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Müde sitze ich in den Zweigen eines alten Kirschbaumes und zupfe nach und nach die kleinen Kirschblüten ab. Über meine Beine kriechen Ameisen und Insekten brummen am ruhigen Abendhimmel umher. Gott allein weiß wie viele Mückenstiche ich schon habe.
Die ein oder andere habe ich bereits zwischen meinen Fingern zerdrückt, ich spüre mein eigenes, warmes Blut zwischen meinen Fingern. Doch Mrs Kim -der Herr segne sie- will einfach nicht schlafen.
Acht Moskitos. Mein Magen knurrt. Ich drücke einmal fest dagegen und das Knurren hört auf.
Durch das Fenster sehe ich sie im Gemeinschaftsraum vor dem alten Fernseher sitzen. Der blaue Schein liegt auf ihrem Gesicht, während ihre Brille beim Lachen auf- und abwippt.
Ich würde gerne wissen was sie schaut, da ihre ganzen Schüler nun im Bett sitzen und schlafen.
How I met your mother? King of Queens? Was finden Lehrerinnen lustig?
Sollte sie nicht lieber Arbeiten korrigieren oder so?
Ich sehe auf meinem Handy nach, wie spät es ist und überlege, ob ich nicht vielleicht morgen wiederkommen und dieses alte Fernsehgerät mitgehen lassen soll, damit das ein Ende hat.
Doch endlich lässt Mrs Kim den Kopf auf die Brust sinken und schließt die Augen.
Ich betrachte sie noch ein bisschen und warte, bis ihre Atmung gleichmäßig ist, dann lasse ich mich die Schulmauer runter.
Sobald ich unten angekommen bin, kommt ein schwarzer Wachhund auf mich zugesprintet. Ich hebe die Arme. »Shhht, Jeontugi«, flüstere ich und lege mir den Zeigefinger auf die Lippen. »du weckst noch Mrs Kim.« Jeontugi wedelt leicht mit dem Schwanz und leckt sich die Lefzen.
Er ist ein alter Freund von mir, seitdem ich 5 bin kennen wir uns.
»Y/N!« höre ich ein Mädchen zwischen den Gitterstäben eines Fensters hinter mir sagen. Ich drehe mich um und komme näher.
Kiki hält sich an den Stäben fest, als könnte sie diese auseinanderziehen. Ich schenke meiner kleinen Schwester ein kurzes Lächeln.
»Geht's dir gut?«, frage ich. »Die Pinguine hacken nicht zu sehr auf dir rum, oder?«
Kiki schüttelt den Kopf. »Und du?«
»Bei mir gibt's keine Pinguine. Können nicht fliegen, die Viecher.«
»Du weißt genau was ich meine, Y/N.«
»Mir geht's gut. Hey, ich hab dir was mitgebracht.«
Ich hole ein paar HB-Bleistifte und ein kleines, buntes Schulheft mit der Aufschrift SCHOOL DAYS! heraus.
»Y/N, ich bekomme alles was ich brauche von den Lehrerinnen«, sagt sie zögernd. »Du brauchst für mich nicht stehlen.«
»Ach, die geben dir doch nur das, was eh keiner braucht. Du sagst du willst von milden Gaben leben.«
»Das sind auch milde Gaben.«
»Das ist nicht das Gleiche, ich bin Famile, yeodongsaeng.«
Kiki kommt noch näher zu den Gitterstäben, die uns trennen.
»Muss gleich weg, bin mit Yoongi verabredet.«
»Aber-«
»Kein Aber.« zische ich scharf, zu scharf.
Kiki lässt die Schultern sinken.
»Hey«, ich schiebe einen Arm durch das Gitter und streiche ihre gewellten, braunen Haare glatt. »Ich komme doch wieder.«
»Ja?«
»Ja.«
Ein kleines Schmunzeln zieht meine Mundwinkel nach oben.
»Heute, nächste Woche?« frage ich.
»Aber ehrlich.«
»Klar doch.«
Langsam ziehe ich meinen Arm wieder zu mir.
»Achja und Y/N?«, Kiki streckt ihre Hand mit einem Stück Weißbrot nach mir aus. »Hier, für dich.«
Ich nehme das Stück dankend an. Jeontugi jault hinter mir. »Psshht, ist ja gut«, ich werfe ihm die Hälfte zu. »hier hast du's.«
Hechelnd setzt er sich auf den Boden und genießt sein Stückchen.
Ich lasse die Gitterstäbe los und will gehen.
»Du kannst auch hierbleiben, eonni-«
Ich sehe seufzend zurück.
»Du weißt, dass das nicht geht. Ich bin zu alt. Die nehmen keine 16-jährigen in ihrem Internat auf. Und vor Allem brauche ich Freiraum.«
»Geh noch nicht, Y/N.«
Sie drückt ihre Nase gegen das Metall.
»Sei brav, okay? Mach deine Hausaufgaben und lass dich nicht von den Pinguinen erwischen, wenn du nachts nicht im Bett bist.«
Sie nickt etwas traurig.
Ich lächle ihr noch einmal zu, und schon bin ich wieder mit der Nacht verschmolzen.
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Glossar:
Pinguine- Ein Spitzname, den sich Kiki für die Wachen, die das Internat von ihr beschützen, ausgesucht hat.
Yeodongsaeng- Koreanisches Wort für kleine Schwester.
Eonni- Koreanisches Wort für große Schwester.
Jeontugi- Koreanisches Wort für Kämpfer, Name vom Wachhund des Internats von Kiki
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