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Kapitel 14, Sturm

Während sie versuchte, sich so unauffällig wie möglich zu bewegen, rannte Astrid die Straße hinunter in der gleichen Richtung, in der auch Sun verschwunden war und binnen weniger Sekunden war sie bis auf die Knochen durchnässt. Dieses sture, eigensinnige Mädchen! Wenn ihr etwas passierte, dann konnte sie was erleben! Astrid nahm das Telefon, rief aber zunächst nicht Fire an, sondern versuchte es bei Sun, ohne Erfolg. Nachdem sie ein paar Minuten das eintönige Wahlgeräusch hörte und schließlich die Mailbox ranging, gab sie es auf. Ein wenig entmutigt, denn das hätte ihre Suche einfacher gestaltet, wählte Astrid die nächste Nummer, bevor sie Fire anrief. Es dauerte einige Sekunden und Astrid dachte schon, sie würde nicht drangehen, als sie schließlich die verschlafene Stimme von Ca am anderen Ende der Leitung hörte.

„Hmmmm?"

„Hey, Ca, ich bin's, Ada."

„Oh, Ada, weißt du eigentlich, wie spät es ist?"

„Tut mir leid, dich zu wecken, aber dies ist ein Notfall!"

Augenblicklich war Ca hellwach.

„Notfall? Was ist los?"

Astrid schilderte ihr schnell die ganze Situation, nicht ohne aufzuhören zu rennen und dabei nach Sun Ausschau zu halten.

„Ist das zu fassen? Dieses Mädchen!", schimpfte Ca am Telefon, während sich Astrid hinter dem nächsten Baum versteckte, um die Lage zu peilen. Nichts. Nur der stetige Regen und das immer schwächer werdende Donnergrollen, ansonsten war alles friedlich. In ein paar Häusern brannte noch das Licht, aber die meisten Leute waren inzwischen Schlafen gegangen.

„Wann bist du da?", flüsterte Astrid in das Telefon, nachdem sie sich vergewissert hatte, sicher zu sein.

„Schätze so in einer viertel Stunde."

„Okay, aber beeil dich!"

„Das musst du mir nicht sagen. Bis gleich."

„Bis gleich, und sei vorsichtig!"

„Du auch."

Damit war die Leitung unterbrochen und Astrid wählte die Nummer von Fire, während sie weiter rannte. Im Gegensatz zu Ca dauerte es hier nicht einmal drei Sekunden, da war die Verbindung schon da. Doch entgegen ihrer Erwartung sprach jetzt eine ganz andere Stimme ins Telefon.

„Astrid Marinette Evers! Du und deine Schwester steckt in richtigen Schwierigkeiten, meine Liebe!", rief die vor Wut schäumende Mrs Walsers in den Hörer.

„Und wenn ihr nicht sofort nach Hause kommt, werdet ihr euer blaues Wunder erleben!"

„Tut mir leid, Rain!", rief Fire aus dem Hintergrund, „Ich habe versucht, euch zu decken, aber Mum hat herausgefunden, was ihr vorhabt."

„Du wirst sofort in dein Bett gehen, Fire, und wehe ich muss das noch einmal sagen! Und zurück zu dir, Astrid! Für wie doof haltet ihr mich eigentlich, dass ihr denkt, ich würde von alledem nichts mitbekommen! Ihr steckt in großen Schwierigkeiten!"

Mrs Walsers war rasend vor Wut und Astrid war froh, sie nur hören zu müssen. Ihr lief es kalt den Rücken hinunter, wenn sie nur daran dachte, was ihr erblühen würde, wenn sie nach Hause käme.

„Und wenn das erst dein Vater hört, wird er auch noch ein Wörtchen mit euch zu reden haben!"

„Sobald ich Sunny gefunden habe, bringe ich sie nach Hause, versprochen!", sagte Astrid schnell und bevor Mrs Walsers noch etwas erwidern konnte legte sie auf. Ihr entwich ein Seufzen. Eigentlich hatte ihre Ziehmutter recht – wie konnten Sun, Fire und sie nur annehmen, Mrs Walsers würde ihr Verschwinden nicht bemerken, geschweige denn Verdacht schöpfen? Schließlich war sie ihre Mutter, und die wussten und spürten immer alles, zumindest hatte Astrid sich das von Fire sagen lassen. Aber selbst wenn sie es erahnt hatte, hätte das Astrids Entscheidung, Sunny hinterher zu rennen, nicht geändert und sie zweifelte auch nicht daran, dass es Sunnys Vorhaben verhindert hätte.

Astrid war eine ganze Weile gerannt, als sie plötzlich eine Bewegung hinter sich wahrnahm. Sie drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um einem Wurfmesser auszuweichen. Doch kaum hatte sie sich wieder gefangen, flog das nächste auf sie zu und Astrid warf sich zu Seite. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals, während sie versuchte, die Schmerzen an ihrem Rücken, Kopf und Handballen zu ignorierten, die durch ihre Sprungrolle auf den Asphalt entstanden waren. Es war halt doch anders als auf einer Matte, wie sie wie üblich gewohnt war, aber damit musste sie jetzt klarkommen.

Während sie den Kopf hochriss und ihre Kapuze verlor, hingen ihr nasse Haarsträhnen nervend im Gesicht, doch Astrid durfte ihre Konzentration nur noch ihren Angreifer widmen. In der Dunkelheit konnte sie nicht den in schwarz gekleideten Mann erkennen, zumal er eine Kapuze trug –selbstverständlich. Seine schwarzen Flügel schimmerten golden und seine Gestalt erinnerte Astrid an die eines Todgottes. Er hatte eine bedrohliche und gefährliche Aura und Astrid wusste sofort, dass vor ihr kein Amateur stand, sondern ein fähiger Engel, der bereit war, zu töten, und das auch konnte. Bis vor zwei Wochen hätte Astrid noch hilflos dagestanden und wäre wahrscheinlich vor Angst weggerannt, doch nun wusste sie, wie sie sich verteidigen sollte. Nun war sie bereit, es mit den Engeln aufzunehmen, denn sie fühlte sich eindeutig sicherer und selbstbewusster. In diesem Augenblick war sie dankbarer wie nie zuvor, Dämonentraining gehabt zu haben und hoffte auf ihre Reflexe und ihre gelernten Fähigkeiten, nun nicht so sehr zu versagen wie beim ersten Mal, als ein Engel sie angegriffen hatte.

Der Engel warf noch eine Waffe, doch diese wurde diesmal von Astrids hervorblitzenden Flügeln pariert. Irgendwie war es ein berauschendes Gefühl, zu wissen, dass man in großer Gefahr war, aber nun auch schon die Lorbeeren ihres anstrengenden Trainings austragen zu können.

„Astrid Evers", rief er gelassen und musste fast schreien, damit seine Stimme durch den Regen durchdrang. Doch trotzdem war seine Stimme immer noch kühl, bedrohlich und tief. Und messerscharf.

„Schätze, es sollte mich nicht überraschen, dass du meinen Namen kennst", meinte Astrid und rief dabei deutlich lauter und unsicherer. Denn in Wirklichkeit war sie überrascht, dass er ihren Namen kannte und sie fragte sich, woher.

„Schätze nicht", gab er selbstsicher zurück und holte aus einer Tasche noch drei Wurfsterne, mit denen er erneut Astrid angriff.

„Dann wäre es ja nur zu fair, du würdest mit verraten, wer du bist", konterte sie, während sie den Wurfsternen auswich, die so schnell wie Pistolenkugeln auf sie zu jagten. Dennoch hatte sie das Gefühl, das er nicht ernsthaft blieb, dass er nur mit ihr spielte. Als würde er gelangweilt seine Wurfsternchen werfen ohne eine Intention, überhaupt zu treffen.

„Du hast meinen Namen mit Sicherheit schon einmal gehört", sagte er, doch Astrid kam es vor, als sei er viel näher, und noch in der gleichen Sekunde, als sie dies realisierte, stand er vor ihr. Erschrocken wich sie zurück, doch er packte sie am Kinn und zwang sie, ihn direkt in die Augen zu sehen, indem er ihr Kinn anhob. Er musste zwei Köpfe größer sein, als sie. Astrid versuchte sich seinen Griff zu entwinden, vergebens. So sah sie sein selbstgefälliges Grinsen und starrte stur in seine violetten Augen, die sie, wie sie sich eingestehen musste, sehr faszinierend fand. Doch die Dunkelheit um sie herum verstärkte den gefährlichen Ausdruck in seinen Augen, die leuchtend schienen im Gegensatz zu dem durch die Kapuze im Schatten liegende Gesicht. Er sah aus, wie ein todbringender Assassine, eine wilde Bestie, die drauf und dran war, ihre Beute zu verschlingen.

Am liebsten hätte sie ihm jetzt ihre Faust oder ihr Knie in seinen Magen oder anderen schmerzempfindlichen Regionen gerammt, aber aus irgendeinen Grund konnte sie sich keinen Zentimeter bewegen. Hatte sie Angst, jemanden ernsthaft wehzutun?

„Also ist es wahr. Sie hatten Recht, und nun bist du in London. Wir dachten uns schon, dass das der Grund sein musste, dass Johnson von der Bildfläche verschwunden ist", flüsterte er fast, und obwohl immer noch Regen auf sie niederprasselte, konnte Astrid jedes Wort verstehen. Johnson musste ihr erster Angreifer gewesen sein, aber sie hatte sich nicht nochmal näher danach erkundigt, was mit ihm passiert war. Es war ihr im Grunde auch egal. Zumindest jetzt. Weiterhin stur sah sie den Engel an und sagte kein Wort, versuchte nur langsam und unbemerkt eine Feder zu ziehen. Ihr Herz fing an, wild zu klopfen, und Astrid glaubte, dass es ihr fast aus der Brust sprang. Das Pochen war so laut, dass sie überrascht war, dass es sie nicht verriet. Vielleicht tat es das aber auch und er ließ es sich nicht anmerken und grinste insgeheim über ihr aussichtsloses und armseliges Vorhaben.

Sie spürte das kalte Metall eines Dolches, sie könnte jederzeit zustechen. Wertvolle Sekunden verstrichen, in denen Astrid in Erwägung zog, einfach zuzustechen. Ihre Hände begannen zu schwitzen, ihr Atem ging rascher, als die Mundwinkel des Engels sich zu einem schiefen selbstgefälligen Grinsen formten.

„Angst, zuzustechen?"

Astrid war zu erschrocken, als darauf zu reagieren, als keine Sekunde später plötzlich ein Ruf ertönte.

„As!"

Automatisch drehte sich Astrids Kopf zum Ursprung des Rufes und musste ihn zugleich wegziehen, da ein Pfeil genau zwischen ihren und den Kopf ihres Angreifers vorbeiflog. Damit war er gezwungen, sie loszulassen und wich mit einem eleganten Sprung nach hinten aus.

„Ada! Bist du okay?", rief Ca und rannte auf ihre Freundin zu, ihren Bogen in der Hand und die Klamotten klitschnass. Astrid blickte jedoch statt zu antworten zu dem Engel, um ihre Deckung nicht fallen zu lassen, doch dieser schien nicht einmal die Intentionen dazu zu haben, noch einmal anzugreifen.

„Tja, ich muss dann mal los", meinte er stattdessen und grinste selbstgefällig, als wäre er nur auf einen Tee vorbeigekommen, um mal kurz Hallo zu sagen. Seine Art, sein Blick und seine Weise, wie er mit ihnen redete ließ Astrid darauf schließen, dass er einfach keine Lust, sich den beiden Mädchen zu stellen. Nicht, dass er den Kampf nicht gewonnen hätte, aber als würde er einfach zu faul und zu arrogant dazu sein, sich jetzt noch die Hände schmutzig zu machen. Außerdem schien er erreicht zu haben, was er erreichen wollte, auch wenn Astrid nicht wusste, was das war. Sie knirschte mit den Zähnen und bekam das plötzliche Verlangen, diesem stolzen eingebildeten Mistkerl den Seraphs auszuhändigen.

„Aber keine Sorge, wir werden uns sicher noch ein paar Mal wiedersehen, das verspreche ich dir", fügte er noch hinzu und sein Grinsen wurde breiter, als hätte er ihr ihre Gedanken erraten und sichtlich Freude daran.

„Ich warte nur darauf", erwiderte Astrid schlagfertig und versuchte einen genauso selbstsicheren Ton zu treffen, wie er.

„Ich freue mich schon", sagte er mit einem letzten breiten Grinsen, das seine weißen Zähne offenbarte. Dann war schon weg, verschmolzen mit der Nacht. Astrid sah ihm hinterher, sah in die Nacht und starrte den Fleck an, an dem er aus ihrer Sicht verschwunden war. Was für ein komischer...

„Ada!"

Astrid taumelte ein wenig nach hinten, als ihre Freundin sie drückte, und obwohl sie schon längst nichts mehr dagegen hatte, schob sie Ca von sich. Sie mussten jetzt an ihre eigentliche Mission denken. Weg von diesem Engel, der jetzt erst einmal keine Rolle mehr spielen sollte.

„Wir müssen Sun finden, vielleicht steckt sie in Schwierigkeiten!", erklärte Astrid, während sie wieder ihre Flügel einzog. Das war durchaus im Bereich des Möglichen, da ja dieser Engel ja auch sie gefunden hatte, konnte Sun ja anderen Engeln in die Hände gefallen sein. Vielleicht war es sogar schon zu spät, doch so weit wollte und traute sie sich nicht zu denken. Sie zu finden hatte jetzt oberste Priorität.

Ca blickte auf etwas in ihrem Gesicht und Sorge bedeckte ihren Blick.

„Was?", fragte Astrid irritiert, während sie sich an ihre Wange fasste und warmes Blut fühlte. Der Engel musste sie irgendwann mit einem Wurfstern geschliffen haben.

„Nur ein Kratzer", versuchte sie Ca zu beruhigen, „Sun ist jetzt wichtiger."

„Eigentlich hatte ich darauf gehofft, dass du sie schon längst eingeholt hättest, aber es wimmelt hier ja nur so von Engeln", meinte Ca und rümpfte dabei die Nase, als hätte sie etwas Ekelhaftes gerochen.

„Beeilen wir uns besser."

„Ja."

Die zwei Mädchen rannten weiter die Straße hinunter und riefen ab und zu Suns Namen, doch von ihr war keine Spur.

„Leaga wird uns umbringen, wenn sie erfährt, dass wir ohne ihr Wissen und das der Gruppe auf Einzelmission in einer so gefährlichen Nacht waren", bemerkte Astrid, während weitere Minuten verstrichen waren.

„Naja, ich habe da schon dran gedacht und ihr Bescheid gegeben. Sie sagte aber nur, dass es dafür nicht nötig sei, die anderen in zusätzliche Gefahr zu bringen", erzählte Ca und Astrid fiel ein kleiner Stein vom Herzen. Hätte Leaga diese Informationen nicht aus erster Quelle erfahren, hätte sie die Beiden sicher aus der Gruppe geschmissen, dessen war sich Astrid sicher. Aber Sun hatten sie immer noch nicht gefunden.

„Sun könnte jetzt sonst wo sein", jammerte Astrid entmutigt. Wohin sollte Sun denn gehen? Sie wusste ja nicht, wo gerade ihr Vater war, oder?

„Wäre jetzt schön, ein Aufspürungstalent zu besitzen", seufzte Ca, „Aber das wird einen erst später beigebracht."

„Aufspürtalent?", hakte Astrid nach, die sich mit jedem Schritt, mit jeder Minute, in der sie Sun nicht fanden, unruhiger und ängstlicher wurde.

„Ja, man kann unterschiedliche Talente trainieren, besser gesagt seine ganzen Sinne. Manchmal kann das sogar soweit führen, dass man ein klein wenig in die Zukunft blicken kann."

„Quatsch, wie soll das gehen?", fragte Astrid ungläubig.

„Bewegungen des Gegners vorhersehen, seine Absichten in seinen Bewegungen und in seinem Blick ablesen. Sowas halt."

Astrid hätte sich noch gerne weiter darüber informiert, aber angesichts ihrer erfolglosen Suche schaffte sie es nicht, darüber auch nur einen weiteren Gedanken zu verschwenden. Unter anderen Umständen hätte das Thema Astrid vermutlich total gefesselt, aber sie konnte sich nur darauf konzentrieren, Sun zu finden und die Gedanken und Horrorszenarien aus ihrem Kopf zu bekommen. Wo steckte sie nur? Astrids Angst wuchs stetig und irgendwie erinnerte sie das an den Tag, als sie mit ihrer Schwester und Fire in London gewesen war. Jetzt erst konnte Astrid wirklich nachempfinden, wie es für Sun wohl gewesen sein musste, schließlich waren sie und Fire schon von Geburt an Geschwister und Sun kannte sie bis jetzt nur einen Monat lang.

Der immer noch anhaltende Regen prasselte auf sie hernieder als sie in einem kleinen Park eine Pause machten, um dort nach ihrer Freundin Ausschau zu halten. Astrid hoffte nur, Sun so schnell wie möglich zu finden und bloß keinen weiteren Engel zu begegnen. Vor ihrem inneren Auge erschien wieder der Typ von vorhin und seine violetten Augen, die sich in ihr Hirn eingebrannt hatten. Es war ihr erster richtiger Kampf gegen einen Engel gewesen, wenn man das Kampf nennen konnte. Aber wenigsten hatte sie sich nicht verprügeln lassen wie beim letzten Mal. Und mit Sicherheit hätte sie sich auch weiter gegen ihn behaupten können, schließlich war sie ja kurz davor gewesen, ihm einen Dolch in die Brust zu rammen. Aber hätte sie das wirklich geschafft? Hätte sie ihn einfach erdolchen können? Sie fasste sich an den Kopf. Als ob sie sich getraut hätte, soweit zu gehen. Wie starr sie dagestanden hatte, unfähig einen Muskel zu rühren oder ihre Aufregung zu versecken. Er selbst hat es ja gesagt, hat ihre Angst und ihren Zweifel gespürt, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, woher er gewusst hatte, dass er kurz davorgestanden hatte, einen Dolch in die Brust gerammt zu bekommen - oder eben nicht. Aber er hatte dennoch gemerkt, dass Astrid einen Dolch gezogen hatte. Vermutlich eines dieser Sinnestalente, von denen Ca vorher erzählt hatte. Außerdem, grübelte Astrid weiter, wäre es sicher nicht gut für ihr Gewissen und den Seraphs gewesen, hätte sie ihn einfach so abgestochen, wo er sie gar nicht wirklich bedroht hatte. Sie war froh, dass Ca den Pfeil abgeschossen hatte. Keine Ahnung, was sonst passiert wäre. Wahrscheinlich hätte sie ins Gras gebissen.

Ca stupste sie in die Seite und holte sie aus ihren Gedanken.

„Hey, über was denkst du nach? Weißt du, wo Sunny sein könnte? Konzentriere dich, du hast es vorhin selbst gesagt. Das ist das wichtigste."

Astrid schüttelte den Kopf. Doch irgendwie sagte ihr ein Gefühl, dass sie hier in diesem Park genau richtig waren.

„Geht es dir wirklich gut?", hakte Ca noch einmal nach und musterte ihre Freundin besorgt, die abwinkte.

„Ja. Lass es uns einfach hier versuchen", meinte sie und langsam liefen sie den Weg entlang, sahen dabei aufmerksam zu allen Richtungen, doch es war so still, dass allein der Laut ihrer Schritte sie verraten hätte. Schließlich kamen sie an einen kleinen Pavillon an, und es war nicht schwer zu erkennen, dass jemand darinsaß. Astrid spürte, dass es Sun war, noch bevor sie nah genug waren, um sie zu erkennen. Erleichterung machte sich in ihr breit und sie fühlte sich, als würde ihr ein Stein vom Herzen fallen, ein zehn-Tonnen schwerer Stein.

„...lächerlich. Wo sollte ich denn hin?", hörte sie ihre Freundin murmeln, als sie sie fast erreicht hatten.

„Du traust dich was!", rief sie laut genug und grinste amüsiert auf Suns Reaktion, die erschrocken aufblickte und sich ans Herz fasste. Astrid war so froh, dass es ihr gut ging. Kurz musterte sie ihre Schwester auf mögliche Verletzungen und stellte beruhigt fest, dass sie Sun im ganzen Stück vorgefunden hatten.

„Mann, As! Wegen dir hatte ich fast einen Herzinfarkt!", sagte sie wütend und rutschte beiseite, sodass Astrid und Ca sich neben sie setzten konnten.

„Diese Tatsache beruht auf beiden Seiten", meinte Ca und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wie kann man nur so leichtsinnig sein und einfach abhauen?"

„Keine Ahnung, um ehrlich zu sein", gab Sun zu und wirkte dabei etwas niedergeschlagen, wie sie den Blick senkte. Als würde sie Reue zeigen.

„Ich konnte einfach nicht zuhause bleiben. Was, wenn mein Vater nicht wiederkommt? Dann würde ich mir Vorwürfe machen, ihm nicht zur Hilfe geeilt zu sein, um das vielleicht aufzuhalten. Naja, ich wusste sowieso nicht, wo er war, deswegen ist es ja auch egal."

„Und selbst wenn", versuchte Astrid ihrer Freundin zu erklären, „Wärst du ihm eher eine Last gewesen, ohne, das jetzt böse zu meinen. Denn da du dich noch nicht selbst verteidigen kannst, hätte er nicht nur sich selbst, sondern auch dich beschützen müssen."

„Ja, und außerdem hilft es niemanden, wenn zwei sterben", fügte Ca noch hinzu, legte jedoch einen Arm um Sun.

„Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst, und Dummheiten macht jeder, aber wir sollten jetzt echt nach Hause und schlafen."

„Ich weiß, keine Ahnung, was ich vorhatte. Tut mir leid, falls ich euch dadurch in Gefahr gebracht habe."

Astrid und Ca sahen sich nur an, sagten aber kein Wort. Sunny hatte sich einfach Sorgen gemacht, und daran war nichts falsch. Sie hätte nur nicht einfach losrennen sollen.

„Wenn wir nach Hause kommen, werden wir drei Köpfe kürzer gemacht", sagte Astrid und erzählte ihrer Ziehschwester von Mrs Walsers Anruf.

„O je, Mum hatte ich ganz vergessen! Ich glaube, ich will doch nicht nach Hause."

„Aber ich möchte", meinte Ca hingegen, die sich fröstelnd die Arme rief. Jetzt, wo sie nun nicht mehr länger rannten, was sie so einigermaßen warmgehalten hatte, spürten sie deutlich die Nässe und die dadurch entstehende Kälte, die einen bis in ins Mark drang. Die kühle Herbstnacht half da auch nicht viel.

„Wenn du nicht noch extra den weiteren Weg nach Hause laufen möchtest, könntest du auch bei uns übernachten", schlug Sun vor und Astrid glaubte, ein wenig Vorfreude darin zu hören. Auch Astrid fühlte sich bei dem Gedanken, ihre Freundin würde bei ihnen sein, wohler. Zum einen wusste sie sie dann in ihrer Nähe, zum anderen wäre sie nicht so allein nach einer sehr beunruhigenden Nacht.

„Das ist sowieso die beste Idee", stimmte sie ihrer Ziehschwester zu, „Wer weiß, was für Gestalten du sonst noch begegnest."

Ca schien zu überlegen. Einerseits musste es verlockend sein, jetzt nicht noch extra eine halbe Stunde zu laufen, durchnässt und frierend, nur um am nächsten Morgen mit einer fetten Erkältung aufwachen zu müssen. Andererseits konnte sich Astrid aber auch denken, dass sich ihr Vater, wenn er denn Zuhause war, große Sorgen um sie machen musste.

„Ich denke, wenn eure Mum nichts dagegen hat, geht das klar, ich muss nur noch meinem Vater schreiben", antwortete Ca schließlich.

„Das ist ja wie ein Mädelsabend", meinte Sun etwas erleichtert, um die Stimmung aufzulockern, aber Astrid unterbrach ihre gute Laune.

Wenn unsere Mutter das überhaupt erlaubt. Ich meine, wir sind mitten in der Nacht ausgebrochen ohne ihr Bescheid zu geben und haben uns in eine Gefahr gebracht, die uns im schlimmsten Fall den Tod gebracht hätte. Ich denke, zum Jubeln ist es noch zu früh. Und außerdem habe ich gut Lust, mich einfach in mein Bett zu werfen und zu schlafen", erklärte sie, aber konnte ja auch nicht erwähnen, dass sie eine viel aufregendere Nacht hinter sich hatte, als Sun. Trotzdem, nach ihrer Erklärung konnte sie förmlich spüren, wie Suns Freude sich genauso schnell verflüchtigte, wie sie gekommen war.

„Ach, Ada, du kleine Spaßverderberin", neckte Ca ihre Freundin und knuffte sie in die Seite.

„Mädelsabend hört sich toll an. Ist eine kleine Ablenkung von der aufregenden Nacht. Und Sunny, du solltest mir unbedingt noch alles über Tobias erzählen! Ich habe gehört, dass er dich datet."

„Naja, wir haben uns jetzt ein Mal getroffen", erwiderte Sun ein wenig verlegen," Und dabei dachte ich, dass daraus nie etwas werden würde, zumal er ja bis vor kurzem ein wenigen in Astrid verknallt schien."

An das euphorische Gespräch über Jungs zwischen ihren beiden Freundinnen, dass sie nun fortsetzten, als wäre nichts gewesen, konnte sich Astrid nur schwer beteiligen. Ihr schwirrte immer noch das Aufeinandertreffen mit dem Engel umher. Irgendetwas war da, irgendetwas Anderes, was sie störte... Sie war kurz davor, darauf zu kommen, als Sunny ihre Gedanken unterbrach.

„Hey, Ada, wir sind da", rief sie fast und wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum.

„Über was hast du denn so intensiv nachgedacht?"

„Ähm", fing Astrid an und war froh, dass es so dunkel war, dass man die Röte nicht sah, die in ihr Gesicht stieg.

„Unwichtig", antwortete sie zögerlich und sah weg.

Sun öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Astrid unterbrach sie.

„Wir sollten jetzt rein, sonst bekommen wir noch mehr Ärger."

Den würden sie sowieso bekommen, bedachte man die Tatsache, dass Mrs Walsers wahrscheinlich immer noch schäumte vor Wut und den Dreck, den sie jetzt wahrscheinlich im Flur hinterlassen würden. Astrids Mantel tropfte vor Nässe, ihren Haaren ganz zu schweigen, Ca als auch Sun wahren in keiner besseren Lage. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, es war nur noch ein leichtes Tröpfeln zu hören. Der Geruch von Regen und Kälte hing in der Luft, sodass Astrid tief einatmete. Es roch nach Herbst. Eine kleine Wolke bildete sich, als sie ausatmete.

„Meinst du, wir können so reingehen?", fragte Ca verunsichert und zeigte auf den Zustand ihrer Kleidungsstücke, die wie nasse Lappen an ihnen klebten. Scheinbar hatte sie ähnliche Gedanken wie Astrid.

„Ich denke, wenn wir die nassesten Sachen im Flur ausziehen und aufpassen, nicht zu viel Dreck zu hinterlassen, geht das klar", meinte Sun und ging voran, um die Tür aufzuschließen.

Zu dritt betraten sie den dunklen Flur, zogen Schuhe und Jacke aus und schlichen auf Zehenspitzen durch das überraschend dunkle Haus ins Badezimmer, um den Rest ihrer nassen Klamotten aufzuhängen.

„Irgendwas ist hier merkwürdig", stellte auch Sun fest, während sie versuchte, sich aus der nassen Hose zu schälen.

„Wieso ist es so still? Eigentlich hatte ich erwartet, dass Mum mit rotem Kopf vor Wut und verschränkten Armen in der Küche auf uns gewartet hätte und uns eine Standpauke halten würde."

„Ich finde es auch sehr seltsam", gab Astrid zu und ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit.

„Hey, macht euch keine Sorgen", meinte Ca optimistisch, „Es gibt bestimmt Grund, warum sie uns nicht empfangen hat. Vielleicht war sie ja müde und ist schon mal schlafen gegangen."

„Schlafen? Niemals", schüttelte Astrid den Kopf.

„Wer könnte den bitteschön schlafen, wenn er weiß, dass der Mann und die zwei Töchter draußen umherirren und dabei in Gefahr laufen, getötet zu werden?"

„Da muss ich Ada zustimmen", widersprach auch Sun Cas Aussage.

„Mum ist nicht so."

„Na schön, stimmt. Aber ich würde nicht das Schlimmste vermuten."

Astrid hatte irgendwie das Gefühl, Ca wolle sie ein wenig aufheitern, obwohl es offensichtlich war, dass etwas nicht stimmte. Doch so wirklich schaffte sie das nicht. Sie sah Sun an und erkannte sofort, dass sie sich große Sorgen machte, nur jetzt nicht nur um ihren Dad, sondern auch um ihre Mum. Am liebsten hätte Astrid ihr zugesprochen, dass sicher alles in Ordnung war, sowie es Ca versucht hatte, aber es würde nicht glaubwürdig rüberkommen, zumal Astrid eine äußerst schlechte Schauspielerin war und selbst nicht daran glaube, dass alles in Ordnung war.

Die drei Mädchen hatten sich gerade von ihren Klamotten befreit und ein Kopftuch um die Haare gewickelt, als plötzlich die Tür zum Bad aufgerissen wurde.

„Sunny! Ein Glück! Ich..."

Fire, der gerade seinen blonden Wuschelkopf durch die Tür gesteckt hatte, stoppte abrupt, als er realisierte, dass drei Mädchen in Unterwäsche vor ihm standen, wobei die eine ihm völlig fremd sein musste. Es war, als hätte jemand kurzzeitig die Zeit angehalten, als Sun schreiend die Tür vor seiner Nase zuschlug.

„DU PERVERSLING! WARTE NUR, BIS ICH WIEDER ANGEZOGEN BIN!"

„Tut mir leid, Sunny, ich wusste nicht...", hörte man Fire von draußen sich mit beschämter Stimme zu entschuldigen, doch er wurde von Sun unterbrochen.

„BEIM NÄCHSTEN MAL KLOPFST DU GEFÄLLIGST AN, DU SPANNER!"

„Lass ihn, Sun, er ist doch erst zehn, da sind die noch unschuldig", versuchte Astrid ihren kleinen Stiefbruder mit einem entschuldigenden Lächeln zu verteidigen, denn Suns Kopf war so rot geworden, dass Astrid fürchtete, er würde platzen. Wahrscheinlich war ihr das auch nur peinlich ihren Freundinnen gegenüber, dachte Astrid und sah zu Ca, die mit einem amüsierten Lächeln zeigte, dass sie überhaupt keine Probleme damit hatte, dass der kleine Bruder ihrer Freundinnen sie in Unterwäsche gesehen hatte. Sun schien sich ein wenig abgekühlt zu haben und warf uns drei Bademäntel zu, bevor sie die Tür wieder aufmachte. Fire stand immer noch genau davor und blickte entschuldigend zu seiner Schwester hoch.

„Kein. Wort. Zu. Niemanden. Ist das klar?", knirschte Sun ein letztes Mal und er nickte eingeschüchtert.

„Gut, dann erzähl mal. Was ist los? Wo ist Mum?", fragte sie, während sie sich wieder nach unten ins Wohnzimmer begaben und es sich auf der Couch bequem machten.

„Nun...", begann Fire zögerlich und blickte auf seine Hände, die nervös miteinander spielten.

„Mum ist... im Krankenhaus."

„WAS?!", fuhr es gleichzeitig aus Astrids und Sunnys Mund und sie blickten sich sorgenvoll an.

„Nein, nein, nicht so", berichtigte sich Fire, während er gähnte „Es ist wegen Dad, er ist verwundet. Er kam nach Hause, als ihr gerade draußen unterwegs wart und hatte schon gehumpelt, als Mum herbeilief und ihn stützen musste. Daraufhin sind sie ins Krankenhaus gefahren."

„So schlimm?"

„Keine Ahnung, Mum hat mir nichts gesagt. Sie hat mir auch die Sicht verdeckt, ich konnte gar nicht sehen, ob es irgendetwas schlimmes war. Sie meinte nur, dass ich hierbleiben, alle Fenster und Türen verriegeln und falls ihr bis Morgengrauen nicht wieder da wärt sie unbedingt benachrichtigen solle."

Astrid und Sun tauschten wieder einen Blick aus, während Ca daneben saß und mitleidig in die Runde sah. Fire gähnte nochmals wie ein Löwe, was für Sun das Signal war, ihn ins Bett zu schicken, schließlich hatten sie alle genug Aufregung für heute. Er widersprach nicht und schlurfte die Treppe schon im Halbschlaf hinauf. Die Mädchen warteten, bis er außer Hörweite war.

„Alles okay, Sunny?", fragte Astrid vorsichtig ihre Schwester, unter deren Augen sich schon deutliche Augenringe abzeichneten.

„Ich glaube", meinte schließlich Ca, „Wir sollten uns alle hinlegen."

Astrid fasste sich an die Stirn, als ihr plötzlich etwas sehr Wichtiges einfiel.

„Was ist los?", fragte Ca.

„Ich habe morgen Training! Leaga wird nicht sehr erfreut sein, wenn ich todmüde auf der Matte stehe."

„Stimmt", lachte sie mitleidig.

„Deswegen ist es besser, sich schlafen zu legen", wiederholte sie und legte einen Arm um die bedrückend dreinschauende Sun. Wie aus den Gedanken gerissen nickte sie hastig.

„Ja... wahrscheinlich", antwortete sie, und Astrid nahm stark an, dass sie die Frage nicht einmal mitbekommen hatte.

Sie sah beunruhigt ihre Schwester an, die schon wieder nur mit ihrem Körper anwesend zu sein schien. Mit hypochondrischem Blick starrte sie in die Leere und hinterließ ein Gefühl von Hilflosigkeit in ihren an ihrer Seite sitzenden Freundinnen, die nun beunruhigte Gesichter austauschten. Mit einer stummen Bitte in ihrem Gesicht, ob Ca etwas dagegen hätte, bei Sun zu bleiben und in ihrem Zimmer zu übernachten, wandte sich Astrid an sie und bekam ein Nicken als Antwort. Es war schon eine Freundschaft geworden, dachte sie, bei der keine Worte brauchte, um sich zu verstehen, wahrscheinlich aber dachte Ca genauso wie sie.

Astrid stand auf und wollte gehen, aber ihr Blick blieb wieder an Sun hängen. Vielleicht war es noch besser, sie würde auch dableiben, immerhin gab es hier noch eine kleine Couch.

„Komm, Ca, wir ziehen die Couch aus", appellierte Astrid an ihre Freundin die nickend aufstand. Sun prang auf, als sie realisierte, was ihre Freundinnen vorhatten und half ihnen. Ohne immer noch ein Wort gesagt zu haben, verschwand sie und holte für Ca Bettwäsche, während Astrid ein etwas weites T-Shirt und eine Jogginghose für Ca aus ihrem Schrank holte, doch durch Cas kurvigere Figur saß es etwas eng.

Bevor Astrid sich zu den anderen hinlegte, die inzwischen unter die warmen Bettdecken gekrochen waren, hatte sie das Verlangen, noch einmal duschen zu gehen. Das heiße Wasser tat ihr gut, und während sie wieder neue Energie tankte, wanderten ihre Gedanken ziellos umher. Sie wusste nicht, wie lange sie unter der heißen Dusche stand und sich einfach vom Wasser hatte berieseln lassen, damit es ihre ganzen wirren Gedanken fortspülen konnte, aber als sie schließlich die Duschkabine verließ, waren ihre Hände schon ganz schrumpelig wie die einer alten Frau. Sie band sich ein Handtuch um ihren Körper und wischte den beschlagenen Spiegel ab, um sich zu sehen. Dabei fiel ihr auf, dass sie sich in den letzten Wochen ziemlich verändert hatte. Die Wangen waren im Gegensatz zu ihrem ersten Tag hier nun fülliger und hatten eine sanfte rosa-Farbe. Ihr Blick blieb an dem Katzer hängen und sie berührte ihn leicht mit den Fingern. Die Erinnerung der kürzesten Geschehnisse drängten sich wieder in ihrem Kopf, aber Astrid schob sie gewaltvoll beiseite und blickte sich wieder im Spiegel an. Ihre Augenringe waren zwar nicht verschwunden, aber ihre Augen blickten lebendig wenn auch betrübt und ihre Haut hatte eine gesündere Farbe angenommen. Auch ihr Körper hatte mehr Muskeln aufgebaut – und auch an den fraulichen Stellen ein wenig mehr Fett angesetzt- und sah somit nicht mehr so aus, als stünde Astrid am Abgrund einer Magersucht. Sie war wie neu ausgetauscht, aber sie musste sich selbst eingestehen, dass ihr ihr neues Ich gefiel. Endlich lebte sie.

Sie schüttelte den Kopf. Nur zu welchem Preis? Ihr ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt und sie sah sich gezwungen, sich den Rest ihres Lebens zu verstecken oder zu kämpfen oder zu hoffen, nie von den Engeln gefunden zu werden. Doch gerade sie schien ja besonders gesucht. Außerdem hatte sie doch jetzt etwas zu beschützen, oder? Konnte sie denn schon so weit denken, sich so sicher sein? Vielleicht aber dachte sie auch nur so, weil Freundschaft für sie ein immer noch überwältigendes Gefühl übermittelte, was sie noch nie so stark empfunden hatte und war dementsprechend auch so empfindlich was die Sache anging. Sie wollte nicht, dass das Gefühl verschwand. Sie wollte es und ihre Freunde schützen, denn während ihres Lebens hatte sie gelernt, Freundschaft wertzuschätzen und nicht als selbstverständlich anzusehen.

Sie wickelte sich noch ein kleines Handtuch um den Kopf und schlüpfte, nachdem sie sich abgetrocknet hatte, in ihre bequemen Schlafsachen, erwartungsvoll, endlich unter ihre warme Bettdecke zu kriechen und erholsamen Schlaf nachzuholen. Sie ging die ganze Nacht noch einmal im Kopf durch, wie erst Mr. Walsers verschwand, Sun abgehauen ist und Fire gleich hinterher wollte. Und wie sie und Ca Sun wieder nach Hause gebracht hatten. Ihr fiel auch der Engel wieder ein und ein ekelerregendes und angstähnliches Gefühl machte sich in ihrer Magengrube breit. Sie wünschte, sie wäre mutiger, wäre stärker. Sie hätte ihn überwältigen müssen, gefangen nehmen, damit die Seraphs Informationen bekamen und einen Gegner weniger hatten. Je mehr Engel aus Itrofs Reihe fielen, desto schwächer wurde er und seine Armee und desto stärker würden die Dämonen werden. Wenn sie diesem Engel das nächste Mal begegnete, konnte er sich auf etwas gefasst machen. Dann würde sie ihn nicht so einfach entkommen lassen. Aber denke auch an deine Gruppe, schoss es ihr durch den Kopf. Stimmt. Sie mussten zusammenhalten. Wenn Astrid etwas auf eigene Faust unternahm, konnte das schlimm enden, und Rogue Six könnte darunter leiden. Vielleicht war es ja gut, dass nichts weiter zwischen ihr und ihm passiert war. Gähnend überlegte sie, was alles hätte passieren können und gab sich damit zufrieden, dass ihre wilden Spekulationen zum Glück nicht der Wahrheit entsprachen, sondern nur aus ihrer eigenen, wirren Fantasie entstanden.

Als sie zurück in Cas Zimmer tapste, merkte sie, dass ihre beiden Freunde noch nicht eingeschlafen waren. Ca drehte sich unruhig hin und her und Sun blickte wahrscheinlich mit offenen Augen an die Wand. Astrid hoffte wenigstens auf ein paar Stunden Schlaf, doch auch für sie war es unmöglich, zu schlafen, da ihre Gedanken durch den Kopf sausten und einfach nicht Ruhe geben wollten. Draußen begann es schon heller zu werden.

Als sie schließlich jedoch endlich in einen leichten Schlaf fiel, war dieser alles andere als erholsam, denn ihr Albtraum holte sie wieder ein und Astrid schreckte schweißgebadet hoch. Wieso träumte sie nur immer von ihrem eigenen Tod? Eigentlich war sie nicht abergläubisch, aber irgendwie machte es ihr schon Angst.

Mit einem Blick zu ihren Freundinnen stellte sie fest, dass sie es geschafft hatten, einzuschlafen und das sanft heller werdende Licht, das zum Fenster hineindrang, verriet ihr, dass es bald der Morgen anbrechen würde und es wahrscheinlich keinen Sinn mehr hatte, überhaupt noch zu versuchen, zu schlafen. Seufzend schwang sie sich aus ihrer Bettdecke, ging in die Küche und wollte sich einen Kaffee machen, als sie vor Schreck fast laut losgeschrien hätte.

Mrs Walsers saß am Tisch, das Gesicht in den Händen vergraben und weinte.

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