiden zu lassen oder sogar umzubringen? Steckte tief in ihr ein Monster, welches zum töten bereit war und nur darauf wartete, von ihr geweckt zu werden?
Eine plötzliche Berührung ließ sie in die Realität zurück gleiten. Robin hatte sich nach vorn gebeugt und nun ihre Hand ergriffen, die sich in ihr Hosenbein gekrallt hatte. Durch die Berührung lockerte sich der Griff und ihr Herz fing an zu rasen. Plötzlich waren all ihre düsteren Gedanken wie weggefegt, alles, an das sie gerade denken konnte, war Robins Hand um ihre und seine Augen, welche sich in die ihren bohrten.
„Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist", flüsterte er fast und Astrid wandte den Blick ab, da sie sonst das Gefühl hatte, sich in seinen Augen zu verlieren und keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können.
„Ich bin froh, dass dir nichts Schlimmeres widerfahren ist. Wenn sie dich umgebracht hätten...", Astrid konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Stattdessen zog sich ihr Herz bei dem Gedanken zusammen. Sie wusste nicht, wann genau ihr Robin so wichtig geworden war oder wann sie derart Gefühle für ihn entwickelt hatte. Aber nach der gestrigen Nacht am Bahnhof, als sie miteinander redeten, war es ihr klar geworden, dass sie mehr für Robin empfand. Ob sich Ca gerade mehr Zeit ließ, eine Vase zu besorgen? Eigentlich sollte sie jeden Moment ins Zimmer stürmen...
Der Druck um ihre Hand wurde stärker und zwang Astrid, wieder aufzusehen.
„Weißt du, du hast mir immer noch keine Antwort gegeben", meinte Robin nach einer Pause, während er gedankenverloren eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht strich, was nur dazu führte, dass Astrids Gehirn in Zuckerwatte verwandelt wurde. Na toll, da waren ihre klaren Gedanken auch schon dahin.
„Was?", fragte sie dümmlich, während sie versuchte, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.
„Ich habe dich zu dem blöden Ball heute eingeladen, aber wir wurden dann ja unterbrochen."
„Sehr unangenehm unterbrochen", ergänzte Astrid ihn.
„Aber in deinem Zustand gehst du nicht zu diesem Ball", fügte sie mit gespielter Härte in ihrer Stimme hinzu und stämmte, ihre beste Freundin nachahmend, die Arme in die Hüfte.
Robin grinste sie schief an.
„Sonst was?"
Ehe Astrid etwas antworten konnte wurde die Tür aufgerissen und die Beiden wichen voneinander zurück. Astrid hatte gar nicht bemerkt, wie nahe sie sich gekommen waren.
„Ich habe eine Vase gefunden", rief Ca und hielt triumphierend eine blaue Vase in die Luft, bevor ihr Blick zu ihren wahrscheinlich sehr verdächtig wirkenden Freunden huschte und sie breit zu grinsen anfing. Astrid spürte, wie ihr Gesicht glühte.
„Ich kann natürlich auch noch eine zweite holen."
Mit einer mickrigen Verkleidung erschienen sie, Astrid, weder mit Begleitung noch Lust, und Ca mit deren Begleitung Marc, den sie nicht kannte, aber scheinbar mit Ca Biologie belegte, auf den Ball. Robin hatte sie versprochen am nächsten Tag Bericht zu erstatten und einen Krankenbesuch zu machen, während Pearl sie um elf höchstpersönlich abholen wollte. Immerhin. Trotzdem hatten sie, Robin und vor allem Ca darauf bestanden, dass Astrid ein paar Stunden mit zum Halloweenball ging und sich amüsierte. Ein gemütlicher Abend mit einem Buch oder guten Film wäre ihr dann aber doch lieber gewesen. Obwohl, dann wäre sie aber auch mit ihren Gedanken allein.
Die Party war schon im vollen Gange, als Astrid, Ca und Marc ankamen. Vor der Turnhalle hörte man laute Musik, der Platz wurde mit Kürbissen und Kerzen geschmückt, die einen Weg zum Eingang bildeten. In den umliegenden Bäumen hingen künstliche Spinnenweben und Girlanden, während von einigen Ästen Geister- und Hexenattrappen baumelten. Hier und da tummelten sich Schüler, welche ihre stündliche Dosis an Nikotin brauchten oder einfach sich ordentlich unterhalten wollten, denn Astrid konnte sich nicht vorstellen, dass man bei der lauten Musik noch ein Gespräch auf normaler Lautstärke führen konnte. In der Turnhalle angekommen, sprang Astrid eine kitschicke Schmückung ins Auge. Überall hingen Spinnweben und Girlanden. Ebenso thematisch wurde das riesige Büfett gehalten. Kürbispastete, Blutcocktails, Hexenbowle, als Augen getarnte Kekse, Gebäck in Form von Eingeweiden und sogar ein abgehackter Kopf.
Kaum waren sie in der Halle angekommen, wurde Astrid von Tobias begrüßt. Fragend erkundigte er sich nach Robin und Astrid erklärte ihm, dass er sich eine Erkältung geholt hatte.
„Wie ärgerlich. Und ihr seid euch wirklich sicher, dass es nicht eine erfundene Ausrede von ihm ist?", stellte Tobias ihre Aussage infrage, verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue nach oben, sodass Astrid ihn in die Schulter boxte.
„Hey Loverboy, haben die anderen schon eingetanzt?", fragte Ca Tobias, ohne dessen Frage zu beachten, während sie sich etwas von der Bowle in ein Glas kippte.
„Ist die mit Alkohol?" Astrid blickte ihre Freundin skeptisch an, was Marc zum Lachen verleiten ließ.
„Aber Hallo. Ich habe gehört, die Zwölfer haben hochprozentigen Wodka reingeschmuggelt und versuchen damit die steife Mrs Helen besoffen zu bekommen."
Tobias versuchte, die Aussage zu ignorieren, wohl, weil er Schülersprecher war und daher besser aufpassen sollte, dass eben kein Wodka auf eine Veranstaltung, wo Minderjährige zugegen waren, geschmuggelt wurde, er aber auch gleichzeitig keine Spaßbremse sein wollte.
„In einer viertel Stunde wird eingetanzt, ich bin gleich mit meiner Band dran. Ich wollte auch nur schnell Hallo sagen und dass ich mich freue, dass ihr da seid", antwortete er Ca stattdessen und verschwand damit hinter der Bühne.
„Er ist ziemlich aufgeregt, wie süß", merkte Ca an und trank einen großen Schluck grüne Bowle, in der irgendwelche undefinierbaren Stückchen herumschwammen.
Währenddessen sah sich Astrid weiter um. Es waren schon sehr viele Schüler da, die meisten hatten sich an den runden Tischen, die an der Seite standen, gesetzt und blickten gelangweilt umher. Nur ein paar wenige Verrückte hatten sich schon auf die Tanzfläche getraut und tanzten. Verrückte oder schon Betrunkene. Andere wiederrum standen wie sie in der Nähe des Büffets oder am Rand. Im Großen und Ganzen wirkte die Veranstaltung ziemlich langweilig.
„Ich hoffe, Tobias' Band macht gleich bessere Stimmung, sonst ist das hier ja echt zum Einschlafen", bemerkte auch Ca und Marc schien jetzt schon bereut zu haben, mitgekommen zu sein. Astrid bemerkte, wie er sich unauffällig nach irgendwelchen Menschen umsah, die er kannte, um zu denen zu verschwinden.
„Hey, alles okay? Bleib locker", raunte ihr Ca zu, oder besser gesagt schrie sie fast, und stieß ihr leicht in die Seite. Astrid hatte gar nicht bemerkt, wie verkrampft sie war.
„Tut mir leid, ich bin nicht in Partystimmung und ehrlich gesagt... war ich auch auf noch keinem Ball oder Party", gestand sie und lächelte ihre Freundin entschuldigend an, welche fast ihre Bowle wieder ausgespuckte.
„Auf keiner?", schrie sie entrüstet und lauter als geplant, denn sofort drehte sich Marc wieder zu ihnen und sah neugierig zwischen ihnen hin und her.
„Was ist los?"
Ca machte den Mund auf und wollte etwas sagen, da stoppte die laute Musik und stattdessen tauchte die Schuldirektorin Mrs Helen auf der Bühne auf. Alle Aufmerksamkeit war nun auf sie gerichtet.
„Lieber Schüler und Schülerinnen, liebe Kollegen und Kolleginnen, hiermit begrüße ich euch zum diesjährigen Halloweenball. Wie immer könnt ihr, wenn ihr wollt, beim Ranking für das schaurigste Kostüm mitmachen oder mitstimmen, bis 23 Uhr geht die Verlosung. Um Mitternacht werden wir den oder die Gewinnerin verkünden. Neben der Bühne ist die Voting-Box. Außerdem hat sich unser Ballkomitee dieses Jahr um eine Fotoecke gekümmert. Dabei möchte ich allen Teilnehmern für die Organisation und den kreativen Dekor danken. Ihr habt alle tolle Arbeit geleistet. Außerdem wird wie jedes Jahr unsere Schulband den Ball einspielen und ich bitte nun die Schüler der Oberstufe zum Eintanzen."
Noch während des Applauses nahm Ca Marc an der Hand und zerrte ihn zur Tanzfläche. Astrid sah ihr nur kopfschüttelnd hinterher und suchte sich im nächsten Moment einen Sitzplatz an einem Tisch am Rand, der nun leer geworden war, da die Schüler, die vorher hier saßen, nun zum Eintanzen auf die Tanzfläche verschwunden waren. Astrid beobachtete die tanzende Menge und stellte sich vor, wie sie gerade mit Robin zwischen den anderen stehen würde, wenn er hätte kommen können. Wahrscheinlich hätten sie ganz furchtbar ausgesehen und Astrid wäre ihm ständig auf die Füße getreten. Zum einen, weil sie nicht tanzen konnte, zum anderen, weil sie bestimmt ganz andere Gedanken im Kopf gehabt hätte, wie auf den Rhythmus ihrer Atmung zu achten, oder überhaupt zu atmen und sich daher hätte kaum konzentrieren können. Aber spaßig wäre es trotzdem gewesen. Und jetzt saß sie hier allein und versuchte die Zeit abzusitzen, während sie Tobias' Band zuhörte und den anderen beim Tanzen zusah. Nach dem ersten Lied reihten sich auch die jüngeren Schüler ein und Ca schien sich mit Marc sehr zu amüsieren, denn nachdem auch die nächsten zwei Lieder verklungen waren, saß Astrid immer noch allein am Tisch. Kurzerhand beschloss sie, zum Buffet zu gehen und dem Ballkomitee die Ehre zu erweisen, etwas von dem üppigen und stilvoll hergerichteten Essen zu probieren. Gerade wollte sie einen Augenkeks probieren, als jemand neben sie trat und seine Hand neben ihr auf den Buffettisch abstützte.
„Keine Lust zum Tanzen oder keinen Tanzpartner?"
„Beides", antwortete Astrid knapp und ohne ihn auszusehen schnappte sie sich einen Keks. Mit keinem weiteren Kommentar bewegte sie sich wieder in Richtung des Tisches und schnappte sich beim Gehen noch ein Glas Bowle. Der Blutcocktail erinnerte sie zu sehr an letzte Nacht, Blut hatte sie nun wirklich genug gesehen. Und genug hing an ihren Händen.
Sie bemerkte, dass der Junge ihr folgte und überlegte, ob sie aufs Mädchenklo abhauen sollte. Lust auf menschliche Interaktion hatte sie keine, vor allem nicht, wenn es sich dabei um irgendwelche fremden Jungs handelte. Sie entschied sich jedoch dazu, sich nicht beeindrucken zu lassen und versuchte, ihn mit Ignoranz zu verscheuchen, ohne Erfolg. Dabei war es mal ihre Spezialität gewesen.
„Wenn du mich fragst, hätten sie noch mehr Alkohol in diese Bowle machen sollen", laberte er sie weiter zu.
„Und die Dekoration ist auch viel zu kitschig. Aber gut, den jüngeren Schülern gefällt das ja vielleicht."
Astrid spürte seinen Blick, der sich in ihre Seite bohrte. Wo war Ca, wenn man sie mal brauchte? Sie suchte ihre Freundin auf der Tanzfläche, konnte sie aber nirgendwo entdecken. Marc ebenfalls nicht. Sie würde doch nicht... Gedanklich schüttelte Astrid den Kopf und dachte daran, was Ca ihr über ihre Vergangenheit erzählt hatte. Und Marc war kein Dämon. Was aber, wenn er ein Engel war? Sollte Astrid nach ihr suchen gehen?
„Du bist nicht sehr gesprächig, was? Nach wem suchst du denn?", nervte der Junge währenddessen weiter und Astrid, die es nun kaum aushalten konnte, sah ihn funkelnd an.
„Lass mich in Ruhe."
Der Junge, verkleidet als Frankenstein, ging bei ihren harschen Worten jedoch nicht, sondern grinste sie breit an. Seine sich dabei bildenden Grübchen hätte Astrid wahrscheinlich als niedlich empfunden, wenn er sie nicht gerade so unglaublich nerven würde. Im Gegenteil. Dieses Lächeln ließ sie noch mehr zur Weißglut bringen.
„Nur, wenn du mit mir tanzt", meinte Frankenstein unbeeindruckt und lehnte sich vor.
„Andererseits kann ich auch meine geflügelten Freunde rufen. Die würden sich tierisch freuen, wenn sie wüssten, dass du hier bist", flüsterte er nun in ihr Ohr und obwohl die Musik immer noch sehr laut war, verstand Astrid jedes Wort. Augenblicklich gefror ihr das Blut in ihren Adern. Vor ihr saß ein Engel.
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