Kapitel 7
"In deinem Universum, kennst du mich da überhaupt?", fragte Draco am nächsten Morgen beim Frühstück. Hermine sah vom Tagespropheten auf, den sie gelesen hatte, um dem unangenehmen Schweigen aus dem Weg zu gehen.
"Hast du also beschlossen, mir zu glauben?", gab sie eine Frage zurück, statt seine zu beantworten. Er zuckte mit den Schultern.
"Ich sehe nicht wirklich eine Alternative.", antwortete er. "Eigentlich nicht wirklich. Aber falls du doch die Wahrheit sagst, dann klingt es für mich nicht so, als würde ich meine Frau jemals wiedersehen, wenn ich dich jetzt ins St. Mungo's sperre, also..."
Hermine musste grinsen.
"Vollkommen uneigennützig, also.", stichelte sie und er brachte beinahe ein Lächeln zustande, bevor er wieder besorgt schaute und an seiner Kaffeetasse herumspielte.
"Ich denke, du kannst nachvollziehen, dass ich möchte, dass sie schnellstmöglich wieder hierher zurückkehrt.", sagte er leise. "Es geht ihr ohnehin schon nicht gut und...das ist sicher nicht leicht für sie."
Hermine fiel schlagartig der erste Unfall von Hermine Malfoy wieder ein. Natürlich machte er sich Sorgen. Sie griff über den Tisch nach seiner Hand und drückte sie sanft.
"Wir bekommen das schon wieder hin.", versprach sie ihm. "Ich will genauso dringend, dass wir zurücktauschen, wie du. Und wir sind auf einem guten Weg, glaub mir."
Er atmete tief durch und nickte.
"Ich weiß.", murmelte er und fuhr sich durch die Haare. "Ist es verrückt, dass ich wirklich kurz davor bin, dir das alles abzukaufen?", fragte er dann. Hermine musste lachen.
"Ist es verrückt, dass du deiner Frau, die letztens die Treppe hinuntergefallen ist und ihre Erinnerungen verloren hat, glaubst, dass sie eigentlich gar nicht deine Frau ist, sondern eine andere Version von sich selbst aus einem Paralleluniversum?", fragte sie und zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, sag du es mir."
Jetzt musste er auch leise lachen.
"Vielleicht werde ich ja auch selbst verrückt?", fragte er dann. Hermine schmunzelte und zuckte mit den Schultern. Er nahm noch einen Schluck von seinem Kaffee. "Du hast mir meine Frage nicht beantwortet."
Hermine zog die Stirn kraus.
"Welche Frage?"
"Ob du mich in deinem Universum kennst?", wiederholte er. Hermine zögerte.
"Schon.", gab sie dann zu. "Aber eben nur aus der Schule. Also...ich hab dich, oder naja, nicht dich, aber du weißt schon...Draco Malfoy aus meiner Welt...den habe ich seit dem Krieg nicht mehr gesehen."
Er schien zu überlegen, dann fiel ein Schatten über sein Gesicht.
"Oh.", machte er leise. "Dann...kennst du mich quasi nur als...verzogenen, arroganten Slytherin, hm?"
Hermine schnitt eine Grimasse.
"Naja, sagen wir mal so.", versuchte sie es diplomatisch zu formulieren. "Ich war ein bissen schockiert von der Vorstellung, mit dir in irgendeinem Universum verheiratet zu sein." Sie faltete den Tagenspropheten zusammen und legte ihn auf den Tisch. Draco lachte in sich hinein.
"Das kann ich mir vorstellen." Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
"Du hast es aber ziemlich schnell geschafft, meine Meinung über dich zu ändern.", warf Hermine schnell ein. "Ich bin selbst überrascht, aber du bist tatsächlich ein Mensch, mit dem ich gut auskommen könnte."
"Es freut mich, das zu hören." Draco stand auf und schwang seinen Zauberstab, sodass der Tisch begann, sich selbst abzudecken. Hermine erhob sich ebenfalls. Gemeinsam sahen sie zu, wie sich die Sachen wegsortierten, ordneten hier und da doch noch etwas um und sammelten ihr Zeug zusammen. Hermine hatte Draco mittlerweile auch eingeweiht, dass sie nicht den ganzen Tag zuhause herumsaß, was ihn wie erwartet nach dem gestrigen Geständnis wenig überraschte.
Sie disapparierten zeitgleich.
Stibbons öffnete mit einem lässigen Schwung seines Zauberstabs die Haustür, sodass Hermine eintreten konnte. Auf dem Tisch dampfte ein Himbeertee für sie und er fummelte an dem kleinen Kommunikator herum. Hermine sah ihm dabei zu, während sie ihre Tasche auf einen nur halb vollgestellten Küchenstuhl fallen ließ.
"Na? Erfolgreich?", fragte sie, als er es nach zehn Minuten auf den Tisch legte. Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Ich hätte genauso gut eine Schüssel Flohpulver daran vorbeitragen können.", grummelte er. "Bitte sag mir, dass du etwas gefunden hast."
Hermine lächelte geheimnisvoll und holte ihr Buch hervor.
"Ich hatte am Wochenende tatsächlich noch einige Ideen.", erklärte sie. "Die gute Nachricht ist, dass es mit einigen Verbesserungen tatsächlich funktionieren könnte." Sie blätterte eifrig in ihren Notizen. Stibbons sah ihr über die Schulter.
"Und die schlechte?", fragte er dann skeptisch. Hermine lächelte etwas verkniffen.
"Wir müssen es noch einmal komplett auseinander nehmen."
Am späten Nachmittag hatten sie tatsächlich die meisten Zauber rückgängig gemacht und einen großen Teil der Rädchen und Schrauben gelöst. Außerdem war Stibbons jetzt voll im Bilde über die Situation im Hause Malfoy und Hermine wusste alles über den attraktiven jungen Mann, der nebenan eingezogen war, der immer Rosen für seine Großmutter kaufte und der Stibbons immer grüßte, wenn sie sich trafen, wobei er immer ein bisschen rot wurde, was total süß war.
Später als sonst apparierte sie nach Hause zurück und war zum ersten Mal nach Draco dort, der sich nach ihren Fortschritten erkundigte, bevor sie wieder in ihren allabendlichen Trott verfielen.
So vergingen die nächsten Tage. Draco ging zur Arbeit, Hermine und Stibbons bauten den Kommunikator vollständig auseinander und begannen dann, die neuen Erkenntnisse zu integrieren.
Am Freitagmorgen fragte Draco beinahe schüchtern, ob er nach Feierabend, was bereits mittags war, mal schauen dürfe, was sie so tat. Und da Stibbons so oder so die ganze Zeit schon neugierig war, den Mann kennen zu lernen, mit dem Hermine unfreiwillig verheiratet war, hatte sie ihn kurzum eingeladen, zu Stibbons zu kommen, wenn er fertig war.
Deshalb klingelte es gegen halb zwei mittags an der Tür.
Stibbons und Hermine sahen sich etwas zweifelnd an. Hermine hielt zwei kleine Teile fest, die sich keinen Millimeter bewegen durften, während Stibbons, den Zauberstab zwischen die Zähne geklemmt mit einer kleinen Nadel in einem winzigen Schlüsselloch herumstocherte, um einen Draht an die richtige Stelle zu bekommen. Seine andere Hand hielt eine kleine Klappe offen.
In einer Aktion, die Hermine gleichzeitig sehr faszinierend und ein bisschen ekelig fand, drehte Stibbons den Zauberstab in seinem Mund und bewegte seinen Kopf, sodass er die richtige Bewegung ausführte, um Draco ins Haus zu lassen.
"Da ist man froh, ungesagte Zauber gelernt zu haben, was?", kommentiere Hermine das ganze. Stibbons verdrehte die Augen und machte eine auffordernde Kopfbewegung in Richtung des Kommunikators. Hermine lehnte sich nach vorne, um zu sehen, was er tat.
"Genau, jetzt der Draht in diese kleine Öse da drüben und dann kann ich loslassen.", wies sie ihn an.
Draco war offenbar ihrer Stimme gefolgt und stand im Türrahmen. Er beobachtete interessiert, wie die beiden an dem kleinen Gerät herumfummelten. Stibbons brauchte fast zwei Minuten um den Draht richtig einzufädeln, dann atmeten er und Hermine synchron tief aus und ließen von dem Kommunikator ab.
"Hi.", begrüßte Hermine ihren Zuschauer, der schwer beeindruckt aussah.
"Hallo.", grüßte er zurück, die Augen noch immer auf das kleine Gerät gerichtet. "Das sieht...kompliziert aus."
"Ach, es geht schon.", sagte Hermine gleichzeitig, als Stibbons murmelte: "Ist es auch." Sie sahen sich an und Hermine schmunzelte.
"Es hängt wohl ein bisschen davon ab, wie gut man sich damit auskennt.", räumte sie ein. Sie sah Stibbons auffordernd an, der ihren Blick fragend erwiderte. Hermine sah demonstrativ zu Draco hinüber, woraufhin Stibbons endlich einzufallen schien, dass es ja außerhalb seiner grummeligen Blase etwas gab, das sich "Höflichkeit" nannte. Er streckte die Hand aus.
"Stibbons.", nuschelte er in seinen nicht vorhandenen Bart. "Willkommen oder so."
Hermine war schwer beeindruckt und musste sich das Lachen verkneifen. Die sozialen Fähigkeiten ihres besten Freundes waren wohl tatsächlich eine universelle Konstante.
Draco ergriff die Hand.
"Draco Malfoy.", sagte er. "Danke für die Einladung."
Stibbons brummte nur etwas Undefinierbares, was gleichsam eine Zustimmung, ein genervter Kommentar oder eine Beleidigung hätte sein können und stapfte hinüber zum Tisch, wo er wortlos die Kaffeekanne und den Wasserkessel hochhielt. Draco sah etwas unsicher zu Hermine.
"Möchtest du Kaffee oder Tee?", übersetzte sie mit einem kleinen Augenverdrehen. Stibbons legte auffordernd den Kopf schräg.
"Kaffee.", entschied Draco wenig überraschend. "Danke."
Stibbons holte eine Tasse aus dem Schrank und stellte sie auf den Tisch. Dann durchquerte er wieder den Raum und beugte sich über Hermines und seine Skizzen. Draco stand ein bisschen planlos im Zimmer, also beschloss Hermine, ihn aus seiner Starre zu lösen und winkte ihn zum Tisch, wo sie ihm Kaffee in die Tasse goss.
"Ist er auch aus deinem Universum?", wisperte er. Hermine schüttelte den Kopf.
"Nein.", antwortete sie. "Er ist von hier, aber er arbeitet mit Zeitumkehrern, also brauche ich seine Hilfe." Sie drückte Draco die Tasse in die Hand, die er dankend annahm.
"Aber du kennst ihn von...deiner Seite oder was?", fragte er. Hermine nickte.
"Drüben ist er mein bester Freund. Wir wohnen zusammen und arbeiten zusammen.", erzählte sie. Draco sah über seine Schulter.
"Warum kann er mich nicht leiden?", fragte er dann noch ein bisschen leiser, als vorher. Hermine musste lachen.
"Stibbons kann niemanden leiden.", informierte sie ihn. "Es sei denn er entscheidet sich bewusst dafür oder trinkt zu viel. Oder du redest mit ihm über seine Arbeit." Sie zuckte mit den Schultern. "Er ist ein bisschen seltsam. Aber er ist eben ein Wissenschaftler, da darf man das wohl."
"Arbeiten wir jetzt weiter oder nicht?", fragte Stibbons laut von der anderen Seite des Raumes. Hermine und Draco tauschten ein Grinsen, dann stellten sie ihre Tassen ab und gesellten sich zu ihm.
Im Verlauf des Nachmittags bauten Hermine und Stibbons einige kleine Teile ein und Draco wurde grob in ihren Plan, Kontakt zu Hermines Welt aufzunehmen, eingeweiht. Gegen Abend machten sie sich gemeinsam auf den Weg nach Hause.
"Wir könnten laufen.", schlug Draco vor. "Ich meine, es ist Sommer und das Wetter ist gut. Da hinten ist ein Stand mit Kürbispasteten, was meinst du?"
Hermine sah ihn überrascht an.
"Zu einem abendlichen Spaziergang?", fragte sie erstaunt. "Meinetwegen gern."
Sie steuerten auf den Straßenverkauf zu und bestellten sich das Essen.
"Ich hätte dich nicht für jemanden gehalten, der Pasteten von einem magischen Imbissstand am Borough Market isst.", bemerkte sie, als sie durch die Straßen schlenderten. Draco lachte leise in sich hinein.
"Lass mich raten.", sagte er dann. "In deiner Vorstellung bin ich jemand, für den eine Mahlzeit unterhalb eines Gourmet-Restaurants absolut undenkbar ist."
Hermine seufzte schuldbewusst.
"Vielleicht.", erwiderte sie ausweichend. "Mein Draco Malfoy kann dir auf jeden Fall dankbar sein, wenn ich ihm irgendwann noch einmal begegne. Es würde ihn sicher von den Socken hauen, wenn ich so mit ihm reden würde, wie ich jetzt mit dir rede." Sie zuckte mit den Schultern. "Aber irgendwie käme ich mir auch ziemlich schäbig vor, ihn unhöflich zu behandeln, jetzt, wo ich weiß, dass er vermutlich gar kein schlechter Kerl ist."
Draco kämpfte ein bisschen mit seiner Pastete, während er ihr zugehört hatte. Als er damit fertig war, reinigte er seine Finger mit einem schnellen Zauber, bevor er sie in seinen Hosentaschen vergrub. Sie schlenderten durch einen Park, in dem Hermine noch nie gewesen war.
"Erzähl mir mehr von deiner Welt.", bat er dann. Hermine sah ihn überrascht an.
"Was interessiert dich denn?", fragte sie. Er zuckte mit den Schultern.
"Die Unterschiede vor allem.", meinte er. "Und du. Ich...finde die Vorstellung seltsam, dass du vermutlich die Hermine Granger bist, die meine Frau hätte sein können, in einem anderen Leben. Und ich bin neugierig, wer diese Frau ist."
Hermine überlegte kurz.
"Du hast zum Beispiel erzählt, dass du mit Stibbons zusammen wohnst.", schlug er ihr dann einen Anfangspunkt vor. Hermine nickte.
"Naja, als Forscher verdient man nicht so gut, wie als Ministeriumsangestellter. Und da wir das meiste von unserer Ausrüstung auch selbst kaufen müssen, ist eben nicht viel übrig am Ende.", begann sie zu erzählen. "Also wohnen Stibbons und ich zusammen mit noch einer weiteren Person, Rosa. Sie ist..." Hermine suchte nach einem passenden Wort. "...anders als wir. Aber es geht."
Draco schmunzelte.
"Ich verstehe.", sagte er. "Also wohnt ihr aus pragmatischen Gründen zusammen. Du hast also...keinen Partner?"
Hermine musste grinsen. Daher wehte also der Wind.
"Wieso?", fragte sie scherzhaft. "Eifersüchtig?"
Draco verdrehte die Augen.
"Neugierig.", stellte er klar. Hermine schmunzelte. "Also?"
"Nein.", sagte sie. "Ich war nach dem Krieg kurz mit Ron zusammen, aber das hat nicht wirklich funktioniert. Vor allem, weil ich ja erst noch einmal zur Schule gegangen bin und mich dann voll auf die Forschung konzentriert habe. Und dann...dann war da noch diese kurze Geschichte mit Ella, einer Arbeitskollegin. Aber auch das ging nicht lange." Sie zuckte mit den Schultern. "Also nein, keine Partner. Wobei mich das auch nicht wirklich gestört hat, bisher..." Sie verstummte und spürte Dracos Blick auf sich.
"Bisher?", hakte er nach. Hermine blieb stehen, er folgte ihrem Beispiel. Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
"Darf ich ehrlich mit dir sein?", fragte sie. Er zog überrascht die Augenbrauen hoch.
"Selbstverständlich.", sagte er. Hermine zögerte.
"Hier zu sein, in...eurem Haus, in eurem Leben.", meinte sie leise. "Ich...ich bin ein bisschen traurig, das in meinem Universum verpasst zu haben.", gestand sie. "Versteh mich nicht falsch, ich bin gerne Forscher, ich liebe alle Freiheiten, die ich habe und ich würde das alles um nichts in der Welt gegen euer Vorstadthaus und den Job im Ministerium eintauschen wollen. Aber ich habe gemerkt, wie du mich angeschaut hast, bevor du wusstest, dass ich nicht sie bin. Und ich...beneide sie ein bisschen." Sie verstummte und sah zu Boden. Draco schwieg. "Tut mir leid.", murmelte sie.
Eine sanfte Hand berührte sie vorsichtig an der Schulter. Sie sah auf. Draco sah sie direkt an und Hermine überrollte eine plötzliche Welle der Scham, sich ihm so anvertraut zu haben. Was sollte er schon tun? Es war ja nicht seine Schuld.
"Komm.", sagte er ruhig und schob sie sanft an, sodass sie sich wieder in Bewegung setzten. "Gehen wir nach Hause."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro